Eco. Life. Style.

Kategorie: Little Miss Itchy Feet

Held der Woche: Vanja, der Beharrliche

Unterwegs begegne ich vielen Menschen, die mich beeindrucken, mich inspirieren, mir Mut machen oder mich zum Nachdenken anregen. Mal sind es Bekannte oder Leute, mit denen ich mehr Zeit verbringe…

Unterwegs begegne ich vielen Menschen, die mich beeindrucken, mich inspirieren, mir Mut machen oder mich zum Nachdenken anregen. Mal sind es Bekannte oder Leute, mit denen ich mehr Zeit verbringe – ein anderes Mal ist es ein zufälliges, kurzes Zusammentreffen mit einem Fremden, das Spuren hinterlässt. Es ist Zeit, diese – meine – Helden des Alltags vorzustellen!

Wer: Vanja Dujc, Autodidakt, Olivenbauer, Geschichtenerzähler

Nicht irgendeiner, sondern einer, der seit rund zehn Jahren für sein „flüssiges Gold“ weltweit Preise einheimst. Einer, dessen Öl auch meine türkische Freundin (türkisch = mediterran = Expertin) und meine Gourmet-Kollegin (von der ich vermute, dass sie sogar vom Genießen träumt) für das Beste halten, das sie je gekostet haben. Einer, der sich jahrzehntelang von Null zur Spitze empor gearbeitet und trotz anfänglicher Misserfolge nicht aufgegeben hat.

Wo wir uns begegnet sind: In seinem Olivenhain über dem Städtchen Izola nahe Piran an der slowenischen Küste. Womit er mich beeindruckt: Mit seinem Öl natürlich. Viel mehr aber noch mit seiner Beharrlichkeit. Vor dreißig Jahren hat der Ingenieur aus Ljubljana erkannt, dass er im damaligen Jugoslawien nicht auf die Sicherheit seines Jobs vertrauen könne, sondern etwas Eigenes schaffen musste, um unabhängig zu sein. Pilze wollte er züchten – so war die Idee. Zwei Jahre dauerte es, bis er einsehen musste, dass daraus nichts werden konnte. Pilze wachsen in der Region nicht, dafür waren vier Hektar Olivenhain frei. Ohne Ahnung von Oliven zu haben pachtete er den Grund, kaufte Samen, die gerade verfügbar waren, und baute an. Es folgte einer der härtesten Winter seit langem. Die Olivenbäume erfroren. Mit einem neuen Kredit wurden neue Pflanzen gekauft. So ging es weiter, plätscherte vor sich hin. Zehn Jahre lang.

Bis er wusste, er musste eine Entscheidung treffen und alles auf eine Karte setzen. Statt einem Brotverdienst nachzugehen, studierte er die nächsten zehn Jahre Bücher alter italienischer Experten über das Thema, las alles, was er in die Finger bekam, nutzte jede Gelegenheit mit Experten zusammenzuarbeiten und probierte vor allem aus. Mit Erfolg!

Glück war natürlich auch dabei. Dass Vanja ausgerechnet den Hain bekam, auf dem Oliven wachsen, dass er seine Kredite wegen der wachsenden Inflation schnell abzahlen konnte, kurz, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Und doch hätte sich wohl so mancher durch die anfänglichen Misserfolge vom Projekt abbringen lassen, wäre vor der harten körperlichen und geistigen Arbeit, etwas so Neues zu beginnen, zurück geschreckt. An einer Idee Jahrzehnte lang zu arbeiten, durch- und festzuhalten an etwas, wofür man anfangs belächelt wird, dazu gehört schon eine beachtliche Portion Geduld und Beharrlichkeit.

Einer, der mutig genug war, seine Begeisterung zu leben. Foto: Doris

Einer, der mutig genug war, seine Begeisterung zu leben.

Wie du ihn treffen kannst: Wer – wie ich – bei dieser Erfolgsgeschichte ein großes, prunkvolles Anwesen erwartet, das schon von Weitem per Schild und Pfeil angekündigt wird, der irrt. Der Hain ist so bescheiden und schwer zu finden, dass mich Najda vom Kempinski Palace Portoroz hin begleitet hat. Und selbst sie musste noch gut darauf achten, den richtigen Feldweg zu nehmen, auch wenn sie schon zigfach dort war. Wer Vanja besuchen möchte, meldet sich am besten via Website des Ölproduzenten. Dann holt der Autodidakt gerne die Gäste von der Hauptstraße ab, führt sie über den Hain, erklärt die Unterschiede zwischen den einzelnen Sorten – und beeindruckt ganz sicher auch sie mit seiner Geschichte.

Das flüssige, grüne Gold! Foto: Doris

Das flüssige, grüne Gold!

Dass Vanja nicht nur bei mir einen Eindruck hinterlassen hat, beweisen die zahlreichen Berichte über ihn. Ich finde das großartig, schließlich sollten wir alle viel öfter über Mutmacher und Helden sprechen!

Vanjas Olivenöl gibt es übrigens weltweit in ausgewählten Läden und Restaurants. In Wien wird es derzeit unter anderem im Vinoe verkauft.

Alle Olivensorten schauen anders aus. Foto: Doris

Alle Sorten von Olivenbäumen schauen anders aus: Die Blätter, wie die Äste wachsen… Vanja kennt sie – jetzt – alle.

Vor dreißig Jahren hat der Ingenieur begonnen, sich mit Oliven zu beschäftigen. Foto: Doris

Vor dreißig Jahren hat der Ingenieur begonnen, sich mit Oliven zu beschäftigen.

Der Blick an die slowenische Küste - der Olivenhain liegt malerisch über der Stadt Izola. Foto: Doris

Der Blick an die slowenische Küste – der Olivenhain liegt malerisch über der Stadt Izola.

Auch essbare Oliven hat Vanja anzubieten. Foto: Doris

Manche Oliven werden nach der Ernte nur zum Essen eingelegt – aus dem Großteil wird Öl gemacht.

 

Offenlegung: Danke an Stromberger PR und Kempinski Palace für die Einladung. Die Ansichten und Meinungen in der Geschichte bleiben meine eigenen. 

2 Kommentare zu Held der Woche: Vanja, der Beharrliche

Wenn in Rovinj, mach es wie die Rovinjer

„Nur noch 2.000 Einheimische leben heutzutage in der Altstadt von Rovinj„, erzählt mir mein Bekannter Stefan, dem ich mehr oder weniger zufällig im Hotel Lone über den Weg laufe, „und…

„Nur noch 2.000 Einheimische leben heutzutage in der Altstadt von Rovinj„, erzählt mir mein Bekannter Stefan, dem ich mehr oder weniger zufällig im Hotel Lone über den Weg laufe, „und im Winter ist es ab 17.00 Uhr hier wie ausgestorben.“ Dieses, sein Wissen hat er von einem Tourguide, der ihn am Tag zuvor durch die kroatische Stadt geführt hat. Dass der Großteil der Menschen, die hier an diesen sommerlichen Tagen, über die Pflastersteine durch die engen Gässchen schlendern, Touristen sind, ist keine Überraschung – und doch gibt es sie, die Leute, die Rovinj ihre Heimat nennen und mich in ihren bunten Alltag hineinschnuppern lassen.

„Menschen mit einer guten Seele kommen immer wieder nach Rovinj zurück“, Jadranka, in Zagreb geborene Journalistin und Künstlerin, spricht aus Erfahrung. Vor zwei Jahren ist die Weltenbummlerin, die in Toronto und Florenz gelebt hat, in die istrische Stadt gezogen, hat sich – innerhalb einer Stunde – dafür entschieden, dort eine 21 qm2 große Wohnung zu kaufen und zählt seither zu deren rund 15.000 Einwohnerinnen. Ob Stefans Tourguide sie auch zu den Einheimischen zählen würde?

Enge Gassen, Pflastersteine, der Blick aufs Meer und jede Menge Kunst - Rovinj ist in jedem Fall bunt. Foto: Doris

Enge Gassen, Pflastersteine, der Blick aufs Meer und jede Menge Kunst – Rovinj ist in jedem Fall bunt. Foto: Doris

Vermutlich nicht. Genauso wenig wie einige ihrer Freunde – einen Deutschen, einen Holländer, einen Italiener -, auch wenn die schon seit über 30 Jahren den größten Teil ihrer Zeit in Rovinj verbringen, dort Häuser besitzen, mit Kroatinnen verheiratet sind und selbst das istrische Kroatisch besser sprechen (und verstehen) als so mancher Landsmann. Vom rovinj´schen Dialekt ganz zu schweigen. „Local“ würde man wohl auch Nicola nicht nennen, der vor einem Jahr im 10 km entfernten Wald von Rovinjsko Selo eine Heimat gefunden hat. Dort baut der Spanier, der sich als Straßenkünstler und Clown seinen Lebensunterhalt verdient, mit anderen gemeinsam ein Öko-Dorf „Balkan-Style“ auf.

Der Markt von Rovinj ist einer der teuersten in Kroatien.Foto: Doris

Der Markt von Rovinj ist einer der teuersten in Kroatien.Foto: Doris

Die Frage nach dem „richtigen Einheimischen“ ist wohl so alt wie Rovinj selbst. „Schau mal, hier wohnte die österreichisch-ungarische Bevölkerung„, zeigt Jadranka, die ich über CouchSurfing getroffen habe, bei unserem Spaziergang durch die Altstadt auf eine Häuserzeile, die anders als die engen, schmalen Gassen im Umkreis fast schon majestätisch weit ist – nur die Wäsche hängt hier wie dort fein säuberlich nach Farben und Mustern geordnet über unseren Köpfen. Die Straßennamen sind zweisprachig auf Italienisch und Kroatisch angeschrieben, in den Restaurants locken Pizza, Pasta und natürlich alles aus dem Meer. Die reiche Geschichte der Stadt, die im 3. oder 4. Jahrhundert zum ersten Mal erwähnt wurde, ist nicht zu verleugnen – und vielleicht ein Grund, warum sich in Rovinj so viele Menschen aus aller Welt ansiedeln.

Findest du das, was du suchst? Foto: Doris

Findest du das, was du suchst? Foto: Doris

„Als ich damals im November – also mitten im regnerischen Winter – nach Rovinj gezogen bin, haben mich meine Freundinnen bedauert“, erzählt uns Jadranka, während wir – ganz nach Art der Locals – um 13.00 Uhr mittags in der Bar Grota am Markt von Rovinj den ersten Weißwein vom eigenen Gut nippen („ein ganz prickelnder, erfrischender, leichter“ soll es laut Wirt sein). „Ich hatte damals gerade Besuch von einer Freundin aus Zagreb“, meint sie weiter, „wir haben uns frisches Gemüse am Markt gekauft, um zu kochen, und sind hier in der Bar gelandet. Auf ein Getränk. Was soll ich sagen: Wir sind erst um 23.00 Uhr nach Hause gegangen.“

Am Abend werden die Meeresufer zu Bars, in denen man u.a. auch Honigschnaps trinkt. Foto: Doris

Am Abend werden die Meeresufer zu Bars, in denen man u.a. auch Honigschnaps trinkt. Foto: Doris

Auch wenn es sich jetzt so anhören mag, einfach war es nicht für sie, die sich eher als „Weltenbürgerin“ denn als Kroatin fühlt, hier in Rovinj angenommen zu werden: Über das Kosten, Erkunden und Probieren des lokal produzierten – preisgekrönten – Olivenöls hat sie Stück für Stück Anschluss gefunden. „Mittlerweile habe ich sogar das Privileg, mich hier unter die Männer zu mischen und mit ihnen zu diskutieren“, meint die 50-Jährige, die sich – berechtigterweise – als sehr sozial bezeichnet, mit einem Augenzwinkern und prostet ihren Freunden zu.

Das tun "Locals": Sich Mittags in der Vinothek treffen, plaudern und die Zeit genießen. Foto: Doris

Das tun „Locals“: Sich Mittags in der Vinothek treffen, plaudern und die Zeit genießen. Foto: Doris

Das Bedauern ihrer Bekannten war definitiv unnötig, scheint doch der Alltag in Rovinj – selbst im Winter, wenn die Bürgersteige zugegebenermaßen schon um 17.00 hoch geklappt werden – durchaus lebenswert zu sein. Da werden ab und an im Restaurant Konoba Veli Joze Nächte zu Tagen gemacht, es wird auf Tischen getanzt, gemeinsam gesungen und gelacht. „Wo sonst tut man das schon?“, fragt Jadranka in die Runde, „in Toronto oder Florenz habe ich das jedenfalls vergeblich gesucht“.

Rovinj ist ein Schmuckstück. Foto: Doris

Rovinj ist ein Schmuckstück. Foto: Doris

Doch es wird nicht nur gefeiert, sondern auch viel gearbeitet – und vor allem viel Kunst gemacht: Überall scheint die Kreativität aus den alten Mauern und zwischen den Steinen ihren Weg durch zu finden. An jeder Ecke lädt ein Pfeil mit der Aufschrift „Art“ zum Stöbern, Schmökern, Staunen und – natürlich – Kaufen ein. Was kann man auch von einem Ort anderes erwarten, an dem sogar eine ehemalige Kapelle mit Blick aufs Meer in eine Kunstgalerie umgewandelt wurde?

Die Kirche, die zum Meer rausgeht - jetzt eine Ausstellungsfläche für Kunst. Foto: Doris

Die Kirche, die zum Meer rausgeht – jetzt eine Ausstellungsfläche für Kunst. Foto: Doris

In (mindestens) einem bin ich nach den zwei Tagen in Rovinj jedenfalls schon fast ein „local“: Ich schwärme beinah genauso von Rovinj wie sie… und zurückkehren muss ich sowieso. Nicht nur wegen meiner guten Seele, sondern auch um das – dann vielleicht fertige – Öko-Dorf von Nikola und seinen Freunden zu sehen. Das ist sich dieses Mal nämlich nicht ausgegangen, weil die Waldbewohner wegen der Hitze lieber ans Meer geflüchtet sind – denn auch das ist etwas, was die Einheimischen in Rovinj gern machen…

Der Hafen von Rovinj ist seit jeher ein Treffpunkt für Einheimische und Touristen. Foto: Doris

Der Hafen von Rovinj ist seit jeher ein Treffpunkt für Einheimische und Touristen. Foto: Doris

Wo du in Rovinj sonst noch Locals triffst:

> Morgens trifft man die Einheimischen beim Schwimmen: Sie springen direkt von den Felsen mitten in der Stadt ins kühle Nass. Das Meer ist nämlich in Rovinj glasklar, türkis und sauber…

> Es sind dieselben Felsen, die gegen Abend als Sitzgelegenheit fürs gemeinsame Cocktail- und Weintrinken dienen und zum Teil der vielen Bars am Meer werden. Zu finden sind sie an der Ulica Sv. Križa, die entlang der See bis zur Kirche Euphemia führen.

unbenannt2

> An dieser Straße ist auch ein süßes, kleines Lokal zu finden, das Male Madlene: Für seine köstlichen Desserts mittlerweile auf TripAdvisor berühmt, ist das winzige Zimmer – das eigentlich Teil einer Wohnung ist – vor allem auch eine Augenweide. Blumengestecke, Dekos, ein Bücherschrank im Eck – wie viel Liebe hinter allem steckt ist spürbar. Und die Geschichte hinter diesem besonderen Lokal ist ebenfalls ein paar Zeilen wert: Eine ältere Dame hat es nach dem Tod ihrer Tochter eröffnet, um wieder Freude am Leben zu erhalten und nicht ganz zu vereinsamen.

Übrigens: Besondere Stammgäste (und solche, die ganz lieb fragen)  dürfen sogar auf ihrer Terrasse direkt am Meer die Süßigkeiten genießen.

Die "Kleine Madeleine" begrüßt ihre Gäste in ihrem Wohnzimmer. Foto: Doris

Die „Kleine Madeleine“ begrüßt ihre Gäste in ihrem Wohnzimmer. Foto: Doris

> Frischen Fisch, Meeresfrüchte und vor allem Muscheln, aber auch einiges für Vegetarier wie mich (große Salate, Trüffelpasta & Co.) gibt es im Restaurant Scuba – und das für die zentrale Lage mitten in der Stadt zu erstaunlich guten Preisen. Mit leerem Magen geht dort keine(r) raus! Besondere Empfehlung sind auch der typische Honiggrappa und die „Scuba“-Torte.

Weiße Trüffel, dafür ist Istrien berühmt. Foto: Doris

Weiße Trüffel, dafür ist Istrien berühmt. Foto: Doris

> Täglich hat der Markt in der Altstadt von Rovinj bis um die Mittagszeit (manche stehen auch etwas länger) geöffnet. Im Sommer sind die Plätze heiß begehrt, im Winter ist sehr viel weniger los. Für die meisten Einheimischen führt der Weg nach dem Einkauf direkt in die Bar Grota… und irgendwann wieder dort hinaus. Der Markt selbst zählt übrigens zu den Teuersten in Kroatien (Preis 1 kg Kirschen: 30 Kuna, ca. 3 Euro)

Punta Corrente ist definitiv ein magischer Ort. Foto: Doris

Punta Corrente ist definitiv ein magischer Ort. Foto: Doris

Nur ca. 10 Minuten am Ufer lang führt der Weg in den Naturpark Punta Corrente, der mir gleich zu Beginn von allen Seite als „magischer Ort“ empfohlen wurde -und als einziger Platz in Rovinj, in dem es keine Autos gibt. Beides kann ich bestätigen. Genauso wie die Tatsache, dass es der Rovinjer (und Touristen) liebster Ort fürs Radfahren, Joggen, Picknicken, Yoga- und TaiChi-Machen und – natürlich – Schwimmen oder Schnorcheln ist, dieser größte botanische Garten Istriens mit seinen Zypressen- und Pinienbäumen.

Ja, ich fühle mich wirklich schon ein bisschen einheimisch hier. Foto: Doris

Ja, ich fühle mich wirklich schon ein bisschen einheimisch hier. Foto: Doris

Offenlegung: Danke an Stromberger PR und Hotel Lone für die Einladung zum Aufenthalt. Die Meinungen und Ansichten in der Geschichte sind und bleiben meine eigenen.

8 Kommentare zu Wenn in Rovinj, mach es wie die Rovinjer

7x anders schlafen: Meine Übernachtungstipps für Wien (Teil 2)

Schon im ersten Teil habe ich von alternativen und ökologischen Übernachtungskonzepten gesprochen. Heute gibt es noch mehr davon – und ich habe natürlich nicht alle Unterkünfte in Wien „abgeklappert“, hat doch…

Schon im ersten Teil habe ich von alternativen und ökologischen Übernachtungskonzepten gesprochen. Heute gibt es noch mehr davon – und ich habe natürlich nicht alle Unterkünfte in Wien „abgeklappert“, hat doch die Stadt die höchste Umweltzeichendichte der Welt. Ich habe mir lieber die Schmankerl ausgesucht – und stelle Euch in diesem Post noch drei weitere Möglichkeiten, als nachhaltig Reisende(r) in meiner Wahl-Heimatstadt zu schlafen. Alles Hotels, in denen ich auch meine besten Freunde unterbringen würde – vorausgesetzt, meine Couch ist besetzt.

5. Boutique Hotel Stadthalle: Einer muss der Erste sein

„Willkommen im weltweit 1. Stadthotel mit Null-Energie-Bilanz„, begrüßt das Boutique Hotel Stadthalle seine Gäste und BesucherInnen wie mich. Dass es sich um eben solches handelt, das ist schon beim Eingang kaum zu übersehen: Die Außenwand – noch grau – wird in Kürze auch mit Pflanzen begrünt werden, bei der Tür prangen die vielen Gütesiegel – von Umweltzeichen bis Fair Trade – an der Wand, die Pflanzenklimaschutzfassade, die in Zusammenarbeit mit der BOKU (Wiener Universität für Bodenkultur) betrieben wird, steht seit wenigen Wochen ebenfalls wieder im Eingangsbereich.

Der grüne Garten samt E-Velos zum Ausleihen. Foto: Doris

Der grüne Garten samt E-Velos zum Ausleihen. Foto: Doris

„Am Anfang stand der Beschluss von der Besitzerin, Frau Reitterer, ein Passivhaus ans alte Hotel zu bauen“, erklärt mir Monika Haas vom Boutiquehotel – dass es so etwas im Hotellerie-Bereich weltweit noch nicht gegeben hat, das hat man erst später festgestellt. Wegen „das ist unmöglich“-Kommentaren aufzugeben, das war keine Option und so wurde nicht nur ein 6-stöckiges Passivhaus errichtet, sondern auch eine Grundwasserwärmepumpe und eine Photovoltaikanlage installiert, eine Solaranlage aufs Dach gebaut, E-Scooter für Hotelgäste angeschafft und – natürlich – regionale, biologische Lebensmittel am Frühstücksbuffet eingeführt. Das sind nur ein paar der Eckdaten, bloß die geplanten Windrädern zur Stromgewinnung gibt es – noch – nicht. Nicht, weil es technisch nicht möglich wäre, sondern weil ein Nachbar Einspruch erhoben hat. Aufgeben – Ihr könnt es Euch denken – ist aber auch hier keine Option.

Über eine Minibar wird derzeit diskutiert: Aber nein, zu viel Energieverschwendung. Foto: Doris

Über eine Minibar wird derzeit diskutiert: Aber nein, zu viel Energieverschwendung. Foto: Doris

„Wir sind Stück für Stück gewachsen“, so Haas, „und die Gäste fordern es auch ein, wie wir anhand der Zufriedenheits-Fragebögen merken.“ Dabei kommen nicht alle, weil es sich um ein Haus mit Null-Energiebilanz – „es geht sich knapp aus“ – handelt. Manche merken es erst, wenn sie die grünen Aufkleber in ihren Zimmern vorfinden: „No Minibar“ heißt es da zum Beispiel auf einem, ein Commitment gegen einen erhöhten CO2-Ausstoß, der den fehlenden Punkt auf die 4-Sterne-Kategorie kostet. Es ist eine bewusste Entscheidung.

Der Blick aufs Lavendeldach, das derzeit noch nicht lila, sondern grün ist. Foto: Doris

Der Blick aufs Lavendeldach, das derzeit noch nicht lila, sondern grün ist. Foto: Doris

Statt Mini-Bar gibt es etwas – meiner Meinung nach – viel Besseres: Den Ausblick auf ein (im Sommer vermutlich schön lilafarbenes) Lavendeldach zum Beispiel und so viele Sträucher sowie Bäume im Garten, Weinreben an den Hauswänden, dass der Leitspruch „Wohnen mitten im Grünen mitten in der Stadt“ nicht treffender sein könnte. Und wer sich noch ein Stück vom Stadthotel mitnehmen möchte, der findet in der Vitrine im Eingangsbereich handgemachte Souvenirs – wie wäre es zum Beispiel mit Lavendelherzen oder einer Lavendel-Schoko-Torte, na!?

Boutique Hotel Stadthalle: Hackengasse 20, 1050 Wien, ab € 128,- pro Nacht, http://www.hotelstadthalle.at/

6. Urbanauts: Das horizontale Hotel im „Grätzel“

Dass man und vor allem was man aus leerstehenden Gassenlokalen so alles machen kann, das beweisen seit 2011 die Urbanauts. Anders als in Städten wie London darf man in Wien nämlich bisher in ehemaligen Geschäftsräumlichkeiten nicht wohnen – leider. Also haben die Architekten Theresia Kohlmayr, Jonathan Luther und Christian Knapp mit einer ehemaligen Schneiderei das Pilotprojekt „horizontales Hotel“ gestartet. Nein, nicht, was Ihr denkt: Im leerstehenden Raum im Erdgeschoß wurden Bad und WC eingebaut, die Wände zur Straße mit Schalldämmung vor Lärm geschützt, die großen Auslagenfenster mit verdunkelten Gläsern abgeschirmt – ein 25 qm großes Hotelzimmer mit Mini-Bar, Internet und Co. entstand. An die Vergangenheit erinnern nicht nur der Name „Die Schneiderin“, sondern auch eine große Foto-Wand gestaltet durch die Künstlerin Sue Sellinger und handgemachte Hosen sowie T-Shirts, die Gäste anprobieren und dann gern bei den Urbanauts kaufen können.

Der "Schneiderin" sieht man ihr Vorleben an - so soll es auch in den anderen Ex-Gassenlokalen passieren. Foto: Doris

Der „Schneiderin“ sieht man ihr Vorleben an – so soll es auch in den anderen Ex-Gassenlokalen passieren. Foto: Doris

„Wir haben versucht, die vertikal angeordnete Hotelstruktur horizontal ins Grätzel (= Viertel) auszulagern“, erklärt Theresia, die selbst Erfahrung in der Hotellerie mitbringt. Heißt: Statt Frühstück oder Wellness-Bereich im Hotel selbst, empfiehlt Urbanauts „fellows“ in der Umgebung – ein Kaffeehaus in der Straße, die Bar ums Eck, das Hammam in der Nachbarschaft. Damit die leicht erreicht werden können, stehen vor dem Haus zwei Fahrräder – Vespas können als „Extra“ angemietet werden.

Der Schlüssel zum Hotelzimmer ist via Code zugänglich, wie stark man in der "Auslage" sitzen möchte, kann via verdunkelten Fenstern reguliert werden. Foto: Doris

Der Schlüssel zum Hotelzimmer ist via Code zugänglich. Wie stark man in der „Auslage“ sitzen möchte, kann via verdunkelten Fenstern reguliert werden. Foto: Doris

Über Empfehlung funktioniert auch die Bewerbung der Urbanauts, an deren Konzept andere Städte ebenfalls Interesse haben. Bisher erfolgt eine Buchung nur über die Website – eine Erweiterung auf andere Plattformen ist angedacht und vermutlich auch notwendig, wenn die nächsten Hotelzimmer nach dem gleichen Konzept aufsperren: Noch im Juli werden die jeweils 35qm großen „Galerist“ und „Künstler“ öffnen, im September ist „Der Schlosser“ an der Reihe.

DVDs, ein Stadtplan sowie passende Kleidungsstücke (zum Probieren und späteren Kaufen) liegen in der Schneiderin auf. Foto: Doris

DVDs, ein Stadtplan sowie passende Kleidungsstücke (zum Probieren und späteren Kaufen) liegen in der Schneiderin auf. Foto: Doris

Urbanauts: Favoritenstraße 17/ G3-5, 1040 Wien (geplante Home-Base in der Belvederegasse 26, 1040 Wien – Eröffnung 2014), ab € 120,- pro Nacht, http://www.urbanauts.at/

7. Hotel Der Wilhelmshof: Ganzheitlich vom Dach bis zur Garage

Wer mit einem der Trés-Hombres befreundet ist und deren fair transportierten Rum verkauft, der kann nur sympathisch sein. Wer noch dazu seit 2008 die größte Solaranlage der Wiener Hotellerie im Einsatz hat oder durch so „Kleinigkeiten“ wie eine Haus gemachte (vom Vater „gebastelte“) Heizungsregelung 20% der Kosten sowie jede Menge Energie spart, punktet gleich noch einmal – bei mir zumindest. Roman Mayrhofer, Geschäftsführer und mit seinem Bruder Eigentümer des Familienbetriebs „Der Wilhemshof“ macht mir bei seiner Hausführung klar, dass der Anspruch der „Ganzheitlichkeit“ im 4-Sterne-Hotel nicht (nur) auf dem Papier zu finden, sondern seine Einstellung ist.

Das Hotel Wilhelmshof hat schon seit 2008 die größte Solaranlage - aber erst 2010 davon erzählt. Foto: Doris

Das Hotel Wilhelmshof hat schon seit 2008 die größte Solaranlage der Wiener Hotellerie – aber seit 2010 erzählt es darüber. Foto: Doris

„Bei jeder Entscheidung muss man auch die ökologischen Kriterien heranziehen“, erklärt er und ist überzeugt: „Im Hintergrund kann man so viel machen“ – vor allem, wenn einem die Immobilie gehört, wie das beim Wilhelmshof seit Generationen der (Ideal)Fall ist. „Energie ist dabei der größte Hebel“, meint Mayrhofer und ist stolz, dass 45% der Energiebedarfs über die Solaranlage gewonnen wird. Es ist auch ein wirtschaftlicher Erfolg, der ohne das unternehmerische Risiko im Vorfeld aber nicht möglich wäre – schließlich investiert man gerade bei für den Gast unsichtbaren Dingen anfangs enorm.

Ein ganz besonderes Designzimmer im Wilhelmshof. Foto: Doris

Ein ganz besonderes Designzimmer im Wilhelmshof – gestaltet von TyWaltinger. Foto: Doris

Ein „plakatives Thema“ wie die Solaranlage ist wichtig für die Kommunikation, aber nicht das Einzige, was den Wilhelmshof besonders – anders – macht. Ganz offensichtlich ist da vor allem die Kunst: Der österreichische Künstler TyWaltinger hat aus dem Hotel – Schritt für Schritt – ein Kunsthotel gestaltet. „Eines, in dem den Gast die Kunst aber nicht überfährt“, wie Mayrhofer wichtig ist zu zeigen – und tatsächlich ist sie in einigen Räumen nur ganz dezent merkbar. In anderen dafür stärker, nie aber aufdringlich. Das Konzept zieht sich übrigens bis zur Garage (!) durch, und TyWaltinger arbeitet selbst stark mit natürlichen Farbpigmenten und den Kräften der Natur zusammen – ganzheitlich eben!

Speziell ist der Wilhelmshof, auch die Garage. Foto: Doris

Speziell ist der Wilhelmshof, auch die Garage. Foto: Doris

Hotel Wilhelmshof: Kleine Stadtgutgasse 4, 1020 Wien, ab € 120,- pro Nacht, http://www.derwilhelmshof.com

Weitere Tipps zu einem alternativen, nachhaltigen Wien-Besuch habe ich für einfachbewusst.de geschrieben >> http://www.einfachbewusst.de/2013/04/nachhaltiges-reisen-wien-und-darmstadt/ 

Keine Kommentare zu 7x anders schlafen: Meine Übernachtungstipps für Wien (Teil 2)

7 Mal anders schlafen: Meine Übernachtungstipps für Wien (Teil 1)

Statt „Wien ist anders“ sollte der nächste Werbeslogan für meine Wahl-Heimatstadt eher lauten: „In Wien schläft sich es anders“. Seit einiger Zeit schießen viele spannende, alternative Konzepte für Übernachtungsmöglichkeiten – von…

Statt „Wien ist anders“ sollte der nächste Werbeslogan für meine Wahl-Heimatstadt eher lauten: „In Wien schläft sich es anders“. Seit einiger Zeit schießen viele spannende, alternative Konzepte für Übernachtungsmöglichkeiten – von günstig bis hochpreisig – aus dem Boden. Daneben setzen zahlreiche Hotels auf umweltfreundliche Modelle. Sieben dieser etwas anderen Schlafplätze, die es mir besonders angetan haben, stelle ich in diesem und in meinem nächsten Artikel vor. Wer weiß, wofür es der eine oder die andere brauchen kann…

1. Chez Cliché – Wohnen bei (falschen) Freunden

Wohnen in Privat-Apartments à la airbnb ist ja längst nichts Neues mehr und wird auch in Wien häufig genutzt. Der heißeste Trend aber ist: Wohnen bei (falschen) Freunden. Die beiden Wiener Claudia Diwisch und Gerald Tomez, die mit dem Tourismus bisher nichts zu tun hatten, haben sich von der Idee eines Wahl-Berliner Freundes anstecken lassen und vermieten seit Oktober acht Wiener Apartments, die unter anderem dem Ex-Jockey Raul, der Botanikerin Sophie, Mozart-Fan Marie Therese oder Theaterliebhaber Koloman gehören. Das Spannende daran: Diese Personen sind alle erfunden…

Marie Therese wohnt stilvoll, wie es sich für eine Mozart-Liebhaberin gehört. Foto: Doris

Marie Therese wohnt stilvoll, wie es sich für eine Mozart-Liebhaberin gehört.

…aber so echt, wie möglich: Nicht nur die Wohnungen sind mit einer Liebe zum Detail aus einer Mischung aus alten, neu hergerichteten und modernen Stücken so eingerichtet, dass ich immer erwartet habe, ihre Besitzer – zum Beispiel Stewardess Bella oder Platten-Sammler-Beat – würden gleich um die Ecke kommen. Auch auf Facebook sind Kolomann und Co vertreten. Ob ihre „Freunde“ im Social Network wissen, dass sie gar nicht existieren?

Beat sammelt Platten - und überhaupt erinnert alles in der Wohnung an Musik. Foto: Doris

Beat sammelt Platten – und überhaupt erinnert alles in der Wohnung an Musik.

Wer bei Chez Cliché, so heißt das Unternehmen, bucht, kann das entweder über airbnb oder direkt über die Website tun. Bei der Abholung durch die beiden Gründer gibt es dann nicht nur den Schlüssel, sondern auch die Telefonnummern. Das ist nämlich einer der vielen Pluspunkte beim Wohnen bei diesen „falschen“ Freunden: Das Team von Chez Cliché ist immer für seine Gäste erreichbar und liefert Insider-Tipps und lokale Empfehlungen für den Aufenthalt.

Dass Beat nicht echt ist? Wer hätte das bei der stimmigen Einrichtung gedacht? Foto: Doris

Dass Beat nicht echt ist? Wer hätte das bei der stimmigen Einrichtung gedacht?

Weitere Pläne gibt es auch – unter anderem den für eine Verdoppelung der Apartments in Wien. Schließlich warten neue Persönlichkeiten schon auf eine – ihre – Heimat…

Chez Cliché: Verschiedene Locations im 1., 2., 7. und 9. Bezirk, Privat-Wohnungen ab 189 Euro pro Nacht (mindestens zwei Nächte), chezcliche.com

2. Pop_Inn 111: Pop in, Pop up

Das Pop_Inn 111 als eine Übernachtungsmöglichkeit vorzustellen, ist fast schon eine Beleidigung. Dieses Hostel, in dem man zwischen Wänden voller Kunst und auf Betten aus Bierkästen schläft, ist viel mehr als „nur“ eine Übernachtungsmöglichkeit. Es ist Teil des Projekts Trust 111, und ein „Modellversuch, leerstehende Häuser zu nutzen und eine Community aufzubauen, von der sowohl die Menschen, das Gebäude wie auch die Umgebung profitieren.“, so erklärt es mir die Holländerin Margot, eine der Verantwortlichen. Die Stadtsoziologin arbeitet für den Verein onorthodox – tackling urban issues und ist vor allem für den theoretischen Teil zuständig, schließlich handelt es sich hier um ein Pilotprojekt, das sowohl national wie international auf reges Interesse stößt.

Im Pop_Inn 111 schläft man auf Bierkisten statt in "normalen"Betten. Foto: Doris

Im letzten Jahr ist Architekturstudent Lukas vom Verein ImPlanTAT – Netzwerk für ZwischenNutzungen  auf das leerstehende Haus in der Schönbrunner Straße 111 gestoßen. Dem geht es wie einigen Gebäuden zurzeit: Es soll modernisiert und umgebaut werden, die Pläne sind vorhanden, die Finanzierung steht auf dem Papier – nur der Baustart lässt auf sich warten. Das macht sich das Projekt „Trust111“ zu Nutze. Mit Einverständnis des Eigentümers und mittlerweile unter wohlwollender Beobachtung der Stadt Wien wurden sie zu Zwischenmietern des Gebäudes, haben die Wände gestrichen, die Abflüsse repariert. Künstler nutzen einen Teil des Hauses und zahlen für die Ateliers einen Vereins-Mitgliedsbeitrag, in der Bar „No Borders“ im Erdgeschoss können Getränke nach dem „pay as you wish“-Prinzip konsumiert werden und nebenan ist gerade die Ausstellung What the shop zu sehen.

Sisi-Zimmer: Ein bisschen Verarschung, ein bisschen Nostalgie, viel Wien. Foto: Doris Schlafen in der Ausstellung, dem Sisi-Zimmer: Ein bisschen Verarschung, ein bisschen Nostalgie, viel Wien. Foto: Doris

Schlafen in der Ausstellung, dem Sisi-Zimmer: Ein bisschen Verarschung, ein bisschen Nostalgie, viel Wien.

Und dann ist da natürlich noch das temporäre Guesthouse „Pop_Inn 111“, in dem mit Service – „Wir sind immer da und können Tipps für Wien geben!“ – wett gemacht wird, wenn in den sanierungsbedürftigen Mauern wieder einmal die Elektrizität ausfällt. Buchbar sind Mehrbettzimmer und Themenräume mit Namen wie White Cube Himmel, Wiener Aktionismus, Franz Josef oder Sisi. Räume, bei denen es sich eigentlich um Ausstellungen handelt. „Indoor Camping“ steht auf einer anderen Tür, hinter der sich ein Zimmer mit grünem Rasenteppich, Zelt und Klappstuhl verbirgt. Ein Trostpflaster dafür, dass Outdoor-Campen am Dach nicht möglich ist – den Nachbarn zuliebe.

Indoor statt Outdoor-Camping: Im Pop_Inn 111 findet man für jede Herausforderung eine Lösung. Foto: Doris

Indoor- statt Outdoor-Camping: Im Pop_Inn 111 findet man für jede Herausforderung eine Lösung.

Work in progress ist bei Trust111 so einiges: Vom Ausbau der Zimmer bis hin zu einer Fahrradwerkstatt, von Urban Gardening (dem das konstante Regenwetter einen Strich durch die Rechnung gemacht hat) bis zu Filmvorführungen im „Kino-Zimmer“, von Sprachkurs-Angeboten auch für sozial Schwächere bis zur angrenzenden Café-Küche. Ob, wann und was davon realisiert wird beziehungsweise was sonst noch passiert, wird die Zeit weisen – und vor allem auch davon abhängen, wie lange Trust111 das Haus in der Schönbrunner Straße 111 nutzen kann. Denn dass alles jederzeit vorbei sein kann, dessen sind sich Lukas, Margot und ihre Mitstreiter bewusst.

Pop_Inn 111:  Schönbrunner Str. 111, 1050 Wien, Hostel-Bett 15 Euro pro Nacht, Apartment ab ca. 60 Euro pro Nacht, popinn111.wordpress.com

3. und 4. Hotel Topazz und Lamée: 4+ Sterne für Nachhaltigkeit

Wasserkrug, selbstgemachtes Müsli & Liebe zum Detail gibt es sowohl im Topazz als auch im Lamee. Foto: Doris

Wasserkrug, selbstgemachtes Müsli und Liebe zum Detail gibt es sowohl im Topazz als auch im Lamee.

„Unser Zugang ist nicht, wir bauen ein Haus, sondern: Wir haben da ein Gebäude, was machen wir daraus?“ Schon der Ansatz, nach dem die beiden Luxus-Hotels (im 4-Stern-Superior Segment angesiedelt) mitten in der Wiener Innenstadt gestaltet wurden, spricht für sie. Dass sowohl beim Topazz, als auch bei dessen Schwesternhaus Lamée gegenüber der Umweltgedanke zählt, habe ich nur durch Zufall herausgefunden: Im Rahmen der heurigen ERDGespräche nämlich wurden einige Vortragende dort – kostenlos – beherbergt. Das „Tu-Gutes-und-rede-darüber“-Modell steckt hier erst in den Startlöchern…

Das Lamee spielt mit dem Stil der 30er Jahre. Foto: Doris

Das Lamée spielt mit dem Stil der 30er Jahre.

„Neben dem einzigartigen Design ist Nachhaltigkeit ein weiterer Schwerpunkt von uns.“, erklärt mir Geschäftsleiterin Christiane Weissenborn, die ihren Job in der Immobilienbranche „nebenbei“ weitermacht. Vor allem ökologische, natürliche Baumaterialien wurden verwendet und beim Frühstücksbuffet wird Regionales, Selbstgemachtes wie die Müsliriegel oder Marmeladen aufgetischt, der biodynamische Wein kommt aus der unternehmenseigenen Winzerei. „Ganz selten beschwert sich ein Gast, dass es keine Ananas gibt.“, steht Weissenborn hinter ihrem Konzept, Obst saisonal anzubieten. Alles ist in Gläser und kleine, verzehrbare Portionen abgepackt und die Größe der Seife ist gerade richtig für den Durchschnittsaufenthalt der Gäste von 1,4 Tagen.

Im Topazz schläft man mit ruhigem Gewissen. Foto: Doris

Im Topazz schläft man mit ruhigem Gewissen.

Die beiden Häuser sind aber vor allem in einem einzigartig in Wien: In ihrem Mix aus Design und Niedrigenergie. Denn Heizung und Kühlung der beiden Häuser mit ihren je 32 Zimmer erfolgt über einen Brunnen, der im Topazz steht und dessen Wasser unterirdisch auch ins gegenüber liegende Lamée weitergeleitet wird. „Es ist ein etwas lahmes System,“, kennt Weissenborn nach dem ersten Jahr die Schwierigkeiten, „weil es sich langsam an die Außentemperatur anpasst, haben wir schon Kritik eingefangen. Erst wenn wir es erklären, verstehen die Gäste.“ Schon besser kommt da die Wohnraumlüftung an, die ständig Frischluft zuführt – das „Geheimnis, warum man sich so wohlfühlt“. Letzteres könnte aber auch an so liebevollen Kleinigkeiten liegen wie dem Picknick im Bett, das statt des normalen Frühstücks gern aufs Zimmer serviert wird. Korb, Porzellangeschirr und Decke inklusive.

Auch die Betreiber LENIKUS Designhotels haben große Pläne: Ein bis zwei weitere Häuser sollen noch in der Innenstadt eingerichtet werden.

Hotel Topazz bzw. Hotel Lamée: Lichtensteg 3 bzw. Rotenturmstraße 15, ab 198 Euro pro Nacht, hoteltopazz.com

 

Weitere Tipps zu einem alternativen, nachhaltigen Wien-Besuch habe ich für einfachbewusst.de geschrieben >> www.einfachbewusst.de/2013/04/nachhaltiges-reisen-wien-und-darmstadt/ 

8 Kommentare zu 7 Mal anders schlafen: Meine Übernachtungstipps für Wien (Teil 1)

Wer den Kränzelhof be-suchet, der findet

„Jetzt kennst du meine ganze Lebensgeschichte.“, meint er, während er vor mir mit bloßen Füßen, die Schuhe in der einen Hand, sein Sakko in der anderen, durchs Gras stapft. Keine schlechte…

„Jetzt kennst du meine ganze Lebensgeschichte.“, meint er, während er vor mir mit bloßen Füßen, die Schuhe in der einen Hand, sein Sakko in der anderen, durchs Gras stapft. Keine schlechte Leistung, nachdem wir uns vor weniger als einer Stunde kennen gelernt haben. Ob’s an mir liegt? Oder am Venetiano, den wir gemeinsam genossen haben? Vielleicht. Ich habe aber den Verdacht, dass es vielmehr an dem Ort liegt, an dem wir uns gemeinsam befinden.

Der Be-Sucher schließt sich den Suchenden an. Vielleicht wird ihm auch dabei bewusst, was er in seinem eigenen Leben sucht oder zu finden hofft.“ Begrüßungsschild beim Eingang zum Kränzelhof

Der Kränzelhof im Südtiroler Tscherms ist schwer zu beschreiben. Anders ist dieser 20.000 Quadratmeter große Grünraum auf jeden Fall – im Vergleich zum nah gelegenen, fein säuberlich gepflegten Meran mit seinen schmucken Gärten und großflächigen Parks, die an die glorreiche Geschichte erinnern. Aber auch anders als die nutzbaren Apfel- und Weingärten der Umgebung oder die Wälder rund um die Waalwege, diesen Wanderpfaden neben den alten Flusssystemen im Meraner Land.

Im Kränzlhof kann man sehr gut essen und trinken. Genauer gesagt im Gasthof miil. Foto: Doris

Essen, trinken und sich freuen – im Gasthof miil im Kränzlhof.

Wild und doch kunstvoll kommt der Kränzelhof daher, diese „lebendige Installation“: Kunstwerke, mehr oder weniger temporär, sind überall verstreut; auf zig-Grasstufen ist ein Theater entstanden; mittendrin ein grüner Raum aus bewachsenen Mauern; Schaukel, Steintische und -bänke rufen ein „Bleib‘ hier, rast‘ auf mir!“; die Füße zieht’s zum kühlen Teich. Das Herzstück ist wohl aber der Irrgarten, dessen Wände jetzt im Mai noch kahl wirken, bald aber schon mit Weinreben bewachsen keinen Blick, keine Orientierung, mehr durchlassen.

Füße hoch, schaukeln und in Gedanken schwelgen. Foto: Doris

Füße hoch, schaukeln und in Gedanken schwelgen.

Es ist ein Ort zum Barfußlaufen, zum Fühlen, zum Verweilen, zum (Nachmit)Tag-Verplempern, zum Nachdenken, sich Inspirieren lassen und zum Philosophieren. Über den Sinn und Unsinn dessen, was wir suchen und vielleicht doch nicht finden sollen; übers Leben, das Dasein, die Freude, den Schmerz, das Lernen, das Altern… und übers Reisen.

20130508_144443

Genau das tun wir, der Fremde und ich. Und vielleicht auch du?

Lass dich inspirieren!

Jede Reise ist wie ein eigenständiges Wesen, keine gleicht der anderen. (John Steinbeck)

IMG_4926

Man reist nicht, um andere Orte kennenzulernen, sondern um sich anderen Situationen auszusetzen. (Unbekannt)

IMG_4925

Es ist ein gar charmantes herrliches Ding ums Reisen. Reisen muss man, oder man kommt hinter nichts. (Voltaire)

IMG_4919

Steigst du nicht auf die Berge, so siehst du auch nicht in die Ferne. (Unbekannt)

IMG_4918

When you realize there is nothing lacking, the whole world belongs to you. (Lao Tzu)

IMG_4917

Eine Reise ist ein vortreffliches Heilmittel für verworrene Zustände. (Franz Grillparzer)

IMG_4915

Es ist ein angenehmes Gefühl, auf dem Rücken zu liegen und den leichten, weißen Wolken nachzueifern mit reiselustigen Gedanken. (Paul Zech)

IMG_4908

Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat haben. (Theodor Fontane)

IMG_4905

Reisen sollte nur ein Mensch, der sich ständig überraschen lassen will. (Oskar Maria Graf)

IMG_4901

 Wer immer nur funktioniert, entzieht sich dem Abenteuer des Lebens. (Armin Müller-Stahl)

IMG_4900

Je nachdem, wie mutig ein Mensch ist, expandiert oder schrumpft sein Leben. (Anais Nin)

IMG_4897

Die Chance klopft öfter an, als man denkt. Doch meistens ist man nicht zu Hause. (Unbekannt)

IMG_4894

Man schiebt viel lieber auf als an. (Klaus Klages)

IMG_4892

Reisen ist, in jedem Augenblick geboren werden und sterben. (Victor Hugo)

There is hope if people will begin to awaken that spiritual part of themselves, that heartfelt knowledge that we are caretakers of this planet. (Brooke Medicine Eagle)

IMG_4878

You’ve got a lot of choices. If getting out of bed in the morning is a chore and you’re not smiling on a regular basis, try another choice. (Steven D. Woodhull)

IMG_4875

 

 

Offenlegung: Danke an Südtirol Tourismus für das Ermöglichen dieses Besuchs und fürs Inspirieren! 

4 Kommentare zu Wer den Kränzelhof be-suchet, der findet

Wie du als Backpacker in Kambodscha den Menschen wirklich helfen kannst!

Ein Gastbeitrag von Carina, die seit ihrer ersten Weltreise die Reisesüchtige von „Pink Compass – Der Reiseblog für Frauen“ ist. Dieser ist eine Plattform für allein reisende Frauen jeden Alters, ihr findet…

Ein Gastbeitrag von Carina, die seit ihrer ersten Weltreise die Reisesüchtige von „Pink Compass – Der Reiseblog für Frauen“ ist. Dieser ist eine Plattform für allein reisende Frauen jeden Alters, ihr findet dort neben Reiseberichten vor allem Tipps und Tricks, die speziell Frauen beim allein reisen helfen.

Bevor ich nach Kambodscha gereist bin, habe ich viele Artikel darüber gelesen, wie es dort sein wird. Was mich erwarten wird und welch unterschiedlichen Eindrücken ich ausgesetzt werden würde. Ich habe von Angkor Wat gelesen, den Märkten in Siem Reap und den Floating Villages. Und ich habe über die Armut, die bettelnden Menschen und die Souvenir verkaufenden Kinder gelesen. Und trotzdem kannst du dich durch Lesen nicht immer darauf vorbereiten, was dich tatsächlich in Kambodscha erwartet.

Banteay Kdei

Deshalb möchte ich dir hier ein paar Verhaltens-Tipps mit auf den Weg geben, die dir die Möglichkeit geben sollen, positive Spuren in diesem immer noch vom Krieg gebeutelten, aber interessanten und spannenden Land zu hinterlassen. Die dir aber auch gleichzeitig aufzeigen, welche Fallen in der sogenannten Charity-Wirtschaft Kambodschas mittlerweile bestehen und wie du sie umgehen kannst!

Don’t…

Kaufe nichts von den Kindern in Angkor Wat!

Sobald du das Gebiet rund um Angkor Wat betrittst, wirst du dich auch schon umringt finden von Kindern, die dir Souvenirs, Postkarten oder Getränke anbieten – ganz besonders an den bekanntesten Tempeln der Anlage. Auch wenn dir dein erster Instinkt vielleicht sagt, dass du damit die armen Kinder unterstützt und ihnen Ernährung und Schulbildung ermöglichst, tu es nicht! Denn du erreichst damit genau das Gegenteil! Diese Kinder sollten eigentlich gerade jetzt in der Schule sein und je mehr sie verdienen, desto mehr bestätigst du ihren Eltern, dass es lohnender ist, sie an Tempeln ausharren zu lassen, als sie in die Schule zu schicken.

Besuche keine Kinderheime!

In Kambodscha ist es spätestens seit Angelina Jolie fast üblich geworden, ein Kinderheim zu besuchen, sich die Umstände anzuschauen, unter denen sie leben müssen, eine Spende dort zu lassen und sich guten Gewissens wieder dem Luxus des Lebens als wohlhabender Europäer zuzuwenden. Im Grunde genommen bin ich für alle Arten von Spenden. Allerdings haben schlaue Menschen nun selbst darin einen Markt entdeckt und teilweise inszenierte Kinderheime erbaut, an die Familien, die einfach kein Geld hatten, ihre Kinder verkauft haben, um diese somit scheinartig zu füllen. Das ist kein Ammenmärchen, dass dich daran hindern soll, Gutes zu tun. Selbst die kambodschanische Regierung warnt davor, Kinderheime zu besuchen. Such dir stattdessen lieber gesicherte Organisationen, die sich für Waisen in Kambodscha einsetzen und spende ihnen das Geld per Überweisung. Damit erreichst du weitaus mehr, fühlst dich mindestens genauso gut und hilfst, dem Boom an Kinderheim-Besuchen und damit üblen Machenschaften, Grenzen zu setzen.

Gib bettelnden Menschen auf der Straße kein Geld!

Dieser Punkt ist mir teilweise am Schwersten gefallen. Besonders als Europäer, wenn du selbst als „armer“ Backpacker noch unerträglich reich bist. Aber ich habe auch die Nebenwirkungen des Bettelns gesehen, die diese auf die Kinder dieses Landes hat. Ich habe Mädchen in Gruppen gesehen, die lachend die Straßen entlang gelaufen sind und wie auf Knopfdruck beim Erscheinen eines Touristen die Leidensmiene und den Hundeblick aufgesetzt und die Hände ausgestreckt haben. Du tust ihnen keinen Gefallen damit und hilfst ihnen ganz und gar nicht, wenn du ihr Tun positiv verstärkst. Wenn du wirklich nicht widerstehen kannst und einer der vielen Mütter mit ihren Kindern auf dem Arm etwas geben möchtest (auch wenn diese Kombination schon gern gezielt auf die Straße geschickt wird), dann kaufe eine Tüte Obst oder eine Mahlzeit und gib sie ihnen. Denn nur so kannst du sicher sein, ihnen etwas gegeben zu haben, das sie noch am ehesten selbst verwerten dürfen.

Gib Kindern keine Süßigkeiten!

Oberstes Gebot! Auch wenn es lächerlich erscheint in einem Land von Armut über Zahnerhaltung nachzudenken, aber Zahnärzte stehen dort mit Sicherheit auf der untersten Stufe der Prioritätenliste, also denke jedes Mal daran, wenn du versucht bist, Kindern Süßigkeiten zu geben.

Do…

Nutze die White Bicycles!

Nahezu jeder, der auf TukTuks und Führungen verzichten möchte, mietet sich für die Tage der Angkor Wat Besuche ein Fahrrad. Nicht nur, weil es kaum an Flexibilität zu überbieten ist, sondern auch, weil man sich nicht so protzig fühlt, wie in einem TukTuk sitzend durch die Anlage kutschiert zu werden. Solltest du die Gelegenheit bekommen, dann schau dich nach den White Bicycles um. Diese Fahrräder werden von einer Organisation vermietet, die einen Bärenanteil ihres Gewinns dafür einsetzt, die Wasserversorgung in Kambodscha zu verbessern. Diese Fahrräder gibt es fast überall und auch direkt neben meinem Guesthouse war ein Stand. Sie kosten zwar einen Dollar mehr als die regulären Vermietungen, aber ganz ehrlich, merkst du den überhaupt?

Verteile Obst und Zahnbürsten!

Packe ein paar Äpfel ein, die du verteilen kannst! Wenn du dann an eben genannten Kindern vorbeikommst, die nach Süßigkeiten fragen und du nicht nein sagen möchtest, dann hast du etwas in der Hand, das du guten Gewissens verteilen kannst. Toll fand ich auch den Tipp, den ich mal gelesen habe, Zahnbürsten zu verschenken. Es mag lächerlich klingen, aber auch das ist etwas, was hoffentlich Gutes tut!

Verteile Obst. Foto: Carina

Besuche Dr. Beat Richners Konzert!

Bevor ich nach Kambodscha kam, habe ich von einem Schweizer Arzt gelesen, der seit knapp 20 Jahren in Pnom Penh und auch in Siem Reap Kinderhospitäle aufgebaut hat, die korruptionsfrei und kostenlos für sämtliche Kinder des Landes komplett Spenden basiert unterhalten werden. Jeden Samstag gibt er kostenlose Cellokonzerte, bei denen er zwischen den musikalischen Stücken von seinem Werk erzählt, den Aufbau und die Aufrechterhaltung beschreibt und kurze Videos davon zeigt, wie der Klinikalltag aussieht. Nicht nur ist es sehr interessant anzuschauen, es gibt dir auch eine der wenigen Möglichkeiten, dich vor Ort direkt davon zu überzeugen, dass Gutes getan wird und absolut sicher sein zu können, dass das Geld, das du spendest, auch dort ankommt, wo es hin soll.

Ich weiß, viele dieser Regeln klingen hart und gnadenlos. Ich habe mir selbst oft schwer getan, mich daran zu halten und du wirst dir oft noch arroganter und geiziger vorkommen, als du von manchen der bettelnden Menschen sowieso schon angesehen wirst.

Aber ruf dir einfach immer wieder in Erinnerung, dass es bessere Wege gibt, um zu helfen. Schau dich danach um, recherchiere und nutze sie! Dann hast du nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Gewissheit, während deines Besuches wirklich ein wenig geholfen zu haben – und nicht nur in die Mühlen von Korruption und Ausbeutung Wasser geschüttet zu haben!

9 Kommentare zu Wie du als Backpacker in Kambodscha den Menschen wirklich helfen kannst!

Auf Safari durch Jordanien oder: Die Suche nach dem Anfang

Kennt Ihr das: Ihr sprudelt über vor Geschichten, Eindrücke überschlagen sich, Ihr wollt alles erzählen, loswerden, mitteilen… Aber wo anfangen?! Und wo aufhören?! Und wie kriegt Ihr alles dazwischen unter?! So…

Kennt Ihr das: Ihr sprudelt über vor Geschichten, Eindrücke überschlagen sich, Ihr wollt alles erzählen, loswerden, mitteilen… Aber wo anfangen?! Und wo aufhören?! Und wie kriegt Ihr alles dazwischen unter?! So geht es mir gerade, wenn ich an Jordanien und meine zehn Tage dort denke. Ich habe so viel erlebt, bin so vielen Menschen begegnet – und möchte ein adäquates Bild des Landes malen. Eines, das der Vielfalt gerecht wird. Eines, das die Menschen in ihrer Buntheit darstellt. Und vor allem eines, das die großartigen grünen und ökologischen Ansätze des arabischen Landes zeigt. Es überrascht Euch wohl nicht, dass Letzteres einer der Gründe war, warum ich UNBEDINGT nach Jordanien wollte! Doch jetzt, jetzt weiß ich nicht, wie und wo ich anfangen soll… und dabei ist doch der Anfang einer Geschichte das Entscheidende!

Vielleicht sollte ich bei Osama beginnen, den ich über CouchSurfing kennen gelernt und in Amman gleich zweimal getroffen habe. Eigentlich habe ich ja bei ihm wegen eines Schlafplatzes angefragt, was ich bekommen habe, war aber viel mehr. Keine Couch wohlgemerkt, denn Osama schläft derzeit selbst bei seinen Eltern – nicht unüblich für Jordanier, die unverheiratet sind. Beim gebürtigen Palästinenser, der in Saudi Arabien aufgewachsen ist, hat es aber einen anderen Grund: Der Wanderfreak, der vor fünf Jahren mit seiner Initiative Explore Jordan Trekking- und Hikingtouren geführt hat, ist erst vor drei Wochen von einem einjährigen Studienaufenthalt aus Südafrika und Malawi zurückgekehrt. Dorthin ist er als einer von vier jungen Leuten – drei Männer, eine Frau – von der jordanischen Nonprofit-Organisation RSCN (Royal Society of Conservation of Nature) geschickt worden. Die Organisation, die unter anderem auch von USAID finanziell unterstützt wird, ist im Auftrag der jordanischen Regierung für Umweltschutz, die Errichtung, Instandhaltung und Betreibung der derzeitigen Naturschutzgebiete sowie mit der Marke „Wild Jordan“ für die Entwicklung eines umwelt- und sozial-verträglichen Tourismus zuständig. Osama und die drei anderen sollten sich das nachhaltige südafrikanische Modell der Nature Guides anschauen, davon lernen und jetzt in Jordanien implementieren. In den vier Lodges und Unterkünften, die es derzeit in den Reservaten Jordaniens gibt (Dana, Ajloun, Azraq und Mujib), sollen sie Angebote für TouristInnen entwickeln – und als Nature Guides Hauptansprechpartner für die Gäste sein. So erhofft man sich, dass die TouristInnen mehr Angebote in Anspruch nehmen und somit länger bleiben – wie es auch schon in Südafrika funktioniert. Und Osama und seine KollegInnen sollen auch weitere Nature Guides ausbilden, Leute, die die Natur achten und schützen – und das den TouristInnen beibringen. Etwas, das derzeit noch weniger oft der Fall ist, denn seit Neuestem lieben die JordanierInnen zwar das Wandern, sehen es aber eher als Happening – Naturschutz steht da oft an letzter Stelle.

In Ajloun wird gerade ein ökologisches Gebäude für Trainings errichtet. Foto: Doris

In Ajloun wird gerade ein ökologisches Gebäude für Trainings errichtet. Foto: Doris

Stattfinden soll die Ausbildung der Nature Guides im Trainingszentrum in Ajloun, einem der wenigen grünen Gebiete des Landes, von dessen Fläche nur 1 – 2% bewaldet sind. Seit drei Jahren wird – unter der Aufsicht eines jordanischen Architekten – ein hochmodernes, Energie-autarkes Gebäude errichtet; natürlich auf den Felsen erbaut, aus Steinen der Region und mit einer Brücke zum Haupteingang thront es wie eine neuartige Burg auf dem Berg – daran hat es mich zumindest erinnert, als ich dieser Tage dort war und die Baustelle besucht habe.
Über 300 StudentInnen sollen im Zentrum Platz haben – natürlich nicht nur, um zu NaturführerInnen ausgebildet zu werden. Nein, es schwebt dem RSCN-Manager Chris Johnson, einem Briten, der seit über 20 Jahren in Jordanien lebt und arbeitet, vor, im Zentrum alles lehren zu lassen, was mit Umwelt und Ökologie zu tun hat. Praxis nahe soll die Ausbildung sein – und durch die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern wie Südafrika oder der Alfred Töpfer Akademie für Naturschutz in Deutschland will man den StudentInnen auch die Möglichkeit geben, außerhalb Jordaniens Erfahrung zu sammeln. Außerdem soll in Ajloun das größte Bio-Restaurant des Landes entstehen, in dem Produkte aus der Region verwendet werden – und das Gebiet, das schon jetzt bei den Einheimischen beliebt ist, zu einem noch populäreren Ausflugsziel machen.
Es ist ein langfristiges Unterfangen, das erst im nächsten Jahr schrittweise in Betrieb geht, auch wenn das Gebäude selbst bereits in 2 – 3 Monaten fertig gestellt wird. Aber so lange brauchen Osama, seine KollegInnen sowie der Rest des Teams, um Unterrichtspläne zu erstellen und Details auszuarbeiten. Und ich bin beeindruckt, dass ein so langfristiger Plan trotz des wirtschaftlichen und politischen Drucks möglich ist – normalerweise wird ja gerade in Krisenzeiten gern auf kurzfristiges Notfallsprogramm gesetzt. Nicht in Jordanien, zumindest nicht nur!

Das ist einer von zwei Jeeps für die erste Safari in Jordanien. Foto: Doris

Das ist einer von zwei Jeeps für die erste Safari in Jordanien. Derzeit steht er in Amman beim „Wild Jordan Café“, dem Büro und Sitz der RSCN. Foto: Doris

Oder soll ich mit der ersten Safari Jordaniens beginnen? Am 7. Mai wird dieses Projekt feierlich und offiziell dem Sponsor Arab Bank präsentiert. Zwei Jeeps stehen bereit, um als High-End-Angebot – TouristInnen nach dem südafrikanischen Modell in der Gegend von Ajloun, etwa 70 km außerhalb der Hauptstadt Amman, die seltenen Oryx-Antilopen zu zeigen. Ab Juni sollen zweimal täglich bis zu 12 Personen von einem Guide um „a significant amount of money“ durch die Wildnis dieses Gebiets gefahren werden. An eine Kooperation mit 5-Stern-Hotels ist ebenfalls gedacht.
Wie alle anderen touristischen Angebote soll auch die Safari dazu dienen, der Bevölkerung zu verdeutlichen, dass die Natur wichtig ist, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Und gerade deshalb muss sie geschützt und bewahrt werden!

Paradiesische Natur in Jordanien. Foto: Doris

Paradiesische Natur in Jordanien. Foto: Doris

Die Safari ist das erste Projekt, an dem Osama und die drei anderen RückkehrerInnen aus Südafrika arbeiten. Und es ist der erste Versuch der RSCN, ein Luxus-Angebot für TouristInnen zu offerieren, während die anderen Produkte eher im mittleren Preissegment angesiedelt sind. Doch nicht nur für ausländische Gäste, auch für die BewohnerInnen der armen Region rund um Ajloun ist die Safari gedacht. Jeden Freitag – wie unser Samstag der Beginn des Wochenendes in Jordanien – sollen sie die Möglichkeit haben, kostengünstig an einer Fahrt teilzunehmen und dadurch der Natur ihrer Heimat näher zu kommen. So der Plan.

Dana Biosphere Par, eine Erfolgsgeschichte. Foto: Doris

Dana Biosphere Par, eine Erfolgsgeschichte. Foto: Doris

Oder vielleicht sollte ich bei meinem Besuch im Dana Biosphären Reservat anfangen? Interessiert man sich für das umwelt- und sozial-fördernde touristische Angebot Jordaniens, führt kein Weg an der 20jährigen Erfolgsgeschichte dieses größten Naturschutzgebiets des Landes vorbei. Während der Rest des Landes – egal, ob Hotel, Tourguides oder Museum – wegen der politischen Lage in den Nachbarstaaten mit BesucherInnen-Rückgang kämpft, können sich die Reservate und Unterkünfte in den Naturschutzgebieten nicht beklagen. „Wir haben nur noch ein Zimmer ab dem 1. Mai frei“, habe auch ich gelesen, als ich mich Monate zuvor schon wegen einer Übernachtung in Jordaniens einzigem Öko-Hotel, der Feynan Eco Lodge in Dana, erkundigt habe. An ein Umbuchen in die beiden anderen RSCN-Unterkünfte der Region, Rummana Camp oder Dana Guesthouse, war kurzfristig auch nicht mehr zu denken – alles restlos ausgebucht. Also habe ich die beschwerliche Reise in den Talkessel nach Feynan, das nur per Auto oder zu Fuß erreichbar ist, auf mich genommen. Drei bis dreieinhalb Stunden dauert die Fahrt von Madaba dorthin – und nachdem es keine Busse auf dieser Strecke gibt, bleibt nichts Anderes als eine Fahrt mit dem „Taxi“: Ganz und gar nicht ökologisch, weiß ich schon, aber wenigstens die soziale Komponente passt. Denn wenn man einen Fahrer aus der Gemeinde rund um Feynan nimmt, sich somit auf einen wenig luxuriösen Jeep ohne Klimaanlage (eine Herausforderung bei 35 Grad Hitze) und eine schweigsame Fahrt einlässt (Englisch sprechen die Wenigsten aus der Community), dann kommen die 70 JDs (etwas mehr in Euros) dem Fahrer zugute.

Wanderung durch Dana. Foto: Doris

Wanderung durch Dana. Foto: Doris

Generell ist das Dana Biosphären Reservat nämlich nicht nur ein Umweltprojekt, das das Areal von 308 km2 vor dem immer wieder drohenden Mineralienabbau und der Abholzung schützt, sondern auch ein erfolgreiches Community-Projekt: 25 Menschen, 20 davon aus den umliegenden Beduinendörfern, arbeiten zum Beispiel in der Feynan Eco Lodge, nocheinmal genauso viele im Dana Guesthouse. Dazu kommen noch die Beduinen-Fahrer, die Gäste in der Gegend herumkutschieren (wie mich von Madaba ins Ressort bzw. die Wanderer zu ihren Touren) oder die Nachbarin, die exklusiv das Brot fürs Ecohotel bäckt – sie alle hätten ohne diese touristischen Projekte keine Lebensgrundlage in Dana, müssten ihre Heimat verlassen, um zu überleben.

Hike Guide Mohammed in Feynan beim Sunset Hike. Foto: Doris

Hike Guide Mohammed in Feynan beim Sunset Hike. Foto: Doris

Aber auch ohne dieses Hintergrundwissen ist ein Besuch des Dana Biosphären Parks und der Feynan Eco Lodge zu empfehlen. Wer schon einmal mit einem der Wanderführer zum täglichen gratis Sunset-Hike aufgebrochen ist, dann auf der Anhöhe den süßlichen Beduinentee zu Flötenmusik serviert bekommen hat, wird mir das bestätigen – auch wenn das mit dem Sonnenuntergang in meinem Fall dank des Sandwinds von Ägypten nicht ganz geklappt hat. Genauso bestätigen wie derjenige, der schon einmal im nur mit Kerzen beleuchteten Haus das reichhaltige, ausschließlich vegetarische Abendessen verspeist hat. Oder derjenige, der am nächsten Tag – wie ich – den Fußmarsch nach Dana in Angriff genommen hat und auf dem Weg nicht nur Kamelen in freier Wildbahn begegnet, sondern vor allem alle paar Meter von Ziegen hütenden Beduinen zum Tee geladen worden ist und sich dabei dann mit Händen und Füßen verständigt hat. Da verschmerzt man irgendwie auch die Unkosten von um die 100 JDs, die für eine Übernachtung samt Abendessen drauf gehen – immerhin werden die ja für die Beduinen-Gemeinde und den Naturschutz eingesetzt!

Kein elektrisches Licht abends nur Kerzenschein in Feynan EcoLodge. Foto: Doris

Kein elektrisches Licht abends nur Kerzenschein in Feynan EcoLodge. Foto: Doris

Zu Gast nicht bei Ziegen sondern bei Beduinen auf einen Tee. Foto: Doris

Zu Gast nicht bei Ziegen sondern bei Beduinen auf einen Tee. Foto: Doris

Oder vielleicht sollte ich doch mit meiner Rückfahrt von Dana nach Madaba beginnen: Nicht, weil ich dabei einen der schlimmsten Sandstürme (oder besser gesagt, den ersten richtigen) meines Lebens mitgekriegt habe, sondern weil sie mit zwei hochinteressanten Personen stattfand. Saleh, der Fahrer, der im „richtigen Leben“ englischsprachige TouristInnen durch die Gegend führt, Wanderungen organisiert und sich damals ebenfalls – erfolglos – für den Südafrika-Auslandsaufenthalt beworben hatte, und Bassam. „Mein Name heißt der Lachende“, erklärt mir Letzterer, als er ins Auto einsteigt, ganz in der weißen Tracht der Beduinen gekleidet. Nomen est omen. Bassam war zig Jahre Wanderführer, dann Manager des Rumman Campsites in Dana und arbeitet jetzt – in seiner Rente – ehrenamtlich im Nature Shop des Campingplatzes weiter. Als Kind ist er noch als Beduine mit seiner Familie herumgezogen und dann sesshaft geworden. Er erzählt mir davon und berichtet zum Beispiel, dass es das Müllproblem, das Jordanien jetzt ganz offensichtlich hat – überall flattern Plastikbeutel in der Gegend herum, Abfallberge häufen sich, die ägyptischen Gastarbeiter kommen mit dem Säubern nicht nach -, damals in Bassams Kindheit nicht gegeben hat. Damals nutzten die umherziehenden Beduinen alles, was die Natur zu bieten hatte, weil sie es ja zum (Über)Leben brauchten und nutzten; Abfall wurde wieder verwertet, nein, erst gar nicht produziert. „Ich wünschte, wir würden zu dieser Beziehung zur Natur wieder zurück finden“, meint Bassam mit seinem berühmten ruhigen Lächeln – und ich denke mir zum wiederholten Mal, dass das, was in Jordanien gilt, auch für uns in Europa wünschenswert wäre.

Die Müllberge sind ein großes Problem in Jordanien. Foto: Doris

Die Müllberge sind ein großes Problem in Jordanien. Foto: Doris

Keine Frage, Jordanien ist ein faszinierendes Land – und ich möchte in jedem Fall wieder zurück. Allein schon, um an einer Safari teilzunehmen oder das fertige Trainingszentrum in Ajloun zu sehen. Oder um weitere Reservate zu besichtigen, in anderen Naturschutzgebieten – wie dem in Azraq – zu wandern oder weitere Canyons zu durchwaten. Ich werde einfach Expedia und Co. wegen günstiger Flüge im Auge behalten.

So, und jetzt verratet mir mal bitte, wo ich anfangen soll… Ihr versteht mein Dilemma bei so vielen spannenden Geschichten, oder?!

Offenlegung: Danke an Jordan Tourism Board für die Unterstützung in den ersten Tagen sowie die Finanzierung des Transports nach/ von Jordanien. Meinungen und Ansichten in dieser Geschichte sind und bleiben meine eigenen.
Der Text erscheint mit freundlicher Unterstützung von Expedia. 

4 Kommentare zu Auf Safari durch Jordanien oder: Die Suche nach dem Anfang

Coffee makes my day

Gastbeitrag von Roxy Rahel Eine Frage beschäftigt mich immer mal wieder, seit ich täglich mit einem frischen Kaffee in den Tag starte: Wo kommt die dunkelbraune Verlockung, die ich mir…

Gastbeitrag von Roxy Rahel

Eine Frage beschäftigt mich immer mal wieder, seit ich täglich mit einem frischen Kaffee in den Tag starte: Wo kommt die dunkelbraune Verlockung, die ich mir gerade aufbrühe, eigentlich her? Bei meiner Reise nach Panama hatte ich nun endlich die Gelegenheit, den Dingen auf den Grund zu gehen. Neugierig? Dann nehme ich euch jetzt mit zu Richard auf seine kleine Kaffeeplantage.

Wir befinden uns in Boquete, der Stadt im grünen Herzen Panamas, am Fuße des Baru Vulkans. Richard holt uns ab und nimmt uns mit auf die Finca dos Jefes – den Ursprungsort der köstlichen CAFES DE LA LUNA.

Rich zeigt auf seiner Plantage, wie Kaffee hergestellt wird. Foto: Roxy

Richard, der sich spontan in diese Farm verliebte als er eigentlich einen entspannten Rückzugsort für seinen Ruhestand suchte, betreibt hier eine kleine Kaffeeplantage mit viel Leidenschaft. Gemeinsam mit vier weiteren Gästen sitzen wir auf der Terrasse inmitten der Kaffeepflanzen und bekommen eine Einführung zum Thema.

Kaffee aus Panama. Foto: Roxy

Richard erklärt uns die Grundzüge der Herstellung, die verschiedenen Sorten und den Ernte- und Trocknungsprozess. Er lässt aktuelle Zahlen und Fakten nicht unerwähnt und lenkt unser Augenmerk auf die lokalen Kaffeebauern.

Rich zeigt auf seiner Plantage, wie Kaffee hergestellt wird. Foto: Roxy

Das Leben der Farmer ist schwer, weil der Kaffeepreis durch internationalen Handel, Spekulationen und das Risiko von Missernten kaum kalkulierbar ist. Großabnehmer und Konzerne drücken den Preis dort, wo es am leichtesten ist – beim Einkauf. Für die Bauern bleibt dadurch kaum genug zum Leben, die Familien hausen meist in einfachsten Hütten direkt auf der Farm und viele sind sogar gezwungen, ihre Plantagen aufzugeben. Schädlinge wie zum Beispiel Pilze sind ein weiteres unkalkulierbares Risiko, erzählt uns Richard. Um den Fortbestand seiner Plantage zu sichern, sah er sich kurzfristig gezwungen, mit Mineralien zu düngen und zwischenzeitlich formal seinen Bio-Standard zu riskieren. Denn sowohl faires, als auch biologisches und nachhaltiges Wirtschaften sind seine Hauptanliegen.

Rich zeigt auf seiner Plantage, wie Kaffee hergestellt wird. Foto: Roxy

Nach all den Fakten sind wir jetzt alle neugierig auf den Plantagenrundgang und die anschließende Kaffeeröstung. Rich führt uns durch die Haine von verschiedenen Kaffeepflanzen, lässt uns die reifen Früchte kosten und wir erfahren, wie es nach der Ernte weitergeht. Die Früchte werden einzeln von Hand geerntet und trocknen dann auf großen Trockentischen in der Sonne. Danach wird das Fruchtfleisch entfernt und es kommt zum Vorschein, was später unser Kaffee wird: Die Kaffeebohne. Auf unserem Spaziergang sehen wir auch den dunklen, fensterlosen Raum hinter dem Lager, in dem der Plantagenarbeiter und seine Familie früher leben mussten. Richard lässt ihn im Originalzustand, damit wir ein Gefühl dafür bekommen, was das Farmleben für die Menschen tatsächlich bedeutete.

Kaffee aus Panama. Foto: Roxy

20130327-IMG_6907-2

Jetzt kommen wir zum Highlight der Tour: Wir rösten unseren eigenen Kaffee! Darauf habe ich mich schon den ganzen Tag gefreut. Richard nimmt uns mit in sein “Labor”. Hier steht sie, die Röstmaschine. Wir befüllen die Maschine, bekommen die Technik erklärt und ein Briefing für den Röstprozess. Jetzt kann es losgehen – schon beim Aufwärmen duftet es herrlich nach frischem Kaffee.

Rich zeigt auf seiner Plantage, wie Kaffee hergestellt wird. Foto: Roxy

Rich zeigt auf seiner Plantage, wie Kaffee hergestellt wird. Foto: Roxy

Was jetzt noch bleibt, ist die Verkostung unserer frisch gerösteten Mischung. Auf der Terrasse, mit Blick über die grüne Landschaft genießen wir verschiedene Röstgrade und entwickeln uns zu “Kaffee-Experten”.

Rich zeigt auf seiner Plantage, wie Kaffee hergestellt wird. Foto: Roxy

Dank Richard habe ich einen umfassenden Einblick in die Welt des Kaffees bekommen und genieße mehr davon denn je. Mit dem kleinen Unterschied, dass mir ab sofort ausschließlich fair gehandelter Kaffee in die Tasse kommt.

Rich zeigt auf seiner Plantage, wie Kaffee hergestellt wird. Foto: Roxy

 

Dies war mein erster Blogpost in Sachen Reisen – danke Doris für die Möglichkeit. Ich hoffe, euch hat es gefallen! Vielleicht kann ich euch bald wieder von einigen interessanten Dingen berichten, die mir unterwegs begegnen. Was ich mache, wenn ich nicht reise könnt ihr übrigens hier sehen: www.rchitects.net

2 Kommentare zu Coffee makes my day

Oh, such a perfect (Scottish) day out…

„Sustainability on the plate“, so leuchtet es mir im Eingangsbereich des „Formatine’s. Shop & Eatery“ entgegen. Nach allem, was ich über das Restaurant – Oder wie soll ich es sonst beschreiben?…

„Sustainability on the plate“, so leuchtet es mir im Eingangsbereich des „Formatine’s. Shop & Eatery“ entgegen. Nach allem, was ich über das Restaurant – Oder wie soll ich es sonst beschreiben? – gehört habe, scheint das gut zu passen. Regional Produziertes, Ökologisches und qualitativ Hochwertiges kommt hier auf die Teller; im angrenzenden Shop werden diese und ähnliche Produkte verkauft und im umliegenden Wald mit dem See können sich Kinder und Erwachsene austoben. Kurz: Der ideale Ort für „a perfect Scottish day out“ für die ganze Familie. Einfach, simpel, funktioniert!

Und wie es funktioniert! „Diesen Dienstag feiern wir unser einjähriges Bestehen.“, erzählt mir John Cooper, der Geschäftsgründer und Ideengeber, während wir über die Wege des Walds schlendern. Ein Jahr, in dem sie vor lauter Erfolg kaum dazu kommen, ihre Pläne umzusetzen: An den Wochenenden kommen zwischen 600 und 700 Menschen aufs Gelände, täglich stehen die Leute Schlange am Buffet – reine Mundpropaganda – , das Unternehmen wurde bereits mehrfach ausgezeichnet und statt der anfänglich Handvoll Mitarbeiter gibt es jetzt 32, die sich um den Restaurant- und Shopbetrieb kümmern. Von den rund 809.000 Quadratmeter Land ganz zu schweigen: Da kümmert sich John selbst noch größtenteils im Alleingang um die Wege, Holzschaukeln und Zäune. Bloß ab und an mietet er Forstpersonal dazu.

„Wenn du etwas riskierst, dann gleich voll und ganz.“, antwortet der gebürtige Engländer aus Devon auf meine Frage, ob er anfangs Angst vor dem Scheitern hatte. Keine 20 Monate ist es her, dass die Bagger hier auf dem Grundstück, das niemand Geringerem als Lord und Lady Aberdeen gehört, zum ersten Mal tätig wurden. Sechs Monate später waren Schutt und Dreck vom Platz, den die Schotten gerne als Mülldeponie genutzt hatten, weggeräumt und das jetzige Formatine’s Gebäude errichtet. Ein Null-Emissions und autarkes Haus ist es, erbaut aus Materialien aus der Region. Die Energie kommt zu 100 Prozent von den Windmühlen der Region; aus dem Abfall, der im Restaurant produziert wird, werden täglich 15 Liter heißes Wasser gewonnen, organischer Mist wird eigens abgebaut. „Wir kommen mit einem kleinen Eimer Abfall pro Woche aus.“, erklärt mir John stolz, der seit 25 Jahren in Schottland wohnt und mit seiner Räucherfabrik ein zweites erfolgreiches Standbein hat. Selbst die Steine an der Außenwand stammen von den alten Mauern, die hier auf dem Grundstück standen und dementsprechend recycelt wurden.

Formatines ein null-Emissionshaus. Foto: Doris

Formatine’s, ein null-Emissionshaus bei schottischem Regenwetter.

Bei Formatine’s hat sich jemand etwas gedacht, keine Frage! Der Meinung war wohl schon Lord Aberdeen, als er zum ersten Mal von Johns Plänen gehört hat. Statt Land dafür an Cooper, der für ihn schon zuvor als Caterer tätig war, abzugeben, wurde der Großgrundbesitzer zum Businesspartner. Sicher nicht zum Schaden von Formatine’s, werden doch dort auch Produkte aus den landwirtschaftlichen Betrieben des Lords verwendet.

Das Kulinarische wird zubereitet von einem Küchenchef, der mehrfach ausgezeichnet wurde und „günstiger als auf dem Flughafen“: Wenn John vom Essen und den Zutaten spricht, ist unüberhörbar, dass er selbst gerne in der Küche steht und ein Catering betrieben hat. Aber er ist nicht der Einzige, der schwärmt: Das frittierte Risotto mit roten Zwiebeln und Lauch samt Walnuss-Mohn-Salat (Kosten: 8,50 Pfund), das ich zu Mittag genieße, war jedenfalls ein Hit. Genauso wie der Kaffee, der in Glasgow eigens für das Restaurant geröstet wird.

Risotto fritter - ein Gesamtkunstwerk. Foto: Doris

Risotto fritter – ein Gesamtkunstwerk.

Meiner Meinung sind offensichtlich auch die Gäste, bisher vor allem Schotten, die nicht nur aus der Umgebung kommen, sondern schon einmal drei bis vier Stunden Autofahrt auf sich nehmen, nur um im Formatine’s zu essen, durch die Wälder zu spazieren und vielleicht den einen oder anderen Otter, ungewöhnlichen Schmetterling oder ein Eichhörnchen zu entdecken. Oder um vom Formatine’s, das nur zwanzig Minuten von Aberdeen entfernt ist, einen Ausflug in die Region zu starten. Letzteres steht jedenfalls bei mir auf dem Programm und John empfiehlt mir gleich mal seine Lieblingsorte, wie Pennan, ein Fischerdörfchen, in dem er selbst als passionierter Surfer gerne seiner Leidenschaft nachkommt. Oder Rattray, wo um einen Loch wilde Pferde angesiedelt sind (mir haben sie sich leider nicht gezeigt). Oder die Orte Newburgh oder Cruden Bay, aus denen einige der bei ihm kaufbaren Produkte stammen.

Das ist übrigens – neben der Errichtung einer Zip-Line, zusätzlichen Wanderwegen oder Schaukochen – ein weiterer von Johns vielen Pläne, für die irgendwann vermutlich auch Zeit ist: Gemeinsam mit einigen anderen Tourismusanbietern möchte er Aberdeenshire und die Produkte in der Region bekannter machen. Deshalb soll in Kürze im Formatine’s mehr zur Küstenregion und der engen Nachbarschaft zu erfahren sein – schließlich kann sich ja der Chef nicht an jeden Tisch setzen und so wie mir seine Tipps zu einer Fortsetzung des „perfect Scottish day out“ geben.

 

Formatine’s Öffnungszeiten: Täglich von 9.30 bis 17.30, Website, Facebook

Die (Küsten-)Runde von Aberdeen via Tarves – Pennan – Fraserburgh – Peterhead – Newburgh dauert ca. drei bis vier Stunden, je nachdem, wie viele Foto- und Entdeckerstops eingelegt werden.

Offenlegung: Danke an VisitScotland, die mir ein Auto zu Verfügung gestellt haben, um Schottland zu erkunden.

Keine Kommentare zu Oh, such a perfect (Scottish) day out…

Beduina für einen Tag

„Du bist jetzt eine Beduina“, sagt der Mann in Weiß und drückt mir drei Küsse auf die Wangen. Es ist keine fünf Minuten her, dass ich mich von meinen zu…

„Du bist jetzt eine Beduina“, sagt der Mann in Weiß und drückt mir drei Küsse auf die Wangen. Es ist keine fünf Minuten her, dass ich mich von meinen zu FreundInnen gewordenen KollegInnen verabschiedet habe, am Visitor Center in der jordanischen Steinwüste Wadi Rum. Und jetzt, jetzt sitze ich mit Odeh, seines Zeichens Beduine und Bewohner des gleichnamigen Dorfs, in seinem Jeep. Es geht ins „richtige Wadi Rum“, dorthin, wo – abgegrenzt von den 73% der JordanierInnen palästinensischer Herkunft – ein Teil der ursprünglichen Bevölkerung lebt, mit Kamelen, Schafen, Ziegen und natürlich TouristInnen ihr Geld verdient.

Zumindest war es so, bis die jordanische Regierung 2003 das Visitor Center an den Eingang von Wadi Rum gebaut haben. Seither werden zahlreiche TouristInnen, die vor allem aus Europa und den USA kommen, auch in die luxuriöseren, Nicht-Beduinen-Camps rund um das Dorf Diseh gebracht.

Ein Luxuszimmer im Luxuscamp mit WC und Elektrizität. Foto: Doris

Ein Luxuszimmer im Luxuscamp mit WC und Elektrizität. Foto: Doris

Zuvor hatte ich mit den KollegInnen noch einen Heidenspaß auf den Kamelen. Foto: Doris

Zuvor hatte ich mit den KollegInnen noch einen Heidenspaß auf den Kamelen. Foto: Doris

„Ich zeig´dir das echte Wadi Rum“, lädt mich mein neuer „Bruder“ Odeh ein, dessen Verhalten im Laufe des Tages aber ab und an auf ganz unbruderhafte Absichten schließen lässt. Doch vielleicht deute ich ja da auch etwas falsch. „Wir Beduinen arbeiten seit 40 Jahren mit TouristInnen, machen immer Spaß“, erklärt mir der 40jährige, der verheiratet ist und sechs Kinder hat, „das mögen alle.“ Wie 1.200 andere seines Stamms lebt er im Dorf Wadi Rum, ca. 10 Minuten vom Visitor Center entfernt.

Odeh zeigt mir Wadi Rum, sein Reich. Foto: Doris

Odeh zeigt mir Wadi Rum, sein Reich. Foto: Doris

„Bist du verheiratet?“, das ist die erste Frage, die mir Hana stellt, als ich mit ihr allein bin. Odeh hat mich kurzerhand ins Haus dieses zierlichen Mädchen gebracht, während er zuhause duscht. Wie für Frauen üblich ganz in schwarz gekleidet, schenkt sie mir gastfreundlich Beduinentee ein – aufgekochtes Zuckerwasser, in das dann Schwarzteeblätter gehängt werden – und löst ihren Schleier. Wir Frauen sind ja unter uns. Seit sechs Monaten lebt die knapp 18-Jährige hier in dem Haus, seit sie mit Odehs Bruder verheiratet wurde – als Erste ihrer Klasse. Meist ist sie allein, ihr Ehemann besucht sie jeden 2. Tag, dann nämlich, wenn er nicht gerade bei seiner ersten Frau samt der Kinder ist. „Wir wohnen im Dorf, da ist das Leben günstig“, erklärt mir Hana, die sich lieber nicht fotografieren lassen möchte, „deshalb können sich hier die Männer mehrere Frauen leisten.“ Bis zu vier Gattinnen pro Mann sind üblich, die mit der Nachkommenschaft dementsprechend (finanziell) versorgt werden müssen – bei den hohen Lebenskosten in der Stadt ein Ding der Unmöglichkeit!

Seit 6 Monaten wohnt Hana hier allein. Foto: Doris

Seit 6 Monaten wohnt Hana hier allein. Foto: Doris

In der Zimmerecke rauscht Werbung auf dem Fernsehbildschirm, darauf liegt der Koran. Ja, langweilig ist Hana schon manchmal – so allein. „Aber wenn ich ein kleines Baby habe, bin ich sicher beschäftigt“, meint sie mit schweren dunklen Knopfaugen, und streicht sich das schwarze Haar aus dem Gesicht. Eigentlich wollte sie, die im Dorf aufgewachsen ist, ja weiter in die Schule gehen, aber als verheiratete Frau war das Aufstehen um 6.00 früh nichts für sie – außerdem muss sie sich ja um ihren Ehemann kümmern.

Doris

Der Koran, künstliche Blumen und ein Fernseher, in dem Soaps und jede Menge Werbung laufen, viel mehr gibt es in Hanas Zimmer nicht. Foto: Doris

Warum sie mit ihren früheren SchulfreundInnen keinen Kontakt mehr haben kann, diese sie nicht besuchen können? „Es geht einfach nicht“ – nur bei ihrer Schwiegermutter sitzt Hana ab und an und trinkt Tee. Da wundert es mich nicht, dass die Ablenkung durch ausländische Gäste wie mich – besonders wenn die dann auch noch so viel plaudern, fragen und erzählen – gelegen kommt. Verstehen kann sie unsere Kultur nicht, genauso wenig wie ich mich in ihre einfühlen kann. Auch wenn ich das schon seit vier Tagen, seit meiner Ankunft in Jordanien versuche – und mich dabei immer wieder beim Gedanken ertappe: Dass die jordanische Kultur wirklich so konservativ ist, hätte ich nicht gedacht…

Heute gab es einmal keinen blauen Himmel. Beeindruckend ist Wadi Rum dennoch. Foto: Doris

Heute gab es einmal keinen durchgängig blauen Himmel. Beeindruckend ist Wadi Rum dennoch. Foto: Doris

Mit dem „Mädchentratsch“ ist es jetzt aber vorbei: Odeh kommt und nimmt mich mit. „Du bist mein Freund“, erklärt er und fährt mich für einige Dinare mit dem Jeep die nächsten Stunden durch die Gegend: Wir machen die übliche Tour, ich werde auf Felsen hinauf-, Dünen wieder hinunter gejagt, darf selbst meine Fahrkünste auf Wüstensand erproben und ein paar Minuten lang allein durch die Weite stapfen. Nicht als Einzige: Immer wieder treffen wir auf andere Beduinen, die wohl ihren „Freunden“ die Gegend zeigen. Es ist mir aber egal, denn die Wüste, diese schroffen Berge, in denen sich immer wieder mal bedrohliche Fratzen, mal zahmes Getier erahnen lassen, die heute Wolken verhangenen Hügel und Felsgebilde beeindrucken auch dann, wenn an jeder „Haltestelle“ Basare bereit stehen, damit TouristInnen ein paar Dinare los werden können.

Die steinige Wüste und mittendrin der Mensch. Foto: Doris

Die steinige Wüste und mittendrin der Mensch. Foto: Doris

Wüstenblumen - es gibt sie doch. Foto: Doris

Wüstenblumen – es gibt sie doch. Foto: Doris

Auf den großen Bogen rauf und wieder runter. Foto: Doris

Auf den großen Bogen rauf und wieder runter. Foto: Doris

Einige Stunden später bringt mich Odeh zum Camp seines Cousins – das Eigene, das er mit einem seiner vielen Brüder betreibt, ist ausgebucht. Dort wartet eine simple, zigfach ausgelegene Matratze und dicke, alte Decken in einer mit Stoff ausgekleideten Holzhütte, eine Tasse des klebrig zuckersüßen Beduinentees samt einem Teller voll mit Sesamkeksen… und ich merke wieder, dass ich wohl auch an diesem Tag nicht zur Beduina geworden bin. Als solche hätte ich mich jetzt nämlich nie bedienen lassen können – von einem Mann noch dazu…

Abends und morgens wurden wir mit Tee, Keksen und Lagerfeuer empfangen. Richtiges Abendessen gab es dann später. Foto: Doris

Abends wurden wir mit Tee, Keksen und Lagerfeuer empfangen. Richtiges Abendessen gab es dann später. Und zum Frühstück sahs wieder so aus. Foto: Doris

Offenlegung: Danke an Jordan Tourism Board für die Unterstützung in den ersten Tagen sowie die Finanzierung des Transports nach/ von Jordanien. Meinungen und Ansichten in dieser Geschichte sind und bleiben meine eigenen.

15 Kommentare zu Beduina für einen Tag

Was möchtest du finden?