Eco. Life. Style.

Kategorie: Living.

5 Yen

Gastbeitrag von Steven Hille von funkloch.me Es war gegen 20 Uhr, als ich nach meiner Ankunft in Japan durch die Gassen Tokyos ging. Es war dunkel, und die Gegend um…

Gastbeitrag von Steven Hille von funkloch.me

Es war gegen 20 Uhr, als ich nach meiner Ankunft in Japan durch die Gassen Tokyos ging. Es war dunkel, und die Gegend um den Bahnhof Kuramae war ruhig und verlassen. Das sollte das hektische Tokyo sein, wenn sich zu dieser Zeit schon niemand mehr auf den Straßen befand? Es war eine ganz sonderbar ruhige Atmosphäre – fast schon gespenstisch!

Der lange Flug und die anschließende Zugfahrt hatten mich durstig gemacht. Zu meiner Rechten befand sich glücklicherweise ein kleiner, sehr unscheinbarer Supermarkt. Ich ging hinein und grüßte. Die Verkäuferin grinste über das ganze Gesicht, sah mich an, verbeugte sich und sagte etwas, das sicher „Guten Abend!“ bedeutete. Eine eisige trockene Kälte kroch durch die Gänge. An diese Klimaanlagen werde ich mich wohl nie gewöhnen, dachte ich.

Ich griff eine Flasche Wasser, die 95 Yen kostete und ging direkt zur Kasse. Erst jetzt bemerkte ich das junge Alter der Verkäuferin. Ich stellte das Wasser auf den Tresen und sah ihr zu, wie sie sich schon wieder vor mir verbeugte und dabei lautstark schmunzelte. Es war mir unangenehm. Ihr vielleicht auch. Wir waren im gleichen Alter und beide Kinder von Großstädten. Es gab keine Rangfolge zwischen uns – wir waren gleich. Ganz egal, dass einer einkaufte und der andere verkaufte. Keiner war dem anderen würdiger. Und trotzdem tat sie es. Immer und immer wieder. Ihr Schmunzeln deutete mir, dass es einfach eine Tradition, eine nette Geste, eine Angewohnheit – nein, die Verkörperung von „Na, wie geht es dir?“, während man schon den Nächsten begrüßte – war.

Doch was dann passierte war keinesfalls einstudiert und kein Relikt uralter Traditionen. Sie gab mir mein Wechselgeld, indem sie beide Arme ausstreckte und ihre Hände formte, als hätte sie etwas dort drin, das sie behüten wollte. Ganz so, als ob man ein wenige Stunden altes Küken vor den Einflüssen der riesigen Welt schützte. In ihren Händen lagen 5 Yen. Sie nahm meine rechte Hand, drehte sie um, so dass meine Handinnenfläche nach oben zeigte. Dann legte sie die Münze in meine Hand und legte die Ihre oben drauf. Ich war verdutzt und gerührt zugleich. Anschließend sagte sie, dass diese Münze eine gute Bedeutung in der japanischen Kultur hat. Solange ich gut auf sie aufpassen würde, sollte ich Glück und gute Beziehungen zu den Menschen haben.

Ich nahm die 5 Yen an mich, die ab diesem Moment irre viel für mich bedeuteten und legte sie behutsam in ein kleines Reißverschlussfach meines Rucksacks. Am folgenden Tag kaufte ich vor einem Tempel ein Band. Seit diesem Tag trage ich die Münze immer bei mir.

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Das kleine 3 Mal 3 für Tramper zur See

Gastbeitrag von Timo Peters von Bruder Leichtfuß An die letzte Adventszeit denke ich in diesen Tagen ziemlich häufig, denn letztes Jahr steckte ich gerade in dem größten Abenteuer meines Lebens: Ich…

Gastbeitrag von Timo Peters von Bruder Leichtfuß

An die letzte Adventszeit denke ich in diesen Tagen ziemlich häufig, denn letztes Jahr steckte ich gerade in dem größten Abenteuer meines Lebens: Ich war unterwegs irgendwo auf dem Atlantischen Ozean – als Tramper zur See. Am Ende war ich mit verschiedenen Segelyachten einmal per Anhalter über den Atlantik gereist, von Spanien nach Brasilien.

Das hört sich vielleicht erst einmal an, als ob man dafür irgendetwas Besonderes können muss, das stimmt aber nicht. Man muss nicht einmal segeln können. Ich hatte vorher ein bisschen gesegelt, aber an Bord und in den Atlantikhäfen einige Tramper kennen gelernt, die vorher noch nie auf einen Fuß auf ein Segelboot gesetzt hatten.

Damit vielleicht auch ihr einmal so ein Abenteuer erleben könnt, habe ich hier mein kleines drei Mal Drei für Tramper zur See:

Drei Gründe für das Mitsegeln:
– Du bist abenteuerlustig! Wenn ich eines über meinen Trip im letzten Jahr sagen kann, ist es: Das war ein echtes Abenteuer, mit dem ich noch meine Enkel nerven werde, falls mal welche kommen.
– Du liebst die Natur und das Meer! Die hohe See ist einer der letzten Orte, an denen wir noch echte Wildnis erleben können – oft sind Delfine oder sogar Wale inklusive. Oft allerdings auch Plastikmüll, meist in Tütenform.
– Du bist philosophisch angehaucht! Tausende Seemeilen vom nächsten Festland lässt es sich gut philosophieren und nachdenken. Ich glaube, dass ich nichts kenne, was inspirierender ist als das endlose Blau der See.

Drei Orte zum Mitsegeln:
– Im Herbst verlassen die meisten Segler das Mittelmeer und verlegen ihre Boote in wärmere Gefilde. Einen Ort passieren sie auf dem Weg auf jeden Fall: Gibraltar ist zwischen September und November voll mit Segelyachten auf dem Weg gen Süden.
– Von dem Atlantik in den Pazifischen Ozean kommt man auf genau zwei Wegen. Entweder man umsegelt das stürmische und berüchtigte Kap Hoorn, oder man fährt durch den Panamakanal. Deshalb ist hier die Wahrscheinlichkeit recht hoch, eine Mitsegelgelegenheit zu finden.
– Die Ostsee ist eines der schönsten Segelreviere der Welt und deshalb sind hier jede Menge Boote unterwegs. Bei handgegenkoje.de kann man wunderbar einfach in Kontakt zu Skippern kommen, die MitseglerInnen oft auch nur für einen Wochenendtörn suchen (hier gibt’s mehr Crewbörsen).

Drei Gründe, warum Skipper dich mitnehmen:
– Unterhaltung: Alleine auf hoher See kann es recht schnell einsam werden. Du spielst ein Musikinstrument, bist ein lustiger Vogel oder mit dir kann man einfach super quatschen? Spitze!
– Sicherheit: Damit das Segelboot auf hoher See keinen herumtreibenden Container, andere Boote oder das Land rammt, ist es praktisch, wenn einer immer guckt. Auch, wenn der Skipper gerade mal schläft. Logisch, oder?
– Komfort: Du kannst gut kochen? Kannst Dinge reparieren oder hast medizinisch was drauf? Du kannst die Kinder des Skippers an Bord unterrichten oder dem Käpt’n unterwegs eine neue Sprache beibringen? Herzlich willkommen an Bord!

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Die Armut in Indien und wie du mit ihr umgehen kannst

„Indien braucht keine sozialen, sondern politische und wirtschaftliche Maßnahmen.“, Aadittos Aussage hört sich im ersten Moment ganz schön heftig an. Was, keine sozialen Maßnahmen? Wer einen Schritt auf indischen Boden…

„Indien braucht keine sozialen, sondern politische und wirtschaftliche Maßnahmen.“, Aadittos Aussage hört sich im ersten Moment ganz schön heftig an. Was, keine sozialen Maßnahmen? Wer einen Schritt auf indischen Boden setzt, kann sich des Anblicks der unendlichen Armut, des Drecks, der Menschen auf der Straße kaum erwehren. Das sieht Aaditto auch. Gerade er, der mit seiner Babli Farm das Sozial(!)-Projekt seiner Eltern fortsetzt und den Menschen in der Umgebung Job, Land und somit Lebensgrundlage gibt.

„So denkst du als eine, die aus dem Westen kommt,“, lässt sich Aaditto von seiner Meinung nicht abbringen, als ich es mit einem Einwand versuche, „aber in Indien ist es nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn ich vierzig Menschen eine Arbeit gebe.“ Ich schlucke. Ja, indische Dimensionen sind anders. Hier, in dem Land, in dem eine mittelgroße Stadt mehr Einwohner hat als ganz Österreich.

Ja, aber…  Die Hilflosigkeit steigt ins Unermessliche. Was kann ich tun? Wie soll ich mit diesen Fakten umgehen?

Indien_Ungerechtigkeit

Es gibt drei Wege – zumindest drei, die ich gefunden habe:

  1. Man ignoriert das Ganze, steckt den Kopf in den Sand und kümmert sich nicht. Andreas Altmann würde dazu sagen: „Wer das Land im sel­ben Zustand ver­lässt, wie er es betre­ten hat, kam schon als Leiche.“
  2. Man zieht nach Indien und geht entweder in Politik oder Wirtschaft. Viel Spaß!
  3. Man geht nach bestem Wissen und Gewissen mit der Situation um. Für mich bedeutet das, wie auf allen Reisen unterwegs dort Geld „loszuwerden“, wo es direkt den Menschen zugute kommt. Auch beziehungsweise vor allem mit dem Wissen, dass es sich dabei bloß um Einzelfälle handelt, und ich wohl eher mein Gewissen beruhige als wirklich etwas verändere. Wobei ich ja vielleicht bei Einzelnen doch Spuren hinterlassen kann.

Das Gute dabei: In Indien entdeckt man wirklich an (beinah) jeder Straßenecke eine Nonprofit-, eine Hilfsorganisation oder ähnliches, bei denen man helfen, Zeit und/oder Geld investieren kann. Ich persönlich bin der Meinung, dass es am Sinnvollsten ist, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben – also den Menschen Eigenverantwortung lehren, nicht (finanzielle) Abhängigkeiten schaffen. Eine der Organisationen, die so arbeitet, ist Salaam Baalak Trust in Delhi, die seit Jahren erfolgreich Kinder von den Straßen der Stadt holt und ihnen eine Zukunft gibt. Unterstützen kann man sie zum Beispiel durch den Besuch einer ihrer Delhi-Touren.

Helfen kann man aber auch im Schlaf: Bei einfachen Homestays wie der Makaibari-Teeplantage zum Beispiel, bei denen man einzelnen Familien bis hin zu ganzen Dörfern finanzielle Hilfe leisten kann. Oder auch ganz luxuriös-nachhaltig wie auf der Babli Farm in West Bengal oder dem Sarai at Toria. Oder von der Hand in den Mund, in dem man in Lokale geht, die Hilfsprojekte unterstützen. Viele davon finden sich im Lonely Planet, man erfragt sie sich oder man stolpert darüber – wie zum Beispiel über die deutsche Brown Bakery in Varanasi, die nicht nur Bio-Essen anbietet, sondern auch in lokale Erziehungsprogramme wie Learn for Life investiert.

Wer sich die Suche ersparen möchte, kann übrigens auch Tour-Anbieter und „Reise-Gestalter“ wie Shanti Travel buchen, die mich auf meine ersten 14 Tage in Indien eingeladen haben. Sie gestalten individuelle Touren ganz nach eurem Geschmack und vermitteln auch gerne lokale Kontakte, Übernachtung bei Einheimischen oder den Besuch von Hilfsprojekten. Ein anderer Anbieter ist The Blue Yonder, der ausschließlich mit Communities zusammenarbeitet und sich auf Reisen spezialisiert hat, die ökologisch sowie sozial so verantwortungsbewusst wie möglich ablaufen. Kostet natürlich dementsprechend, aber das kann es einem schon – zumindest punktuell – wert sein!

So, ihr dürft drei Mal raten, welcher von den dreien MEIN Weg durch Indien war…

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Alltag in Lissabon – Egal, wie fremd man ist

Gastbeitrag von Christoph Pfaff von unterwegs Nur selten sieht man ihr Gesicht. Sie versteckt es meist unter ihrer großen, schwarzen Kapuze. Was man aber sehen kann, sind ihre Hände und…

Gastbeitrag von Christoph Pfaff von unterwegs

Nur selten sieht man ihr Gesicht. Sie versteckt es meist unter ihrer großen, schwarzen Kapuze. Was man aber sehen kann, sind ihre Hände und Füße, die aus zerschlissenen Lumpen ragen. Sie wurden schon lange nicht mehr gewaschen. Die Lumpen. Und die Hände und Füße. Kennt ihr noch die Taubenfrau vom Central Park aus „Kevin allein in New York“? So ist sie. Allerdings hat diese Frau kein Futter für die Tauben, die um sie herumgurren. Sie hat ja nicht mal welches für sich selbst. Nur eines ist immer bei ihr: Heißer, schwarzer Kaffee in einem Pappbecher. 

So sitzt die Frau dort. Jeden Tag. Auf dem Boden unter den Arkadengängen am Militärmuseum. Das ist ihr Alltag. So wie es mein Alltag ist, auf dem Weg zum Supermarkt an ihr vorbeizulaufen. Ich stelle fest, wie schnell man sich in einer anderen Stadt feste Abläufe aneignet. Egal, wie fremd man ist. Man geht seinen Weg. Ich gehe meinen, um mir an der Kuchentheke Gebäck zu besorgen. Jeden Nachmittag zum Kaffee in meiner kleinen Wohnung in der Alfama. Mitten im engen Gassengewirr von Lissabons Altstadt liegt sie im dritten Stock eines windschiefen Hauses, dessen Treppenhaus so eng ist, dass Tine Wittler beim Aufstieg ernsthafte Probleme hätte, sollte sie jemals auf die Idee kommen, diese Wohnung zu renovieren.

Jeden Abend um 19 Uhr, sagte mir meine Vermieterin, müsse ich meine volle Mülltüte vor die Haustür stellen. Die Müllabfuhr – in der Alfama aus einem Mann mit Sackkarre bestehend, da es ein Gefährt mit Müllpresse hier ähnlich schwer hätte wie Tine Wittler im Treppenhaus – würde sie dann einsammeln. Und so gehe ich die 39 Stufen noch einmal nach unten. Jeden Abend. Mit einem schwarzen Müllsack in der einen und der letzten Zigarette des Tages in der anderen Hand. Oben am anderen Ende der schmalen Gasse sitzt ein Mann an seinem Fenster und raucht auch. Den ganzen Tag. Weiter hinten schießen kleine Kinder mit einem Ball gegen schiefe Wände. Und gegenüber hängt eine füllige Mamãe pinkfarbene Bettwäsche an das Geländer ihres gusseisernen Balkons. Das tut sie jeden Abend. Dabei hört sie Eminem. Immer.

Nur ein Mensch ist um diese Zeit spurlos verschwunden. Ich weiß nicht, wohin die Frau abends geht. Ich weiß nicht, wo sie schläft. Doch der Alltag eröffnet einem manchmal Dinge, die man ohne ihn, ohne seine festen Abläufe, nicht herausfinden würde. Egal, wie fremd man ist. Am nächsten Tag treffe ich erneut auf die Taubenfrau und kann beobachten, warum sie zu jeder Zeit einen vollen Pappbecher in der Hand hält. Es sind die Beamten, die gleich neben den Arkadengängen des Militärmuseums in ihrer Polizeistation sitzen. Sie füllen ihn mit heißem, schwarzen Kaffee auf. Jeden Tag. Immer wieder. Ist das nicht schön?

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Paradise is where I am not

Gastbeitrag von Johannes Klaus von Reisedepeschen Ich bin ein großer Fan von Erinnerungen. Selbst die unbequemste zwölfstündige Busfahrt wird nach einer kleinen Weile zu einem amüsanten Abenteuer, das man nicht missen…

Gastbeitrag von Johannes Klaus von Reisedepeschen

Ich bin ein großer Fan von Erinnerungen. Selbst die unbequemste zwölfstündige Busfahrt wird nach einer kleinen Weile zu einem amüsanten Abenteuer, das man nicht missen will. Die einsamen Tage am Meer verklären sich zu einer inspirierenden Auszeit. Die Ananas wird zu einer Ananas, wie man sie zu Hause ja gar nicht kennt!

Einiges, was die Reiserei ausmacht, passiert erst dann, wenn wir es daraus machen. All das Durchschnittliche fällt mehr und mehr hinten über, und schließlich bleiben nur die Highlights stehen – und die Reinfälle. Alles (Be)merkenswerte eben. 

Diese Höhepunkte – die sogar auch ich meistens erinnere – sind mir aber gar nicht das Wichtige beim Reisen. Genauso wie ein Besuch des Taj Mahal oder die Wanderung in einer dramatischen Landschaft schätze ich die Tage im Straßencafé, wo eigentlich nichts passiert. Oder ein Gespräch über Gott und die Welt mit einem interessanten Menschen. Oder sogar einen Tag, den ich im Zimmer verbringe, schreibe, und nur zum Essen hinausgehe. Da ist kein Paradies. Zumindest nicht dann, wenn ich gerade da bin. Vielleicht ist es kurz weg, aufs Klo oder so, als es mich gesehen hat.

Die Postkartenmotive beispielsweise, die wir so gerne auf Facebook und Co verteilen, sind selten eine ansatzweise Abbildung der Realität. Die ist meistens viel komplexer als perfektes Licht und ein fotogener Himmel. Vielleicht ist alles andere als der vermeintliche Traumstrand gerade sogar richtig Scheiße. Aber sogar der Selbstbeschiss funktioniert: Wenn wir nur etwas Zeit verstreichen lassen, glauben wir irgendwann selbst an unsere Story vom Paradies. Es gibt die perfekten Momente. Wo alles stimmt. Sie sind selten, und deshalb so herausragend. Doch meistens kann man sie nicht festhalten. Auf keinem Foto, selbst für eine unterhaltsame Geschichte taugen sie oft nicht. Und sie sind nicht der Grund, weshalb ich das Reisen liebe.

Am Ende bleiben oft nur die hübschen, bekannten Motive, um der Welt zu zeigen, wie toll es ist in einer fremden Welt aufzuwachen und sie für sich zu erobern. Schade eigentlich.

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Tibetische Momos selbstgemacht: Mein Kochkurs bei Meister Lhamo

Erstmal Händewaschen! Hätte zuvor jemand noch Bedenken in Sachen Sauberkeit gehabt, würden die gleich zu allererst von Lhamo ausgeräumt: In seiner winzigen Wohnküche – zwei Tische, ein Kasten, ein TV-Gerät…

Erstmal Händewaschen! Hätte zuvor jemand noch Bedenken in Sachen Sauberkeit gehabt, würden die gleich zu allererst von Lhamo ausgeräumt: In seiner winzigen Wohnküche – zwei Tische, ein Kasten, ein TV-Gerät sind die Ausstattung – unterrichtet er seit acht Jahren das Zubereiten von tibetischen Gerichten hier in McLeod Ganj, das auch “Little Lhasa” genannt wird. Wobei, in Lhasa selbst sind Tibet und seine Kultur längst von den Chinesen überrollt worden und wohl kaum noch so präsent wie hier im Norden Indiens über Dharamshala.

Beinahe jeden Tag und dann gleich zwei Mal (der Morgenkurs beginnt um 10.00 Uhr und endet gegen 12.00 Uhr) bringt Lhamo Touristinnen für 300 Rupies bei, Momos, tibetische Suppe und tibetisches Brot selber zu machen. Ich habe Glück: Heute stehen die kleinen Teigtaschen auf dem Programm, in die ich mich nicht nur in der Region rund um Darjeeling, sondern eben auch hier “eingraben” könnte. Auch wenn die Tibeter selbst lieber die Fleischfüllung haben, lehrt Lhamo nur vegetarische Varianten – aus Hygienegründen. Mir soll es recht sein.

Meister Lhamo bei der Arbeit. Foto: Doris

Meister Lhamo bei der Arbeit.

“This is not a cooking class, but an enjoying class.”, meint der kleine Tibeter, der selbst vor neun Jahren nach Indien gekommen ist, zu uns Kochschülerinnen. Fast hätte ich wegen seines gebrochenen Englisch “injury class” verstanden, aber nein. Verletzt wird hier niemand, genießen können wir vier die zwei Stunden aber umso mehr. “Und wir können hier sogar selbst kochen.”, freut sich die Neuseeländerin Anne, eine meiner Koch-Kolleginnen, und fügt hinzu “Bei unserem indischen Kochkurs durften wir nur zuschauen.” Auch ich bin froh, dass es bei Lhamo ziemlich praktisch zugeht. Nicht nur beim Rühren, Kneten, Formen – sondern anschließend vor allem beim Verkosten der kleinen Leckereien. Da zählt es dann auch nicht, dass das Frühstück erst zwei Stunden zurück liegt – die Momos kommen weg. Alle. Und wir sind uns einig: Wir haben gute Arbeit geleistet! Mein verklärter Blick sagt wohl alles…

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Rezept (für sechs Personen)

Teig

½ Kilo Mehl (egal, welches)
2 Löffel Backpulver
300 ml Wasser in Zimmertemperatur

Mehl mit Backpulver in einer Schüssel gut vermischen. Langsam Wasser dazugeben und solange rühren, bis es gut vermixt ist. Eine flache Oberfläche (zum Beispiel der Tisch) und Hände mit Mehl einreiben, damit der Teig nicht kleben bleibt. Dann den Teig ca. drei bis fünf Minuten lang kneten. Danach den Teig rund sechs Minuten unter einem Plastikbehälter, Stoff oder ähnlichem rasten lassen, damit er ein bisschen aufgehen kann.

Füllung für verschiedene Momos

Klassische Momos:

½ mittelgroßes Kraut, klein gehackt
1 große Karotte, geschält und geraspelt
2 mittelgroße Zwiebel, klein gehackt
½ Teelöffel Salz
3 Löffel Gemüseöl
1 Löffel Knoblauch, klein gehackt
1 Löffel klein geschnittene Frühlingszwiebel, nur die grünen Teile
1 Löffel klein geschnittener grüner Paprika
1 Löffel gehackter Koriander
¼ Teelöffel gemahlener Pfeffer

alles gut in einem Topf vermischt.

Füllung auf den Teig - und bald ist der Momo fertig. Foto: Doris

Füllung auf den Teig – und bald ist der Momo fertig.

Spinat-Kartoffel-Momos:

¼ Kilo Spinat, klein geschnitten
1 – 2 gekochte Kartoffel, geschält und geraspelt

Rest der Zutaten bleibt gleich.

Süße Momos:

3,5 Löffel Öl
ein Esslöffel Zucker (auch brauner Zucker)
1 Löffel Sesamkörner
3 Löffel Mehl

alles in eine Pfanne geben, vermischen und auf heißer Flamme solange anbraten, bis es braun geworden ist.

Weniger traditionell, aber sicher genauso gut sind auch Momos mit purer Schoko-Fülle, einer Bananen-Mischung oder einfach den Zutaten, nach denen es dir gerade gelüstet.

Zubereitung der süßen Füllung. Foto: Doris

Zubereitung der süßen Füllung.

Um aus dem Teig die Momos zu formen, eine Portion Teig (ca. zwei Finger breit) nehmen, zuerst in der Hand flach drücken und schließlich zu kleinen runden Keksen ausrollen. Zirka ein Löffel der gewünschten Füllung in die Mitte des Teigs geben, alles in die linke Hand nehmen und mit den Fingern beginnen, die Enden zusammenzudrücken, sodass der Momo schließlich verschlossen wird.

Alle Momos können gedämpft oder gebraten serviert werden. Die Momos in einem Dampfkochtopf ca. 15 Minuten dämpfen. Wer die Momos braten möchte, gibt sie dann kurz in eine Pfanne mit etwas Öl und lässt sie kurz anbraten, bis sie knackig und braun sind.

2 Finger-breite Stücke werden zu mittelgroßen Momos. Foto: Doris

Zwei Finger breite Stücke werden zu mittelgroßen Momos.

Kochschülerinnen bei der Arbeit. Foto: Doris

Kochschülerinnen bei der Arbeit.

Die kleinen Köstlichkeiten vor dem Fertigwerden. Foto: Doris

Die kleinen Köstlichkeiten vor dem Fertigwerden.

Und dann? Einfach nur genießen und so einen verklärten Gesichtsausdruck bekommen wie ich!

ཞལ་ལག་ཉེས་པོ་གནང་རོགས། – Guten Appetit, wie die Tibeter sagen!

Und Mahlzeit! Foto: Doris

Und Mahlzeit!

 

Lhamos Kitchen liegt in der Bhagsu Road in McLeod Ganj. Überall hängen Plakate der von Lonely Planet „recommended kitchen“ auf. Und wer auf Nummer sicher gehen möchte, kann es ja mit einer Reservierung via Email lhadomsering@yahoo.com oder Telefon 9816468719 versuchen. Aber es genügt auch einfach bei ihm vorbei zu kommen, in Lhamos winziger Küche haben – angeblich – bis zu zwölf Personen Platz.

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Makaibari: Mein Zuhause auf der indischen Teeplantage

“Ich bringe dich jetzt einmal zu deiner Familie.”, Nayan nimmt mir meinen Rucksack aus der Hand, und ich habe zum x-ten Mal ein fürchterlich schlechtes Gewissen, dass aus meinem Vorsatz…

“Ich bringe dich jetzt einmal zu deiner Familie.”, Nayan nimmt mir meinen Rucksack aus der Hand, und ich habe zum x-ten Mal ein fürchterlich schlechtes Gewissen, dass aus meinem Vorsatz des “packing light” auch in Indien wieder nichts geworden ist. Beinahe verschlucke ich mich am Tee, den er mir in seinem Büro serviert hat, nur um schnell genug zu sein, dem Inder zu folgen.

Mit meinen fast 35 Jahren ist es bereits das dritte Mal, dass ich adoptiert werde: Nach meinen Ersatzeltern in Australien – Freunden meiner Eltern -, der Familie in Bogotá, bei der ich drei Monate lang mein Zuhause gefunden hatte, sind jetzt die Lamas dran. Die Lamas, das sind Bharati, ihr Mann Pema, die 16-jährige Ashwini und ihre neunjährige Schwester Anjalina samt Großeltern. Zwei Tage lang wohne ich bei ihnen, bei meinem ersten richtigen “Homestay” hier in den Bergen Darjeelings. Genauer gesagt rund 15 Minuten von der Stadt Kurseong entfernt, im Dorf, das zur gleichnamigen Teeplantage Makaibari gehört.

Teil des Hauses der Lamas. Foto: Doris

Teil des Hauses der Lamas.

Ein Teil meiner Gastfamilie: Großmutter und Anjalina beim morgendlichen Flechtritual. Foto: Doris

Ein Teil meiner Gastfamilie: Großmutter und Anjalina beim morgendlichen Flechtritual.

Mein Zimmer für 2 Tage. Foto: Doris

Mein Zimmer für zwei Tage.

Großvater beim Lesen. Foto: Doris

Großvater beim Lesen.

Auch wenn ich nicht adoptiert worden wäre, die Makaibari Teeplantage wäre sicher auf meiner Must-See-Liste gelandet. Sie ist nämlich etwas Besonderes: 1999 war sie die erste Teeplantage in der Region, die auf Bio-Produktion – also alles handgepflückt und ohne chemische Zusatzstoffe behandelt – gesetzt hat. Tut sie noch immer, Demeter zertifiziert, aber inzwischen als eine unter vielen. Denn mittlerweile sieht man überall die Schlagworte “eco” und “organic” vor dem Wort “Tea” – Makaibari ist dennoch etwas Besonderes geblieben. Homestay nämlich bietet (noch immer) keine andere Teeplantage in Darjeeling an. Und auch sonst wird das Wort in Indien gern für vieles eingesetzt – mit dem Leben bei einer Familie hat das Meiste davon nichts zu tun.

Makaibari Teeplantage, die erste, die auf Bioproduktion gesetzt hat. Foto: Doris

Makaibari Teeplantage, die erste, die auf Bio-Produktion gesetzt hat.

Hier wird noch per Hand gepflückt. Foto: Doris

Hier wird noch per Hand gepflückt.

Anders in Makaibari: Seit 2005 wird hier das Wohnen bei einer der rund 125 Familien des Orts angeboten, der ausschließlich von der Teeplantage (und eben jetzt vom Tourismus) lebt. Was damals mit fünf Haushalten begonnen hatte, ist mittlerweile auf 24 angewachsen. Für läppische 600 Rupies (nicht einmal 10 Euro) kann man seither bei Einheimischen übernachten, bekommt drei Mahlzeiten am Tag und natürlich jede Menge Tee. In allen Varianten: Vom feinen Grün-, Schwarz- oder weißen Tee über die übliche Milchteemischung mit ganz viel Zucker oder aber auch Tee mit Salz. Letzteres trinken die Einheimischen nämlich dann, wenn sie besonders ausgelaugt sind von der Arbeit. Ein für mich ziemlich gewöhnungsbedürftiger Energy-Drink, aber noch immer besser als Red Bull und Co.

Tee in allen Varianten wird in Makaibari produziert. Foto: Doris

Tee in allen Varianten wird in Makaibari produziert.

Um die 60 bis 70 Prozent dieser 600 Rupies erhalten die Familien selbst, 20 Prozent bekommt das Office, das auch Menschen wie den Volunteer Coordinator Nayan oder den Tourguide Doda beschäftigt, und 10 Prozent werden für wohltätige Zwecke wie Altersvorsorge, Gratis-Wasser, ein Tutorial-Programm für Kinder, eine eigene Krankenstation und und und eingesetzt. Klingt alles gut und schön? Ist es – zumindest größtenteils – auch: Wenn die Verdienste für das Gebotene noch immer viel zu wenig sind, können sich Familien wie die Lamas durch das Homestay leisten, ihre Töchter zur Uni zu schicken. Und Sozialleistungen wie die ständig besetzte Krankenstation, in die einmal pro Woche auch ein Arzt kommt, oder der Kinderhort für den Nachwuchs der Arbeiterinnen sind eine große Bereicherung fürs Dorf.

Hier lebt man vom Tee und vom Tourismus. Foto: Doris

Hier lebt man vom Tee und vom Tourismus.

Ja, Makaibari ist in diesem Sinn eine kleine Insel der Seligen in der Teewelt von Darjeeling, wo Teepflückerinnen nur 90 Rupies pro Tag für eine achtstündige harte Arbeit in der Sonne bekommen. Das ist um die Hälfte weniger als die Arbeiterinnen in Assam für den gleichen Knochenjob erhalten – und wie öd und hart der ist, davon kann sich jeder überzeugen, der so wie ich die Teeplantage besucht und auf den Terrassen für ein, zwei Minuten selbst Hand anlegt.

Beim Besuch der Teeplantage darf man auch mal mitpflücken. Foto: Doris

Beim Besuch der Teeplantage darf man auch mal mitpflücken.

Die "Guten" ins Körbchen, die Schlechten... Foto: Doris

Die „Guten“ ins Körbchen, die Schlechten…

...werden später aussortiert. Foto: Doris

…werden später aussortiert.

Letzteres gehört zum “Standardprogramm” von allen, die in Makaibari beherbergt werden. Schließlich geht es ja darum, die Kultur der Teegärten kennen zu lernen. Auch wenn das Homestay-Konzept den Titel “Volunteer Program” trägt, bleiben die Meisten ohnehin nur ein paar Tage im kleinen Dorf, das mittlerweile den Großteil der – europäischen oder amerikanischen – Touristen nach Kurseong führt. Nur wenige nutzen die Chance, länger auf den Plantagen zu arbeiten, sich zum Teeexperten ausbilden zu lassen oder auf andere Art und Weise Teil des Dorfs zu werden. Wie die Deutsche Ricarda.

Ricarda treff ich in "ihrer Ordi" in Makaibari. Foto: Doris

Ricarda (rechts außen)  treff ich in „ihrer Ordi“ in Makaibari.

“Heute habe ich es zum ersten Mal geschafft, selbst einen Teller abzuwaschen.”, erzählt die Kölnerin mir bei unserem ersten Treffen in Makaibari stolz. 2012 hat die Optikerin das Dorf bei ihrem fünftägigen Homestay kennen gelernt – in diesem Jahr ist sie wieder gekommen: Ein Monat lang hat sie freiwillig und ehrenamtlich ihren Urlaub dafür genutzt, den Einheimischen des Dorfs aus Deutschland gespendete Brillen anzupassen und sie kostenlos mit Sehbehelfen zu versorgen.

Ricardas Variante des Sehtests - für Analphabeten, wie es sie sehr häufig noch in Indien gibt. Foto: Doris

Ricardas Variante des Sehtests – für Analphabeten, wie es sie sehr häufig noch in Indien gibt.

Wenn es Ricarda nach vier Wochen für einen “Sieg” hält, endlich einmal ihr Geschirr selbst wegzuräumen, kann man sich vorstellen, wie es mir ergangen ist! Schon allein der Versuch, beim abendlichen Kochen meiner Gast”mutter” Bharati – oder sollte ich eher sagen Gastschwester, denn mit ihren 38 Jahren ist sie nur ein wenig älter als ich – zu helfen, ist zum Scheitern verurteilt. Leider, ich hätte ihr einfach bei der Zubereitung der für mich fremden Gemüsesorten aus dem heimischen Garten geholfen. Nix da: Gast ist Gast!

Isgus, Gemüsesorten, die in Bharatis Garten wachsen. Foto: Doris

Isgus, Gemüsesorten, die in Bharatis Garten wachsen.

Indisches Frühstück bei den Lamas. Foto: Doris

Indisches Frühstück bei den Lamas.

Wenn auch aus dem gemeinsamen Kochen nichts geworden ist, das Zusammensitzen abends hat einiges wett gemacht. Dann, wenn Ashwini und Anjalina aus der Schule nach Hause gekommen sind und Übersetzerinnen dafür gespielt haben, was weder Bharatis etwas mangelhaftes Englisch noch unsere Hand-und-Fuß-Kommunikation untertags geschafft haben. Und an einem dieser Abende habe ich die Mädels sogar ziemlich beeindrucken können: Dann nämlich, als ich meinen Laptop ausgepackt und Fotos gezeigt habe. Von meiner Reise ins Königreich Bhutan, dem sich die Leute in Darjeeling viel zugehöriger fühlen als Indien, und von mir im Dirndl. Dass wir in Österreich keine Saris oder Kurtas tragen, das konnte sie nämlich nicht glauben, meine liebe indische Familie.

Auch ein Teil der Familie ;-) Foto: Doris

Auch ein Teil der Familie.

 

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Von Porno-Tempeln, zahmen Tigern und beißenden Mäusen

Sind wir schon da? Sind wir schon da? Sind wir schon da? Seit ein paar Tagen liegt uns Co-Blogger Flo schon mit dieser Frage in den Ohren. Gefühlt ist das zumindest…

Sind wir schon da? Sind wir schon da? Sind wir schon da? Seit ein paar Tagen liegt uns Co-Blogger Flo schon mit dieser Frage in den Ohren. Gefühlt ist das zumindest so. Am vierten Tag unserer Reise steht nämlich etwas auf dem Programm, das er bei seiner ersten Indien-Reise notgedrungen auslassen musste: Die „Porno-Tempel“ von Khajuraho im Bundesstaat Madhya Pradesh, deren Steinbilder angeblich dem Kamasutra Konkurrenz machen.

Ein Ziel, das mich ja nun nicht wirklich begeistern kann. Wie denn auch, haben wir doch wohl den Höhepunkt in Sachen Tempelbesichtigung schon erlebt? Und dann noch diese Frohbotschaft: Wir kommen in einem etwas abgelegen Ressort unter. Das wäre ja kein Problem, ABER: Von Internet keine Spur. Dass ich das erst zwei Stunden vor der Ankunft erfahre, macht die Sache nicht besser.

“Wo liegt denn das Sarai at Toria nochmal?”, selbst unser indischer Shanti Travel Fahrer muss auf der holprigen, vom Regen durchweichten Sandstraße nach dem Weg zu unserem Übernachtungsort fragen. Die Abbiegung ist aber auch wirklich nicht zu sehen. Ein paar Meter geht es weiter ins Nirgendwo bis unser Auto plötzlich Halt macht: Ein gepflegter Inder in weißem Hemd und Jeans winkt uns zu. Aha, wir sind also angekommen.

Satai at Toria bei Sonnenuntergang. Foto: Doris

Satai at Toria bei Sonnenuntergang.

Der Inder, der vielleicht in meinem Alter ist, begrüßt uns freundlich und überschwänglich auf Englisch. Das dienstbeflissene Personal reißt uns das Gepäck förmlich aus der Hand. Wir verabreden uns für morgen früh mit dem Fahrer. Alles wie immer also. Bis jetzt.

Wir nähern uns langsam unserem Zuhause für die nächsten paar Tage. Foto: Doris

Wir nähern uns langsam unserem Zuhause für die nächsten paar Tage.

Statt den üblichen großen, weit aufschwingenden Flügeltüren, die zur Hotellobby führen, sehen wir nämlich… nichts. Okay, das ist so nicht richtig: Vor uns liegt ein vom Regen durchweichter Erdpfad, der über eine etwas wackelig aussehende Hängebrücke führt. An deren anderem Ende ist die Vegetation wie auf Knopfdruck anders. Wo zuvor noch dichtes Gebüsch zu sehen war, stehen jetzt lange, üppig grüne Grashalme für uns Spalier. Und in der Ferne erhaschen wir auf der einen Seite schon den ersten Blick auf ein paar Lehmhäuser, auf der anderen Seite fließt der Ken Fluss. Bei dem Anblick ist meine getrübte Stimmung gleich wieder verflogen, sie hat in dieser Umgebung einfach keine Chance – und überhaupt, wer braucht in diesem Paradies schon Internet?

Das Haupthaus des Sarai at Toria liegt vor uns. Foto: Doris

Das Haupthaus des Sarai at Toria liegt vor uns.

“Da drüben ist das Panna Tiger Reserve.”, zeigt Dr. Raghunandan Singh Chundawat auf die gegenüberliegende Seite des Flusses, während wir an einem der vielen Kaffees der nächsten Tage schlürfen. Der große, grauhaarige Inder hat uns im Hauptgebäude in Empfang genommen, das mit seiner auf allen Seiten offenen Struktur, dem dunklen Holz und Strohdach mehr an Safari-Lodges in Afrika erinnert, oder zumindest stelle ich mir diese so vor.

Empfangshalle und Wohnzimmer für uns. Foto: Doris

Empfangshalle und Wohnzimmer für uns.

Genauso wie das Service, kaum haben wir uns nämlich in den bereit stehenden Couches niedergelassen, werden wir auch schon umsorgt: Tee, Kaffee, Wasser sowieso – wir sind gar nicht so schnell mit Bestellen und Wünschen, da ist das Geforderte bereits vor unserer Nase. Ein fast schon erschreckend perfekter Rundum-Service, an den wir uns die nächsten paar Tage noch gewöhnen werden.

Das Haupthaus erinnert irgendwie an eine Safari in Afrika. Foto. Doris

Das Haupthaus erinnert irgendwie an eine Safari in Afrika.

Vier Jahre ist es her, dass der Biologe Raghunandan und die Wildnis-Fotografin Joanna Van Gruisen am Eingang des Panna Nationalparks sechs Lehm-Häuser nach alter, lokaler Tradition erbauen haben lassen. Bambus, Ziegeln, Lehm, Stein, Gräser – alles, was verarbeitet wurde, stammt aus der näheren Umgebung. Einem “low carbon footprint” zuliebe: “Durch das Projekt wollen wir sanft aufzeigen, dass man Luxus und Komfort genießen und dennoch erd-freundlich bleiben kann.”, heißt es im Prospekt, das in den Cottages aufliegt. Das bedeutet unter anderem, Solar-Energie zu nutzen und mit Bio-Gas zu kochen. Das heißt aber noch etwas mehr.

An den nächsten Lodges wird seit längerem gebaut. Foto: Doris

An den nächsten Lodges wird seit längerem gebaut.

“Ich wollte nicht mehr mit den Geldern von Exxon und anderen ähnlichen Firmen forschen,”, erklärt Raghunandan, der selbst über zehn Jahre mit den Tigern gearbeitet hat, ,“ich wollte den Menschen direkt helfen.” So unterstützt er die ehrenamtlichen Guides des nahen Tiger Reservats mit Schulungen, die Mitarbeiter des Ressorts kommen aus den umgebenden Communities, handgemachte Seife von Frauen der ländlichen Umgebung liegt im Badezimmer, in den Räumen stehen Thermoskannen mit gefiltertem Wasser statt Plastikflaschen bereit – statt groß mit Labels wie „Eco-Lodge“ Werbung zu machen, setzt man im Sarai at Toria offenbar lieber auf Taten.

Florian & Michaela vor "ihrem" Zuhause. Foto: Doris

Florian und Michaela vor „ihrem“ Zuhause.

My bed is my castle. Foto: Doris

My bed is my castle.

Smarte Lösungen warten überall - wie die Thermoskanne mit gefiltertem Wasser. Foto: Doris

Smarte Lösungen warten überall – wie die Thermoskanne mit gefiltertem Wasser.

Apropos Tun: Unternehmen kann man in der Umgebung des Sarai at Toria so einiges, nicht erst wenn ab Mitte Oktober die Hauptattraktion des Nationalparks, das Panna Tiger Reserve wieder öffnet. Man kann zum Beispiel zu den Raneh-Wasserfällen fahren, mit einem der Guides vom Satai at Toria einen Village Walk machen oder die berühmte Bootstour auf dem Ken Fluss unternehmen, bei der man Krokodile und weiteres Getier sehen kann, die wir aber wegen der starken, noch immer andauernden Regenfälle und des hohen Wasserstands diesmal leider auslassen mussten.

Und wem das noch nicht genug Action ist, der kann es ja unserem Tourguide David gleich tun: Der hat in seiner Lodge im Sarai at Toria eine Maus entdeckt, sie in einem Mutanfall in die Ecke gedrängt, in die Hand nehmen und hinaustragen wollen. Der Widerstand der indischen Maus war aber größer: Sie hat ihn einfach in die Hand gebissen – und sich dann wieder in „ihre“ Lodge verkrochen. Sie war schließlich schon früher da als er!

Ach, und die Porno-Tempel? Nett waren sie, und ja, man sieht tatsächlich einige anzügliche Stellungen. Zumindest wenn man so genau schaut wie Florian…

Es gibt im Nationalpark eine günstigere Unterkunft als das Sarai at Toria, das auch deshalb die Luxus-Schiene fährt, um keine Konkurrenz zu schaffen. Exklusiv ist sie jedenfalls – noch -, denn anders als vieles sonst kennt sie der Lonely Planet offenbar nicht! Preise: Im Doppelzimmer 13.740 Indian Rupees (ca. 190 Euro) pro Lodge und Nacht (inkl. Steuern, Frühstück, Mittag- und Abendessen, sämtliche nicht-alkoholische Getränke und andere Services des Hauses)

Offenlegung: Ich war 14 Tage mit Shanti Travel auf Blogtrip. Herzlichen Dank für die Einladung! Die Meinungen und Ansichten in der Geschichte bleiben meine eigenen.

10 Kommentare zu Von Porno-Tempeln, zahmen Tigern und beißenden Mäusen

Reflexionen einer Reisenden: Und Indien ist mein gigantischer Spiegel…

Indien ist ein gigan­ti­scher Spiegel. Jeder darf hin­ein­bli­cken und sich anschauen. Wer das Land im sel­ben Zustand ver­lässt, wie er es betre­ten hat, kam schon als Leiche. Diese Sätze von…

Indien ist ein gigan­ti­scher Spiegel. Jeder darf hin­ein­bli­cken und sich anschauen. Wer das Land im sel­ben Zustand ver­lässt, wie er es betre­ten hat, kam schon als Leiche.

Diese Sätze von Andreas Altmann aus seinem Buch Triffst du Buddha, töte ihn!: Ein Selbstversuch lassen mich seit dem ersten Lesen nicht mehr los. Sie haben mich in das Land begleitet, das der Reiseschreiber-Gott – wie ich ihn immer noch gern nenne – in einem Selbstversuch bereist hat. Ich bin auf seinen Spuren unterwegs oder vielmehr auf meinen, denn schließlich ist es ja meine Reise, mein Indien, MEIN Spiegel.

“Wien, ach da habe ich eine Geschäftspartnerin in der Wipplingerstraße”, verkündet der Mann mit weißem Turban und rot gefärbtem Bart stolz. Im feinsten Deutsch hat er mich angesprochen und gleich seine Lokal-Kenntnisse kund getan. Daneben plaudert ein jüngerer Inder in klassisch gebügeltem, lila Hemd mit Michaela auf Spanisch, und David, unser Betreuer von Shanti Travel, darf sich gerade auf Französisch mit einem anderen glatzköpfigen Mann unterhalten. Die drei haben uns angesprochen, als wir gerade – wegen Gegenlicht vergeblich – versucht haben, den rosa Windpalast in Jaipur in seiner ganzen Größe abzufotografieren. Und sie waren nicht die Einzigen. Überall tönt es “komm in mein Geschäft”, “schau doch in meinen Shop”, “mein Lokal ist das Beste”, … mein, mein, mein.

Jeder hat "seines": Indien ist voller Unternehmer. Foto: Doris

Jeder hat „seines“: Indien ist voller Unternehmer. Foto: Doris

„Wie gehst du mit diesem ständigen Kontakt um?“, frage ich David, der bereits seit 1,5 Jahren in Indien arbeitet und gerade wiederum um ein Jahr verlängert hat (“ich bin mit Indien noch länger nicht fertig”, so die Erklärung). “Das hängt ganz von meiner Stimmung und Einstellung ab”, meint er. Heute scheint die gut zu sein, denn er lässt sich ständig auf ein Gespräch ein, beeindruckt die Inder mit seinen Brocken Hindi, erzählt von seiner jetzigen “Heimat” Delhi und nimmt sogar die Einladung zum Chai an, die wir von den oben erwähnten Geschäftsmännern erhalten. Sie haben uns aufs Dach ihres Geschäftshauses gebeten, um einen besseren Blick auf den Windpalast zu bekommen – und natürlich, um uns später ihre 100%ige Kaschmir-Ware zu zeigen. Wir lehnen ab: Ein Geschäft machen sie mit uns diesmal nicht. Auch kein anderer der Geschäftsleute, von denen Indien voll zu sein scheint. “Gib mir ein bisschen von deiner Zeit”, lockt einer und fügt mit einem Grinsen hinzu: “Und gib mir dein Geld.” Sie sind ganz schön direkt, die Inder.

Zu Chai wird gern geladen - er wird aber auch verkauft. Foto: Doris

Zu Chai wird gern geladen – er wird aber auch verkauft. Foto: Doris

Handleser und Wahrsager dürfen natürlich auch nicht fehlen. Foto: Doris

Handleser und Wahrsager dürfen natürlich auch nicht fehlen. Foto: Doris

Eineinhalb Tage bin ich jetzt im Land. Ich bin mit enormen Respekt hierher gekommen. “Auf Indien kannst du dich nicht vorbereiten”, “Indien ist intensiv”, “überall riecht es nach Pisse”, “ausgestiegen, und schon hat mir eine Frau ihr Baby in den Arm gedrückt”, “bei der Bushaltestelle lag eine verweste Hundeleiche”… Aussagen und Schilderungen wie diese haben mich auf dem Flug hierher begleitet. Ich bin sicher, sie stimmen alle – oder fast alle, denn nach Pisse riecht es nur streckenweise.

Indien ist ein brutales Pflaster, keine Frage. Foto: Doris

Indien ist ein brutales Pflaster, keine Frage. Foto: Doris

Und auch wenn mir noch kein Kind überreicht wurde (okay, fast, aber nur für ein Foto), ist das Unglaubliche überall wahrzunehmen: Unterernährte Kühe grasen in den Müllhaufen auf den Straßen, Kindfrauen duschen sich unter Regenrinnen mit dunkelbraunem, vor Schmutz starrendem Wasser, andere kommen dir mit Stumpen als Gliedmaßen entgegen, Männer klopfen am Straßenrand Steine in kleine Brocken, die Überquerung der Straße ist eine reine Glückssache und das Dauerhup-Konzert dröhnt dir Tag und Nacht in den Ohren. Und keinen Schritt kannst du durch indische Straßen machen, ohne auszuweichen, aus dem Weg zu springen, angerempelt, angesprochen zu werden, angestarrt zu sein – oder anzustarren. Szenen, die mich an Bolivien, Ecuador, Bhutan oder andere Länder erinnern – nur hier ist alles Mehr, Größer, Schneller, Langsamer, .. Unglaublicher. Indien hat die Superlativen scheinbar für sich gebucht.

Alles ist mehr, größer, lauter, ... Foto: Doris

Alles ist mehr, größer, lauter, … Foto: Doris

“Du kannst nicht einfach nach Hause zurück, das hier macht etwas mit dir”, ist sich David sicher, während wir mehr oder weniger benommen durch die Straßen wanken. Es strengt an, durch eine Großstadt wie Jaipur zu Fuß zu gehen. Ich bin dauermüde. Ich bin überwältigt. Ich bin berührt. Aber ich bin auch überrascht. Nicht unbedingt von den Erlebnissen, sondern darauf, WAS sie mit mir machen. Ich bin nämlich erstaunlich ruhig – oder besser gesagt, erstaunlich im Hier und Jetzt.

Blick von oben auf die Straßen von Jaipur. Foto: Doris

Blick von oben auf die Straßen von Jaipur. Foto: Doris

Das Schäkern mit den Händlern, die manchmal für gelernte Europäerinnen wie mich ganz schön auf die Pelle rücken, der Dreck überall, das ewig-und-drei-Tage-lange Warten für die einfachsten Dinge wie das Einchecken in einem Hotel, ja, selbst den ganzen Tag kein Internet zu haben – ich kann alles sehr gut nehmen. Ohne zu werten, ob etwas gut oder schlecht ist. Es ist so, wie es ist. Vielleicht bin ich noch ein bisschen im Schock. Vielleicht ist der entspannte Einstieg, mit Shanti Travel auf einer Tour mit klimatisierten Auto, Fahrer und angenehm-relaxten Kollegen durch Indien zu fahren und sich im Prinzip um nichts Organisatorisches zu kümmern. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich bis zur letzten Minute vor dem Abflug noch an anderen Baustellen gearbeitet habe (und schlussendlich nicht mal mehr wusste, was ich überhaupt in den Rucksack gesteckt hatte). Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich alles ertragen kann, so lange ich mit Menschen sprechen kann, solange ich Kontakt habe – und ja, den gibt es ja hier in Indien zuhauf. Vielleicht … ach, ich weiß es nicht, woran es liegt: Aber das Spiegelbild, das mir Indien im Moment gerade zeigt, ist zwar chaotisch-dreckig und kann ganz schön nerven, aber ist zum Großteil absolut liebenswert! Mh, ich hätte es schlechter treffen können…

Indiens idyllische Seite(n): Sonnenuntergang beim Tigerpalast bei Jaipur. Foto: Doris

Indiens idyllische Seite(n): Sonnenuntergang beim Tigerpalast bei Jaipur. Foto: Doris

… werde ich vermutlich auch. Nein, ich mach mir nichts vor, ich hege nicht die Illusion, dass Indien reibungslos abläuft. Dass nichts schief geht. Dass ich immer in meiner Mitte bleibe. Dafür kenne ich mich zu gut. Genau deshalb habe ich wahrscheinlich zum Abschluss das 10-tägige Vipassana-Retreat gewählt. So wie übrigens Altmann auch, wie ich heute gelesen habe: Denn er hat sich ebenfalls bei genau diesem Meditationsseminar 10 Tage hingesetzt, geschwiegen, sich selbst jenen Spiegel noch näher an die Nase gedrückt, den ihm Indien so gern schon vorher hingehalten hat.

 Trotz all der Hektk findet doch jeder ein Stück Ruhe für sich. Foto: Doris

Trotz all der Hektk findet doch jeder ein Stück Ruhe für sich. Foto: Doris

 

Offenlegung: Ich bin 14 Tage mit Shanti Travel auf Blogtrip. Herzlichen Dank für die Einladung. Die Meinungen und Ansichten in der Geschichte bleiben meine eigenen.

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PolaWalk durch Wien: Und es hat acht Mal Klick gemacht…

Nein, das darf aber wohl nicht wahr sein! Wie ist denn das jetzt passiert? „Ach, keine Sorge, du hast ja noch sieben Versuche.“, Gilberts tröstende Worte sind zwar lieb gemeint,…

Nein, das darf aber wohl nicht wahr sein! Wie ist denn das jetzt passiert? „Ach, keine Sorge, du hast ja noch sieben Versuche.“, Gilberts tröstende Worte sind zwar lieb gemeint, helfen jedoch kein bisschen. Ich habe es tatsächlich geschafft, gleich das erste Foto mit der Polaroid-Kamera in den Sand zu setzen. Oder besser gesagt, ins Nichts zu schießen. Dabei wollte ich bloß die Kamera öffnen – und habe versehentlich den Auslöser gedrückt. Mist! Mein erstes Bild – mein erster Fehler! Sieben Fotos habe ich noch…Wir befinden uns auf dem PolaWalk durch Wien. Meinem dritten Anlauf! Vor einem Monat ist die Einladung zur allerersten Tour in meine Mailbox geflattert, aber ich hatte – wie üblich – andere Pläne. Vor zwei Wochen dann ein weiterer – vergeblicher – Versuch. Doch heute, heute ist es endlich soweit. Aller guten Dinge sind schließlich drei. Oder acht. Denn so viele Chancen, oder besser gesagt Fotos, habe ich beim PolaWalk.

Gilbert von PolaWalk zeigt uns das Equipment. Foto: Doris

Gilbert von PolaWalk zeigt uns das Equipment.

„Wir sind die erste und einzige Foto-Stadttour mit Polaroid Kameras der Welt.“, erzählt Gilbert, einer der Gründer von PolaWalk, gerade meiner Kollegin Caroline von Wunschdenken. Dass sie dabei ist, freut mich besonders, haben wir uns doch bisher bloß via Twitter und Facebook gekannt – obwohl wir beide als Journalistinnen und Bloggerinnen in derselben Stadt wohnen. Aber zurück zu PolaWalk: Ja, es gibt einige Gruppen, die mit Polaroids bewaffnet, durch die Straßen ziehen, in Basel versorgt die Tourismus-Behörde sogar Interessierte mit den Sofortbildkameras – doch nirgendwo gibt es organisierte, regelmäßig stattfindende Foto-Touren wie diese hier in Wien. Wien ist eben – vielzitiert, aber manchmal sogar wahr – anders.

Eine etwas andere Erinnerung an Wien: Schnappschüsse mit Polaroids. - Foto: Doris

„Wir wollen, dass die Menschen ein Souvenir abseits von Sachertorte und Mozartaschenbecher mit nach Hause nehmen,“, werben Gilbert und sein Freund Thomas für ihr Unternehmen, „und zwar mit Sofortbildern eingefangene Erinnerungen an Wien.“

Einmal in kompletter Pracht. Foto: Doris

Einmal in kompletter Pracht.

Gestartet haben die Beiden mit Polaroid-Workshops im April 2013, seit September 2013 gibt es zusätzlich die geführten Foto-Touren. Begonnen hat die Geschichte und vor allem die Faszination der Beiden mit Polaroid aber schon viel früher: 2010 hat Thomas seine erste Polaroid Kamera gekauft, damals, als die beiden Österreicher Florian „Doc“ Kaps und André Bosmann mit ihrem „The Impossible Project“ beschlossen haben, die – damals im Sterben liegende – Sofortbildfotografie wieder zu beleben.

So viele Polaroid-Kameras - so unterschiedlich. Foto: Doris

So viele Polaroid-Kameras – so unterschiedlich.

Nach dem zweiten und finalen Bankrott von Polaroid versammelten die Zwei kurzerhand die noch übrig gebliebene Mannschaft des Kameraherstellers und realisierten einen für „impossible“ erklärten Traum: Sie schufen einen neuen, chemisch völlig anders aufgebauten Sofortbild-Film für Polaroid Kameras. Und machten damit möglich, dass Tausende in aller Welt wieder ihre Liebe zur analogen Fotografie leben beziehungsweise entdecken konnten. Thomas und Gilbert – das sind bloß zwei der „Opfer“.

Gilberts Tasche ist prall gefüllt: MIt Kameras, Filmen, Programm, ... Foto: Doris

Gilberts Tasche ist prall gefüllt: Mit Kameras, Filmen, Programm…

„Die Impossible Filme sind anders als die von Polaroid,“, erklärt uns Gilbert kurz nachdem wir uns um 15.30 Uhr bei den Stufen der Karlskirche getroffen haben, „statt zehn Bildern kannst du jetzt nur noch acht schießen.“. Ein teurer Spaß, denn ein Film – der bei PolaWalk übrigens in der Tour inkludiert ist -, kostet 20 Euro.

Testschüsse - klappt doch! Foto: Doris

Testschüsse – klappt doch!

Noch eine kurze Instruktion, wie man den Film einlegt (bei der Polaroid ist wirklich alles anders) und schon dürfen wir unsere ersten Fotos machen. Versuchsfotos – die Filme sind noch keine echten. „Es ist wichtig, dass ihr vorher die Kamera kennen lernt.“, erklärt Gilbert, der kürzlich seine Polaroid sogar beim Wiener Fotomarathon eingesetzt hat. Leichter gesagt als getan: Alles ist anders bei dem Ding. Die Form der Kamera, der Winkel der Linse, der Fokus sowieso, die Knöpfe/Schalter/Hebel für „Blitz“ und „Nicht-Blitz“… Während Caro mit Gilbert fachsimpelt und ihre Erfahrungen mit der analogen Kamera mit unserem Guide teilt, kann ich mich nicht einmal daran erinnern, ob ich jemals eine Polaroid in der Hand hatte.

Das ist unsere Tour für die nächsten 2 Stunden. Foto: Doris

Das ist unsere Tour für die nächsten zwei Stunden.

Um 16 Uhr geht es dann los: Vom Karlsplatz führt uns unsere Foto-Tour vorbei an der Oper, der Albertina, der Hofburg, dem Parlament, dem Rathaus und anderen Prunkbauten der Wiener Innenstadt. „Wir machen keine Stadtführungen“, stellt Gilbert auf dem Weg klar, „das heißt, wir dürfen nichts über die Sehenswürdigkeiten oder deren Geschichte erzählen. Außerdem sind die Leute ohnehin damit beschäftigt, mit der Kamera umzugehen und Motive zu suchen.“ Letzteres kann ich absolut nachvollziehen, vor allem nach meinem misslungenen „ersten Mal“: Sieben Bilder habe ich noch…

Vermehrt Schönes - auch ein Motto der PolaWalk Tour. Foto: Doris

Vermehrt Schönes – auch ein Motto der PolaWalk Tour.

Statt Wiener Geschichte präsentiert uns Gilbert seine Lieblings-Fotostopps, erklärt, wann man doch besser den Blitz einsetzen sollte – und welcher Blickwinkel der Beste ist. Acht Motive, das kann doch nicht so schwer sein! Ist es aber irgendwie doch, vor allem, weil ja das Ergebnis bis zum Schluss ein Geheimnis bleibt: Während früher die Polaroid-Filme innerhalb von ein bis zwei Minuten entwickelt waren, zeigt die neue Version erst in 20 bis 40 Minuten das endgültige Bild.

"Misslungene" Bilder, naja, solche sehen für mich anders aus. Foto: Doris

„Misslungene“ Bilder, naja, solche sehen für mich anders aus.

„Das Gute bei den Sofortbildern ist, dass sie einfach immer spannend aussehen.“, ist Caro überzeugt und blättert sichtlich begeistert durch ihre acht Bilder. Die schauen auch tatsächlich vielversprechend aus! Und als wir zwei Stunden später unsere gesammelten Werke auf dem Gras auflegen, um ein „Gruppenbild“ zu machen, muss selbst ich zugeben: Nicht schlecht. Auch wenn von meinen acht Bildern nur vier übrig geblieben sind, die nicht komplett schwarz, zu dunkel und völlig verwackelt waren… Die pinne ich mir vermutlich zuhause an die Wand: Als Erinnerung an ein paar Momente in Wien!

Caro & ich - ein Gruppenfoto. Foto: Gilbert

Caro & ich – ein Gruppenfoto. Foto: Gilbert

Die Ergebnisse, teilweise noch nicht voll entfaltet. Foto: Doris

Die Ergebnisse, teilweise noch nicht voll entfaltet.

 

Infos: Die PolaWalk Fototour wird prinzipiell auf englisch angeboten. Sollten alle Teilnehmer deutsch sprechen, wird sie auf deutsch durchgeführt. Teil nehmen bis zu sechs Personen exkl. Führer. Sie dauert ca. zwei Stunden (30 min. Einführung, 90 min. Tour), kostet 49 Euro (inkl. Polaroidkamera, Film im Wert von 20 Euro und die Bilder kann man sich natürlich auch behalten). Wer als Begleitperson ohne Kamera mit möchte oder selbst eine Polaroid hat, für den kostet die Tour 29 Euro (ohne Film).

Bei Schlechtwetter findet die Tour indoor bei Madame Tussauds in Wien statt. Weitere Infos und Buchungs-Möglichkeit gibts unter Polawalk.

Offenlegung: Danke an PolaWalk für die Einladung zur Tour!

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