Statt „Wien ist anders“ sollte der nächste Werbeslogan für meine Wahl-Heimatstadt eher lauten: „In Wien schläft sich es anders“. Seit einiger Zeit schießen viele spannende, alternative Konzepte für Übernachtungsmöglichkeiten – von günstig bis hochpreisig – aus dem Boden. Daneben setzen zahlreiche Hotels auf umweltfreundliche Modelle. Sieben dieser etwas anderen Schlafplätze, die es mir besonders angetan haben, stelle ich in diesem und in meinem nächsten Artikel vor. Wer weiß, wofür es der eine oder die andere brauchen kann…

1. Chez Cliché – Wohnen bei (falschen) Freunden

Wohnen in Privat-Apartments à la airbnb ist ja längst nichts Neues mehr und wird auch in Wien häufig genutzt. Der heißeste Trend aber ist: Wohnen bei (falschen) Freunden. Die beiden Wiener Claudia Diwisch und Gerald Tomez, die mit dem Tourismus bisher nichts zu tun hatten, haben sich von der Idee eines Wahl-Berliner Freundes anstecken lassen und vermieten seit Oktober acht Wiener Apartments, die unter anderem dem Ex-Jockey Raul, der Botanikerin Sophie, Mozart-Fan Marie Therese oder Theaterliebhaber Koloman gehören. Das Spannende daran: Diese Personen sind alle erfunden…

Marie Therese wohnt stilvoll, wie es sich für eine Mozart-Liebhaberin gehört. Foto: Doris

Marie Therese wohnt stilvoll, wie es sich für eine Mozart-Liebhaberin gehört.

…aber so echt, wie möglich: Nicht nur die Wohnungen sind mit einer Liebe zum Detail aus einer Mischung aus alten, neu hergerichteten und modernen Stücken so eingerichtet, dass ich immer erwartet habe, ihre Besitzer – zum Beispiel Stewardess Bella oder Platten-Sammler-Beat – würden gleich um die Ecke kommen. Auch auf Facebook sind Kolomann und Co vertreten. Ob ihre „Freunde“ im Social Network wissen, dass sie gar nicht existieren?

Beat sammelt Platten - und überhaupt erinnert alles in der Wohnung an Musik. Foto: Doris

Beat sammelt Platten – und überhaupt erinnert alles in der Wohnung an Musik.

Wer bei Chez Cliché, so heißt das Unternehmen, bucht, kann das entweder über airbnb oder direkt über die Website tun. Bei der Abholung durch die beiden Gründer gibt es dann nicht nur den Schlüssel, sondern auch die Telefonnummern. Das ist nämlich einer der vielen Pluspunkte beim Wohnen bei diesen „falschen“ Freunden: Das Team von Chez Cliché ist immer für seine Gäste erreichbar und liefert Insider-Tipps und lokale Empfehlungen für den Aufenthalt.

Dass Beat nicht echt ist? Wer hätte das bei der stimmigen Einrichtung gedacht? Foto: Doris

Dass Beat nicht echt ist? Wer hätte das bei der stimmigen Einrichtung gedacht?

Weitere Pläne gibt es auch – unter anderem den für eine Verdoppelung der Apartments in Wien. Schließlich warten neue Persönlichkeiten schon auf eine – ihre – Heimat…

Chez Cliché: Verschiedene Locations im 1., 2., 7. und 9. Bezirk, Privat-Wohnungen ab 189 Euro pro Nacht (mindestens zwei Nächte), chezcliche.com

2. Pop_Inn 111: Pop in, Pop up

Das Pop_Inn 111 als eine Übernachtungsmöglichkeit vorzustellen, ist fast schon eine Beleidigung. Dieses Hostel, in dem man zwischen Wänden voller Kunst und auf Betten aus Bierkästen schläft, ist viel mehr als „nur“ eine Übernachtungsmöglichkeit. Es ist Teil des Projekts Trust 111, und ein „Modellversuch, leerstehende Häuser zu nutzen und eine Community aufzubauen, von der sowohl die Menschen, das Gebäude wie auch die Umgebung profitieren.“, so erklärt es mir die Holländerin Margot, eine der Verantwortlichen. Die Stadtsoziologin arbeitet für den Verein onorthodox – tackling urban issues und ist vor allem für den theoretischen Teil zuständig, schließlich handelt es sich hier um ein Pilotprojekt, das sowohl national wie international auf reges Interesse stößt.

Im Pop_Inn 111 schläft man auf Bierkisten statt in "normalen"Betten. Foto: Doris

Im letzten Jahr ist Architekturstudent Lukas vom Verein ImPlanTAT – Netzwerk für ZwischenNutzungen  auf das leerstehende Haus in der Schönbrunner Straße 111 gestoßen. Dem geht es wie einigen Gebäuden zurzeit: Es soll modernisiert und umgebaut werden, die Pläne sind vorhanden, die Finanzierung steht auf dem Papier – nur der Baustart lässt auf sich warten. Das macht sich das Projekt „Trust111“ zu Nutze. Mit Einverständnis des Eigentümers und mittlerweile unter wohlwollender Beobachtung der Stadt Wien wurden sie zu Zwischenmietern des Gebäudes, haben die Wände gestrichen, die Abflüsse repariert. Künstler nutzen einen Teil des Hauses und zahlen für die Ateliers einen Vereins-Mitgliedsbeitrag, in der Bar „No Borders“ im Erdgeschoss können Getränke nach dem „pay as you wish“-Prinzip konsumiert werden und nebenan ist gerade die Ausstellung What the shop zu sehen.

Sisi-Zimmer: Ein bisschen Verarschung, ein bisschen Nostalgie, viel Wien. Foto: Doris Schlafen in der Ausstellung, dem Sisi-Zimmer: Ein bisschen Verarschung, ein bisschen Nostalgie, viel Wien. Foto: Doris

Schlafen in der Ausstellung, dem Sisi-Zimmer: Ein bisschen Verarschung, ein bisschen Nostalgie, viel Wien.

Und dann ist da natürlich noch das temporäre Guesthouse „Pop_Inn 111“, in dem mit Service – „Wir sind immer da und können Tipps für Wien geben!“ – wett gemacht wird, wenn in den sanierungsbedürftigen Mauern wieder einmal die Elektrizität ausfällt. Buchbar sind Mehrbettzimmer und Themenräume mit Namen wie White Cube Himmel, Wiener Aktionismus, Franz Josef oder Sisi. Räume, bei denen es sich eigentlich um Ausstellungen handelt. „Indoor Camping“ steht auf einer anderen Tür, hinter der sich ein Zimmer mit grünem Rasenteppich, Zelt und Klappstuhl verbirgt. Ein Trostpflaster dafür, dass Outdoor-Campen am Dach nicht möglich ist – den Nachbarn zuliebe.

Indoor statt Outdoor-Camping: Im Pop_Inn 111 findet man für jede Herausforderung eine Lösung. Foto: Doris

Indoor- statt Outdoor-Camping: Im Pop_Inn 111 findet man für jede Herausforderung eine Lösung.

Work in progress ist bei Trust111 so einiges: Vom Ausbau der Zimmer bis hin zu einer Fahrradwerkstatt, von Urban Gardening (dem das konstante Regenwetter einen Strich durch die Rechnung gemacht hat) bis zu Filmvorführungen im „Kino-Zimmer“, von Sprachkurs-Angeboten auch für sozial Schwächere bis zur angrenzenden Café-Küche. Ob, wann und was davon realisiert wird beziehungsweise was sonst noch passiert, wird die Zeit weisen – und vor allem auch davon abhängen, wie lange Trust111 das Haus in der Schönbrunner Straße 111 nutzen kann. Denn dass alles jederzeit vorbei sein kann, dessen sind sich Lukas, Margot und ihre Mitstreiter bewusst.

Pop_Inn 111:  Schönbrunner Str. 111, 1050 Wien, Hostel-Bett 15 Euro pro Nacht, Apartment ab ca. 60 Euro pro Nacht, popinn111.wordpress.com

3. und 4. Hotel Topazz und Lamée: 4+ Sterne für Nachhaltigkeit

Wasserkrug, selbstgemachtes Müsli & Liebe zum Detail gibt es sowohl im Topazz als auch im Lamee. Foto: Doris

Wasserkrug, selbstgemachtes Müsli und Liebe zum Detail gibt es sowohl im Topazz als auch im Lamee.

„Unser Zugang ist nicht, wir bauen ein Haus, sondern: Wir haben da ein Gebäude, was machen wir daraus?“ Schon der Ansatz, nach dem die beiden Luxus-Hotels (im 4-Stern-Superior Segment angesiedelt) mitten in der Wiener Innenstadt gestaltet wurden, spricht für sie. Dass sowohl beim Topazz, als auch bei dessen Schwesternhaus Lamée gegenüber der Umweltgedanke zählt, habe ich nur durch Zufall herausgefunden: Im Rahmen der heurigen ERDGespräche nämlich wurden einige Vortragende dort – kostenlos – beherbergt. Das „Tu-Gutes-und-rede-darüber“-Modell steckt hier erst in den Startlöchern…

Das Lamee spielt mit dem Stil der 30er Jahre. Foto: Doris

Das Lamée spielt mit dem Stil der 30er Jahre.

„Neben dem einzigartigen Design ist Nachhaltigkeit ein weiterer Schwerpunkt von uns.“, erklärt mir Geschäftsleiterin Christiane Weissenborn, die ihren Job in der Immobilienbranche „nebenbei“ weitermacht. Vor allem ökologische, natürliche Baumaterialien wurden verwendet und beim Frühstücksbuffet wird Regionales, Selbstgemachtes wie die Müsliriegel oder Marmeladen aufgetischt, der biodynamische Wein kommt aus der unternehmenseigenen Winzerei. „Ganz selten beschwert sich ein Gast, dass es keine Ananas gibt.“, steht Weissenborn hinter ihrem Konzept, Obst saisonal anzubieten. Alles ist in Gläser und kleine, verzehrbare Portionen abgepackt und die Größe der Seife ist gerade richtig für den Durchschnittsaufenthalt der Gäste von 1,4 Tagen.

Im Topazz schläft man mit ruhigem Gewissen. Foto: Doris

Im Topazz schläft man mit ruhigem Gewissen.

Die beiden Häuser sind aber vor allem in einem einzigartig in Wien: In ihrem Mix aus Design und Niedrigenergie. Denn Heizung und Kühlung der beiden Häuser mit ihren je 32 Zimmer erfolgt über einen Brunnen, der im Topazz steht und dessen Wasser unterirdisch auch ins gegenüber liegende Lamée weitergeleitet wird. „Es ist ein etwas lahmes System,“, kennt Weissenborn nach dem ersten Jahr die Schwierigkeiten, „weil es sich langsam an die Außentemperatur anpasst, haben wir schon Kritik eingefangen. Erst wenn wir es erklären, verstehen die Gäste.“ Schon besser kommt da die Wohnraumlüftung an, die ständig Frischluft zuführt – das „Geheimnis, warum man sich so wohlfühlt“. Letzteres könnte aber auch an so liebevollen Kleinigkeiten liegen wie dem Picknick im Bett, das statt des normalen Frühstücks gern aufs Zimmer serviert wird. Korb, Porzellangeschirr und Decke inklusive.

Auch die Betreiber LENIKUS Designhotels haben große Pläne: Ein bis zwei weitere Häuser sollen noch in der Innenstadt eingerichtet werden.

Hotel Topazz bzw. Hotel Lamée: Lichtensteg 3 bzw. Rotenturmstraße 15, ab 198 Euro pro Nacht, hoteltopazz.com

 

Weitere Tipps zu einem alternativen, nachhaltigen Wien-Besuch habe ich für einfachbewusst.de geschrieben >> www.einfachbewusst.de/2013/04/nachhaltiges-reisen-wien-und-darmstadt/