Eigentlich wollte ich in diesem Kolumnenbeitrag die oft gestellte Frage beantworten, wie The bird’s new nest entstanden ist. Möglicherweise ist einigen von euch auch aufgefallen, dass dieser Beitrag schon vor einer Woche auf dem Plan gestanden wäre. Aus aktuellem Anlass möchte ich deshalb heute erklären, warum sich der Beitrag verspätet hat und wie oft sich Pläne nicht mit den tatsächlichen Geschehnissen vereinbaren lassen und man zeitweise sehr flexibel planen und immer wieder umplanen muss, um sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Einiges zu der Geschichte von The bird’s new nest werdet ihr hier aber trotzdem lesen.
Dafür möchte ich nun etwas weiter ausholen, und zwar zurück zum Juni 2012. Damals hatte ich nach über vier Jahren in einem großen internationalen Konzern den Wunsch, mein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen, und wollte mir die Zeit nehmen, herauszufinden, in welche Richtung es gehen sollte. Doch dann lag auf einmal ein Jobangebot auf meinem Tisch, und nachdem ich auf eine zündende Idee vergeblich gewartet hatte, war ich in Kürze wieder mit einer neuen Aufgabe beschäftigt und das eigene Projekt wurde beiseite gelegt.
Um Weihnachten 2012 herum hatte ich auf einmal wieder die schon viele Jahre zurückliegende Idee im Kopf, eine Homepage für nachhaltige Produkte zu machen. Offenbar der richtige Zeitpunkt, die Energie und Motivation waren so groß, dass ich sofort loslegen wollte. Und weil es einige Wochen dauert, um eine gute Homepage zu erstellen, bin ich auf facebook ausgewichen, und so entstand am 1. Januar 2013 The bird’s new nest. Und wieder wurde ich so daran erinnert, dass ich eigentlich mein eigenes Projekt verfolgen wollte, wobei The bird’s new nest für mich nur ein Hobby war, an dem ich mich ausprobieren und eigene Ideen leicht umsetzen konnte.
Nach einem Jahr war der Wunsch wieder so groß geworden, dass ich beschloss, ab Juli 2013 den Plan wieder aufzunehmen, mir etwas eigenes aufzubauen. Leider zerbrach genau zu dem Zeitpunkt meine damalige Beziehung, und anstatt dass ich wie geplant motiviert am Schreibtisch Pläne schmiedete, fühlte ich mich nicht mehr in der Lage kreative Ideen zu verfolgen – ganz ohne Job und Beziehung kam ich mir einfach nur verloren vor.
Liebe Freundinnen in Deutschland und der Schweiz boten mir über die Sommermonate an, sie besuchen zu kommen, und nachdem ich mir eingestehen musste, dass ich erst einmal Abstand zu allem brauchte, war ich im Sommer unterwegs und die Pläne mussten warten. Als ich Anfang September aus Deutschland zurückkehrte um voll loszulegen, wurde mir wieder ein Strich durch die Rechnung gemacht. Ich bekam eine Kehlkopfentzündung, mit der ich schon früher immer wieder zu kämpfen hatte. Und diese war so stark, dass ich über längere Zeit meine Stimme komplett verlor und bis zu 20 Stunden am Tag nur schlief. An Arbeit war überhaupt nicht zu denken, und jedes Mal, wenn es so aussah, als würde es etwas besser werden, kam die Krankheit am nächsten Tag mit voller Wucht zurück. Erst nach zwei Monaten wurde es besser und richtig gesund war ich Mitte November.
Nun überkam mich aber nicht Erleichterung, sondern Panik. Anstatt die letzten vier Monate an eigenen Projekten zu arbeiten, hatte ich praktisch nichts Brauchbares zustande gebracht. Und noch schlimmer – abgesehen von der verschwendeten Zeit hatte ich noch immer keine Idee, wohin es gehen sollte. Ich hatte das Gefühl, absolut ziellos herumzuirren. Trotz fehlender zündender Idee wollte ich aber endlich Nägel mit Köpfen machen, also beschloss ich, The bird’s new nest eine eigene Homepage zu bescheren, denn das wollte ich auf jeden Fall umsetzen. Und daraus wurde die Seite, auf der ihr nun diesen Beitrag lest.
Nun aber nochmals schnell zurück ins Jahr 2013. Im Frühling letzten Jahres hatte ich nach jahrelanger Suche endlich eine neue Wohnung gefunden, denn dass ich aus meiner jetzigen Wohnung ausziehen wollte, war mir schon länger ein Anliegen. Schon arbeitstechnisch war es sehr mühsam, mit nur einem Raum zurechtzukommen – die gesamte Wohnung misst 34 Quadratmeter. Und im Sommer steigen die Temperaturen auf fast 40 Grad an, was das Arbeiten mehr zu einem Bio-Sauna Besuch macht. Die Wohnung sollte im Mai 2014 fertig sein, insofern ein perfekter Zeitpunkt, um noch vor dem Sommer umzuziehen und endlich ein eigenes Home-Office zu haben.
Zurück zum Februar diesen Jahres. Die Resonanz nach dem Start von The bird’s new nest war viel höher als ich es mir erwartet hatte und mir wurde bewusst, dass genau dieses Projekt, das quasi nebenher entstanden ist, genau das war, was ich machen wollte. Der Plan sah nun wie folgt aus: Februar, März und April sollte die Seite fertiggestellt werden, vor allem was die Struktur im Hintergrund und einiges an Finetuning betrifft, im Mai würde der Umzug stattfinden und ab Juni 2014 wollte ich The bird’s new nest von einem Hobby zu einem Unternehmen verwandeln.
Aber wieder kam es erstens anderes und zweitens als man denkt. Aufgrund von Problemen mit der Bauzulassung wurde die Fertigstellung der Wohnung immer weiter nach hinten verschoben. Zur Zeit rechne ich mit einer Übergabe im Oktober diesen Jahres – genaueres erfahre ich hoffentlich noch diesen Monat. Also wieder umplanen, natürlich mit der entsprechenden Flexibilität, da noch kein fixer Termin feststeht. Und mit entsprechenden Verzögerungen, da ein Mietbüro oder Shared Office für mich nicht leistbar ist – der Sommer wird also nicht zu den produktivsten Zeiten zählen. Juni 2014 war als Startzeitpunkt also passé, durch den angenommenen Umzug im Oktober wurde aus Juni 2014 nun November 2014. Einerseits waren die ständigen Änderungen und Verzögerungen ziemlich frustrierend, andererseits war mir mittlerweile schon klar geworden, dass kaum ein Plan so durchgeführt wird, wie anfangs erstellt. Denn die Änderungen, von denen ihr hier lest, waren nur die großen, praktisch täglich ändern sich irgendwelche kleineren oder größeren Dinge, von Kooperationsmöglichkeiten, über neue Teammitglieder bis zu technischen Änderungen oder Problemen die Homepage betreffend, ist ständiges Umdenken gefragt.
Wieso ist nun aber der Kolumnenbeitrag zu spät? Vor einem Monat hatte meine Mutter eine schwere Gehirnblutung, ein Ereignis, das sowohl mich als auch meine Pläne erst einmal vollkommen aus der Bahn geworfen hat. Meine Mutter war auf der Intensivstation im Koma und ich war komplett arbeitsunfähig und versuchte irgendwie zu begreifen, dass meine Mutter im Sterben liegt. Gleichzeitig die Sorge um meinen Vater, der mit seinen bald 76 Jahren nun ohne meine Mutter zurechtkommen muss, die alles geregelt hatte: Essen kochen, Wäsche waschen, aber auch Dinge wie Finanzen oder Arztbesuche.
Es ist schwer zu beschreiben, wie so ein Ereignis jemanden aus der Bahn werfen kann, aber die emotionale Belastung kann so groß sein, dass es schwer ist, einen klaren Gedanken fassen zu können. Es fühlt sich an, als hätte man einem das Herz herausgerissen. Im Schock taumelt man durch den Tag und ist dankbar, dass es noch möglich ist, sich Essen zubereiten zu können, auch wenn man sonst nichts mehr auf die Reihe bekommt. Dann die Nachricht aus dem Krankenhaus: Meine Mutter könnte die Gehirnblutung überleben. Eine gewisse Erleichterung macht sich breit. Vermutlich wird sie aufgrund der zu erwartenden schweren Hirnschäden aber im Rollstuhl sitzen und ein schwerer Pflegefall werden. Trotzdem ist Hoffnung da, man möchte nicht das Schlimmste annehmen.
Endlich schaffe ich es, das Redaktions-Team zu informieren, alle reagieren sehr verständnisvoll und unterstützend auf die Information, dass dies nun auch bedeutet, dass es wieder zu Verzögerungen kommen wird. Schuldgefühle machen sich breit – ich fühle mich dem mittlerweile über 60 Personen starken Team gegenüber verpflichtet, so gut und effizient zu arbeiten wie möglich, und im Moment fühle ich mich davon so weit entfernt wie noch nie in meinem Leben.
Mein Ziel: Trotz allem die Homepage weiterhin mit Artikeln zu befüllen, damit The bird’s new nest weiter läuft. Und gleichzeitig so oft wie möglich bei meiner Mutter im Krankenhaus zu sein. Dann eine Nachricht aus dem Spital – meine Mutter hat eine Infektion, was bei Komapatienten beziehungsweise bei einem langen Aufenthalt im Krankenhaus nicht unüblich ist. Oft endet so eine Infektion tödlich, weil das Immunsystem durch das Koma schon sehr stark angegriffen ist. Doch die Infektion verschwindet wieder und eine Operation steht an – die künstliche Beatmung soll über einen Luftröhrenschnitt durchgeführt werden, denn bei einer zu langen Beatmung über den Hals können die Stimmbänder irreparabel geschädigt werden. Kurz vor der OP kommt es wieder zu einer Infektion, die OP wird verschoben. Die Infektion legt sich wieder und es wird operiert, alles verläuft gut.
Endlich können die Narkosemittel, die das künstliche Koma aufrechterhalten haben, damit sich das Gehirn leichter regenerieren kann, zurückgefahren werden. Ich habe mittlerweile komplett aufgehört zu planen und versuche einen Tag nach dem anderen zu bewältigen. Dann die nächste Hiobsbotschaft: Meine Mutter reagiert nicht schnell genug, die so genannte Aufwachphase verläuft nicht ordnungsgemäß und es besteht die Gefahr, dass sie zu einem Wachkomapatienten wird. Nach dieser Nachricht geht bei mir auf einmal gar nichts mehr. Ich bringe alles durcheinander, übersehe alles mögliche und bei den einfachsten Routinetätigkeiten schleichen sich Fehler ein. Ich habe das Gefühl gar keine Kraft mehr zu haben und nicht mehr zu wissen, wie es weitergehen soll.
Wieder kann ich mich durch die Unterstützung von lieben Freunden halbwegs erholen. Meine Mutter beginnt, die Augen zu öffnen. Doch sie sieht ins Leere und scheint nichts zu erkennen. „Weißt du, wer wir sind?“, fragt mein Vater. Meine Mutter schließt als Antwort nur wieder die Augen.
Noch ist unklar, ob meine Mutter jemals wieder das Krankenhaus verlassen wird. Das wird sich erst in den nächsten Monaten herausstellen, denn je länger jemand im Koma liegt, umso länger kann die Aufwachphase daraus dauern. Jetzt steht die nächste Operation an, eine Magensonde wird gelegt. Wenn das gut verläuft, wäre der nächste wichtige Schritt, dass sie wieder soweit zu Bewusstsein kommt, dass sie mit der Rehabilitation beginnen kann. Bis dahin kann noch viel Zeit vergehen. Die Reha selber dauert soweit ich mich erinnern kann auch an die sechs Monate. Und ich möchte natürlich weiterhin meine Besuche fortsetzen.
Auch mit dem Planen habe ich wieder begonnen. Unter der Annahme, dass Oktober oder November 2014 dem Umzug gewidmet sind, verschiebt sich der angedachte Start nun auf Januar 2015. Immer mit den Worten meiner Vaters im Kopf: „Dein Projekt ist wichtig, ich möchte nicht, dass du es vernachlässigst.“ Ich versuche, mein Bestes zu geben, auch wenn das an manchen Tagen nicht viel ist, denn The bird’s new nest liegt mir nach wie vor sehr am Herzen.
An dieser Stelle möchte ich all meinen lieben FreundInnen danken, die in dieser Zeit für mich da sind, dem gesamten Team von The bird’s new nest für das Verständnis und die Mithilfe sowie bei allen anderen für die Geduld, wenn sie auf die Antwort auf Mails oder anderen Dinge zur Zeit etwas länger warten müssen. Danke euch allen!
Und danke auch allen, die den langen Beitrag bis zum Ende gelesen haben. Was mir in letzter Zeit auch geholfen hat, war das Wissen, nicht allein zu sein mit solchen Problemen. Ich würde mich freuen, wenn der eine oder andere, der sich in einer ähnlichen Situation befindet sich dadurch auch weniger alleine mit seinen Problemen fühlt.