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Frauengesundheit – mehr Wohlbefinden im Zyklus

Irgendwann kam in mir der Wunsch auf, einen Artikel für The bird’s new nest zum Thema Frauengesundheit zu schreiben. Da ich selbst „nur“ auf Erfahrungswissen zurückgreifen kann, habe ich natürlich…

Irgendwann kam in mir der Wunsch auf, einen Artikel für The bird’s new nest zum Thema Frauengesundheit zu schreiben. Da ich selbst „nur“ auf Erfahrungswissen zurückgreifen kann, habe ich natürlich zuerst passende Bücher zum Thema recherchiert. Da aber dies zum einen kein Thema ist, an dem ich völlig unbeteiligt bin und zum anderen viele Überlegungen ins Land gegangen sind, wie ich diesem Thema in einem einzigen Artikel gerecht werden soll, war es für mich schwierig, den Artikel fertigzustellen. Ich habe mich nun dazu entschieden, euch alle von mir gelesenen Bücher in einem Artikel vorzustellen, zusammen mit ein paar allgemeinen Gedanken, welche Quellen und Ressourcen zum Thema Frauengesundheit und insbesondere Wohlbefinden im Zyklus, hilfreich sein könnten.

Disclaimer: Die folgenden Inhalte sind wie immer keine ärztlichen Empfehlungen und jeder Körper ist unterschiedlich. Daher nehmt gerne für euch mit, was passend ist, haltet aber immer mit Fachpersonen Rücksprache. Zudem möchte ich hier keine Definition voranstellen, was/wer alles als Frau verstanden wird, darum soll es heute bei dem Thema nicht gehen. Jeden den es betrifft, möge diesen Artikel für sich nutzen.

Jetzt aber auf ins Thema!

Stichworte, um die es hier im Zusammenhang mit Frauengesundheit gehen soll: Wohlbefinden und Zyklus, PCOS, Hormone, PMS, Endometriose (oder auch Adenomyose), zyklusbasierte Ernährung, Selfhelp und weiteres. Wenn man Beschwerden im Zusammenhang mit dem Zyklus hat oder auch allgemein mehr in Verbindung mit dem Zyklus leben möchte, dann hilft die übliche Beratung in gynäkologischen Praxen meist nicht weiter. Das zeigt auch die Fülle an Coaches, Ärzt*innen und Heilpraktiker*innen, die zum Beispiel auf Social Media Rat und Informationen anbieten. Generell kann dieses Wissen hilfreich, aber auch verwirrend oder irreführend sein. Gerade bei selbsternannten Expert*innen sollte man immer genau hinsehen, woher ihr Wissen stammt. Das gilt natürlich auch für Bücher, bei denen es inzwischen auch eine gute Auswahl zu den Themen Zyklus, Periode oder auch Endometriose gibt.

Zyklusbasierte Ernährung

Wer Probleme mit seinem Zyklus hat, also beispielsweise körperliche Beschwerden wie PMS, Akne oder Stimmungsschwankungen, kann sich mit dem Thema zyklusbasierte Ernährung auseinandersetzen. In dem Buch Zyklus im Glück von Jessica Roch (Zykluscoach) geht es genau darum. Das kompakte Buch geht auf weibliche Hormone und ihren Zusammenhang im Zyklus ein, dreht sich aber vor allem darum, wie man mit Ernährung den Körper unterstützen kann, wenn Hormonungleichgewichte herrschen. Sie geht in einem Teil des Buches aber auch auf einen Lebensstil (Bewegung, Produktivität, Pausen…) ein, der die Hormonbalance fördert und damit PMS, Regelschmerzen oder andere hormonell bedingte (!) Beschwerden lindern kann. Der letzte Teil des Buchs umfasst Rezepte für eine (hormon-)zyklusbasierte Ernährung.

Die Autorin nutzt das Vier-Jahreszeiten-Modell des Zyklus und beschreibt, dass in jenen unterschiedliche Hormone am Werk sind und der Körper dadurch jeweils unterschiedliche Bedürfnisse hat. Sie empfiehlt, den Zyklus zu tracken (zum Beispiel durch Temperaturmessung), um immer zu wissen, in welcher Phase man gerade ist. So kann man die Rezepte aus dem Buch – gekennzeichnet nach Zyklusphase – dann passend zur Follikel- oder Eisprungphase ausprobieren. Ich kannte vor dem Buch bereits ihre Zyklustracker-App „Bodysynchron“, die mich wegen der tollen Rezepte, die je nach Zyklusphase angezeigt werden, begeistert hat. Zum „Zyklus im Glück“-Buch gibt es zudem noch ein extra Rezeptbuch.

Insgesamt ist das Buch ein toller Einstieg in das Thema Hormone und zyklusbasierte Ernährung. Welches Hormonungleichgewicht, also zum Beispiel Östrogenmangel, bei einem selbst vorliegt, ist aber schwierig zu entscheiden. Daher sollte man bei den im Buch genannten Heilkräutern und Adaptogenen auch die Wirkweise recherchieren. Zudem sind im Buch leider keine wissenschaftlichen Quellen genannt. Toll ist aber, dass alle Rezepte soweit ich sehen konnte, vegan sind.

 

Zyklusbasierte Ernährung, die zweite

Kurz möchte ich euch noch ein weiteres, sehr ästhetisches Buch zum selben Thema vorstellen: Eat like a Woman. In diesem sinnlich gestalteten Werk geht es ebenfalls um zyklus-unterstützende Ernährung, hier Feminine Food genannt. Der Zyklus wird hier in zwei Phasen geteilt, eine Zeit des Aufblühens und eine Zeit des Loslassens. Der große Rezeptteil des Buches ist ebenfalls in diese zwei Zeiten eingeteilt, begleitet von Yoga- und Atemübungen und Tipps zu Achtsamkeit oder Heilkräutern. Das Buch ist einfach eine Augenweide und die Rezepte sehen unglaublich lecker aus. Empfehlen kann ich hier unter anderem das Rezept für Hirseporridge mit Grapefruit und Nüssen. Eat like a Woman wurde in Begleitung einer Frauenärztin erstellt und nimmt den Zyklus auch aus einer ganzheitlichen Perspektive wahr.

 

Endometriose

Medizinischer wird es im Standardwerk zum Thema Endometriose – die unterschätzte Krankheit von Prof. Dr. Sylvia Mechsner, die zu Zeit besonders zum Thema Endometriose forscht.

Frau Prof. Mechsner ist vielen, die vom Thema Endometriose hören, ein Begriff. Sie beschreibt in diesem Buch verständlich und recht umfassend, warum Endometriose oft erst so spät entdeckt wird, dass es eine hormonabhängige Krankheit ist und warum eine OP nicht immer die ultimative Lösung ist.

Das Buch bleibt aber nicht nur bei den medizinischen Fakten, sondern beschreibt auch einige typische Befunde und auch Therapiemethoden zur Unterstützung bei den Beschwerden. Es bietet unter anderem einen Überblick über Klassifikationen zur Diagnose, Hormontherapie aber auch Informationen zur Schmerzwahrnehmung.

Das Buch hilft sicherlich bei einigen Entscheidungen und ergänzt das eigene Erfahrungswissen durch medizinische Fakten. Dabei beschönigt die Autorin nichts, bleibt aber immer auf der Seite der Patientinnen. Eine große Buchempfehlung, da es viele wichtige Themen umfasst und das „Chamäleon“ Endometriose in seiner Vielfältigkeit gut darstellt. Ich würde es als Nachschlagewerk und verlässlichen Begleiter bei der Erkrankung empfehlen.

Besonders toll sind die Ressourcen am Ende des Buches, wo weiterführende Adressen, Literatur, Tools und auch Quellenangaben aufgeführt sind.

Alternative Ansätze

Etwas weniger medizinisch, dafür aber ganzheitlich-alternativ wird es mit zwei Büchern, die ich hier noch am Rande erwähnen möchte. Das eine, The Wild Genie: The Healing Power of Menstruation von Alexandra Pope (Psychotherapeutin), ist ein zur Zeit noch nicht auf Deutsch verfügbarer Selfcare-Guide, der verschiedene Berichte von Betroffenen vorstellt, die auf irgendeine Weise mit ihrem Zyklus oder ihrer Menstruation Probleme hatten. Das Buch geht aus einer spirituellen Perspektive an das Thema heran und zeigt verschiedene Qualitäten auf, die wir in unserem Zyklus erleben könnten, zum Beispiel einen stärkeren Hang für Verträumtheit oder auch fürs Loslassen. Die Autorin sagt, dass beispielsweise die körperlichen Symptome eine Sprache sind, auf die wir hören können, um uns mehr Wohlbefinden zu verschaffen. Sie geht von einer kraftvollen Seite der Menstruation aus, die uns in unserem Alltag leiten kann und davon, dass der Zyklus uns helfen kann, uns selbst zu verstehen und kennenzulernen. Auch sie spricht von Stressmanagement und passender Ernährung.

In Die Kraft deines Zyklus von Nora Konrad (Heilpraktikerin für Psychotherapie) begegnet uns das Vier-Jahreszeiten-Modell wieder. Es geht auf die Themen hormonelle Verhütung, Zyklusgesundheit (stressbedingte Beschwerden, unregelmäßiger Zyklus, PMS…) aber auch auf Frauen- (und Männer-) Bild und damit die Sicht auf sich selbst im Spiegel der Erwartungen von außen ein. Auch hier wird von einer dynamischen Art des Zyklus ausgegangen, welche es wert ist, genauer zu beobachten, um angepasst an die Jahreszeiten-Phasen mehr Wohlbefinden zu erreichen. Auch hier sind Ernährung, alternative Unterstützungsmethoden bei Beschwerden wie Naturheilkunde, Yoga oder auch Selbstfürsorge Thema.

Insgesamt hilft es sicher immer, sich auch selbst zu empowern und sich über Bücher, Workshops, Fortbildung, Vorträge oder auch Austausch mit anderen, mehr über das Thema Frauengesundheit zu informieren. Dazu ist es empfehlenswert, den Zyklus und die Beschwerden aus mehreren Perspektiven anzusehen – ob beim Thema Ernährung, eigene Sicht auf sich selbst oder auch Achtsamkeit für den Körper. Die Teilnahme an einem Kurs oder einer Selbsthilfegruppe, ein radikaler Selbstfürsorge-Plan für sich selbst oder anderes: Was gut tut und was nicht, was passt oder nicht funktioniert, das könnt nur ihr selber entscheiden.

Vielen Dank an den GU Verlag und den ZS Verlag für die Rezensionsexemplare!

 

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Habibi von Craig Thompson – eine mythologische Liebesgeschichte

Content Note: Dieses Buch handelt von körperlicher und sexueller Gewalt, Tod, Rassismus, Sexismus etc. Puh. Das ist der Kommentar, den vielleicht einige am Ende dieses dicken Wälzers von sich geben….

Content Note: Dieses Buch handelt von körperlicher und sexueller Gewalt, Tod, Rassismus, Sexismus etc.

Puh. Das ist der Kommentar, den vielleicht einige am Ende dieses dicken Wälzers von sich geben. „Habibi“ von Craig Thompson ist keine einfache Lektüre und ich bin mir sicher, dass ich nach dem Lesen noch längst nicht alles verstanden oder alle Metaphern übertragen habe. Die Graphic Novel spielt in einer arabisch-orientalischen Welt, zunächst vor vielen, vielen Jahren, doch je näher man an das Ende des Buches gelangt, offensichtlich auch in der heutigen Zeit. Handlungsschauplätze sind vorrangig die Wüste, ein Palast und verrrohte, heruntergekommene Orte.

Dieses Werk handelt von Dodola, die als junges Mädchen an ihren zukünftigen Ehemann verkauft wird. Dieser bringt ihr zwar Lesen und Schreiben bei, missbraucht sie aber auch. Eines Tages wird der Mann überfallen, Dodola wird mitgeschleppt und landet schließlich bei Sklavenhändlern. Dort trifft sie auf Ham (später Zam), ein kleines Kind, das sie für ihren Bruder ausgibt. Zusammen gelingt ihnen die Flucht in die Wüste, in der sie fortan in einem gestrandeten Schiff leben – für viele Jahre, bis Dodola erwachsen ist.

Dodola kümmert sich um Zam, der es liebt, wenn sie ihm mythologische Geschichten erzählt. Diese Geschichten sind nicht nur Halt für die beiden, sondern sie kommen auch durchgängig im Buch als Metaphern und Parabeln vor und spielen auf die tatsächliche Handlung an.

Inhaltsverzeichnis: Spiel mit Formen und Buchstaben

Die Trennung

Das gemeinsame Aufwachsen wird in großen Teilen als Rückblende erzählt, als Dodola längst in einem Palast lebt und gerade schwanger ist. Sie sehnt sich nach Zam, den sie in der Vergangenheit verloren hat. Wir erfahren, dass Dodola damals in der Wüste ihren Körper an vorbeireitende Karawanenführer verkauft hatte, um sich und Zam mit Nahrung versorgen zu können.

Was mit Zam passiert ist, erfahren wir ebenfalls parallel zum Fortschreiten der Haupthandlung: Eines Tages hatte er sich auf eigene Faust auf die Suche nach Wasser gemacht und tatsächlich einen Stausee gefunden. Das Glück währt nicht lange, er wird von Meuchlern erwischt, als er dort wiederholt Wasser entnehmen möchte. Ihm geling die Flucht zurück ins Wüstenschiff. Er beschließt, in die Stadt zu gehen, wo er auch schon Wasser eingetauscht hatte. Schließlich schließt er sich einer Gruppe Eunuchen an.

Leben im Harem und in Willkür

Nach der Trennung von Zam wurde Dodola als eine der Haremsfrauen des Sultans eingesetzt, da dieser von der „Wüstenkurtisane“ erfuhr. Sie wird schwanger von ihm, doch das Kind, das sie nie als ihres ansah, wird später umgebracht. Der Sultan stellt ihr zudem ein Ultimatum: Sie soll einen magischen Trick vollführen und Wasser zu Gold verwandeln, andernfalls wird sie hingerichtet.

Zam landet durch einen Zufall ebenfalls als Angestellter im Palast und bemerkt schnell, dass Dodola noch lebt. Diese wiederum schafft es zusammen mit den Palastangestellten einen Trick für den Sultan auszuführen, wird aber wenig später verraten und soll dann dafür büßen. Zam rettet sie und es beginnt ein neuer Lebensabschnitt für die beiden, der zunächst zwar wenig Hoffnung birgt, doch die beiden wieder näher zusammenbringt.

Mehr sei an dieser Stelle nicht über die Handlung verraten und dies ist auch nur ein grober Handlungsüberblick. Im Grunde geht es in diesem Buch um sehr viel mehr als eine sehr ungewöhnliche Liebesgeschichte.

Innenwelt

Zam hat mit persönlichen Konflikten zu kämpfen, die sich um Schuld, aufkeimende Sexualität und Scham drehen. Er fühlt sich zu seiner Ersatzmutter hingezogen, verurteilt sich aber stark dafür. Dodolas Körper wird viele Male missbraucht und sie erfährt einige traumatische Erlebnisse, von Kerker bis zu niederträchtigem Verhalten und Verrat. Die ganze Handlung über möchte sie nichts mehr, als wieder mit Zam vereint zu sein. Diese Hoffnung gibt ihr unbändige Kraft und Überlebenswillen, dennoch kämpft auch sie mit ihrer eigenen Sicht auf sich und ihren Körper.

Die Parabeln, Erzählungen und Auszüge aus Bibel und Koran und Geschichten über Heilige unterstreichen die Meta-Ebene der Gesamtgeschichte. Es geht nicht nur um zwei Personen, die sich verlieren und wiederfinden, sondern die Handlung wird wie in einem Fiebertraum mit diesen religiös-mythologisch-fantastischen Verweisen vorangetrieben und vermischt. Auch die arabische Schrift und Kalligraphie ist ein eindrucksvolles Gestaltungselement in dieser Graphic Novel. Thompson hat viele Jahre an diesem Buch gearbeitet und webt magische, historische und religiöse Themen in die Geschichte mit ein, die mit dem persönlichen Erleben der Protagonisten zu tun haben. Dabei geht es aber Schlag auf Schlag, hier ein mystischer Vergleich, da ein magisches Quadrat, hier Metaphern mit Worten, da symbolische Tierwesen.

Fiebertraum

Zum Teil ist das, was die Handlung untermalen soll aber ein Overkill und insgesamt wurde zuviel hineingepackt in diese Geschichte. Der Autor wollte hier vielleicht auch mehr, als wirklich beim Lesenden ankommt. Ich konnte nicht immer allen Gleichnissen oder Anspielungen folgen, dafür waren durchgängig zu viele Interpretationsräume auf einmal offen.

Dass Thompson großartig illustriert, zeichnet, gestaltet und beeindruckend viele verschiedene Texte aufgetan hat, die er zur Unterstreichung der Dramatik verwendet, ist klar. Dennoch zeichnet er von der arabischen Welt ein ziemlich düsteres Bild, es gibt kaum „gute“ Menschen in der Geschichte von Dodola und Zam.

Da das Buch schon einige Jahre alt ist, habe ich mir zudem auch einige Kritiken von damals und heute durchgelesen. Insgesamt wird die Graphic Novel als beeindruckendes und großes Werk angesehen, es sind aber auch kritische Stimmen zu hören, die Thompson vorwerfen, er habe nicht genug über den Islam und die arabische Kultur recherchiert und stelle diese einseitig als barbarisch dar. Ich kann das hier zwar bestätigen – die Handlung ist gnadenlos -, empfinde aber auch eine Kritik an der dargestellten Welt in seinem Werk. Vor allem, da Dodola einmal selbst als „rassistisch und frauenfeindlich“ betitelt wird und einige Charaktere überzeichnet und satirisch dargestellt sind.

Gesellschaftskritik

„Habibi“ hatte ich an einem Tag durchgelesen, auch wenn ich anfangs Schwierigkeiten hatte, mich aufgrund der Grausamkeit auf die Geschichte einzulassen. In manchen kleinen Lichtblicken zwischen der oft grausamen Handlung, kommt in der Geschichte sogar Humor auf. Das elegante Spiel mit den arabischen Buchstaben, aber auch das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten von christlichen und muslimischen Erzählungen sind besonders interessant. Einige Elemente sind sehr poetisch und berührend, zudem werden die Themen Ressourcenverschwendung, Müllverschmutzung, extreme Armut und Macht(missbrauch) ebenfalls eindrücklich dargestellt. Last but not least schließt „Habibi“ mit einem recht versönlichen und schönen Ende, in dem die beiden Hauptdarsteller zu sich finden. Alles in allem war „Habibi“ eine spannende und fesselnde Lektüre.

Die Graphic Novel hat 672 Seiten, ist in schwarz-weiß gedruckt, Hardcover mit Prägung und Goldveredelung.

Vielen Dank an den Reprodukt-Verlag für das Rezensionsexemplar!

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Fantastische Welten im Comic – für Kinder und Erwachsene

Das Fantasy-Genre erfreut sich momentan einer neuen Beliebtheit. Auch im Comic zeigen sich neue Ideen und Welten durch fantastische Elemente. In diesem Beitrag habe ich mir für euch zwei Fantasy-Comicbände,…

Das Fantasy-Genre erfreut sich momentan einer neuen Beliebtheit. Auch im Comic zeigen sich neue Ideen und Welten durch fantastische Elemente.

In diesem Beitrag habe ich mir für euch zwei Fantasy-Comicbände, die sich vorrangig an junge Lesende richten, aber auch eine surreale Grusel-Graphic-Novel, die klassische Horrorklassiker mit traum-haften Bildideen verbindet, genauer angeschaut.

Der Alchimist – Das geheimnisvolle Tor

Im aberwitzigen ersten Band von „Der Alchimist“ lernen wir den alten Buchmaler Flamel kennen, der seinen neuen, zukünftigen Lehrling ausruft. Auch Basil, der junge Herumtreiber mit seinem Hamster Margotin, ist auf dem Weg zur Ernennung. Spontan erhält er die Zusage für die Lehre und wird sogleich als Buchmaler ans Werk gesetzt um zu Üben. Hier stellt er sich wenig geschickt an und trifft auch rasch auf die super schlaue Esperanza, ein anderer Lehrling des alten Buchmalers.

Zeitgleich sucht ein kränklicher Mann mit eiserner Maske nach dem machtvollen Schlüssel, der in der Welt von Basil und Flamel zu finden ist. Genauer gesagt trägt Basil den Schlüssel bei sich… Und es kommt wie es kommen muss: Beim Herumschleichen in Flamels Räumlichkeiten findet Basil ein mysteriös aussehendes Buch, das perfekt zu seinem Schlüssel passt. Aus unverhohlener Neugier muss Basil das Buch natürlich sofort aufschließen, was der Meister rasch verhindern kann.

Dem Alten ist die Wichtigkeit des Schlüssels bewusst und er macht seinem neuen Lehrling klar, dass die beiden nun mit einer Hilfe auf die Suche nach einem mächtigen Artefakt gehen werden – die Jagd nach dem Stein der Weisen beginnt! Und zwar in der Notre Dame in Paris.

Unterwegs gabeln sie noch einen klischeetriefenden Söldner auf, der die drei begleiten und beschützen soll. Im Inneren des heiligen Gebäudes kommt es an einem versteckten Ort zum Showdown, die Helden müssen sich fiesen kleinen Rätseln und dem Auftritt des Eisenmanns persönlich stellen!

Dieser Comicband spielt in Paris, lange vor unserer Zeit, und bringt Elemente aus Magie, aber auch Steampunk zusammen, zudem spielt er mit Klischees und Anleihen aus anderen Fantasy-Geschichten mit einem Augenzwinkern. Der Zeichenstil ist leicht an den Manga-Stil angelehnt und zeigt eine ganz andere Feder des bekannten Zeichners Barbucci.

Die Story und Charaktere sind total lustig, die Story wird sicher weiterhin spannend bleiben und wer weiß, welche Fähigkeiten der Stein der Weisen in sich birgt? Und wer steckt hinter dem Mann mit der Eisenmaske? Der zweite Band ist soeben erschienen.

Elfies Zauberbuch Band 1 – Die verhexte Insel

Kommen wir zur Welt der Hexen und ihren Zauberbüchern! In „Elfies Zauberbuch Band 1 – Die verhexte Insel springen wir zurück in unsere heutige Welt.

Elfie ist eine quirlige und einfallsreiche Elfjährige, die seit kurzer Zeit bei ihrer strengen und theatralischen Tante leben muss, da ihre Mutter vor einem Jahr verstorben ist. Sie hat außerdem noch zwei Schwestern, eine davon ist bereits volljährig (Luna) und kommt eines Tages mit einem riesigen roten Bus zu Besuch. Sie nimmt die beiden jüngeren Schwestern mit, da sie frisch das Sorgerecht für die beiden erhalten hat!

Natürlich ist Tante Albertine nicht begeistert und erst recht nicht, als sie sieht, dass der Bus eine fahrende Buchhandlung namens „Das Stinkebuch“ ist. Nichtsdestotrotz fahren die drei auf Tour und es beginnt für die Schwestern die aufregendste und schönste Zeit ihres Lebens. In dem roten, auffälligen Bus, den die größte Schwester selbst repariert hat, wohnen die drei nun auch zusammen. Ihr erster Stopp ist am Strand und hier bekommt Elfie auch ein Erbstück ihrer Mutter überreicht: ein mit Edelsteinen verziertes, dickes Notizbuch.

Schnell merkt sie, dass dieses Buch verzaubert ist – ihr wird klar, dass die Geschichten ihrer Mutter über Magie nicht nur kreative schriftstellerische Einfälle waren, sondern sie sogar die hexerischen Fähigkeiten ihrer Mutter geerbt hat! Spätestens als sie sprechende Frösche erwecken kann, versteht sie, dass sie die Seiten des Notizbuches auf eine bestimmte Weise beschreiben muss, damit die Dinge darin durch Zauberei lebendig werden.

Doch dafür ist später noch Zeit, denn die Schwestern merken, dass in der bretonischen Ortschaft, in der sie den Bus geparkt haben, fiese Streitereien von statten gehen. Das ganze Dorf ist in zwei Lager gespalten, die einen sind auf der Seite des Briefträgers, die anderen auf der Seite eines bekannten Ladenbesitzers. Der Ursprung des Streits liegt tief in der Vergangenheit und hat mit seltenen Briefmarken und einem gemeinen Streich zu tun. Elfie und ihr neu gefundener Freund Ronan, der ein Enkel der betroffenen Streithähne ist, beschließen, Licht in die Sache zu bringen.

„Elfies Zauberbuch“ ist ein fantastisch-schönes Debüt, das einen schnell in seinen Bann zieht. Sei es durch eine leichtherzige, aber wunderbar ausgearbeitete Story oder die fantastischen Elemente rund um die Junghexe und ihr mächtiges magisches Zauberbuch. Die Zeichnungen und Farben des Comics sind warm und einladend aber auch schön detailliert. Großartig und eine absolute Empfehlung für Groß und Klein!

Das Traumbestiarium

Das nächste Werk ist nicht für Kinder geeignet, es ist abstrakt, surreal und ein wenig gruselig. Wie eine Art Fiebertraum mit absurden Elementen. „Das Traumbestiarium“ erinnert zum Teil an den Meister der Horrorklassiker, Lovecraft. Es ist so skurril wie alltagsnah, was nicht ganz so leicht zu erklären ist.

Da ist einmal Mr. Providence, Parkwächter in einem Naturpark/Freizeitpark. Immer in schwarz gekleidet und mit einem gestreiften Schal ausgestattet, schaut er im Park nach dem rechten – und kämpft regelmäßig gegen monsterartige Kreaturen, die überall auftauchen. Im steten Zwiegespräch mit seiner Katze Maldoror plagen ihn Zweifel an seiner Tätigkeit und Wahnvorstellungen, bei denen nie ganz klar wird, ob er sich diese einbildet oder diese fantastischen Traumgebilde wie übergroße Karpfen oder Tentakel real sind.

Beim Gang durch den Park lernen wir auch weitere BewohnerInnen kennen: die drei alten Damen, die gerne überall an den unmöglichsten Orten im Park auftauchen und stricken oder das Geschehen beobachten und kommentieren. Eines Tages betritt eine neue Parkdirektorin das Geschehen und bringt merkwürdige neue Ziele für den Park mit. Ihre Ansagen und ihre Sprechweise erinnern sehr häufig an unsere reale Arbeitswelt, wie sie viele kennen mögen.

Mr. Providence versucht sein Bestes, seiner Bewahrer-Aufgabe nachzugehen, doch eines Tages findet er im Fluss das Buch der Karpfen, das ihn seither nicht mehr loslässt. Ab da wird er von übergroßen, bunten Meeresbewohnern verfolgt und ihm erscheint stets ein merkwürdiges Haus, das auf Klippen gebaut ist.

Zu allem Überfluss taucht der psychosoziale Dienst im Park auf, der augenscheinlich prüfen will, ob alles in Ordnung ist. Dabei will auch er an das Buch, das Providence hütet. Doch dann holen sich Kinder, die den Park besuchen, das Buch und er muss sie um jeden Preis vor der Horrorwelt schützen, die er als Einziger richtig wahrzunehmen scheint.

Die Kinder verwandeln sich aber schnell selbst in fischartige Kreaturen und auch der psychosoziale Dienst ist ihm schon wieder auf den Fersen. Auf der Flucht gelangt Providence endlich in die Nähe des Hauses auf den Klippen und endlich erfahren wir Titel und Inhalt des Buches, das ihm so wichtig ist: es ist eine Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft. Wie die Geschichte ausgeht, sei hier nicht weiter verraten.

Bemerkenswert ist in jedem Fall die durchgängig schwarz-weiß gehaltene Gestaltung, die durch die traumartig auftauchenden bunten Gestalten und Tiere eindrucksvoll wirkt. Der Zeichenstil ist schraffur- und skizzenartig, mit starken und dunklen Linien und Kontrasten. Die Traumgebilde sind in knalligen Farben mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet, sie fliegen, schweben und schwimmen um die handelnden Personen herum, was das traumartige an der Graphic Novel verstärkt. Besonders schön sind tatsächlich die Bestien und das Wasser-Thema im Buch dargestellt.

Providence möchte die ganze Zeit anderen helfen und sie bewahren und wird dabei selbst fast wahnsinnig. Der wahnsinnige und abstruse Part liegt aber eher an der fanatischen Direktorin, die stets mit ihrem Arbeitstier, einem Pferd, im Park Befehle und künstliche Ziele vorgibt, die weder zum Park noch zu den BewohnerInnen dort passen und selbst wie aus einer anderen Welt wirken. Die Besuchenden werden ganz langsam in die verrückten Abläufe und Vorkommnisse im Park hineingezogen, sodass die übernatürlichen Geschehnisse mehr und mehr zur Realität werden.

Das zum Teil kafkaeske Buch thematisiert ein Stück weit, dass man seinen Verrücktheiten Raum lassen sollte, aber auch Träume sind immer wieder Thema. Hier trifft, wie es auf dem Buchdeckel auch steht, das 21. Jahrhundert auf alte Horrorklassiker, magischer Realismus auf Schauerliteratur. „Das Traumbestiarium“ ist spannend, skurril aber auch ein Stück weit vertraut und enthält die Kurzgeschichte, die in Providences Buch vorkommt.

Zusammengefasst ist das Genre Fantasy sehr breit gefächert, wenn man von klassischen Erzählungen wie von Tolkien oder Hennen den Blick auch auf andere fantastische Welten richtet, kann man ganz wunderbare oder auch manchmal gruselige, aber dennoch faszinierende Charaktere entdecken, gerade so wie man es mag.

Vielen Dank an den Splitter-Verlag für das Bereitstellen der Rezensionsexemplare!

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Realität versus Fantasie – Wie wir die Welt wahrnehmen: 3 Comicrezensionen

Realität versus Fantasie: Wenn sich unsere alltägliche Wahrnehmung der Welt, die ja sowieso schon einzigartig ist, mit unserer Fantasie vermischt, dann kann das zu richtig kreativen Einfällen und spannenden Stories…

Realität versus Fantasie: Wenn sich unsere alltägliche Wahrnehmung der Welt, die ja sowieso schon einzigartig ist, mit unserer Fantasie vermischt, dann kann das zu richtig kreativen Einfällen und spannenden Stories führen. Manchmal ist dann gar nicht mehr so klar, was real ist und was nicht. Aber solche Geschichten zeigen uns, wie stark unsere Wahrnehmung unsere alltägliche Welt und damit auch das, was wir für wahr halten, prägen kann.

Heute habe ich drei Bücher für euch, die alltägliche Charaktere in ihrem normalen, auf den ersten Blick banalen, Leben zeigen. Doch wo die eine dem verrückten Alltag eher scheinbar passiv und gleichgültig begegnet, macht die andere Hauptperson ein kleines Wunderland aus ihrem grauen Alltag. Und im dritten Buch erleben die beiden Protagonistinnen einen abgefahrenen Roadtrip, der sie an ihre Grenzen bringt, aber auch über sich hinauswachsen lässt.

 

Katze hasst Welt

Zugegeben, der Titel „Katze hasst Welt“ klingt erst einmal etwas extrem. In vielen der in kurzen Comicstrips mit groben Linien gezeichneten Situationen kann man Katze, die Protagonistin des schmalen Comicheftes von Kathrin Klingner, aber gut verstehen.

Katze ist frisch getrennt und arbeitet schon seit ein paar Jahren in einem Café auf dem Kiez in Hamburg. Sie macht Kaffee, hört sich absurde und sinnlose Gespräche an und steht so den Tag durch, schweigend.

Im ersten Teil erfahren wir, wie es zur Trennung von Katze und Panda kam und wie sie beide mit dieser umgehen. Katze lässt sich erst mal hängen und ist sprachlos – wie so oft – und nebenbei wird das Ganze auch noch von ihren tierischen Freunden kommentiert. Auf der Arbeit trifft sie täglich auf verschiedene Gäste: Prostituierte, Betrunkene, fordernde Touris… und auch auf viele Meinungen und Respektlosigkeiten. Diese muss sie sich täglich anhören – erwidert aber nie etwas darauf. Von Katze selbst erfahren wir wenig, lediglich die Zeichnungen verraten, wie es ihr wirklich geht. Manchmal geht sie in dem trubeligen Stadtteil voller Casinos, Sexshops und Co. in den Scream-o-mat. Und manchmal sieht sie ganz schön müde aus.

Zum Glück erfahren wir im letzten Teil noch ein wenig über ihre Vergangenheit. Katze war nämlich früher an der Kunsthochschule und auch hier traf sie auf ziemlich abgefahrene und gruselige Menschen. Sinnlose Partys, zu sehr von sich überzeugte und kaputte Menschen lassen sie an allem zweifeln und werden bis ins absurdeste beschrieben.

Das Ganze prägt die eigentlich sehr sensible Katze sehr: Sie bricht die Hochschule ab und zieht weg, außerdem besucht sie einen Therapeuten. Ihre Sprachlosigkeit und Schweigen scheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, sie erträgt lieber still, bleibt in ihrem Job, sucht kein Gespräch mit dem Partner. Doch sie hat auch ein sehr kritisches, gut beobachtendes Auge und ist sehr feinfühlig. Letzten Endes nimmt sie ihr eigenes Leben dann aber doch selbst in die Hand.

Katze hat eine recht negative Sicht auf die Dinge, sie hält sich immer zurück, zeigt wenig Eigeninitiative und man fragt sich, warum sie diese tragisch-komische Parallelwelt einfach so aushält, obwohl sie davon reizüberflutet ist und irgendwie kein Teil davon ist. Es ist hier meiner Meinung nach schwer, ein Fazit zu ziehen, was wir aus ihrer Story lernen können. Vielleicht einfach nur, dass es hilft, sich ein wenig Ironie beizubehalten und nicht überall eingreifen muss und dass es fraglich ist, wie heilsam es ist, alles mit sich selbst auszumachen.

 

Rosalie Blum

Kommen wir zu einem wahren Feuerwerk an verrückten Situationen, die sich allein aus dem Aufeinandertreffen verschiedener Menschen ergeben. Dieses umfangreiche Comicwerk lässt sich schwierig zusammenfassen, aber im Grunde geht es um einen Beobachter, der selbst irgendwann beobachtet wird und der endlich aus seinem Alltagstrott entflieht. Hier wird schön gezeigt, dass der Schein und die Fantasie oft nicht der Realität entsprechen, das heißt aber nicht, dass die Realität nicht auch schön sein kann. Super spannend ist hier auch beschrieben, wie wir Unwissen mit eigenen Theorien und Wunschdenken zu einem Gesamtbild zusammenfügen.

Rosalie Blum“ von Camille Jourdy lebt von sehr skurrilen Figuren. In der Mitte steht Vincent, ein zurückhaltender dreißigjähriger Mann, der einen Friseurladen besitzt. Durch seine Neugier und durch den Nervenkitzel des Neuen beginnt er, viele Menschen um sich herum Stück für Stück unbewusst zu beeinflussen. Aber der Reihe nach. Eines Tages trifft er beim Einkaufen eine Dame, die er meint irgendwoher zu kennen. Diese lässt ihn nicht mehr los und wird von da an ein fester Bestandteil seines Lebens, vor allem da sie genau so einsam wie er zu sein scheint:
Sein trister Alltag besteht aus niedermachenden Kommentaren seiner Mutter, um die er sich sehr oft kümmert und den Kontakt mit seinem Cousin, der in seiner eigenen, skurrilen Fantasiewelt lebt.

Immer wieder folgt er nun der Fremden, nur um zu beobachten, was sie so tut. Er fühlt dabei starke Gewissensbisse und Scham und merkt, dass die Frau namens Rosalie mehr mit seinem Leben zu tun hat, als er greifen kann. Nebenbei verändert sich das Verhältnis zu seiner geltungssüchtigen Mutter zum Schlechten, da er immer weniger ihre vereinnahmende und fordernde Art tolerieren möchte.

Im zweiten Teil taucht noch eine weitere Person auf, Aude, die für die folgende Geschichte wichtig wird und als Bindeglied fungiert. Diese hat ihre ganz eigenen Probleme und wohnt mit einem Möchtegern-Zirkusartist zusammen, der immer wieder verrückte Menschen in die WG bringt, in der sie wohnt. Und sie kennt Rosalie. Um die Geschichte nicht zu verraten, sei hier nicht mehr dazu ausgeführt.

„Rosalie Blum“ zieht einen in den Bann, vor allem da es zwischen den Zeilen ganz eindeutig bedeutsame Themen wie den Ödipus-Komplex, Kindheit und Trauma aber auch Sinnsuche, Selbsterkenntnis durch andere oder auch das Spiel mit dem „Verbotenen“ enthält. Vincent ergreift die Möglichkeit, aus seinem langweiligen Alltag auszubrechen und auch alte Muster und Gewohnheiten zu verändern. Und dadurch wird alles in seinem Leben plötzlich aufregend und besonders.

Die Graphic Novel ist farbig und detailreich illustriert, der zeichnerische Stil sehr ansprechend und gerade Gestik und Mimik kommen sehr gut rüber. Der ergänzende Text und die Sprechblasen sind in Schreibschrift gehalten. Neben dem ganz alltäglichen Anschein lernen wir hier total abgefahrene Charaktere in ihren vier Wänden so kennen, wie sie wirklich sind. Insgesamt ein sehr gelungenes Entdeck- und Versteckspiel, das sehr spannend zu lesen ist und berührt. Es gibt auch eine Verfilmung des Buches, diese ist hier in Deutschland aber momentan nicht ganz so gut verfügbar.

 

West, West Texas

In diesem Artikel habe ich euch bereits ein Buch von Tillie Walden vorgestellt. Heute habe ich endlich die Gelegenheit, ein weiteres ihrer Werke vorzustellen. In „West, West Texas“ webt sich eine surreale, fantastische aber doch auch leicht bedrohliche Geschichte rund um Freundschaft, Kampf mit den inneren Dämonen und einen Roadtrip zu einem intensiven Abenteuer.

Etwa zur selben Zeit machen sich Lou und Bea unabhängig voneinander auf den Weg: Die eine, um jemanden zu besuchen, die andere um einfach wegzukommen. Was eher als eine Fahrt zum Zweck beginnt, wird zu einem sich langsam entfaltenden Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Protagonistinnen.

Stück für Stück, Wegstrecke für Wegstrecke offenbaren sie sich einander mehr oder weniger freiwillig. Und dann finden sie eine Katze und plötzlich sind seltsame, finstere Gestalten hinter ihnen her. Wo erst mal nur das Wetter verrückt spielt und sich das kleine Auto samt Miniwohnwagen mühsam hindurchschleppt, verwandelt sich bald die ganze Außenwelt in ein fast schon surreales Labyrinth. Die Bedrohung kommt näher – und mit ihr auch die Chance für sich einzustehen und gegen die inneren Dämonen zu kämpfen.

„West, West Texas“ thematisiert unter anderem die schwierige Kindheit der beiden Frauen und wie sie diese immer noch beeinflusst. Einerseits wühlt es auf, da es um traurige Themen geht, aber gleichzeitig zeigt die Graphic Novel auch starke, resiliente Frauen, deren inneres Erleben durch die äußeren Geschehnisse verdeutlicht wird. Beim Lesen fühlt es sich so an, als wären Bea und Lou alleine auf der Welt, doch hier und da gibt es auch Lichtblicke.

Die surreale Landschaft verdeutlicht die Wahrnehmung der beiden Frauen, hier vermischen sich Realität und Fantasie zu einem spannenden und herausfordernden Abenteuer. Was als Roadtrip begann, wird zu einem für beide wichtigen Schlüsselmoment, der ihre Welt zunächst erschüttert. Die Geschichte hat mich in ihren Bann gezogen und umgehauen. Wie auch in ihren anderen Büchern arbeitet Walden mit einer für sie typischen Farbpalette, dieses Mal mit satten Lila-, Blau- und Weinrot-Tönen und einer insgesamt eher schwarz-dunklen Szenerie.

 

Was alle drei Bücher zusätzlich vereint ist die Tatsache, dass alle Hauptpersonen der völlig unterschiedlichen Geschichten an einem Wendepunkt in ihrem Leben angekommen sind und wir das Spannungsfeld zwischen Wirklichkeit und eigener Gedanken, zwischen Innenwelt und Außenwelt der Charaktere hautnah mitbekommen. „West, West Texas“ und „Rosalie Blum“ stehen nun auf meiner Liste der Comicfavoriten, „Katze hasst Welt“ ist aber ebenfalls lesenswert.

Bleibt nur noch gute Lektüre zu wünschen – und viel Freude beim Entdecken von verschiedenen Realitäten!

Vielen Dank an den REPRODUKT Verlag für die Rezensionsexemplare!

Keine Kommentare zu Realität versus Fantasie – Wie wir die Welt wahrnehmen: 3 Comicrezensionen

Rezension: Vier Bücher rund um Identität – Wer sind wir wirklich?

Wer sind wir wirklich? Diese Frage aus dem Titel beschäftigt die Menschheit wohl schon ewig und wird vermutlich nie an Aktualität verlieren. Ich habe euch heute eine Sammlung an vier verschiedenen…

Wer sind wir wirklich? Diese Frage aus dem Titel beschäftigt die Menschheit wohl schon ewig und wird vermutlich nie an Aktualität verlieren. Ich habe euch heute eine Sammlung an vier verschiedenen Büchern zusammengestellt, die sich alle in sehr unterschiedlicher Weise unserer Identität und dem Thema Persönlichkeit widmen.

Im kürzesten Werk meiner Auswahl, dem ersten Band von „Elle(s)“ von Aveline Stokart und Kid Toussaint ist dieses Thema beispielsweise darin verpackt, dass die Protagonistin ihre vier anderen Ichs in sich entdeckt. Aber welche der vier Persönlichkeiten ist denn nun wirklich Elle? Und was wenn eine der Elles für sie übernimmt? In eher amüsant-kurzweiliger Art widmet sich Liv Strömquist in ihrem neuesten Band „Astrologie“ dem Thema der verschiedenen Persönlichkeiten durch das Auge der Tierkreiszeichen. Schwerer und deutlich emotionaler wird es in „Jäger und Sammler“ von Cyril Pedrosa, in welchem wir ganz verschiedene Menschen kennenlernen – und eine Fotografin, die hinter die Fassade und Geschichte der Protagonist*innen blickt. Zu guter Letzt wird es nochmal humorvoller und deutlich märchenhafter: In „Mit Mantel und Worten“ von Flore Vesco und Kerascoët schafft es eine talentierte junge Frau durch vortäuschen einer anderen Persönlichkeit einen ganzen Hofstaat an der Nase herumzuführen und erst am Ende wird klar, wer sie wirklich ist.

Ihr seht, die Frage wer jemand wirklich ist, kann in ganz unterschiedliche Facetten betrachtet werden und birgt genug Stoff für viermal abwechslungsreiche Lektüre – mindestens! Lasst uns einen genaueren Blick in diese vier Werke werfen:

 

Elle(s) – Band 1

Im dünnen Comic-Band „Elle(s)“ lernen wir ein junges Mädchen mit coolen pinken Haaren kennen, die neu an die Schule kommt. Schnell findet sie eine tolle Clique und lebt sich gut ein. Doch nach und nach kommen ihre anderen Ichs, die eher schüchterne, die träumerische, die aggressive und die mutige Elle heraus, je nach Situation, die sie erlebt. Elle profitiert von diesen verschiedenen jeweils sehr vielseitigen Persönlichkeiten, die sie zu einer Art Tausendsassa-Chamäleon machen.

Doch dass dies von ihrem Umfeld nicht unbemerkt bleibt, ist klar und sie wird nach und nach mit viel Unverständnis, aber auch Sorge konfrontiert. Elles Persönlichkeiten werden für sie immer schwieriger zu handhaben und zeigen immer stärker ihr Eigenleben. Elle weiß irgendwann nicht mehr weiter und zweifelt daran, wer und wie sie nun wirklich ist und wie sie die anderen Ichs besser unter Kontrolle halten kann.

Um sich selbst klar zu werden, wer sie wirklich ist, muss sie herausfinden, wie sie die geworden ist, die sie heute zu sein scheint – und offen darüber sprechen. Die Story spiegelt die Identitätskrise, die einen in der Jugendzeit einholen kann, sehr schön wider. „Elle(s)“ ist der erste Teil einer spannenden, leicht zu lesenden und knallig illustrierten Comic-Reihe (der Stil erinnert an Pixar Animationsfilme). Aktuell ist bereits der zweite Band erschienen und auch der dritte ist schon in Aussicht.

 

Jäger und Sammler

In der Graphic Novel „Jäger und Sammler“ geht es um scheinbar total alltägliche Menschen in ihrem Von-Tag-zu-Tag-Leben. Das Buch ist in verschiedene Jahreszeiten gegliedert und Seite um Seite stellen sich uns die verschiedenen Menschen vor, deren Geschichten sich mehr und mehr miteinander verweben. Da ist zum Beispiel ein Kieferorthopäde, der zaghaft versucht, eine Bindung zu seiner Teenager-Tochter aufzubauen. Oder ein älterer Herr, der müde ist und sich nicht mehr dem politischen Aktivismus in seinem Umfeld anschließen will und damit auf Unverständnis stößt.

Zwischen den Alltagsszenen finden sich immer wieder tagebuchartige Texte, die jeweils aus der Sicht einer der Charaktere geschrieben wurden und damit die persönliche Geschichte dieser fort erzählt. So sollen die Emotionen und Erlebnisse der Protagonist*innen detaillierter erklärt werden, ich muss hier aber sagen, dass ich diese stellenweise viel zu langatmig und öfter auch verwirrend fand.

Es ist so nicht ganz leicht, der Geschichte zu folgen, weil sie immer wieder zwischen den vorkommenden Charakteren hin und her wechselt – auch die Texte haben mir nicht wirklich weitergeholfen, die Story ganz zu begreifen. Dennoch ist Jäger und Sammler eine ergreifende und umfangreiche Graphic Novel, die Sorgen, Verletzungen und Ängste, aber auch prägende kleine Erlebnisse von Menschen widerspiegelt und durch mehrere Ebenen zeigt, dass wir alle miteinander verbunden sind. Die Persönlichkeiten scheinen alle sehr unterschiedlich zu sein, doch die Suche nach Verbundenheit; Sehnsüchte oder auch Ängste zu haben, ist uns allen gemein.

Hier sei auch noch angemerkt, dass der Autor großartige künstlerische Illustrationen gestaltet hat, welche die Story lebendig und bewegend machen. Jeder erzählerische Abschnitt ist dabei unterschiedlich in Farbe und Stil der Zeichnungen gestaltet, was die emotionale Tiefe der Geschichten gut unterstreicht.

 

Astrologie

Kommen wir zu einem zweischneidigen Thema: Astrologie. Viele Menschen glauben an Tierkreiszeichen und die Auswirkungen von Sternenkonstellationen auf unser Leben. Eines vorneweg: Liv Strömquist lässt uns offen, ob wir dran glauben sollten oder nicht. In ihrem neuesten Werk „Astrologie“ weicht sie etwas von ihrem sonst eher faktenbasierten und wissenschaftlichen Schreibstil ab und taucht mit uns in die Charakteristika von Sternzeichen ein. Jedes der zwölf Sternzeichen wird dabei in typische Eigenschaften eingeteilt und vorgestellt.

Aber Strömquist wäre nicht Strömquist, wenn sie nicht ihren Witz und das Zeitgeschehen einbauen würde. In ihrem skizzenartigen, farbenfrohen Stil stellt sie bekannte Persönlichkeiten als Beispiele für das Erfüllen der jeweiligen Fähigkeiten und Eigenschaften der Sternzeichen vor. Unter anderem Taylor Swift, Prinz Harry, Kim Kardashian oder auch Melania Trump. Es kommen aber auch andere historische Persönlichkeiten vor, von Königinnen bis zu Philosophen.

Die Erzählungen rund um diese Menschen scheinen wahr zu sein, die Verknüpfung mit den Eigenschaften von astrologischen Tierkreiszeichen passt oftmals richtig gut. Die Stories sind gewohnt furchtbar: Furchtbar, weil sich vieles davon eben wirklich zugetragen hat und das manchmal unglaublich ist – dieses Gefühl kommt oftmals beim Lesen von Strömquists Werken auf.

Man könnte also den Eindruck gewinnen, dass wir alle sehr einfach zu kategorisieren sind, doch am Ende kommt dann doch noch das kritische Kapitel, auf das wir gewartet haben. Hier tritt die Autorin in einen Dialog mit ihrer Yoga ausübenden Mutter, die ihr ins Gewissen redet, dass sie doch kein Buch über Sternzeichen machen kann. Daher folgt dann noch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema, also warum Astrologie für viele faszinierend ist, worin der Reiz der Persönlichkeits-Kategorisierung liegt und die Empfehlung, dass jede*r selbst entscheiden soll, was man mit dem Thema anfängt.

Fazit: die Beschreibungen der verschiedenen Sternzeichen ist zum Teil sehr witzig und man erwischt sich dabei, bei manchen Beschreibungen an eine bestimmte Person zu denken. Alles in allem ist aber auch das kritische Kapitel lesenswert und das Buch eine humorvolle Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des Menschen. Für mich jedoch nicht das beste Werk Strömquists.

 

Mit Mantel und Worten

Zuguterletzt erleben wir in „Mit Mantel und Worten“ eine scharfsinnige, lustig Geschichte, die lange vor unserer Zeit spielt. Serine ist eine junge, lebhafte Frau, die mit ihren jüngeren Geschwistern in einem alten Herrenhaus aufwächst. Hier wird viel Wert auf die vornehme Etikette gelegt, doch Serine hat ihren eigenen Kopf. Sie liest lieber, unterhält ihren kranken Vater und hat allerlei Flausen im Kopf. Als der Vater verstirbt, wird beschlossen, dass sie sich als Gesellschaftsdame am Hofe des Königs und der Königin versucht.

Zunächst ist sie dort Mädchen für alles und muss sich den aufgesetzten und spießigen Regeln des Hofes unterwerfen. Die anderen Hofdamen triezen sie, die Königin erteilt Tadel und Serine wird bloßgestellt. Sie bemüht sich dennoch nach Leibeskräften, ihre Aufgabe gut zu erfüllen und findet dabei auch Freunde, die Angestellten des Hofes und den jungen Léon, der Lehrling des Henkers. Sie macht sich aber auch Feinde – sie lässt den Sekretär der Königin abblitzen, der es von nun an auf sie abgesehen hat.

Durch einen lustigen Zufall ergibt es sich zudem, dass Serine aus Unsicherheit ein neues Wort am Hofe erschafft, das die Königin, die Wort-Spiele liebt, sehr begeistert. Als Serine den Sekretär bei dem Versuch ertappt, den König vergiften zu wollen, kehrt Serine verdeckt als Narr zurück und kann durch ihre gewitzte und schlaue Art den König überzeugen. So wird sie als Narr, der stets die Wahrheit spricht, sehr gefürchtet aber auch geschätzt, doch diese machtvolle Position kann sie nicht lange halten, denn ihre Verkleidung fällt irgendwann auf und plötzlich geschieht ein Unglück…

Es erwartet uns ein überraschendes Ende, mehr sei hier nicht verraten. Auch in diesem Buch wird mit der Persönlichkeit gespielt und klar, dass die eigenen einzigartigen Fähigkeiten uns immer weiterbringen, wenn wir zu uns stehen und diese für uns und andere einsetzen. Das Spiel mit der Identität macht hier den großen Reiz der spannend erzählten Geschichte aus, denn nicht nur Serine hat eine andere Identität, als zunächst angenommen.

Alle diese ganz unterschiedlichen Bücher beschäftigen sich ganz unterschiedlich mit dem Thema Identität und Persönlichkeit. Allen gemeinsam ist, dass viele verschiedene Faktoren ausmachen, wer wir sind. Ich kann euch diese vier Werke nur ans Herz legen und wünsche viel Spaß beim Entdecken!

Vielen Dank an den Splitter Verlag, Reprodukt und den avant-verlag für die Rezensionsexemplare!

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Selbstfindung im Comic: „Laura Dean und wie sie immer wieder mit mir Schluss macht“ und „Portugal“

An sich lese ich ja keine Biographien, aber die Geschichte eines Charakters über den Lauf der Zeit mit zu verfolgen, das finde ich meistens total spannend. Mich fasziniert daran die persönliche…

An sich lese ich ja keine Biographien, aber die Geschichte eines Charakters über den Lauf der Zeit mit zu verfolgen, das finde ich meistens total spannend. Mich fasziniert daran die persönliche Entwicklung der Personen, was diese für sich lernen, erkennen oder auch neu versuchen. Vielleicht kommt das aus einem Interesse für Psychologie heraus oder auch einfach von einer Faszination für das Menschliche, für das, worin wir uns alle wiedererkennen können.

In meinen aktuell fertig gelesenen Comics geht es um zwei völlig unterschiedliche Geschichten und auch Charaktere. Doch sie beide verbindet ein entscheidender Wendepunkt in ihrem Leben, der sich langsam beim Lesen entfaltet. Diese beiden Werke möchte ich euch heute gerne vorstellen: „Laura Dean und wie sie immer wieder mit mir Schluss macht“ von Mariko Tamaki und „Portugal“ von Cyril Pedrosa. Beide Comics sind nicht nur unterschiedlich in ihrem Rahmen, in denen sie stattfinden, sondern auch von der Gestaltung und den Zeichnungen her.

„Laura Dean und wie sie immer wieder mit mir Schluss macht“ wirkt von außen pastellig-knallig und hat einen deutlich modernen Touch durch die digital gestalteten Zeichnungen mit klaren, kräftigen Outlines. Innen ist es farbig schlichter gehalten in Schwarztönen, rosa und weiß. Das Cover von „Portugal“ ziert merklich unschärfere, sketchy Linien und wirkt daher eher klassisch künstlerisch und handgezeichnet. Beide Bücher bestehen aus weit über 200 Seiten und extra Zeichnungen am Ende.

In „Laura Dean“ geht es um die junge Freddy, die in das beliebteste Mädchen der Schule verliebt ist. Doch diese verhält sich anders, sie es sich wünscht: Sie macht immer wieder Schluss mit ihr, nur um kurze Zeit später wieder zu ihr zurückzukommen als sei nichts passiert. Dieses emotionale Auf und Ab der Liebe und Emotionen hält Freddy lange Zeit aus – zu einem hohen Preis. Sie verleugnet ihre Gefühle, ihren Schmerz und verliert ihre engen Freunde. Doch sie lernt auch neue Leute kennen und nach und nach auch sich selbst. In jungen Jahren herauszufinden, was man möchte und was nicht, oder auch Selbstrespekt zu erlernen, ist eine große Herausforderung.

„Portugal“ dreht sich um den jungen Zeichner Simon, der mehr und mehr seine Motivation und seinen Antrieb verliert. Er wird lethargisch und hat nur noch wenig Ahnung, was ihm in seinem Leben wichtig ist. Wir erfahren von seiner schwierigen Beziehung zu seinem Vater, zu dem er eigentlich nie richtig ehrlich ist. Aber wir erleben auch, wie wacklig seine Beziehung zu seiner Partnerin aktuell ist. Die beiden stehen kurz vor dem nächsten großen gemeinsamen Schritt: Sie überlegen sich, ein Haus zu kaufen. Er ist sich jedoch bei gar nichts mehr sicher.

Doch dann flattert eines Tages eine Einladung zur Hochzeit seiner Cousine ins Haus, diese heiratet in Portugal. Dort war er zuletzt in seiner Kindheit bei einigen seiner Verwandten. Simon hat eigentlich eine große Familie, die er aber in den letzten Jahren mehr oder weniger ignoriert hat.

Während der Geschichte gibt es immer wieder Rückblenden in Schlüsselmomente seiner Kindheit, die erklären, wie er zu manchen Überzeugungen oder auch Einstellungen gelangt ist. Zudem werden hier manche Beziehungen und wie sich diese entwickelt haben, vorgestellt.

Simon nimmt schließlich an einem Zeichenfestival in Portugal teil und erlebt eine Überraschung – auch wenn er schon an vielen Orten Zeichenkurse gegeben hat, in diesem Land fasziniert ihn plötzlich alles und er ist tief beeindruckt von Landschaft, Leute und Leben. Er entscheidet sich zur Hochzeit zu fahren und trifft dort auf typisch verrückt-merkwürdige Familienmitglieder, die alle nicht so einfach im Umgang sind. Er lernt aber mehr und mehr die Bedeutung von Familie kennen und schätzen und überwindet sich dazu, sich mit sich selbst und seinen Verwandten nah und unverfälscht auseinanderzusetzen und füreinander einzustehen. Diese Begegnungen verändern ihn nachhaltig und zwingen ihn dazu, sich mit seiner Herkunft, seiner Vergangenheit und der Gegenwart zu beschäftigen und sich zu entscheiden, was er mit seinem Leben anstellen möchte.

Beide Comics haben mir sehr gut gefallen und mich tief in ihren Bann gezogen, sowohl Zeichenstil, Geschichte als auch die unterliegenden Themen haben mich fasziniert. Ich denke, wir alle finden uns in diesen Erzählungen wieder, da wir uns ja alle irgendwie selbst finden wollen, egal ob bei einem bestimmten Lebensthema wie Liebe oder Sinn im Leben, oder auch in Hinblick auf entscheidende Situationen in unserem Leben.

Ein großes Dankeschön an den REPRODUKT Verlag und den CARLSEN Verlag für die Rezensionsexemplare!

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Wahrheit und Werte – Warum es sich lohnt, dafür zu streiten

In unserer ultra verknüpften Welt ist es quasi unmöglich, Wahrheiten herauszukristallisieren und alle Menschen davon zu überzeugen oder damit zu erreichen. Genauso sieht es auch mit Werten aus: Wenn man…

In unserer ultra verknüpften Welt ist es quasi unmöglich, Wahrheiten herauszukristallisieren und alle Menschen davon zu überzeugen oder damit zu erreichen. Genauso sieht es auch mit Werten aus: Wenn man beispielsweise versucht, ökologisch rücksichtsvoll zu leben, stößt man ebenfalls oft auf Widerstände.

Heute habe ich zwei spannende Bücher für euch, einmal ein dünner Comicband aus dem Leben eines bekennenden Ökos mit seiner Familie, der es doch nur richtig machen möchte und dabei hier und da an seine Grenzen stößt. Das zweite Buch wiederum dreht sich rund um Fake News, Verschwörungsmythen und wie sich diese überhaupt verbreiten und Anhänger*innen finden.

In Auto-Bio (ein Wortspiel aus „bio“ und „Autobiographie“) versucht der Autor und Zeichner Cyril Pedrosa selbst ein möglichst pädagogisch und ökologisch wertvolles Leben zu führen. Die aberwitzigen Geschehnisse und skurrilen Situationen, die er dabei erlebt, hat er mit viel Witz und in Kürze illustriert. Es ist kein fortlaufender Comicband, sondern beinhaltet eher Kurzgeschichten, ähnlich wie Cartoons.

Dabei spielt das politische und gesellschaftliche System Frankreichs natürlich eine große Rolle, da der Autor dort lebt. Dies tut dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch, wir kennen alle ähnliche Situationen und Anekdoten.

In erster Linie zeigt das Comicheft, dass wir uns nicht zu ernst nehmen sollten und es okay ist, wenn man sich dabei ertappt, etwas wenig ökologisches getan zu haben oder dann doch letztendlich der Preis bei der Auswahl zwischen Himbeeren aus Chile oder Bio-Himbeeren aus der Bretagne entscheidet und dass man sich eben manchmal auch auf einen Kompromiss einlassen muss.

In Glauben Sie an die Wahrheit? von Doan Bui und Leslie Plée werden uns sehr viele aktuelle Mythen, Fake News und Verschwörungstheorien serviert, von denen wir vermutlich alle schon gehört haben. Dieses Buch berichtet aus der Perspektive der Journalistin Doan Bui, die sich mit Vertreter*innen der jeweiligen Überzeugungen und Strömungen getroffen und mit ihnen gesprochen hat. Es bleibt dabei aber ein Comic, der in verschiedene Kapitel eingeteilt ist, die jeweils eine Strömung rund um eine alternative Wahrheit abbilden. Ein ziemlich ansprechendes und kurzweiliges Format.

Es geht um Truther, Flat-Earthler, um eine Fake-News-Zentrale in Mazedonien, um Trump und QAnon, um Klimagegner, Impfgegner und sogar die Illuminati. Zwischendurch sind Kapitel eingeflochten, die uns allgemeine Hintergrundinfos zu Algorithmen und die Geschichte und Wirkungsweise von Fake News erläutern. Warum verbreiten sich Fake News eigentlich so rasant? Warum hängen wir oft stundenlang an unseren digitalen Geräten und finden dabei immer wieder Neues, das uns tiefer in den News-Strudel versinken lässt?

Dadurch, dass die Journalistin mit einzelnen Menschen spricht, wird alles greifbarer und noch erschreckender, damit realer. Oftmals sind diese Theorien so stark in der ganzen Welt und mit mächtigen Menschen verknüpft, dass es manchmal schwierig ist, die Wahrheit oder die Werte herauszuschälen, die hinter einer Fake-Theorie liegen.

Sie macht aber auch Hoffnung, wie man dem ganzen Strudel entkommen und sich vor Fake News schützen kann. Wenn man sich via Glossar und Tipps im Buch und Begreifen der Theorien und Mythen informiert, dann ist das schon ein guter Schritt in Richtung Aufklärung hin zur Wahrheit.

 

Ein großes Dankeschön an den REPRODUKT Verlag und den CARLSEN Verlag für die Rezensionsexemplare!

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Schöne weibliche Welt – Busengewunder im Spiegelsaal

Heute geht es in meinen Rezensionen um Bücher, die sich unter anderem um die verrückte Welt des weiblichen Aussehens drehen. Besser gesagt: was weiblich gelesene Personen alles aushalten – Tag…

Heute geht es in meinen Rezensionen um Bücher, die sich unter anderem um die verrückte Welt des weiblichen Aussehens drehen. Besser gesagt: was weiblich gelesene Personen alles aushalten – Tag für Tag. Und wie abstrus diese Welt der Weiblichkeit eigentlich ist.

Ganz konkret sichtbar wird das in Lisa Frühbeis‚ herrlich lustigen Cartoons rund um die Geschlechterverhältnisse im Sammelband „Busengewunder“. Hier finden wir bereits veröffentlichte Kurzcomics in einem Buch.

In diesem sind alltägliche Situationen so authentisch und gut beobachtet, dass man einfach nur schmunzeln kann. So geht es um das Tragen von BHs oder um den Drang anderer Personen, immer den Körper oder das Aussehen von Frauen bewerten zu müssen. Ob bei der Körperbehaarung oder dem Outfit, das getragen wird. Wer hat da eigentlich das Recht, mitzureden? Und warum gibt es zum Beispiel in Mainstream-Videogames keine coole weibliche Heldin, die nicht vorrangig durch ihr Aussehen auffallen soll?

Die aberwitzige Protagonistin nimmt sich jedoch auch selbst nicht zu ernst und hat sich an manchen Stellen schon abgefunden mit den merkwürdigen Situationen, denen sie ausgesetzt ist. Egal ob beim Einkaufen, in Beziehungen oder gesellschaftliche Normen: Frühbeis zeigt mit ihrer Grimassen ziehenden Protagonistin auf, wo diese auf skurrile Ansichten trifft, wo Weiblichkeit und vermeintliche „Frauenthemen“ in Absurdität abdriften. Und es geht auch um gesellschaftliche Zustände, vom Gender Pay Gap bis zu Privilegien. Großartige Cartoons, deren Szenarien einem größtenteils sehr bekannt vorkommen.

Liv Strömquist steigt in ihrem aktuellsten Werk in ein ähnliches Thema ein. Wir kennen sie bereits als scharfe Beobachterin der Gesellschaft und von ihrer Mischung aus wissenschaftlichen Theorien und Fakten mit eigenen Analysen und humorvollen Darstellungen.

In „Im Spiegelsaal“ ist ebenfalls der besessene Umgang mit Frauen, ihrem Aussehen und den Auswirkungen zu erkennen. Sie beleuchtet aber noch mehr den zusätzlichen Einfluss von Bildern, Social Media und den Schönheitswahn.

So nennt sie als Beispiel dessen den Medien-Star Kylie Jenner und sie fragt sich, warum so viele Personen sich auf sie fixieren und so sein wollen wie sie. Wenn es nur um den Anblick von Schönheit ginge, was sie ja wohl für manche verkörpert, dann ginge es ja nur um die Ästhetik, die wir wie bei einem Gemälde bewundern – warum aber fühlen sich dann viele beim Anblick von „perfekten“ Gesichtern selbst minderwertig?

Mithilfe von historischen Geschehnissen, philosophischen, soziologischen und psychologischen Theorien versucht sie Erklärungen für verschiedenste gesellschaftliche Phänomene zu finden. Es geht um verdrehte Vorbilder, um die Suche nach Orientierung und wie stark das Aussehen mit „liebenswert“ gleichgesetzt wird. Natürlich spricht sie auch sich wandelnde Schönheitskulte an, die je nach Zeitgeist völlig unterschiedlich und teils willkürlich ausfallen können.

Sie geht der Ursache auf den Grund, wozu wir Selfies machen, was wir überhaupt schön finden und wie unsere sehr bildliche Welt auch unser Denken verändert. Letztendlich macht sie uns klar, dass uns das materielle Bild von uns auch irgendwann beherrschen kann und uns von uns selbst entfremdet. In dieser heiter-erschreckenden Reise durch das Buch treffen wir wie immer auch auf bekannte Persönlichkeiten, so unter anderem auf Sissi, Susan Sontag, Hartmut Rosa oder auch Marilyn Monroe.

Wie immer ist Strömquists Werk keine super leichte Lektüre, auch nicht immer sofort total nachvollziehbar – manches kann man kritisch hinterfragen oder muss man mehrmals lesen. Aber die aufgestellten Zusammenhänge und die scharfe Beobachtungsgabe zeigen uns vieles auf, das uns bekannt vorkommt und Erkenntnisse bringt. Vor allem, dass wir gut sind wie wir sind und uns unabhängig machen können, von gesellschaftlichen Ansichten auf Weiblichkeit, Schönheit und Selbstwert.

Vielen Dank an Carlsen und den avant-verlag für die Rezensionsexemplare!

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Comics, Graphic Novels und weibliche Charaktere, die ihren eigenen Weg gehen

Heute habe ich wieder einige besondere Lese-Leckerbissen für euch und möchte euch ungewöhnliche weibliche Charaktere in Comics vorstellen, die ihren ganz eigenen Weg gehen. Mal kurios, mal selbstbestimmt. Hier ist…

Heute habe ich wieder einige besondere Lese-Leckerbissen für euch und möchte euch ungewöhnliche weibliche Charaktere in Comics vorstellen, die ihren ganz eigenen Weg gehen. Mal kurios, mal selbstbestimmt. Hier ist für alle etwas dabei – sowohl für Kinder als auch Erwachsene.

Ich habe ein Faible für authentische Protagonist*innen, aber auch für weibliche Hauptdarstellerinnen in Comics und Graphic Novels. Wenn diese dann auch noch unabhängig sind, dann können sie als gutes Vorbild und Role Model dienen.

Besonders cool und ein bisschen gruselig kommen die Bände rund um Margo Maloo von Drew Weing daher. Ich habe schon öfter die an Zeichentrickserien erinnernden Cover gesehen und auch schon beim Gratis Comic Tag in die Reihe hineingelesen.

Jetzt habe ich den allerersten Band „Die geheimnisvollen Akten von Margo Maloo“ verschlungen und bin schon ein Fan von Margo. Vermutlich auch, weil der Zeichenstil mich an Kinderserien wie Mona der Vampir oder auch Hey Arnold erinnern, die ich früher angesehen habe. Jedenfalls geht es um Charles, einen Jungen, der in eine fremde Stadt zieht, da sein Vater dort ein ehemaliges Hotel renoviert. Kurze Zeit später merkt Charles, dass es in den alten Zimmern nicht mit rechten Dingen zugeht. Es spukt! Natürlich möchte er der Sache auf den Grund gehen, benötigt aber die Hilfe von Margo Maloo, der geheimnisvollen Geisterjägerin. Eigentlich ist sie Monster-Mediatorin – sie vermittelt in Anliegen von merkwürdigen Monstern und Geistern.

In besagtem Band, dem ersten von mittlerweile drei, findet ihr drei unterhaltsame Geschichten und erfahrt, wie sich Margo und Charles kennenlernen. Und wir sehen: Auch Monster haben Bedürfnisse und ein Recht auf eine Behausung! Charles sind die merkwürdigen Kobolde und Co. anfangs jedoch überhaupt nicht geheuer…

Margo Maloo ist der Inbegriff von mysteriöser Coolness und sie ist absolut professionell und unabhängig, sie bekommt auch die schlimmsten Biester in den Griff. Außerdem trägt sie einen coolen Mantel und hat ein eigenes motorisiertes Gefährt, mit dem sie die Stadt unsicher macht und sich nichts bieten lässt. Für Kinder und Erwachsene geeignet!

Dann gehen wir weiter zu einem richtig kultigen Comic, wie ich finde: „Yasmina“ von Wauter Mannaert. Diese Comics sind genial – witzig, rasant, ein wenig gesellschaftskritisch…

Aber der Reihe nach. In „Yasmina und die Kartoffelkrise„, dem ersten Band, lernen wir Yasmina kennen. Sie ist eine junge Schülerin mit Kochtalent und macht ganz ihr Ding. Mit ihrem Vater, der bei einer Fastfood-Kette arbeitet, lebt sie in einer Wohnung eines Mehrparteienhauses.

Im ersten Comic-Band erleben wir sie als leidenschaftliche Köchin. Sie liebt frische Zutaten, kocht täglich neue Gerichte, steckt ihre ganze Liebe und ihr Talent in ihr zubereitetes Essen. Neben der Schule sieht sie zudem oft bei ihren beiden Freunden vorbei, die sich einen Schrebergarten teilen. Hier bekommt sie oft Gemüse und Obst mit, um damit weitere köstliche Gerichte zu zaubern. Dafür ist sie sehr dankbar, denn ihr Vater verdient nicht die Welt und die beiden leben finanziell eher am Minimum.

Eines Tages rückt auch noch ein großer Lebensmittelproduzent aufs Feld und macht sich den Schrebergarten zu eigen. Er baut dort genmanipulierte Kartoffeln an und bringt dann neue abgefahrene Lebensmittel auf den Markt, nach denen die Menschen der Stadt schließlich regelrecht süchtig werden. Doch irgendetwas stimmt mit den Produkten nicht, denn die Leute verhalten sich plötzlich sehr animalisch…

Yasmina versteht das Chaos nicht mehr, doch als sich auch ihr Papa verändert, muss sie die Sache aufklären. Aber dazu braucht sie erst einmal eine Verbündete und Beweise… So viel sei verraten: Es wird actionreich und spannend! Von Yasmina ist auch schon ein Nachfolgeband mit dem Titel „Yasmina 1. Meisterklasse“ erschienen.

In diesem dünneren Comic-Band ist es Yasminas erklärtes Ziel, wieder mehr Kochunterricht und Gärtnern an ihrer Schule einzuführen. Doch hier stößt sie erst einmal auf großen Widerstand. Und so bringt sie für ihre Leidenschaft alle Kraft und Energie auf, denkt sich zig kreative Ideen aus und greift gleichzeitig ihrem Vater beim Etablieren eines Imbisswagens unter die Arme. Doch alle Versuche und Unternehmungen scheitern zunächst…

Kommt Yasmina noch die rettende Idee? Lest selbst in diesem kurzen, witzigen und teils sehr realen Abenteuer! Auch hier gibt es insgesamt bisher drei Bände.

Als nächstes lesen wir in „Trotz allem… Liebe“ von Jordi Lafebre von einem alten Pärchen, das sich nach vielen Jahren endlich wieder vereint sieht. Das Besondere: Der Comic erzählt die Liebesgeschichte auf Distanz von hinten nach vorne.

So lernen wir die politisch erfolgreiche Bürgermeisterin Ana und den freigeistigen Buchhändler Zeno zunächst in höherem Alter kennen. Sie plaudern, als würden sie sich schon ewig kennen und sind sich sehr vertraut. Dass sie über viele Jahre eine freundschaftliche Liebesbeziehung auf Distanz geführt haben, erfahren wir während der folgenden Kapitel.

Die Vorgeschichte beider Charaktere wird vielschichtig erzählt, sodass wir beide recht gut kennen lernen. So halten sie sich stets gegenseitig meistens per Brief oder Anrufen auf dem Laufenden, führen aber ihre jeweils sehr unterschiedlichen Leben unabhängig voneinander weiter. In poetischen Analogien, reichen Bildern und der Beschreibung einzelner prägender Lebensabschnitte, tauchen wir tiefer in die Vergangenheit bis zum anfänglichen Kennenlernen der beiden ein.

Die Geschichte ist eine romantische Erzählung, wie die beiden sich trotz Umwege, eigenständigen Lebensentscheidungen und Hindernissen den Zauber der Liebe erhalten und stets in der Umlaufbahn des anderen bleiben – trotz der räumlichen Distanz und der Weiterentwicklung des eigenen Lebens mit Dingen, die ihnen jeweils wichtig sind.

Um Dinge, für die es sich zu kämpfen lohnt, geht es in „Auf einem Sonnenstrahl“ von Tillie Walden, die mir schon durch einige ihrer früheren Werke bekannt ist.

Der über 530 Seiten starke Wälzer handelt von Mia, die vom Internat zu einer Weltraummannschaft wechselt. Das klingt erst mal abgespact, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Truppe fliegt nämlich im Weltall in einem Raumschiff umher, um architektonische Reparaturarbeiten auf anderen Planeten durchzuführen.

Wie das alles kam, erfahren wir nach und nach in den Rückblenden, die vor allem Mias Zeit im Internat einige Jahre zuvor zeigt. Sie lernt dort die neue Mitschülerin Grace kennen, mit der sie eine Beziehung beginnt. Ihr Traum ist es zudem, bei der Lux-Mannschaft – dem populären Internatssport – mitmachen zu dürfen.

Doch nach der Schule bekommt Mia keinen Studienplatz und Grace muss in ihre Heimat auf einem anderen Planeten zurück. Dass sie sich dabei nicht einmal verabschieden konnten, hängt ihr bis heute nach. Ihr entschiedenes Ziel ist es, Grace wieder zu finden.

Gleichzeitig erleben wir die Dynamiken der weiblichen Besatzung des Raumschiffes, die unterschiedlichen Charaktere, Probleme und familiären Verhältnisse an Bord. Mia hat mit ihren Jugenderfahrungen viele Dinge, die sie verarbeiten muss. Doch so hat jede Person der sehr diversen Mannschaft sein Päckchen zu tragen und seine eigenen unterschiedliche Beweggründe und Ziele.

„Auf einem Sonnenstrahl“ wurde ursprünglich als Webcomic veröffentlicht. Es verlangt schon einiges an Aufmerksamkeit und Konzentration, die Geschichte zu verstehen und die Charaktere auseinander zu halten, das ist mir nicht immer gelungen. Ich war auch stellenweise verwirrt, was da eigentlich gerade passiert oder wer wer ist. Genauso bemerkenswert ist die rein weiblich beziehungsweise nicht binär dargestellte Welt.

Die sehr reduzierte Farbpalette hilft, die unterschiedlichen Settings im Internat und am Weltraumschiff auseinanderzuhalten. Außerdem unterstützt sie die emotionalen Geschehnisse der Protagonistinnen und rückt die Menschen mit ihren Beziehungen in den Vordergrund, gleichzeitig rückt der Fokus von klassischen Sci-Fi Elementen (technische Errungenschaften, andere physikalische Gesetze) weg.

Ich kann mich den extrem positiven Kritiken noch nicht ganz anschließen, finde es aber sehr bewundernswert, wie die jungen und selbst bestimmten Charaktere der Story für das kämpfen, was ihnen wichtig erscheint. Außerdem ist „Auf einem Sonnenstrahl“ ein Pageturner, die Geschichte umfangreich, aber auch fesselnd, gerade weil das Setting exotisch und ungewöhnlich ist.

Vielen Dank an den Reprodukt Verlag und den Splitter Verlag für die großzügige Bereitstellung der Rezensionsexemplare!

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Lesestoff: Nicht für Mädchen!

Unser Lesestoff liefert nicht nur „Stoff zum Lesen“, sondern soll mit seinen Geschichten und Erzählungen die Möglichkeit geben, uns zu berühren, neue Wege aufzuzeigen oder uns zum Nachdenken zu bewegen….

Unser Lesestoff liefert nicht nur „Stoff zum Lesen“, sondern soll mit seinen Geschichten und Erzählungen die Möglichkeit geben, uns zu berühren, neue Wege aufzuzeigen oder uns zum Nachdenken zu bewegen. Am Ende jedes Lesestoffs findet ihr Hintergründe zum Text, was diesen inspiriert hat oder was die/der AutorIn damit vermitteln möchte.

Nicht für Mädchen!

„Das will ich nicht mehr anziehen!“ ruft Leonie und wirft ihr T-Shirt mit dem Aufdruck von R2D2 durch das Zimmer. „Warum denn das,“ frage ich sie, „das ist doch dein Lieblingsshirt?“ „Raffi hat gesagt, Star Wars ist nicht für Mädchen.“ erwidert Leonie. Ich setze sie auf meinen Schoss. „Du kannst tragen, was du möchtest. Was dir gefällt. Es gibt nichts, das nur für Mädchen oder nur für Buben da ist.“

Leonies Lieblingsfarbe ist dunkelblau. Seit sie laufen kann, steuert sie in Geschäften zielsicher in die Jungenabteilung zu den blauen Shirts. Sie liebt aber auch rot, pink und gelb – sie darf sich aussuchen was ihr gefällt und worin sie sich wohlfühlt.

Meine Erklärung scheint sie zu beruhigen, anziehen möchte sie das R2R2 T-Shirt aber trotzdem nicht. Wir begeben uns auf die Suche nach einer Alternative, die bald gefunden ist – ein rotes Shirt mit Winnie Puh, auch ein Klassiker bei uns. Dann müssen wir auch schon los, wenn wir nicht zu spät kommen wollen.

Später am Nachmittag herrscht wieder das übliche Chaos. Ich setze gerade einen Kaffee auf, während Leonie in einem Buch blättert, ihre kleine Schwester Meike hat wieder einmal die R2D2-Sammlerfigur in Händen und lutscht fleißig daran. Ich hoffe inständig, dass die runde Form des Roboter einen brauchbaren Schnuller-Ersatz darstellt, denn Meike liebt die alte Figur heiß und innig.

Leonie legt ihr Buch beiseite, nachdem sie Meike länger beobachtet hat. Langsam geht sie auf ihre Schwester zu, beugt sich zu ihr hinunter und nimmt Meike die kleine Figur aus den Händen. „Nicht für Mädchen!“ sagt sie und legt R2D2 zurück in die Spielzeugkiste.

Der Hintergrund

Diese Geschichte ist eigentlich keine Geschichte, sondern etwas, das eine Freundin von mir so ähnlich mit ihren beiden Töchtern erlebt hat. Mich hat diese Erzählung sehr berührt. Ich bin zwar mit anderen Hürden aufgewachsen, doch eines habe ich von meinen Eltern nie gehört: dass ich etwas nicht tun kann, weil ich ein Mädchen bin. Und das, obwohl ich Ende der 70er Jahre geboren wurde und meine Eltern in den 40ern aufgewachsen sind.

Nun leben wir in den 2020ern und noch immer – gefühlt noch mehr als früher – gibt es eine Aufteilung: für Mädchen oder für Jungen. Beim Spielzeug, bei der Kleidung und wohl auch in den Köpfen vieler Erwachsener. Noch problematischer wird es, wenn Kindern in Folge etwas aufgrund ihres Geschlechts verwehrt wird. Der Bub darf kein rosa Shirt tragen, das Mädchen nicht mit Actionfiguren spielen.

Zugleich rätseln Experten, woher toxische Männlichkeit kommt oder warum Frauen sich so selten in Führungspositionen begeben. Kinder einfach Kind sein lassen, sich selber und die Welt unvoreingenommen entdecken ist aus meiner Sicht nicht nur die Basis für eine schöne Kindheit, sondern auch für das restliche Leben.

 

Habt ihr solche Erlebnisse auch schon gemacht oder in eurem Umfeld mitbekommen? Was ist eure Meinung zur Aufteilung von Spielzeug, Kleidung & Co. für Mädchen oder Jungen? An die Eltern: Wie besprecht ihr diese Themen mit euren Kindern?

 

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