Eco. Life. Style.

Kategorie: Kolumnen.

Aus der Redaktion. Liebes 2015!

Liebes 2015, Schön, dass du da bist! Schon einen Monat hast du mich begleitet und ich muss sagen, du gefällst mir deutlich besser als 2014. Ich würde das letzte Jahr…

Liebes 2015,

Schön, dass du da bist! Schon einen Monat hast du mich begleitet und ich muss sagen, du gefällst mir deutlich besser als 2014. Ich würde das letzte Jahr zwar nicht durchwegs als schlecht, aber doch als äußerst schwierig bezeichnen.  Dabei fing es sehr vielversprechend an, am 1. Januar 2014 ist The bird’s new nest gestartet und ich war glücklich und motiviert mit einem tollen Team von über 40 Personen den Traum eines Online-Magazins rund um das Thema Nachhaltigkeit zu verwirklichen. Außerdem hatte ich noch viele weitere Pläne – ich wollte in diesem Jahr umziehen und mich aus meinem neuen Home Office heraus selbstständig machen. Das erste Monat verging wie im Flug, denn seit dem Start von The bird’s new nest als Online-Magazin herrscht hier Hochbetrieb – Nachhaltigkeit ist offenbar kein Thema, das nur uns interessiert, sondern auch viele interessierte Leser angesprochen hat.

Im Februar 2014 waren dann aber alle Pläne auf Eis gelegt. Meine Mutter hatte eine Gehirnblutung und lag fast sechs Wochen im Koma. Noch dazu kam die Information, dass die Wohnung, die ich im Mai beziehen wollte nicht rechtzeitig fertiggestellt werden könnte, weil die Gemeinde die Bewilligung zum Bau nun doch nicht erteilt hatte. Des weiteren hatte ich mich schon 2013 für das Unternehmensgründungsprogramm beworben, das Personen in Österreich hilft, sich selbstständig zu machen – doch beim Erstgespräch war mein zukünftiger Betreuer nicht sonderlich begeistert davon, dass ich ihm einerseits nicht sagen konnte, wann ich ein funktionierendes Home Office haben würde, denn noch war unklar, wann meine Wohnung nun fertiggestellt werden würde. Und dass ich mindestens drei Tage die Woche bei meiner Mutter im Spital oder mit meinem Vater verbrachte, um meinen Eltern emotional beizustehen oder wichtige Angelegenheiten zu regeln, war auch keine gute Voraussetzung für eine Selbstständigkeit. Deshalb war die Antwort auf meine Bewerbung auch nicht überraschend: Abgelehnt!

Und was jetzt? Wir wussten damals nicht, ob meine Mutter das Koma überhaupt überleben würde, auf einmal war auch die Finanzierung meiner Wohnung in Gefahr und ich wusste nicht mehr, ob ich überhaupt umziehen würde. Nach dem Schock über die Ablehnung wurde mir klar: In dieser Situation ist es mir so und so nicht möglich, mich selbstständig zu machen. Denn neben der Unsicherheit und Hilflosigkeit, die ich empfand, habe ich auch sehr darunter gelitten, dass es meiner Mutter immer wieder sehr schlecht ging und ich trotz allem meinen Vater entsprechend unterstützen wollte. An manchen Tagen hatte ich das Gefühl, ich schaffe es einfach nicht mehr.

Und so war Abwarten die Devise. Abwarten, wie sich der Zustand meiner Mutter entwickeln würde. Abwarten, was mit der Finanzierung meiner Wohnung passiert. Abwarten, ob und wann die Wohnung fertiggestellt wird. Aber einfach abwarten und nichts tun ist nicht mein Fall. Außerdem benötigte ich dringend Ablenkung und so habe ich mich entschieden, die Zeit zu nutzen um mich ganz The bird’s new nest zu widmen. Diese Entscheidung, das tolle Team und meine Freunde haben dazu beigetragen, dass ich 2014 überstanden habe und auf einmal du vor der Tür standest, das hoffnungsbringende 2015!

Und du hast tatsächlich wunderbar begonnen! Meiner Mutter geht es auf einmal besser, sie kann sogar wieder ein wenig schreiben! Und obwohl sie ein schwerstbehinderter Pflegefall bleiben wird, gibt es nichts Schöneres für mich, als meine Mutter lächeln zu sehen, wenn ich vor ihr stehe. Ich bin umgezogen! Trotz aller finanziellen Probleme, die sich im letzten Jahr ergeben haben, war es möglich, die Wohnung zu behalten. Den gesamten Dezember letzten Jahres habe ich mit meinem Umzug verbracht und nun sitze ich in meinem neuen Home Office und schreibe diese Zeilen. The bird’s new nest hat sich wunderbar entwickelt! Die Entscheidung, mich voll auf The bird’s new nest zu konzentrieren hat mir nicht nur durch eine sehr schwere Zeit geholfen, sondern hat auch dazu geführt, dass wir die sehr ambitionierten Ziele, die ich für 2014 festgelegt hatte, alle erreicht haben. Ich wurde in das Unternehmensgründungsprogramm aufgenommen! Nachdem klar war, dass ich ab 2015 ein funktionierendes Home Office haben würde, und nach zwei leider missglückten Versuchen der Heimpflege – meine Mutter ist nun gut in einem Geriatriezentrum aufgehoben -, wurde ich zum Programm zugelassen. Dort habe ich nicht nur viele interessante zukünftige Selbstständige kennengelernt, sondern auch sehr viel Zuspruch erfahren, was meine Pläne betrifft. Mit so vielen Menschen zusammenzutreffen, die sich auf den spannenden und sehr herausfordernden Weg der Selbstständigkeit begeben war sehr inspirierend.

In deinem ersten Monat hast du mir also gezeigt, dass die Welt auch wieder besser aussehen kann. Und ich setze große Hoffnungen auf dich! Denn im zweiten Halbjahr diesen Jahres ist geplant, das Unternehmen zu gründen, das so lange auf Realisierung warten musste. The bird’s new nest wird daneben natürlich bestehen bleiben – auch hier wartet noch einiges Spannendes auf euch! Außerdem gibt es Pläne für ein weiteres sehr interessantes Projekt, und ich würde mich sehr freuen, wenn ich dieses in ein paar Wochen vorstellen könnte. Es wird also ein ereignisreiches Jahr werden, und ich freue mich schon darauf!

Schön, dass du da bist, 2015!

Alles Liebe,

Edda

PS: Ein unglaublich großes Dankeschön an alle, die mich und The bird’s new nest in 2014 unterstützt haben. Vielen, vielen Dank!

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Bist du bereit? Ein Monat Volunteering in Uganda

„Bist du bereit?“ – Seit einer gefühlten Ewigkeit hat mir die so betitelte Datei vom Download-Ordner meines Macs entgegen gestarrt. Ab und an habe ich sie angeklickt, fast schon schüchtern die…

„Bist du bereit?“ – Seit einer gefühlten Ewigkeit hat mir die so betitelte Datei vom Download-Ordner meines Macs entgegen gestarrt. Ab und an habe ich sie angeklickt, fast schon schüchtern die Zeilen gelesen. Beinahe so, als hätte ich Angst gehabt, dass mir dort die Antwort ins Gesicht springen und höhnisch schreien würde: „Bereit, du? Dass ich nicht lache!“

Dabei sind sie gar nicht da, um mich zu prüfen. Die Zeilen sollten mich vielmehr auf mein nächstes Abenteuer, mein nächstes Projekt vorbereiten: Ein Monat in Uganda. Ziel sind weder die Nebelberge noch die Safari zu den wilden „Big 5“, nicht der Nil-Ursprung oder die verrufen gefährlichen Motortaxis in der Hauptstadt Kampala. Obwohl ich all das vielleicht auch sehen und erleben werde. Mein Ziel ist ein kleines Dorf im Bezirk Luweero im Zentrum des Landes, wo ich für die Organisation Karmalaya der ehemaligen österreichischen Reisejournalistin Tina Eder tätig sein werde.

Schwer fällt es mir, darüber zu schreiben, was ich dort tatsächlich ein Monat lang tun werde. Noch schwerer fiel es mir bisher, die neugierigen Fragen meiner Freunde, Familie und Bekannten zu beantworten. Irgendwie kam nur kryptisches Gestotters heraus. Dabei habe ich mich doch nicht leichtfertig darauf eingelassen, habe ja das Voluntourismus-Projekt Karmalaya schon seit Jahren im Visier. In Nepal haben sie schon zahlreiche Freiwilligen-Projekte auf die Beine gestellt – und seit diesem Jahr sind sie auch in Uganda tätig.

So komplex ihre Projekte auch sind, so einfach sind die Eckdaten meiner Tätigkeit: Gemeinsam mit anderen Ehrenamtlichen (Kommen welche? Afrika ist ja derzeit – Ebola und Unwissenheit sei Dank – nicht auf der Reise-Bucket-List von Herrn und Frau Österreicher) baue ich für die nächsten zwei Wochen ein Lehmhaus für Sarah und ihre acht Kinder. Dass Sarah HIV-infiziert ist, das habe ich anfangs wohl aus Selbstschutz überlesen: Meine Tante ist vor Jahren in Österreich dem AIDS-Virus erlegen, und allein der Gedanke an die Krankheit ist für mich seit jeher Tabu und altbekannt Vertrautes zugleich. Immer wieder kriechen die Gefühle in mir hoch, wenn ich mich daran erinnere, wie meine – hochintelligente – Tante zum Schluss nur noch wirres Zeug von sich geben konnte. Ihren körperlichen Verfall hab ich kaum erlebt, die Szenen, wie meine Eltern sie völlig verstört aus der verdreckten Wohnung, in der sie sich verbarrikadiert hat, holen mussten, habe ich nicht live miterlebt. Auch sonst haben mich Mama und Papa in meiner damaligen Teenagerzeit vor der Konfrontation geschützt. Manchmal wünschte ich mir, sie hätten es nicht getan. Vielleicht wäre ich dann besser auf das vorbereitet, was mich jetzt in Uganda erwartet. Sarah ist bettlägerig, es geht ihr schlecht… sie wird wohl nicht die Einzige sein, die mir das Thema ins Gesicht drücken wird.

KALiARE FEE Lydia_shorter

Nach den zwei Wochen Arbeit und nach einigen Tagen auf Safari (Yeah!) werde ich noch bei anderen Projekten von Karmalaya in Luweero mithelfen: Dort haben Tina und ihr Mann Matthias gemeinsam mit der ugandischen Partner-NGO „Hope“ nämlich einiges vor. Im November haben sie in einem TEDx-Talk ihre Produktlinie KALiARE – empowerment products gelauncht. Derzeit sind schon die erste Reihe von zwei Halsketten in der limitierten Auflage von insgesamt 1.000 Stück auf dem Markt. Benannt nach den ersten Frauen, die dadurch unterstützt werden: Margret und Lydia. Zwei Frauen, die ich wohl in Uganda kennen lernen werde. Ihnen bringt der Verkauf nicht nur für ein Jahr ein Einkommen, er ermöglicht auch, das Projekt weiter voranzubringen, mehr Frauen zu fördern. Die Einnahmen fließen zu 100 Prozent in die integrierte Initiative. Langfristig soll sie sehr vielen Frauen in Entwicklungsländern eine Zukunft geben, so der Plan von Karmalaya. Neben fairen Löhnen, Rücklagen und einem dreijährigen Bildungsprogramm wird durch den Verkauf der Halsketten unter anderem auch ein Child Care Center und der Bau eines Community-Centers  in Uganda finanziert. All das liegt nah beieinander, ist Teil eines Ganzen – und all das ist im nächsten Monat meine Welt.

 „Reise lieber mit der aufgeschlossenen Haltung, dass du im Land bist, um zu lernen, als engstirnig zu denken, dass du „nur“ gekommen bist, um zu helfen.“

Dieser Satz steht im Verhaltenskodex für Volunteers, den mir Karmalaya ebenfalls geschickt hat und den ich unterschrieben habe. Ich muss ihn mir gar nicht oft vor Augen halten. Mir ist klar, dass ich zwar finanziell – die Mittel meiner Reise fließen in den Hausbau und die anderen Projekte – und auch manuell unterstützen werde, aber märtyrerartiger Gutmensch bin ich keiner. Immer wieder fallen mir Sätze von ehemaligen Fachkräften ein, die von meiner früheren Arbeitsstätte HORIZONT3000 in Länder des Südens geschickt wurden, um „Entwicklungszusammenarbeit“ zu leisten. Sie alle haben uni Sono erzählt, dass die ersten Wochen, ja, Monate nur aus Zuschauen, Beobachten, Abwarten, Ideen-Aufschreiben und wieder Verwerfen bestanden haben. Dass das die wichtigste Zeit war, weil sie dabei so viel gelernt haben – vor allem gelernt haben, ihre vorgefassten Meinungen und die unterschwellig in uns liegenden Bilder vom „allwissenden WestlerIn“ über Bord zu werfen. Genau das wünsche ich mir. Genau danach sehne ich mich gerade jetzt. Dass ich durchlässig und offen bin, ehrlich genug, mich erfolgreich diesem Wirrwarr aus Angst, Traurigkeit, Freude, Hoffnung und Enttäuschung zu stellen und das Lernen daraus mitzunehmen. Dass ich einfach Mensch sein kann, dem andere begegnen und der anderen begegnet – auf Augenhöhe.

Bin ich bereit? Ich merke deutlich, wie jeder Versuch, meine Antwort in Worte zu fassen, scheitert. Scheitern muss. Denn sie wird wohl jede Minute anders ausfallen. Nicht nur in Uganda, schon jetzt, während ich so mit gepacktem Koffer auf dem Flughafen Wien sitze und auf meinen Flieger warte. Bereit oder nicht, mein Abenteuer hat schon längst begonnen.

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Grün im großen weißen Norden – Niagarafälle und mein (Zwischen-) Fazit

Ende Juli bin ich von meinem halbjährigen Aufenthalt in Kanada wieder nach Europa zurück gekehrt. Da sich mit meiner Rückkehr gleichzeitig auch viele andere Aspekte in meinem Leben verändert haben,…

Ende Juli bin ich von meinem halbjährigen Aufenthalt in Kanada wieder nach Europa zurück gekehrt. Da sich mit meiner Rückkehr gleichzeitig auch viele andere Aspekte in meinem Leben verändert haben, hat sich mein Fazit zu Kanada etwas verzögert. Es hat mich zunächst ein wenig geärgert, hat mir aber den Raum zur Reflexion gegeben. Außerdem kann ich die kalten Herbsttage nun mit warmen Sommerbildern auffrischen.

An meinen letzten Tagen habe ich die Niagarafälle, London in Ontario und Niagara on the Lake besucht. Ich habe zusammen mit Freunden ein Auto gemietet und wir sind frühmorgens zu Niagara on the Lake aufgebrochen. In dem idyllischen Ferienort angekommen, saßen wir zunächst am ruhigen See, auf dem die Morgensonne glitzerte, und haben unser mitgebrachtes Frühstücksporridge genossen.

London Ontario

Niagara on the Lake ist ein friedliches Nest, das nördlich der Niagarafälle liegt und ein typischer Ferienort zu sein scheint. Wir erkundeten die Straßen und Grünanlagen ausgiebig, bevor wir uns weiter zum nächsten Halt aufmachten – die Niagarafälle. Ich hatte nicht allzu viel erwartet, da mir bereits berichtet worden war, dass die Fälle sehr touristisch sind. Dennoch war ich von der Lieblosigkeit des Ortes etwas geschockt. Kalte Betonbauten, leerstehende Geschäfte und nur wenig Grün waren zu sehen, als wir aus dem Auto stiegen. Aber wir haben uns nicht lange im Ort aufgehalten und sind gleich zu den Fällen gelaufen, die leider auch direkt an einer vierspurigen Straße liegen.

Die Fälle selbst waren aber einzigartig beeindruckend. Der Wasserdampf sprühte bis zu uns hoch und fiel als sanfter Regen auf uns hinunter. Das Geräusch, das die schieren Wassermengen verursachten, hatte ich so noch nie gehört. Niagara bedeutet in der Sprache der Ureinwohner „donnerndes Wasser“. Es war ein wunderschönes Naturspektakel, selbst wenn um die Fälle herum nicht sehr viel Natur gewahrt wurde. Die breite Fläche von Wasser, die auf einmal von einer Höhe über 58 Meter auf eine tiefere Höhe verlagert wird, war wirklich atemberaubend.

Wir setzten uns auf die Wiese neben den Fällen und picknickten wieder, dieses Mal ein Chili con Soja zum Mittagessen. Schließlich ging es weiter nach London in Ontario, wo wir über Nacht blieben und im Garten einer meiner Freunde frischen Knoblauch, Radieschen und Rhabarber ernteten. Diese Leckereien wurden im Abendessen und im nächsten Frühstück verarbeitet. Bittersüß waren diese Tage, denn sie waren wunderschön, aber es waren meine letzten.

Wenn ich an Toronto zurück denke, ist meine erste Regung, dass ich die Stadt vermisse. Nicht nur, weil ich hier wunderbare Menschen getroffen habe und mich dort zu Hause gefühlt habe, auch weil mir die zahlreichen Parks in der Stadt gefallen haben, die Potluck-Kultur und der alternative Flair, die vielen veganen Restaurants zu unglaublich günstigen Preisen, die lokalen Märkte, meine biologische Food-Coop und die Möglichkeit in „bulk“ ohne Verpackungen einzukaufen.

Kensington-Market

Die Potlucks haben mir besonders gut gefallen. Das Konzept funktioniert so, dass man sich gemeinsam zu einem Picknick, auf einem Festival oder bei jemanden zu Hause trifft und jeder bringt etwas zu essen mit. So ist kostengünstig auf einmal ein leckeres Buffet gezaubert und man lernt oft neue Rezepte und Gerichte kennen.

Ich war in Toronto auf veganen Potlucks, DIY workshops, einer Demonstration, auf gratis Musikfestivals und einem Outdoor-Yoga-Festival. Ich lag am Strand, war im Lake Ontario schwimmen und auf ihm segeln. Ich habe über Pflanzensamenbanken zur Artenvielfalterhaltung gelernt, über die Sprossenzucht, biologischen Gartenanbau und Food-Coops. Mein grüner Horizont hat sich in Toronto auf jeden Fall erweitert.

YogaFestival

Natürlich gibt es in Kanada auch Schattenseiten. Besonders die Genehmigung von genmanipulierten Nahrungsmitteln und der Hormonbehandlung von Tieren empfinde ich als extremes Defizit, auch wenn ich damit durch meine vegane Ernährung und den Einkauf bei meiner Food-Coop weitestgehend persönlich nicht in Berührung gekommen bin. Auch habe ich das Gefühl, dass die Take-out- und To-go-Kultur in Kanada noch stärker verbreitet war, als in Deutschland.

Ist Kanada also grüner als Europa? In manchen Aspekten ja, in anderen nein, aber schlussendlich kommt es darauf an, was man selbst daraus macht.

Ich habe mich während meines Aufenthalt in das Land und die Stadt verliebt und freue mich darauf, im nächsten Jahr die Nationalparks dort zu erkunden und endlich einen Kolibri zu sehen. Eventuell gehe ich nämlich zurück.

Toronto

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Reisen, die Sehnsucht nach dem Leben

„Ich habe noch ein Zimmer frei.“ In manchen Situationen hören sich diese Worte wie eine Zauberformel an. Eine, die das Glück verspricht. Eine, die die Rettung bringt. Ich befinde mich…

„Ich habe noch ein Zimmer frei.“ In manchen Situationen hören sich diese Worte wie eine Zauberformel an. Eine, die das Glück verspricht. Eine, die die Rettung bringt. Ich befinde mich gerade in einer solchen Situation. Es ist sechs Uhr morgens. Ich bin mit dem Nachtbus aus der brasilianischen Stadt Salvador ins abgelegene Vale Do Capão gereist, um im Nationalpark Chapada Diamantina zu der Ruhe zu finden, die man in Brasilien zur Zeit des Karnevals besonders suchen muss. Hier bin ich wohl richtig: Die Straßen sind menschenleer, nur ein paar Hunde streunen an mir vorbei über die Schotterwege. Mich zieht es schnurstracks zu der Herberge, in der ich ein Bett reserviert habe. Allein vom Besitzer fehlt jede Spur. Ich klopfe an sämtliche Türen, frage halb wache Gäste um Rat und klingele die Nachbarin aus dem Bett. „Er wird noch schlafen.“, so die lapidare Erklärung. Die hilft mir aber im Moment wenig. Ich möchte nach fünf Stunden mühsamer, holpriger Busfahrt nur in ein Bett.

Da kommen diese magischen Worte gerade recht. Wie in Trance steige ich zum bärtigen Brillenträger mit grauem Kraushaar, schlabbrigem Spagettihemd und kurzer Trainingshose in den verbeulten Kleinwagen. „Wohin geht’s denn?“, frage ich noch, schon ruckeln wir über die Sandstraße auf einen kleinen Hügel. Die Überraschung ist groß: Ein Zimmer ist frei? Nein, kein Zimmer, ein gemütliches, kleines Lehmhaus – eines von mittlerweile neun, das der gebürtige Salvadorianer Zeu, so heißt der Bärtige, in den Hügeln über Capão gebaut hat.

Als ich wenige Minuten später im Bett meines temporären Zuhauses liege, strömen eine Wärme und satte Zufriedenheit durch meinen Körper. Ich bin angekommen! Es sind Momente und Erlebnisse wie diese, in denen ich spüre, im Fluss zu sein. In denen ich darauf vertraue, vom Leben getragen zu werden. In denen ich merke, dass alles einen Sinn ergibt und die Dinge passieren, die passieren sollen. Momente und Erlebnisse wie diese sind ein Grund, warum ich reise.

„Reisen ist die Sehnsucht nach dem Leben.“, beschreibt der deutsche Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky treffsicher meinen Drang, den ich mit 5,4 Millionen Österreicherinnen und Österreichern teile. 76,2 Prozent der Bevölkerung sind 2012 zumindest einmal im In- oder Ausland unterwegs gewesen und somit dieser Sehnsucht gefolgt, die 1336 zum ersten Mal literarisch erwähnt wurde. Damals berichtete Francesco Petrarca von einer Besteigung des Mont-Ventoux und traf damit buchstäblich ins Schwarze, ist das Wort „reisen“ doch mit dem Althochdeutschen „risan“ und dem englischen Verb „to rise“ verwandt, was soviel heißt wie: Sich erheben oder aufstehen.

Es ist eine Bewegung, die eine gewisse Anstrengung bereits in sich trägt. Wie viel Energie es kostet, eine gewohnte, gemütliche Position zu verlassen, den Allerwertesten hochzukriegen und aufzustehen, das merken wir Tag für Tag. Morgens nämlich, wenn der Wecker klingelt und wir die Wärme des Betts gegen die Hektik des Alltags eintauschen (müssen). Nicht anders ist es beim Reisen, verlangt doch ein Ortswechsel neben dem nötigen Kleingeld und der Zeit eine gehörige Portion Überwindung. Von der ersten Idee über die Vorbereitung, das Packen bis zum tatsächlichen Unterwegssein, ja, selbst das Heimkommen – bei allem müssen wir planen, tun, machen, aktiv sein.

Und doch hat schon vor über zweitausend Jahren die bürgerliche Elite des alten Roms die Mühe auf sich genommen, sich aufzumachen ins Unbekannte, dort eine Zeit zu verweilen und schließlich wieder in die Heimat zurück zu kehren. Soviel sich seither auch verändert hat, zuhause bleiben möchten die meisten von uns noch immer nicht. Im Gegenteil: Tourismus hat sich zum drittgrößten Wirtschaftszweig der Welt entwickelt. Wachsenden Freizeitbudgets, finanziellen Ressourcen, internationalen Verkehrsanbindungen sowie Reiseanbietern sei dank. Reisen gehört mittlerweile zum guten Ton, vor allem für diejenigen, die es zu Hause so schön haben „wie im Urlaub“. Anders als in unterentwickelten Ländern reisen wir in Europa, Nordamerika, Australien oder Japan meist nicht, weil wir müssen, sondern weil wir können. Da lautet die Frage weniger, ob man unterwegs ist, sondern eher wohin es diesmal geht. Je weiter, je exotischer, je ungewöhnlicher, desto besser. In der Ferne locken die Vorstellungen von günstigen Preisen, freundlicherem Menschen, sonnigerem Klima – und überhaupt ist im Ausland alles besser als das, was wir im Alltag finden. Doch es sind nicht diese Reize, die uns in die Ferne ziehen, behauptete der Gesellschaftskritiker Hans Magnus Enzensberger 1958 in seiner „Theorie zum Tourismus“, wir fliehen vor der Unerträglichkeit unserer eigenen Lebensumstände. Die boomenden Last-Minute-Angebote scheinen ihm auch heute – über 60 Jahre später – teilweise recht zu geben: Wohin es geht, ist nicht wichtig. Wir folgen der Sehnsucht, „raus“ zu kommen – aus unserem Alltag, aus unserer Routine.

„Im Reisen befriedigen wir unseren Drang, der Gewohnheit zu entfliehen. Sie birgt die Gefahr, das Außergewöhnliche mit der Zeit für selbstverständlich zu nehmen.“, beantwortet der Philosoph und Schriftsteller Alain de Botton in seinem Buch „Kunst des Reisens“ die Frage nach dem Sinn des Unterwegs seins, die Kritiker seit Beginn des Massentourismus beschäftigt. „Der erste Kuss, das erste Mal Autofahren – dieses unfassbare Gefühl von Freiheit – , die erste eigene Wohnung – die Gewöhnung an die Wunder des Alltags macht das Wunder selbst ordinär. Daher bietet das Reisen die Kehrseite unseres all zu vorhersehbaren Daseins auf dieser Welt.“ Wie recht er hat, das weiß jeder, der schon einmal unterwegs war. Auch wenn die Zeit der abenteuerlichen Entdeckungsreisen vorbei ist und selbst die abgeschiedensten Ureinwohner-Völker im Amazonas bereits besucht werden können, ist Reisen heute ebenfalls nichts anderes als ständig über Neues zu staunen, sich an die Außergewöhnlichkeit vieler Dinge zu erinnern und unzählige erste Male zu erleben. Die erste Nacht im fremden Bett. Das erste Probieren der lokalen Speisen. Der erste Spaziergang durch unbekannte Straßen – Premieren wie diese verändern unsere Wahrnehmungen, fordern uns heraus, alt eingesessene Bilder durch unsere – subjektive – Wahrheit zu ersetzen. Sie lassen neue Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen entstehen und ein Lernen stattfinden. Oder um es mit Anatole France zu sagen: „Was ist Reisen? Ein Ortswechsel? Keineswegs! Beim Reisen wechselt man seine Meinungen und Vorurteile.“ Vorausgesetzt, wir sind wachsam. Vorausgesetzt, wir lassen es zu. Vorausgesetzt, wir lassen uns darauf ein.

Letzteres ist die große Herausforderung von heute. In keiner anderen Zeit waren wir so viel unterwegs, in keiner anderen Zeit war die Welt so klein wie heutzutage. Wir haben konkrete Vorstellungen von Ländern und Völkern. Wir glauben, sie zu kennen, weil wir wissen, wo sie liegen und wie sie heißen. Weil die USA via Fernseher näher sind als so mancher Nachbar und weil der Chat mit dem thailändischen Bekannten schneller initiiert ist als ein Gespräch mit dem eigenen Partner. Wir machen es uns mit den Abziehbildern und Beschreibungen anderer bequem, buchen Pauschalreisen sowie Cluburlaube und trotten lieber einem deutschsprachigen Reiseleiter hinterher, als uns mit Händen und Füßen verständigen zu müssen und vielleicht vom Weg abzukommen. „Ein Problem des modernen Reisens ist, dass der Gedanke an eine spontane Entdeckung stark gefährdet ist, weil man alles auf einer Webcam oder in einer Broschüre sehen kann, bevor man überhaupt dort hinfährt.“, meint de Botton und zeigt damit ein Paradoxon auf: Ja, wir wollen Aufregung, aber bitte nicht zu viel davon. Wir wollen Fantastisches finden, aber geplant und kalkuliert auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Wir wollen die Welt erkunden, aber ohne auf das Bekannte zu verzichten. Dann suchen wir Schutz in unserer eigenen Sprache, dem heimischen Essen und der eigenen Bräuche wie sie bei geführten Reisen oft zu finden sind. „Statt sich im Unbekannten zu finden, zahlen Urlauber Geld, um Überraschungen aus dem Weg zu gehen“, formulierte es der Bestsellerautor Ilija Trojanow plakativ, „der Sinn des Reisens ist auf den Kopf gestellt: anstatt sich der Fremde und den Fragen in der Fremde auszusetzen, zahlt man Geld, um ihr aus dem Weg zu gehen. So bleibt das Gefühl der Befremdung auf der Strecke, das Gefühl, sich zu verlieren, das Gefühl, nicht zu verstehen, das Gefühl, nackt zu sein. Es entschwindet die existentielle Überraschung“, meint Trojanow.

Doch so gut wir planen, so geschickt wir unsere eigenen Unsicherheiten austricksen wollen – es wird auf Reisen passieren: Das Unerwartete, das Überraschende, das, nach dem wir uns oft unbewusst so sehnen. Es geschieht in Form eines Busses, der nicht kommt und einen zwingt, seine Pläne über den Haufen zu werfen. Es geschieht, wenn man die vorgefertigten Routen aus dem Reiseführer verlässt und sich in den Gassen der Stadt verirrt. Es geschieht, wenn man – wie ich – der Einladung eines Fremden folgt und in einem Lehmhaus mitten im brasilianischen Tal de Capão landet, das einem die Ruhe bietet, von der man geträumt hat. „Es ist das Unerwartete, das betört“, beschreibt Trojanow diese Momente, die sich in unsere Herzen brennen und von denen wir noch lange zehren, „die meisten Reisenden kehren mit eigenwilligen Schätzen heim – mit scheinbaren Nebensächlichkeiten. Und plötzlich ist ein Zauber spürbar, den keine Planung und kein Angebot bereithalten können.“

Sich treiben lassen nennen einige diese Differenz zwischen Plan und Wirklichkeit nach der wir uns so sehnen. Freiheit nennen es andere und meinen damit eine Freiheit, die alles Bekannte auf den Kopf stellt und umwirft, was man für selbstverständlich hält. Es ist eine Freiheit, die wir in All-Inclusive-Clubs nie finden werden und die in engen Zeitplänen zwischen Job und Haushalt, Schwiegereltern und Kindern oft keinen Platz hat. Es ist aber auch eine Freiheit, die anstrengt, weil sie von uns verlangt, immer wachsam und aufmerksam zu bleiben. Um sich zurecht zu finden, um in der Fremde nicht über den Tisch gezogen zu werden, um die Eindrücke zu verarbeiten. „Das ist nicht selten eine Herausforderung und nicht immer angenehm“, sagt de Botton in einem Interview, „doch eine echte Reise muss wirken, muss beschäftigen und zum Nachdenken über Gott und die Welt anregen. Sie soll keine Erholung bringen, nicht beruhigen und einlullen. Einer der fantastischen Aspekte des Reisens besteht für mich darin, dass die eigenen Klischees infrage gestellt oder zumindest nuanciert oder ergänzt werden.“

Es sind nicht nur die Meinungen über die Außenwelt, über die Anderen, die wir auf Reisen über Bord werfen dürfen. „Der kürzeste Weg zu sich selbst
 führt um die Welt herum.“, lautet ein Zitat von Hermann Keyserling und beschreibt ein großes, wenn auch oft unbewusstes Ziel der meisten Reisen: Man fährt eine Woche irgendwo hin, kommt zurück und alles ist anders. Man selbst ist anders. Tatsächlich birgt jede Reise die Chance, inne zu halten, sich selbst zu beobachten und so ein Stück weiter bei sich anzukommen. Unterwegs (er)leben wir alles intensiver, Glück und Unglück sind oft nur Sekunden voneinander getrennt: Da stehen wir in einem Moment staunend vor einem Weltwunder wie dem Taj Mahal und sehen kurz darauf halbnackte Bettler, die Essensreste von der Straße klauben. Wie reagieren wir, wenn in Bolivien wieder einmal kein heißes Wasser vorhanden ist oder der Strom stundenlang ausfällt? Wie gehen wir mit dem Müll um, den die Beduinen in der jordanischen Wüste zurück lassen? Wie fühlen wir uns, wenn uns in Indien jede noch so arme Familie zu sich nach Hause einlädt? Erlebnisse wie diese lassen uns demütig werden und konfrontieren uns mit unseren Grenzen. Je mehr wir sehen und erleben, desto eher wissen wir, wer wir sind, was wir vom Leben wollen, was uns wichtig ist und was wir brauchen, um glücklich zu sein. Und doch wäre es ein Trugschluss, zu glauben, dass jedes Unterwegssein automatisch verändert. Ganz im Gegenteil: „Reisen garantiert keine innere Wandlung, und ich denke, das ist eins der Paradoxe des Reisens“, bringt es de Botton auf den Punkt, „mitunter trifft man Menschen, die nicht viel gereist sind. Aber was sie dabei gesehen haben, hat sie sehr verändert. Im Gegensatz dazu gibt es auch weit gereiste Menschen, die in ihren Beobachtungen fremder Orte und Menschen völlig banal sind.“

Dabei ist es eine der wichtigsten Aufgaben eines jeden Reisenden, seine Erfahrungen mit nach Hause zu nehmen. Ich spreche dabei nicht von denen, die wegfahren, um sich zu bestätigen, dass es zu Hause ja doch am Schönsten sei und sowieso alles besser funktioniere, pünktlicher und sauberer sei. Auch nicht von den „achtzig Prozent aller Reisenden“, für die „Rückkehr das glücklichste Erlebnis des gesamten Urlaubs“ ist, wie es Dietmar Bittrich sarkastisch in seinem Buch „Dann fahr doch gleich nach Haus! – Wie man auf Reisen glücklich wird“ beschreibt. Aber reisen wir nicht alle, um auch wieder heimzukehren? Gestärkt mit neuer Energie, prall gefüllt mit neuem Wissen und Eindrücken, voller inspirierender Momenten und Geschichten wie die von meiner Begegnung mit Zeu im brasilianischen Vale de Capão. Es sind diese Erlebnisse, die uns im Alltag bereichern, die wir in Gesprächen weitergeben können und die uns nähren – so lange, bis uns die Sehnsucht nach der Ferne, nach dem Leben, wieder ruft!

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Seele 2.0 – Es gibt kein richtiges Leben im falschen

Wir fangen sehr früh an, nicht unser Leben zu leben – zum Beispiel in der Schule. Hier eine kleine Tiergeschichte, die mir heute durch den Kopf ging: Eines Tages versammelten…

Wir fangen sehr früh an, nicht unser Leben zu leben – zum Beispiel in der Schule. Hier eine kleine Tiergeschichte, die mir heute durch den Kopf ging:

Eines Tages versammelten sich ein Kaninchen, ein Vogel, ein Eichhörnchen, ein Fisch und ein Aal im Wald. Sie beschlossen, eine Schule zu gründen und bildeten einen Schulrat. Das Kaninchen forderte, dass Schnelllauf in den Lehrplan aufgenommen werden müsse; der Vogel bestand darauf, dass Fliegen zum Lehrplan gehöre; der Fisch meinte, Schwimmen wäre wichtig; das Eichhörnchen sagte, dass senkrechtes Bäume erklettern ein absolut notwendiger Bestandteil des Lehrplans sei, und der Aal bestand auf “Löcher in die Erde bohren“. Sie nahmen alle diese Fächer in den Lehrplan auf und erklärten es zur Regel, dass jedes Tier alle Fächer belegen müsse. Obwohl das Kaninchen eine Eins im Schnelllauf bekam, stellte es sich heraus, dass es mit dem “Senkrecht auf Bäume klettern” ernsthafte Probleme hatte. Es fiel immer hintenüber. Nach kurzer Zeit war es von den vielen Gehirnerschütterungen geistig nicht mehr auf der Höhe und konnte nicht mehr so schnell laufen. Anstatt einer Eins bekam es jetzt eine Vier im Laufen und natürlich nach wie vor eine Sechs im senkrechten Bäume klettern. Der Vogel war ausgezeichnet im Fliegen, aber wenn es darum ging, Löcher in die Erde zu bohren, war er gar nicht gut, er brach sich immer den Schnabel und die Flügel. Bald bekam er nur noch die Note drei im Fliegen, eine Sechs im “Löcher in die Erde bohren”, und beim Schwimmen erging es ihm ganz schlecht. Der Aal ging als Klassenbester hervor, weil er alles halbwegs richtig machte. Und die Erzieher waren alle zufrieden, weil jeder sämtliche Fächer belegt hatte. Sie nannten es Allgemeinbildung.

Wir lachen vielleicht über diese Geschichte, aber so sieht es aus. Wir versuchen tatsächlich, jeden Menschen dem anderen gleich zu machen und zerstören damit die Möglichkeit jedes Einzelnen, wirklich er selbst zu sein.

Was tut es mit unserer Psyche?

1. Wir lernen, nicht aufzufallen

Weil man so am besten durch die Schuljahre kommt, lernen wir, uns den anderen anzupassen und nicht aufzufallen. Kleidung, Frisuren, Lieblingsmusik. Wer anders ist, wird schnell zum Außenseiter. Außergewöhnlich zu sein ist hart, erfordert Mut und Durchhaltevermögen. Sich anzupassen scheint die leichtere Strategie zu sein. Mit einer Ausnahme: Wenn ich mich anpasse, muss ich diese angepasste Form dauerhaft aufrecht erhalten, und das kostet mich enorme Energie. Energie, die ich jeden Tag nur dafür aufwende, mich anzupassen.

2. Wir verlernen, eigene Lösungen zu suchen

Weil wir in der Schule lernen, dass es nur eine richtige Lösung gibt, suchen wir im Leben auch DIE Lösung. Dabei ist die Zahl der Möglichkeiten, unsere Themen und Probleme im Leben anzugehen, schier unerschöpflich – jeder kann die gleiche Frage anders beantworten.

3. Wir versuchen, zu gefallen

Unsere Eltern, unsere Lehrer und andere Personen, die Einfluss auf uns haben, prägen unsere Glaubenssätze. „Das ist nichts für Mädchen!“, „An deiner Stelle würde ich lieber Jura studieren!“ – kennst du solche Sprüche? Wie programmiert und ferngesteuert, laufen wir dann zum Teil jahrelang in eine Richtung und wundern uns irgendwann mit Ende 30, wofür das gut ist.

Lebst du DEIN Leben?

Sich zu entfalten, aufzublühen und sein Potenzial auszuschöpfen klingt so einfach. Ich habe Riesenrespekt vor jedem Menschen, der den Mut hat, sich auf die Suche nach seinen eigenen Schätze zu machen und diese der Welt zu zeigen. Die bekanntesten solcher Menschen sind Künstler – dort gilt Unangepasstheit auch als ein Muss. Manche der modernen Unternehmer gelten ebenfalls als Exzentriker und fahren gut damit, ein klares und scharfes Profil zu haben.

Lebst du DEIN Leben? Wie wirst du diese Frage am Ende deines Lebens beantworten? Eine australische Krankenschwester – Bronnie Ware – hat Sterbende in den letzten Wochen ihres Lebens begleitet. Die Menschen, die sie trifft, stellen viel zu oft fest, dass sie ihre eigenen Wünsche hinten angestellt und zu viel gearbeitet haben, dass sie sich zu wenig Zeit für Familie und Freunde genommen und – vor allem – sich nicht erlaubt haben, glücklich zu sein. Ich kann diese Erkenntnisse nicht oft genug zitieren. Auch für mich selbst ist es eine gute Erinnerung an das, worauf es wirklich ankommt, wenn wir mit einem Lächeln aus dem Leben treten wollen. Für sich selbst hat Bronnie Ware nach diesen Erfahrungen entschieden, dass sie nur noch das macht, was sie wirklich will.

Und dafür muss man sich selbst erstmal kennenlernen, oder? Viel Spaß dabei!

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Aus der Redaktion. Hört die Trauer jemals auf?

Heute geht die Kolumne „Aus der Redaktion.“ aus der Sommerpause. „Nach Mitte Oktober?“ denken sich nun vermutlich viele von euch, „Der Sommer ist doch schon lange vorbei.“ Das stimmt, und…

Heute geht die Kolumne „Aus der Redaktion.“ aus der Sommerpause. „Nach Mitte Oktober?“ denken sich nun vermutlich viele von euch, „Der Sommer ist doch schon lange vorbei.“ Das stimmt, und eigentlich sollte der heutige Kolumnenbeitrag sich auch darum drehen, welche – zum Teil ausgefallenen – Fragen ich immer wieder zu The bird’s new nest gestellt bekomme. Und dieses Thema ist in gewisser Weise auch der Grund, wieso der Beitrag so lange auf sich warten ließ. Denn „Aus der Redaktion.“ dreht sich ja um The bird’s new nest, unsere Online-Redaktion und die Dinge, mit denen ich mich zur Zeit beschäftige. Und das war diesen Sommer und auch jetzt meine familiäre Situation.

Wer diesen Kolumnenbeitrag von mir gelesen hat, weiß, dass meine Mutter Anfang Februar eine Gehirnblutung hatte und seitdem schwerstbehindert ist. Bis kurz vor dem Sommer war sie im Krankenhaus, dann ging es darum, ob sie in ein Pflegeheim kommt, oder ob wir mit Unterstützung einer 24-Stunden-Pflege sie auch zu Hause betreuen können. Die Wahl fiel auf letzteres und die Hoffnung war groß, dass sich der Zustand meiner Mutter zu Hause verbessern würde. Aber leider war das Gegenteil der Fall. Die von der Organisation beauftragte Pflegekraft hatte – abgesehen von weiteren Problemen – das Gerät für die Sauerstoffzufuhr falsch bedient, anstatt es täglich zu desinfizieren und neues Wasser einzufüllen, hatte sie das Wasser immer wieder nur nachgefüllt. Das kam leider erst dann heraus, als meine Mutter mit einer schweren Bakterieninfektion ins Krankenhaus gekommen war. Genauso wie die Tatsache, dass die Pflegekraft meiner Mutter nur die Hälfte der benötigten Flüssigkeit verabreicht hatte. Als meine Mutter nach einem Monat Heimpflege wieder ins Krankenhaus kam, war sie komplett dehydriert und lebensgefährlich erkrankt. „Sie wird es vermutlich nicht überleben.“ war die Diagnose der Ärzte. Mein Vater war verzweifelt und machte sich große Vorwürfe. Hätte er die Pflegekraft besser kontrollieren müssen? War die Entscheidung, meine Mutter nach Hause zu nehmen ein Fehler? Und was passiert jetzt?

Man könnte meinen, dass es eine Erleichterung für uns hätte sein sollen, dass meine Mutter nun wieder unter kompetenter ärztlicher Aufsicht war. Leider war die Abteilung, in der meine Mutter lag, nicht erfahren mit schwerbehinderten Patienten, die eine bestimmte Pflege benötigen. Mehrmals kam mein Vater zu meiner Mutter ins Zimmer – er war jeden Tag zu beiden Besuchszeiten bei ihr – und fand sie mit hochrotem Kopf und kaum Luft bekommend vor, weil wieder einmal niemand den Schleim aus ihrer Luftröhre abgesaugt hatte. Eine Ärztin meinte überhaupt zu meinem Vater „man solle meine Mutter doch einfach sterben lassen, weil das ist doch kein Leben mehr“. Mein Vater, der mit seinen bald 80 Jahren den zweiten Weltkrieg mitbekommen hatte, fand sich an das Dritte Reich erinnert, und bestand darauf, dass meine Mutter nicht einfach in ein Zimmer zum Sterben abgeschoben wird, sondern dass der Schlauch in ihrer Luftröhre wie erforderlich betreut wird. Denn das Argument der Ärztin, „wenn das verschmutzt ist bemerken wir es eh, wenn sie dann eine Lungenentzündung bekommt“, war für ihn einfach nur eine Katastrophe. Genauso wie für mich, und das war es auch, was mich neben The bird’s new nest den gesamten Sommer (und danach) beschäftigt hat. „Mir geht es so schlecht.“, sagt mein Vater oft zu mir. Mir ging es auch schlecht, aber das will ich ihm nicht sagen, ich will ihn nicht noch mehr belasten. Also tue ich das, was viele in so einer Situation tun – mich in die Arbeit vergraben um mich abzulenken. Und mich immer mehr zu überarbeiten.

„Warum mache ich zur Entspannung nicht einfach Yoga oder meditiere, so wie früher?“ habe ich mich oft gefragt. Und habe es darauf geschoben, dass ich einfach zu viel zu tun habe. Heute ist mir das erste Mal klar geworden, dass ich es deshalb nicht mache, weil ich sofort an meine Mutter denke, sobald ich nicht mit etwas beschäftigt bin. Ich muss daran denken, wie oft ich sie um Luft ringend im Krankenhaus angetroffen habe. Wie sie sich vor Schmerzen krümmt, wenn ihr der lange Schlauch in die Luftröhre eingeführt wird, um ihr den Schleim abzusaugen – mehrmals täglich. Wie sie versucht, zu sprechen, aber nichts sagen kann, weil der Schlauch in der Luftröhre verhindert, dass sie einen Laut von sich geben kann. Wenn sie den Kopf schüttelt, wenn mein Vater sie fragt: „Kennst du mich?“ Wenn mein Vater an ihrem Bett steht und zu ihr sagt „Ich liebe dich, du bist du schönste Frau der Welt.“ und sie ihn mit verwunderten Augen groß ansieht. Sie weiß nicht, wer wir sind. Sie erkennt uns nicht. Sie weiß nicht, wieso sie im Krankenhaus liegt, warum ihr Ärzte ständig Spritzen geben, ihr Schlauche einführen und sie damit täglich quälen. Warum sie nicht mehr sprechen kann, sich nicht mehr bewegen kann, nicht mehr weiß wo sie ist oder wer sie ist. Und damit war ich den ganzen Sommer beschäftigt und bin es immer noch. Ein Kolumnenbeitrag über Fragen zu The bird’s new nest zu schreiben war für mich deshalb undenkbar. Und ich habe es immer weiter hinausgeschoben. Und heute beschlossen, darüber zu schreiben, was mich tatsächlich beschäftigt.

Eine Frage stellt sich mir aber: Hört die Trauer jemals auf? Kann ich mich mit dem Leiden meiner Mutter abfinden? Wäre sie gestorben, wäre es auch sehr schlimm gewesen, aber so sehe ich sie und meinen Vater und sehe, wie beide leiden – jeder auf seine Weise. Und ich stehe daneben und fühle mich hilflos und überfordert. Letzte Woche hat mein Vater erkannt, dass er mit der Pflege meiner Mutter zu Hause überfordert ist. Denn meine Mutter hat die schwere Bakterieninfektion überlebt und kam wieder nach Hause, wo das Problem mit einer anderen Pflegekraft weiterging. Wieder wurden die Geräte nicht richtig bedient und innerhalb kürzester Zeit war meine Mutter erneut im Krankenhaus. Pflegeheim, das bedeutet nicht nur das Gefühl, dass wir versagt haben – wir haben es nicht geschafft, meine Mutter gemeinsam zu pflegen. Es bedeutet auch Kosten von über 7.000 Euro im Monat. Die Pension meiner Mutter geht bis zu 300 Euro an die Institution, genauso wie ihr Erspartes bis auf 4.000 Euro. Mein Vater ist als ihr Ehemann unterhaltspflichtig. Von seiner Pension muss er jedes Monat 700 Euro zahlen. Ich hoffe, es bleibt ihm genug für die Miete und alle anderen Ausgaben. Das Haus, das meine Eltern gebaut haben, müssen wir verkaufen. Auch alle Ersparnisse meines Vaters fließen ins Pflegeheim. Mein Vater möchte aber noch ein neues (gebrauchtes) Auto kaufen. Grösser als das jetzige, „damit er mit meiner Mutter einen Ausflug zum Haus machen kann“. „Papa, das Haus gibt es dann nicht mehr.“, sage ich.  „Das macht nichts,“ sagt er, „dann fahren wir einfach so hin“. „Aber wie willst du das machen,“ sage ich, „sie kann doch gar nicht selbstständig im Auto sitzen.“ Er antwortet mir nicht, sondern blickt irgendwo in die Ferne.

Was mir bleibt ist die Hoffnung, dass es irgendwann besser wird. Das es besser werden muss. Wie genau das aussehen kann, weiß ich nicht. Ich wurde aber von so vielen Menschen in ähnlichen Situationen angeschrieben, sodass ich weiß, dass viele andere Menschen auch gelernt haben, damit umzugehen. Wird es leichter werden? Wird der erste Gedanke in einer ruhigen Minute irgendwann einmal nicht mehr meiner Mutter gelten? Werde ich irgendwann einmal kein schlechtes Gewissen mehr haben, wenn ich mich wegen etwas freue, weil ich gleich darauf daran denken muss, dass es meiner Mutter vielleicht gerade schlecht geht?

Das sind die Fragen, die mich zur Zeit beschäftigen. Aber jetzt, wo der Einstieg wieder geschafft ist, wird es nächstes Mal das angekündigte Thema geben, damit es weitergeht. Denn irgendwie geht es immer weiter und aufgeben ist einfach keine Option.

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Seele 2.0 – Zehn Gewohnheiten von emotional resilienten Menschen

Stau, Stress, schlechtes Wetter. Den einen ärgert es total, der andere geht mit Leichtigkeit darüber hinweg. Woran liegt es, dass wir so unterschiedlich auf Stressfaktoren reagieren? Natürlich spielt unser angeborener Charakter…

Stau, Stress, schlechtes Wetter. Den einen ärgert es total, der andere geht mit Leichtigkeit darüber hinweg. Woran liegt es, dass wir so unterschiedlich auf Stressfaktoren reagieren? Natürlich spielt unser angeborener Charakter eine Rolle. Du kannst dir aber ein paar Gewohnheiten zulegen, die es dir leichter machen, mit Stressfaktoren aller Art leichter umzugehen.

Gewohnheiten sind kleine vollautomatische Aktionen, die wir ausführen, ohne viel darüber nachzudenken. Sie erleichtern uns in vielen Bereichen das Leben. Gleichzeitig führen manche Gewohnheiten dazu, dass wir auf bestimmte Reize immer gleich reagieren. So kann es sein, dass du vom Typ her gar nicht so stressanfällig bist, dir aber irgendwann ein Muster angeeignet hast, schnell und empfindlich zu reagieren.

Fange heute noch an, dir ein paar neue Gewohnheiten zuzulegen – wähle deine Favoriten aus der Liste!

1. Warte auf die richtige Reaktion

Etwas passiert, ein Reiz erreicht deinen Hirn und sagt: „Reagiere auf mich!“ Deine Gewohnheiten und deine Muster sind sofort bereit und fragen „Same procedure as last year?“. Und ja, es ist energieeffizienter, in Mustern zu antworten. Bloß nicht immer gut für unsere Gefühlslage und unsere Gesundheit. Wenn dich also jemand oder etwas ärgert, reizt und stresst, kontrolliere den ersten Impuls und lasse nicht zu, dass deine Gewohnheiten die Macht übernehmen. Atme einmal tief durch und frage dich: Was ist jetzt die beste Handlung im Sinne meiner Absichten und Interessen? Worauf möchte ich meine Energie verwenden?

2. Halte Unangenehmes aus

Wenn wir hungrig sind, sehr hungrig, dürfen wir auf keinen Fall eine Restaurantkarte in die Hände bekommen. Oder einkaufen gehen. Wir bestellen oder kaufen viel zu viel, oft auch unnütze Sachen. Mache es zu einer Gewohnheit, etwas Unangenehmes wie Hunger, Ärger oder Frust zu tolerieren. Führe ein Tagebuch, schreibe dort jedes Mal auf, welche Gedanken dir in solchen Momenten kommen.

3. Erweitere deine Perspektiven

Manche Dinge passieren FÜR dich, und nicht dir. Was jetzt gerade unerträglich erscheint, mag in Zukunft ein Riesenvorteil werden. Aus welcher Perspektive kannst du auf deine Situation schauen, um deine Lage in einem anderen Licht zu sehen?

4. Praktiziere Akzeptanz

Eine sehr nützliche Gewohnheit: Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Akzeptieren heißt, dass du nicht aufgibst und die Kontrolle nicht an den Stress abgibst. Vertraue dir, dass du in jeder Situation die Kraft findest, noch einmal aufzustehen.

5. Denke an die Macht der Zeit

Die Zeit heilt alle Wunden, sagt man. Was jetzt gerade furchtbar bremst und nervt oder weh tut, macht dich stärker und wird dir aus der Zukunft nicht so schlimm erscheinen. Gewöhne dich daran, dir Zeit zu geben.

6. Verlange nicht von dir, die Antworten immer parat zu haben

Wir sind es gewohnt, dass wir Rede und Antwort stehen müssen. Kommt es zu wichtigen Lebensfragen, verlangen wir von uns selbst, dass wir die richtigen Antworten sofort finden. Wir vergessen, dass die richtigen Antworten immer dann zu uns kommen, wenn wir dafür bereit sind. Und dass es ok ist, wenn man nicht alles sofort weiß.

7. Sorge für dich

Finde täglich Zeit, für dich selbst zu sorgen. Fange gar nicht erst an, mit dir selbst zu verhandeln – die Zeit ist immer da, du musst sie dir nur nehmen. Trinke eine Tasse Tee (achtsam, in Ruhe), mache einen Spaziergang, creme dich ein und gehe eine Stunde früher ins Bett.

8. Lache dich gesund

Mache es zu einer Gewohnheit, über etwas zu lachen. Zum Beispiel immer, bevor du einen Kunden anrufen musst oder nach einem unangenehmen Vorfall. Lass dich von Videos mit tollpatschigen Tieren in die Leichtigkeit entführen oder lese ein paar Witze.

9. Sei glücklich, statt Recht zu haben

In jedem Gespräch kannst du wählen, was dir wichtiger ist: Dein Stolz oder die Beziehung. Mache es dir zu einer Gewohnheit, kurz abzuwägen, ob es dir wirklich Wert ist, Recht zu haben.

10. Stärke die Stärken

Denke nicht an die Fehler, die du hast, nicht an die Macken und nicht an Probleme. Frage dich, was du heute richtig machen kannst, was dir Spaß macht und wovon du mehr haben willst. Da, worauf du deine Aufmerksamkeit richtest, davon wirst du mehr im Leben haben.

Kennst du andere gute Gewohnheiten? Teile diese gerne hier mit uns, denn von entspannten Menschen profitieren wir alle zusammen!

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Die Inspektorin: Kollaborativer Konsum – oder warum ausborgen und verleihen hip und einfach ist

Unsere Welt verändert sich stetig. War es früher noch modern und ein Zeichen von Wohlstand, so viel wie möglich zu besitzen (mein Auto, mein Haus, meine DVD-Sammlung… ) geht der…

Unsere Welt verändert sich stetig. War es früher noch modern und ein Zeichen von Wohlstand, so viel wie möglich zu besitzen (mein Auto, mein Haus, meine DVD-Sammlung… ) geht der Trend aktuell zum kollaborativen Konsum. Das heißt, dass Menschen Güter immer weniger als Statussymbol sehen und Dinge nicht mehr unbedingt besitzen müssen, um sich selbst aufzuwerten. Es genügt, Sachen und Gebrauchsgegenstände zu leihen, statt sie zu kaufen oder auch mal etwas zu verleihen. Am besten eignen sich dafür Dinge, die man nicht täglich braucht, wie zum Beispiel eine Bohrmaschine, ein Schokofondueset oder eine DVD. Vereinfacht wurde diese Art des Konsums durch das Internet, in dem es viele Tauschplattformen gibt, ursprünglich aber vor allem Informationen geteilt wurden. In meinem aktuellen Kolumnenbeitrag will ich euch unterschiedliche Möglichkeiten zeigen, euch an der Share Economy zu beteiligen. Dabei spielen sowohl altbekannte Offline-Institutionen als auch das Internet eine Rolle.

Die Bibliothek

Ihr kennt sie bestimmt seit eurer Schulzeit und habt sie seitdem vielleicht nur noch selten betreten. Ein hervorragender Ort, um sich Bücher, Zeitschriften, CDs, DVDs und andere digitale Medien zu leihen. Es gibt in vielen Büchereien mittlerweile auch die Möglichkeit, sich e-books auszuborgen. Die Bibliothek in eurer Nähe könnte also um einiges moderner sein, als ihr sie euch vorstellt. Schaut doch einfach mal vorbei und lasst euch positiv überraschen.

Die Videothek

Auch DVDs und Blu Rays gehören zu den Dingen, die ihr vielleicht nur einmal verwendet und anschließend in eurem Regal verstauben. Warum also nicht für einen gemütlichen Fernsehabend der Videothek in eurer Nähe einen kurzen Besuch abstatten? In gut sortierten Videotheken sind oft schon die neuesten Filme vorrätig.

Pumpipumpe.ch

Pumpipumpe ist ein Verein, der sich für den bewussten Umgang mit Konsumgütern und mehr soziale Interaktion in der Nachbarschaft einsetzt. Es soll das Leihen und Ausleihen von Gütern, die man nur selten braucht, gefördert werden. Die Grundidee ist, der Nachbarschaft Dinge zu leihen, die man selbst nur selten braucht, wie zum Beispiel einen Grill oder eine Bohrmaschine. Dafür hat jemand anderer in der Nachbarschaft vielleicht eine Nähmaschine oder ein Verlängerungskabel zu verleihen. Will man sich an der Idee von Pumpipumpe beteiligen und in der Nachbarschaft etwa das Waffeleisen verleihen, das im eigenen Haushalt höchstens zwei Mal im Jahr zum Einsatz kommt, genügt ein Klick auf Pumpipumpe um sich einen Sticker mit Waffeleisenabbildung zu bestellen und ihn auf den eigenen Briefkasten zu kleben. Vielleicht seit ihr ja die oder der Erste, der sich in eurer Gegend an dieser sehr schönen Idee beteiligt und einen neuen Trend auslöst. Die Sticker kann man sich in Deutschland und der Schweiz versandkostenfrei zusenden lassen, in alle anderen Länder betragen die Versandkosten vier Euro.

Carsharing

Wenn ihr in einer von öffentlichen Verkehrsmitteln gut erschlossenen Gegend wohnt, braucht ihr ein Auto wahrscheinlich nur äußerst selten. Falls ihr doch mal eines benötigt, gibt es bestimmt ein Carsharingangebot in eurer Nähe, bei dem ihr Autos schon minutenweise anmieten könnt. Googlet doch einfach nach einem Anbieter in eurer Nähe.

Freunde

Warum denn in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Wenn ihr wisst, dass eine Freundin sich gern am Dörren versuchen würde, während euer Dörrautomat im Regal verstaubt, dann borgt ihr einfach das gute Stück. Im Gegenzug könnt ihr euch ja vielleicht mal ihr Glätteisen leihen.

Fairleihen.de

Mit fairleihen.de stelle ich euch eine regionale Verleihplattform vor. Sie deckt nämlich nur den Raum Berlin ab. Die Teilnahmebedingungen klingen wie der Name schon sagt fair. Die Abholung muss immer persönlich beim Verleiher erfolgen. Dafür gibt es sogar einen Vertrag. Es wird auch empfohlen, bei der Übergabe einen kurzen Blick auf den Ausweis zu werfen. Wer selbst drei Produkte zum Verleih anbietet, darf sich sofort selbst eines ausleihen. Bei der Produktsuche werden zuerst die nächstgelegenen Verleiher angezeigt. Fairleihen.de stellt ein System zur Verfügung, das die Terminvereinbarung erleichtert. Ist ein Termin gefunden, erhalten beide Teilnehmer die gegenseitigen Adressen. Nach erfolgter Rückgabe des Gegenstands besteht die Möglichkeit, eine Bewertung abzugeben. Um die mobile Nutzung zu vereinfachen, kann man die Funktionen von fairleihen.de auch als App nutzen, die für alle Smartphones verfügbar ist.

Couchsurfing.org

Schließlich will ich euch noch die Königsdisziplin des Verleihens vorstellen. Das sogenannte Couchsurfing. Auf dieser Website stellen Privatpersonen einen kostenlosen Schlafplatz für Reisende zur Verfügung. Um die Nutzer – sowohl die Reisenden, als auch die Gastgeber – möglichst gut einschätzen zu können ,gibt es ausführliche Profile. Die Identität wird zusätzlich mittels Kreditkarte überprüft. Art und Dauer des Aufenthalts werden im Vorhinein zwischen den Nutzern vereinbart. Es ist Bedingung, dass die Übernachtung gratis angeboten wird. Sollte der Gast sich für bereitgestellte Mahlzeiten oder das Benutzen der Waschmaschine finanziell revanchieren wollen, darf dies der Gastgeber akzeptieren.

Wie beteiligt ihr euch am kollaborativen Konsum? Habt ihr schon einmal Dinge mittels Internet verliehen? Wenn ja, welche und welche Plattformen habt ihr dafür verwendet? Habt ihr das verliehene Gut wieder intakt zurückbekommen? Welche Offline-Möglichkeiten habt ihr schon verwendet, um euch Dinge auszuleihen?

Quelle: Wikipedia

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Wieder auf dem Jakobsweg: Tag 34, Heimreise

Heimreise, Flug ab Nizza Während des Frühstücks noch einmal strömender Regen. Auf dem Flachdach steht schon seit Tagen ein „See“. Zwei Stunden später blauer Himmel – als ob nichts gewesen…

Heimreise, Flug ab Nizza

Während des Frühstücks noch einmal strömender Regen. Auf dem Flachdach steht schon seit Tagen ein „See“. Zwei Stunden später blauer Himmel – als ob nichts gewesen wäre. Konrad schreibt seine ersten und letzten Postkarten. Wir machen einen letzten Bummel durch die Gassen von Nizza. Die letzten Kerzen entzünden wir in der L’Eglise Notre Dame und erleben noch das Ende einer Messe begleitet vom Lärm eines Sandstrahlreinigers. Eine letzte Crepe und einen Espresso im Straßencafe. Vom Flughafen ein letzter Blick auf das WIRKLICH azurblaue Meer.

Anstrengend war’s schon! Und doch möchte ich keinen Tag missen.

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Allgemeines:

Die eher individuelle Art der Übernachtungen im Doppelzimmer, wenn auch überwiegend sehr einfach, ist teurer. Für Doppelzimmer haben wir im Allgemeinen um 50 Euro, oft mit Halbpension, ausgegeben. In Schlafräumen kann man natürlich wesentlich billiger wohnen. Dort besteht oft Kochgelegenheit. Wir haben zu zweit durchschnittlich pro Tag 80 bis 100 Euro für Übernachtung, Essen und Weiteres ausgegeben.

Mein Rucksackinhalt:
Rucksackgröße 35 Liter
Kleine Toilettetasche mit Inhalt
Kleine Erste Hilfe Tasche
Wasserflasche
1 warme Strumpfhose
1 dünne Strumpfhose
1 Leggings
1 T-Shirt ohne Ärmel
2 T-Shirts mit kurzen Ärmeln
2 BHs
3 Unterhosen
1 Paar dünne Socken (für abends)
2 Paar Wandersocken
1 dünne Fleecejacke
1 langärmelige Bluse
1 Badeanzug
1 warme Fleeceweste ohne Ärmel (habe ich oft gebraucht)
1 Sonnenhut
1 Halstuch
1 Stirnband
1 Paar Handschuhe
1 Anorak
1 Reservehose (als „Abendhose“)
1 Regenhose
1 Regenschutz für den Rucksack
1 Regencape
1 leichter Schirm
1 Paar Sandalen
1 Wanderführer
1 Schreibblock
Adressbuch

Alles zusammen wiegt 9,5 Kilogramm.

Ausrüstung:
Wanderschuhe (Lowa Renegard), zwei Nummern größer
Abtrennbare Wanderhose
Wanderstöcke

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Wieder auf dem Jakobsweg: Tag 33, Nizza

Nizza, Ibishotel Konrad ist ein homme formidable – ein cooler Typ geworden: • Schon in den letzten Wandertagen konnte er häufig HINTER mir gehen • Er hat sich überwunden, eine…

Nizza, Ibishotel

Konrad ist ein homme formidable – ein cooler Typ geworden:
• Schon in den letzten Wandertagen konnte er häufig HINTER mir gehen
• Er hat sich überwunden, eine passende, modische Sommerhose zu kaufen (weder zu weit noch „Hochwasser“)
• Er kann langsam BUMMELN und großteils neben mir gehen (nicht 10 Meter vor mir)
• Wir sind SPONTAN in einem Bus eingestiegen und ZIELLOS durch Nizza gefahren
• Unpässlichkeiten wie der gestrige strömende Regen, unprofessionelle Kellner und lange Wartezeiten können wir gelassen hinnehmen.
• Konrad schreibt FÜNF Postkarten
• Ganz besonders heldenhaft und cool war die Entscheidung ZWEI Nächte bei Esther zu bleiben.

Wer und was auch immer zu dieser Wandlung beigetragen hat, dem azurblauen Himmel über Nizza sei Dank!

Heute ist es warm und windstill aber bis Mittag noch bedrohlich bewölkt. Mit dem Bus und zu Fuß erkunden wir die Stadt. Immer mehr wagt sich die Sonne hervor und beleuchtet das Meer in intensivem Blau und Türkis. Am Nachmittag ist auch der Himmel strahlend blau. Es ist windig und am Strand freuen sich die Schwimmer über die hohen Wellen. Die kleinen Gassen der Altstadt sind belebt. Auf den sehr schön gestalteten Plätzen wird die 150-jährige Zugehörigkeit Nizzas zu Frankreich gefeiert. Stelzengeher in weißen Vogelkostümen tanzen zu mystischer Musik. Trommler und Fahnenschwenker sind unterwegs.

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Die vielen Lokale, wirklich eines neben dem anderen, sind stark frequentiert. Beim Abendessen sitzt am Nebentisch ein junger Mann mit seiner Begleiterin. Im Angebot gibt es unter anderem Carpaccio soviel man essen kann. Nach dem dritten verputzten Teller lacht der Bursche in unsere erstaunten Gesichter und sagt, dass er heute nicht viel Appetit hat. Wenn er Hunger hat, isst er acht Portionen. In all diesem Trubel finden wir zufällig die Kirche der Dominikaner und erleben eine Vesper mit den wenigen Mönchen. Ein harmonischer Tagesabschluss. Bis zum Abend regnet es nicht. Mit einer roten Rose (echt) von Konrad auf dem Nachtkastl schlafe ich ein.

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