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Kategorie: Travel. Outdoor.

72 Stunden: Meine Highlights beim Lichterfest in Lyon

Alle Jahre wieder wird die französische Stadt Lyon erleuchtet. Nicht im biblischen Sinn, nein, vielmehr in einem sehr weltlichen. Beim Lichterfest oder, weil ja alles auf Französisch besser klingt, Fete…

Alle Jahre wieder wird die französische Stadt Lyon erleuchtet. Nicht im biblischen Sinn, nein, vielmehr in einem sehr weltlichen. Beim Lichterfest oder, weil ja alles auf Französisch besser klingt, Fete des Lumières erstrahlen die Straßen in einem Lichtermeer – und gehen beinah in einem Meer von Menschen unter. Das Wochenende, das dem Namen nach den Lumière-Brüdern, berühmte Söhne der Stadt und Erfinder des Films, gewidmet ist, zieht die TouristInnen von nah und fern in Scharen an. 2012 war ich eine von ihnen. Wegen des Lichterfests – und weil sich die lokale CouchSurfing-Community dieses Festival als Anlass hergenommen hat, ebenfalls alle Jahre wieder zu einem Treffen zu laden.

“Jedes Jahr kann ich mich nicht in das Spektakel stürzen.” Mein CouchSurfing-Host Esteban macht gleich bei meiner Ankunft klar: Das Lichterfestival ist für die 400.000 EinwohnerInnen Lyons nicht nur Anlass zur Freude. Zu viele Menschen stürmen die geschichtsträchtige Stadt mitten in Frankreich, zu viele Menschen drängen sich durch die mitunter zu engen, oft abgesperrten Gassen rund um Place des Terreaux, der Transport ist bei einer Million erwarteter Gäste schlicht und einfach überfordert. Vor allem, wenn die lieben U-Bahn-Chauffeure genau an einem der heißesten Tage in Sachen Menschenmassen beschließen, schlicht und einfach zu streiken. “Das würde in Österreich nicht passieren.”, denke ich mal wieder äußerst patriotisch – ein Gefühl, das bei mir grundsätzlich nur im Ausland auftaucht, und fluche mit den FranzösInnen im Chor darüber, dass ausgerechnet am zweiten Abend des Lichterfests einige U-Bahn-Linien nicht in Betrieb sind. Schließlich sollte man sich ja an fremde Sitten anpassen, stimmts?

Esteban hat zur Zeit der Fete des Lumieres noch einen Anlass zur Klage: Er lebt in einer der schönsten (ich kanns bestätigen!) und beliebtesten Straßen der Stadt, in Montée de la Grande Cote, die ins Alternativviertel Croix Rousse führt. Und während des Lichterfests haben nicht nur sämtliche kleine Läden, die ich schon untertags zum Einkaufen gestürmt habe, auch am Abend offen – nein, vor unserem Fenster baut sich eine russische Musikgruppe auf, ein paar Meter entfernt macht eine Brassband Stimmung. Bis nach Mitternacht zeigt sich beim Blick auf die steil bergauf gehende Straße nur eine einzige Menschentraube, die sich laut mitsingen, tanzend und vor allem in sehr langsamen Schritttempo vorwärts bewegt. Schlafen? Daran sollte ich gar nicht denken…

Sollte ich ohnehin nicht, schließlich gibt es viel zu sehen – nicht nur im künstlich-künstlerischem Licht, sondern auch untertags. Und das waren die Highlights meiner 72 Stunden in Lyon:

Montée de la Grande Cote: Wie gesagt, eine der schönsten Straßen der Stadt. Wenn man auch darüber streitet, ob sie schon zum ehemaligen Vorort Croix Rousse gehört oder nur die Vorstufe davon ist, ist es definitiv DER Platz für Shopping. In kleinen Boutiquen wie lafabriQ und Ateliers, in denen ich gleich Geld ausgegeben habe. Zum Glück sind die Preise absolut in Ordnung.

Markt auf dem Place de Croix Rousse: Jedes Wochenende Samstag und Sonntag bis ca. 12 Uhr gibt es den Freiluft-Markt. Im ersten Teil verkaufen Bio-Bauern und Bäuerinnen ihre Ware, dann geht es etwas Traditioneller weiter. Für das köstliche Gebäck muss man sich genauso lang anstellen wie vor den Bäckereien, aber das macht den FranzösInnen ja offensichtlich wenig…

Den Kleinen Prinzen suchen: Ja, ich liebe Antoine de Saint-Exupéry, einen der bekanntesten Künstler aus Lyon. Als Kind stand ich sogar als kleiner Prinz auf der Bühne, da musste ich mich einfach auf die Suche nach dieser Lieblingsfigur begeben. Und es ist wirklich wie eine Schnitzeljagd. “Die meisten finden ihn am Anfang nicht.”, macht mir Esteban Hoffnung. Tatsächlich muss auch ich mehrfach nachfragen: “Y ou est el petit prince?”, mein Französisch hat auch schon einmal bessere Zeiten erlebt. Dennoch finde ich ihn irgendwann, den kleinen Prinzen, der “nach oben gehoben werden musste, weil er so klein ist”, wie mir eine der vielen eleganten, älteren Damen erklärt. Auf einer Statue sitzt er samt seinem Erfinder und schaut auf den Place de Bellecour herunten. Angeblich ist das Geburtshaus von Saint-Exupéry dort gestanden. Die Statue selbst ist eher enttäuschend – da gefällt mir die gezeichnete Darstellung des Kleinen Prinzen auf der Fresque de Lyonnais besser, einer Fassade, auf der berühmte Lyonaiser abgebildet sind -, aber die Suche nach dem Kleinen ist in diesem Fall die Mühe wert.

Traboules: Die Passagen- oder Treppenhauskonstruktionen, die von den SeidenarbeiterInnen für Versammlungen und zum geschützten Transport der Stoffe genutzt wurden und auch in der Nazi-Zeit so einigen zur Flucht verholfen haben, sind vor allem im Stadtteil Vieux Lyon und Croix Rousse kaum zu übersehen. Am besten aber lässt du dich von einem Bewohner Lyons durch de Gänge führen. Der weiß nämlich auch, wo die Traboules sind, in die man nur auf einer Seite hinein kann – und wo nicht. Übrigens: Macht nichts, wenn es kein “echter” Lyonaiser ist. Die findest du ohnehin selten (ich bin keinem begegnet), denn – typisch Großstadt – sind viele zugereist.

Das Museums-Kaffee Café Gadagne in Vieux Lyon lädt mit seinem entzückenden Hinterhof ein, eine Pause einzulegen und sich bei einer heißen Schokolade oder dem allgegenwärtigen Kaffee zu stärken. Anders als ins gleichnamige Museum, das sich um die Geschichte Lyons dreht und auch eine Marionettenausstellung beherbergt, kommt man ins Café gratis.

Weihnachtsmarkt bei der U-Bahn-Station Perrache: Gut, es ist tatsächlich ein “ganz normaler Weihnachtsmarkt”, wie ihn Mitbewohnerin Apauline desillusionierend beschreibt. Wobei, ganz normal? Wir haben bei unseren Christkindlmärkten keine Schnecken im Angebot, oder? Dafür sorgen “Kougelhopf” oder Spätzle, die elsassche Variante, für ein bisschen Heimatgefühl. Unbedingt ausprobieren: Die Brioche de Praline – am besten mit vier weiteren Hungrigen teilen oder die nächsten drei Tage nichts zum Frühstück kaufen!

Last, but not least – das Lichterfest: Wer die Beleuchtung und Lichtershows ohne Menschenmassen erleben möchte, der kommt wie ich an einem Donnerstag. Abends ist schon einiges los, aber kein Vergleich zu dem, was sich am Freitag oder Samstag in den Straßen tummelt. Am Donnerstag kann man noch ungehindert von einer Station zur nächsten wandern: Schnappt euch einfach den Plan, der bei der Touristeninfo oder an einigen Punkten der Stadt, ausgeteilt wird und los geht’s!

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Auf zum Popradske See: Das Wandern ist des Sherpas Lust…

„Am Wochenende ist der Wanderweg zum Popradske See richtig überfüllt.“, erzählt mir Kathrin Noll, die deutsche Hotel-Managerin des Grand Hotel Kempinski beim Abendessen. Gut, dass Montag war. Noch besser, dass es ein Montag in…

„Am Wochenende ist der Wanderweg zum Popradske See richtig überfüllt.“, erzählt mir Kathrin Noll, die deutsche Hotel-Managerin des Grand Hotel Kempinski beim Abendessen. Gut, dass Montag war. Noch besser, dass es ein Montag in der Nebensaison war. Und an so einem Montag zwischen Sommer und Winter, wenn die HitzetouristInnen nicht mehr und die SkifahrerInnen noch nicht in der Hohen Tatra weilen, lässt sich ein sonst von Gästen überrannter Wanderweg in herrlicher Ruhe auskosten. Am besten bei strahlendem Herbstwetter!

Genau das habe ich gemacht: Eine Stunde dauert der Marsch vom Tschirmer See bis zum Popradske See, genauso lang wieder retour. Und wer nicht – wie die Meisten, denen wir begegnen – die Bahn dorthin nehmen möchte, um dann auf der asphaltierten Straße zu gehen, der kann in unsere Fußstapfen treten und den Waldpfad nehmen. Aber macht euch keine Hoffnungen: In der Sommerzeit ist auch dieser Weg kein Geheimtipp, ist er doch wirklich einfach und für jederman zu schaffen. Heute aber, ja, heute sind wir dort (fast) allein.

Wir? Ja, wir, denn auch wenn selbst ich es nicht geschafft hätte, mich auf dem genial beschilderten Wanderweg zu verirren, habe ich dennoch eine Begleitung. Die Beste überhaupt. Wer könnte nämlich geeigneter sein, die Liebe zur Region zu vermitteln als einer, der einen “großen Spaß” dabei empfindet, drei Jahre als Sherpa tagein, tagaus 80 Kilogramm schwere Vorräte zu den abgeschiedenen Hütten in die Berge zu tragen? Genau so einer ist Peter, der in der Hohen Tatra aufgewachsen und zutiefst verwurzelt ist. Er ist Concierge im Kempinski – und manchmal nimmt er Gäste in die Berge mit, während der Dienstzeit, versteht sich.

Und das sieht dann so aus:

Wir haben Glück: Noch hat der symbolische Friedhof, der an alle in den Bergen Gefallenen erinnert, offen. Bis Ende November ist das so, bis er wegen des Schnees gesperrt ist. Die bunten Holzkreuze und die Lage zwischen den Felsen machen ihn in jedem Fall zu etwas Besonderem:

Da liegt er dann vor uns, der Popradske See samt seiner zwei Hütten. Schon jetzt ist er an manchen Stellen mit einer hauchdünnen Eisschicht bedeckt. Im Winter wird er komplett zufrieren, zur Freude der Einheimischen, die den See zum Eislaufplatz umfunktionieren. Natürlich nicht offiziell, schließlich ist die unsichere Eisschicht schon unter einigen eingebrochen, wie mir Peter erzählt.

Die Hütte sieht nur von außen und unter blauem Himmel so einladend aus. Drinnen ist die Buffet-Kantine eher abschreckend und erinnert an Unterkünfte bei Schulsportwochen – ein Grund, warum wir das Mittagessen am See sein lassen.

Ich verzichte übrigens auch darauf zu testen, wie es ist, wie ein Sherpa kiloweise Material zur noch einmal zwei Stunden entfernten und somit nächsten Hütte zu tragen. Das Angebot besteht: Am Wegesrand stehen Tragen herum, die Gäste mit fünf bis zehn Kilogramm beladen dürfen und nach der Ablieferung des Materials bei der Hütte zur Belohnung eine Tasse Tee bekommen.

Nein, danke, auf diesen „Spaß“ kann ich verzichten – ich genieße lieber die Wanderung retour…

 

Offenlegung: Ich war aus beruflichen Gründen Gast im Grand Hotel Kempinski in der Hohen Tatra. Herzlichen Dank für die Einladung! Die Meinungen und Ansichten in den Geschichten bleiben die meinen. 

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Eine Bilderreise in den Garten Eden

Der Dschungel Malaysiens liegt nur wenige Gehminuten von den Olivenhainen des Mittelmeerraums entfernt. Genauso weit wie südenglische Kürbisbeete von aztekischen Malereien. Wo wir sind? Im Eden Project mitten in Cornwall. Wo…

Der Dschungel Malaysiens liegt nur wenige Gehminuten von den Olivenhainen des Mittelmeerraums entfernt. Genauso weit wie südenglische Kürbisbeete von aztekischen Malereien. Wo wir sind? Im Eden Project mitten in Cornwall. Wo die größten, längsten und mächtigsten Glashäuser mit exotischen Pflanzen und einheimische Gartenanlagen buchstäblich aus dem Nichts eines wüsten Lehmbodens hochgestampft wurden (dem kornischen Wind und Wetter trotzend), entstand eines der erfolgreichsten nachhaltigen Projekte Englands zur Jahrtausendwende. Ein Platz des spielerischen Lernens, des Informierens über die Umwelt, des Miteinanders, des Weltverbesserns, des Inspiriertwerdens und Motivierens – dazu, den Garten Eden nicht nur hier in Cornwall zu suchen, sondern zu Hause zu erschaffen.

Viel ist schon über das Eden Project geschrieben worden – und wie jede/r andere auch, habe ich ebenfalls „mein“ ganz persönliches Paradies dort erlebt. Dabei ist das Eden Project gar nicht zu beschreiben, das Eden Project muss man mit eigenen Augen sehen. Und wenn ihr schon nicht dort sein könnt, dann möchte ich euch zumindest auf diese Bilderreise mitnehmen.

Willkommen im Eden Project! Mein Tipp: Am besten sehr früh – zur Öffnungszeit – ankommen, sich einen Parkplatz auf „Banane“ oder „Apfel“ zu sichern (wie ihr euch jetzt denken könnt: Ja, die Parkplätze tragen Obstnamen) und dann einfach losspazieren.

Was ich besonders gut gefunden habe am Eden Project: Dass sie wissen, sie sind nicht allein. Es geht nicht nur um dieses Gebiet in Cornwall, darum, viele TouristInnen und Einheimische mit einer Gartenpracht zu erfreuen und über bestimmte Umweltgegebenheiten aufzuklären. Das Eden Project arbeitet mit Organisationen in aller Welt zusammen – überall geht es um Wissensvermittlung, um Ermutigung, darum zu zeigen, dass wir (nur) gemeinsam etwas bewegen können.

Vorher – nachher: Der Unterschied könnte nicht größer sein, oder was meint Ihr?

Und ja, so sieht das Areal mit den Weltrekord-Glashäusern heute aus:

Viele einheimische Familien – und natürlich TouristInnen – kommen immer wieder ins Eden Project. Es ist ein ideales Schlechtwetterprogramm – und ja, von Regen und Co gibt es in Cornwall genug, auch bei mir hat sich der blaue Himmel bald verfinstert. Für die Beschäftigung der Kleinen ist jedenfalls immer gesorgt, zum Beispiel mit einem Märchen- und Zauberzelt.

Oder ein Kürbisschnitzen zu Halloween:

Der Spaziergang geht weiter, durch ganz viel Grün…

Die Tropen warten: Dschungelhäuser, Skulpturen aus dem Regenwald und natürlich jede Menge üppige Pflanzen, Bäume, die in den Himmel ragen – und eine Affenhitze! Die wird auch bei der Wanderung durch das riesige Glashaus immer schlimmer. Meine Kamera jedenfalls hat ob der feuchten Tropfenwärme w.o. gegeben. Ich, ich natürlich nicht!

Dreimal dürft ihr raten, wo wir uns jetzt befinden! Richtig, wir sind im Mittelmeerraum gelandet – das zweite nicht ganz so große Glashaus des Eden Projects:

Und überall wird unterhaltend „aufgeklärt“ wie hier:

Im Mittelmeerraum darf natürlich eines nicht fehlen: Gutes Essen. Der Stand im mediterranem Glashaus ist aber nicht das einzige Restaurant: Überall auf dem Gelände gibt es Kaffeehäuser und Lokale, alle basieren auf dem Prinzip der regionalen Bioküche.

Riesig ist er, der Müllmann, der aus all unserem alltäglichen Abfall hergestellt wurde. Schade, dass ich kein Vergleichsfoto mit mir habe.

Im Eden Project ist alles bunt und verspielt. Der erhobene Zeigefinger ist nicht sichtbar – vielleicht versteckt er sich unter Handschuhen, wie hier im Museum des Projekts:

Mitnehmen kann man jedenfalls extrem viel: Oder wisst ihr, wie viel CO2 zum Beispiel die Produktion und der Transport einer Flasche Wein aus dem Supermarkt verursacht?

Es erinnert mich schon an ein seltsames Stachel-Raumschiff, das Museum, das mit Solarpanel für die Energieversorgung des Areals ausgerüstet ist:

Ja, in diesem Garten Eden könnte ich’s schon aushalten…

 

Ich befand mich auf den Spuren des Reisebuchs “Eat-Surf-Live”. Wenn ihr mehr dieses Projekt erfahren und die beiden Autorinnen Katharina und Vera unterstützen möchtet, schaut auf startnextOffenlegung: Avis stellt mir für die Cornwall-Recherchereise ein Mietauto zu Verfügung. Herzlichen Dank dafür! Die Meinungen und Ansichten in den Geschichten bleiben die meinen.

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The Maker Project: Makes you feel at home

Zelte in allen Knallfarben und Größen stehen auf den Wiesen, vereinzelte Socken und vielleicht auch ein paar Handtücher hängen auf Seilen dazwischen. Kinder laufen mit nacktem Oberkörper durch die Gegend…

Zelte in allen Knallfarben und Größen stehen auf den Wiesen, vereinzelte Socken und vielleicht auch ein paar Handtücher hängen auf Seilen dazwischen. Kinder laufen mit nacktem Oberkörper durch die Gegend und spielen Ball, während die “Großen” relaxt mit der Gitarre und dem Trembalo in den Händen in den Stühlen lümmeln. Ich kann mir schon vorstellen, wie es hier im Sommer aussieht.

Doch jetzt ist der englische Winter im Anflug – und Maker Heights auf der Rame Halbinsel versinkt im Matsch und in der Düsternis der Wolken, die den schnellen Prasselregen bringen. Woran es dann wohl liegt, dass ich mich dennoch auf Anhieb zu Hause fühle?

“Komm, jetzt zeige ich meine zweite Heimat!”, so hat mich meine Gastgeberin Jo kurz vor meinem Abschied von ihrer Patchworkfamilie, von ihrem (buchstäblich) immer offen stehenden Haus und damit von Cornwall hierher mitgenommen. Zum Maker Project auf den Maker Heights, nur fünf Autominuten von ihrem Daheim entfernt. Und doch wieder eine andere Welt – genauso wie vor ein paar Tagen, als ich von Plymouth hier ins versteckte Eck Cornwalls und somit in eine andere, eine noch immer eine Spur “heilere” Welt gefahren bin.

Alternaltivcommunity, Veranstaltungsräume, Künstlerateliers, Platz für Ideen und die Umsetzer dieser, ein von Volunteers betriebenes Kaffeehaus, verlängertes Wohnzimmer – es ist schwer in nur eine Kategorie einzuordnen, was sich hier in den alten Gebäuden des Maker Projects verbirgt. Vor mittlerweile über 15 Jahren haben sich die ersten Leute angesiedelt, um die Mauern der früheren Baracken hoch über der Gemeinde Maker-Rame vor dem Abriss und den riesigen Grund vor der Bebauung mit Hochhäusern zu schützen. Maler, Musiker, Wedding Planner, Pferdehalter: Die Vielfalt derer, die sich hier eingemietet haben ist genauso bunt wie das 44,5 Hektar große Areal an sich. Dazu tragen natürlich die vielen Künstler bei, denn sie werden besonders vom Maker Project angezogen. “Es sind keine lukrativen Businesses, die hier zu finden sind,”, hat mir Jo bei der steilen Auffahrt erzählt, die aber nach einiger Zeit in den engen Rüttelstraßen Cornwalls harmlos erscheint, “doch wir nehmen gerade so viel ein, dass das Areal weiterhin uns gehört und wir es weiter bewirtschaften können.”

Wir, das sind die Mitglieder des Rame Conservation Trusts, die zwischen zehn (Single) und 25 (Familie) Pfund pro Jahr einzahlen (also zwischen zwölf und 31 Euro) , damit die Gebäude auf Maker Heights erhalten und bei Bedarf renoviert werden können. Profitieren dürfen aber alle, auch die, die sich nicht beteiligen: “Jeder kann nach Maker Heights kommen.”, erzählt mir Jo von freitäglichen Treffen der Gemeinde hoch über dem Dorf Millbrook selbst, von Livekonzerten und Festivals. Oder vom Bonfire am Samstag, das ich leider versäumt habe, weil auch in London und Umgebung einiges auf mich wartet.

Vorbei an Fußball spielenden Kindern, die sich – mit Gummistiefeln ausgerüstet – auch von der drohenden Regenwolke nicht abschrecken lassen, zeigt mir Jo weiter The Maker Project. “Im Winter setzt eine gewisse Faulheit bei den Künstlern ein.”, meint sie, die den nächsten Poetry Slam mitorganisiert, und fügt erklärend hinzu: “Die Gebäude sind in der Kälte einfach zu schlecht zu heizen.” Das ist vermutlich mit ein Grund, warum wir bei den Ateliers heute vor verschlossenen Türen stehen. Statt Kunst schauen wir uns deshalb lieber Jos selbst gebaute Jurte an. Auch das Nomadenzelt ist schon ausgeräumt und für den Winter vorbereitet: “Normalerweise sind hier ein Doppelbett, ein Kasten und Teppiche drin.”, beschreibt Jo das mongolische Riesenteil, das sie im Sommer Gästen zu Verfügung stellt.

Seit zwei Jahren kann man hier auf Maker Heights nämlich campen: Übernachten kann man im eigenen Zelt oder in einem der Campingwägen der DorfbewohnerInnen, die hier auch jetzt herumstehen. Oder eben in einer Jurte wie die von Jo. Einfach perfekt für meinen nächsten Besuch in Cornwall denke ich und bin restlos überzeugt, als ich mich im Blick aufs weite Meer und bis ins nahe Dartmore verliere.

“Schnell, der Regen kommt!”, reißt mich Jo aus meinen Träumereien. Und sie hat natürlich recht: Wir schaffen es gerade noch, die Tür hinter dem Maker Junction Café zu schließen. Es ist ohnehin einen Besuch wert: Es wird vor allem von Freiwilligen betrieben, die hier auf Maker Heights auch wohnen können. Zwei kleine Buben laufen in den üblichen zu großen Gummistiefel herum, eine Gruppe von vier Menschen sitzt beieinander und zeichnet, der Laptop liefert Chillout-Musik, an den Wänden werden Töpferworkshops, Bandproben und Co angekündigt, im Hinterraum laden Bücherregale und Billardtische ins verlängerte Wohnzimmer ein. Und während Jo schon wieder einmal eine ihrer zahlreichen FreundInnen getroffen hat, belohne ich mich an der Theke mit Kaffee und Kuchen: Gerade richtig, um auf das Ende des Regens zu warten und sich noch einmal so richtig „at home“ zu fühlen, im Maker Project…

 

Die Website über das Maker Project und den Rame Conservation Trust ist im Entstehen: www.themakerproject.org.uk

Ich befinde mich auf den Spuren des Reisebuchs “Eat-Surf-Live”. Wenn ihr mehr dieses Projekt erfahren und die beiden Autorinnen Katharina und Vera unterstützen möchtet, schaut auf startnextOffenlegung: Avis stellte mir für die Cornwall-Recherchereise ein Mietauto zu Verfügung. Herzlichen Dank dafür! Die Meinungen und Ansichten in den Geschichten bleiben die meinen.

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Unvergessliches, vergessenes Eck Cornwalls

Eingesunken lehnt er da, an der weißen Wand der Westcroft Gallery, die seine Frau und er samt Guesthouse vor einigen Jahren in Kingsand eröffnet haben: Dylan McLees Taylor, groß, widerspenstiges blondes Wuschelhaar, gekleidet…

Eingesunken lehnt er da, an der weißen Wand der Westcroft Gallery, die seine Frau und er samt Guesthouse vor einigen Jahren in Kingsand eröffnet haben: Dylan McLees Taylor, groß, widerspenstiges blondes Wuschelhaar, gekleidet in betont nachlässigem London-Chic. Mit ausladender Gestik malt er mal eben so seine Begeisterung in die Luft. Und verzieht seine Lippen zu einem lässigen Grinsen, wenn ich wieder nach englischem Vokabular suche. „Der könnte in einer Rosamunde Pilcher-Verfilmung höchstens noch den zwielichtigen Widersacher spielen.“, ertappe ich mich beim Gedanken an triefenden Kitsch. Zu meiner Verteidigung: Das kommt nicht von ungefähr, schließlich befinden wir uns gerade in Cornwall.

Cornwall. Man braucht nur den Namen nennen, schon tauchen Bilder auf von grünen Endlos-Wiesen, Steinmauern, die in Efeu und sonstigem Planzenwerk untergehen; friedlich grasenden Kuh-, Schaf- oder Was-auch-immer-Herden, Häusern, die sich „Mermaid Cottage“ nennen und Gummi bestiefelten, behüteten, behandschuhten Menschen, deren Tagesablauf aus Gartenarbeit und dem Fünf-Uhr-Tee besteht.  Soll ich euch etwas verraten: Es ist genau so – nur, dass es neben den in tarngrün-braun gekleideten Personen aus den Pilcher-Filmen eine bunte Community an kreativen, alternativen Charakteren wie Dylan gibt. Oder wie die Dramatherapeutin in Ausbildung, Jo, die mir via Couchsurfing ihr Haus geöffnet hat.

„Möchten Sie einen Kaffee bei uns trinken?“, mittlerweile überrascht mich die Frage nicht mehr, ist es doch bereits das dritte Mal heute, dass sie mir gestellt wird. Von Fremden wohlgemerkt, nach ein paar Minuten Smalltalk, vor 10 Uhr morgens! Ich bin auf dem Wanderpfad zu Rame Head, laut Katharina und Vera vom Reisebuch “Eat-Surf-Live” der ideale Einstieg in einen Cornwall-Urlaub. Ich weiß zwar (noch) nicht, wie der meine weiter geht, aber eines kann ich schon sagen: Die Wanderung lohnt sich in jedem Fall. Zwei Stunden hin und zurück bin ich von Kingsand am teils asphaltierten Küstenpfad entlang bis an den äußersten Zipfel der Rame Halbinsel spaziert, wo die Überreste der St. Michael’s Chapel seit Jahrhunderten Wache halten. Aber es ist nicht das Ziel, das lockt, sondern tatsächlich der Weg dorthin. Die von Katharina und Vera angekündigten Pferde und Ponys waren zwar zu dieser Jahreszeit nicht mehr auf der Weide, doch mein Blick war ohnehin gefesselt: Vom rauschenden Meer mit seinen wilden Klippen und vor allem vom bunten Herbstwald, der gerade jedem Maler Konkurrenz macht.

„Die Bäume findest du nirgendwo sonst in Cornwall, sie sind hier gepflanzt worden.“, erzählt mir Dylan später enthusiastisch. Für ihn ist Rame Head übrigens der „schönste Platz auf Erden“, trotz oder gerade wegen acht Jahren in London und zwei Jahren auf Reisen. Erst 2004 hat es Dylan mit seiner Frau Sarah wieder an seinen Geburtsort gezogen – so wie viele andere Alternative und Kreative. „Nicht nach Cornwall, nach Kingsand!“, wie der Enddreissiger betont. Denn Kingsand und Umgebung sind anders.

Im Reiseführer Eine Perfekte Woche in Cornwall von der Sueddeutschen wird die Gegend als „Riviera“ Englands bezeichnet, Katharina und Vera sprechen vom „stiefmütterlichen“ Dasein des Ortes, der von der Stadt Plymouth in der Hochsaison zwischen März und Oktober (genauso wie am heutigen Feiertag) direkt per Fähre in 30 Minuten erreichbar ist. Gut so, denn Autos haben in den engsten Straßen ohnehin keinen Platz – ich weiß, wovon ich spreche, habe ich mich doch heute samt fahrbarem Untersatz dorthin verirrt. Dass ich heil und ohne Kratzer wieder heraus gekommen bin, verdanke ich den hilfsbereiten Mannen der Müllabfuhr, die mich zum nächsten Parkplatz geleitet haben. „Kingsand wird unterschätzt und übersehen.“, erklärt mir auch Dylan und fügt hinzu: „Wir haben zwei Parkplätze hier im Ort, und wenn die voll sind, ist Kingsand voll.“ Während er mir von Gästen erzählt, die erst nach jahrzehntelangen Cornwall-Besuchen zufällig über den Ort stolpern, lässt mich das Gefühl nicht los, dass ihm das gar nicht so unrecht ist.

Die Ruhe ist es auch, die die Stammgäste sowie -familien – und davon gibt es jede Menge, wie die Wachstumsmarker der Kinder auf den Wänden der Galerie beweisen – anzieht. Statt Touristenmengen wie in St. Ives bietet Kingsand vor allem eines: Cornische Gemütlichkeit.  Das und Whitsand Bay, den schier unendlichen Lieblingsstrand – nicht nur – von SurferInnen, der in nächster „walking distance“ liegt. Und Gehen, das gehört zu Cornwall ohnehin dazu. Mehr als 1.000 Kilometer „South West Coast Path“ kann man genauso bezwingen wie die Wanderwege dazwischen.

„Wir haben die Landschaft und jetzt haben wir auch die Kulinarik.“, Dylan hört nicht auf, überzeugt und nicht weniger überzeugend für Kingsand zu werben. Seit einigen Jahren ist der Ort tatsächlich für seine Gastronomie bekannt: Das Devonport Inn zum Beispiel, dessen französischer Koch schon gern einmal mit dem 80-jährigen Nachbarn zum Fischen geht und das frisch gefangene abends dann auf die Teller bringt. Mir hat das Lieblingspub von Dylan, das nur eine Gehminute von der Westcroft Gallery entfernt liegt, heute mit Pilzrisotto und herrlichem Schokopudding den Abend versüßt. Gut so, denn normalerweise ist das Lokal in der Winterzeit dienstags geschlossen, doch dank der Ferienwoche war ausnahmsweise offen.

Warum viele schon einmal aus London in die Gegend kommen, liegt aber vor allem am Restaurant The View. Da lockt nicht nur die namensgebende Aussicht auf Whitsand Bay, sondern besonders das köstliche Essen. So heißt es. Denn im Moment muss man darauf warten: Im September wurde The View von einer Flut überschwemmt und wird vermutlich erst wieder im Januar oder Februar eröffnet, wie mir Besitzer Matt verraten hat. „Mit neuem Boden und in neuem Glanz“ erstrahlt das Restaurant dann – und gibt mir einen Grund für einen weiteren Besuch in diesem vergessenen, unvergesslichen Eck Cornwalls.

Als ob ich dafür eine Grund gebraucht hätte: Ich habe mich ohnehin entschieden, die nächsten Tage auch hier in der Umgebung zu verbringen. Vielleicht schaue ich morgen in der Maker Künstlercommunity vorbei. Vielleicht sehe ich einfach nur aus dem Fenster, wie der Wind draußen die Blätter von den Bäumen weht. Ich scheine schon gelernt zu haben von den Menschen hier. Um es mit Dylan zu sagen: „Hier geht es nicht darum, eine Checklist abzuhaken, bei uns geht es darum einfach zu sein.“

 

Ich befinde mich auf den Spuren des Reisebuchs „Eat-Surf-Live“. Wenn ihr mehr über dieses Projekt erfahren und die beiden Autorinnen Katharina und Vera unterstützen möchtet, schaut auf startnextOffenlegung: Avis stellte mir für die Cornwall-Recherchereise ein Mietauto zu Verfügung. Herzlichen Dank dafür! Die Meinungen und Ansichten in den Geschichten bleiben die meinen. 

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Überlegungen zur Wende in Myanmar

Burma boomt. Jedes Mal, wenn ich von vollen Hotels und Guesthouses abgewiesen wurde, bekam ich das zu spüren. Wie stark sich die Zahl der Touristen tatsächlich erhöht hat, erfuhr ich…

Burma boomt. Jedes Mal, wenn ich von vollen Hotels und Guesthouses abgewiesen wurde, bekam ich das zu spüren. Wie stark sich die Zahl der Touristen tatsächlich erhöht hat, erfuhr ich aber erst am letzten Tag in einem amerikanischen Restaurant in Mandalay. Hier lag eine Zeitschrift mit den Besucherstatistiken der ersten sieben Monaten dieses Jahres herum. Rund 300.000 Menschen, zum größten Teil aus asiatischen Ländern, reisten demnach in Myanmar ein. Das sind ganze 37,5 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum im Vorjahr. Schweizer wie ich machen pro Monat etwa hundert Einreisen aus – Deutsche rund zehn Mal mehr.

Soweit die Zahlen. Doch was sind die Gründe, dass das Land plötzlich so beliebt wurde? Ich mache die Probe aufs Exempel und frage den einsamen Touristen am Nebentisch.  James Blumenthal ist knapp 30 Jahre alt, stammt aus New York und will im nächsten Jahr ein eigenes Goldhandelsunternehmen gründen. Weil er weiß, dass es sich dann bald ausgereist hat, erkundet er vorher noch schnell die Welt. „Ich wollte schon immer nach Myanmar,“, erzählt er, „aber erst seit Aun Dingsda Präsidentin wurde, ist es wieder politisch korrekt, das Land zu besuchen.“  Hier irrt er sich.

Politisch korrekt

Die Frage nach dem richtigen Verhalten beschäftigt Myanmar-Reisende seit die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi vor ein paar Jahren zu einem touristischen Boykott des Landes aufgerufen hat. Und mich beschäftigte die Frage besonders, seit ich gebeten wurde, einen Gastbeitrag über meine zweiwöchige Rucksackreise zu verfassen.

Was hat sich also verändert, seit Reisen in die Militärdiktatur nicht opportun waren? Zunächst eher wenig. Aung San Suu Kyi wurde vor zwei Jahren aus dem Hausarrest entlassen und durfte sich im Frühling 2012 ins Parlament wählen lassen. Das mag fürs Land ein bedeutender Schritt sein, er darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Militärjunta noch immer fest im Sattel sitzt. Wer das Land vor zwei Jahren nicht bereisen wollte, dürfte dies eigentlich auch heute nicht tun, es sei denn, er wolle die Regierung für die zaghaften Öffnungsversuche belohnen.

Die Frage ist indes, ob ein Fernbleiben überhaupt etwas bringt? Lonely Planet rechnet in seinem neusten Reiseführer vor, dass bei einer zweiwöchigen Individualreise für rund 420 Dollar zwischen einem Viertel und einem Fünftel in die Regierungskassen gespült wird. Der Rest kommt den Menschen zu Gute. Ich habe unterwegs mit Einheimischen über das Thema geredet. Zwar habe ich auf Grund meines Status als Reisender natürlich besonders häufig Menschen kennengelernt, die direkt vom Tourismus profitieren. Doch generell scheint mir, dass sich die meisten über die Zunahme der Besucher freuen. Viele Menschen können an den Reisenden schließlich etwas verdienen: Seien das die Besitzer von kleinen Pensionen oder auch bloß einfache Ladenbesitzer, die hin und wieder für 300 Kyat (Anm.: Rund 0,26 Euro) eine Flasche Trinkwasser verkaufen können.

Nachhaltig reisen

Eine andere Frage ist jedoch, wie nachhaltig man sich auf einer Myanmarreise verhalten kann. Weil mir das persönlich wichtig ist, habe ich in einem lokalen Reisebüro in Kalaw ein dreitägiges Trekking zum Inle See gebucht. Es hieß, wir würden durch mehrere abgelegene Minderheitendörfer wandern. Für mich war das nicht nur eine touristisch attraktive Alternative zu einer weiteren Rüttelfahrt im Bus. Es war auch etwas fürs soziale Gewissen, konnte ich doch einen Teil meiner Ausgaben in einem wirtschaftlich kaum erschlossenen Gebiet tätigen.

Die Realität sah jedoch anders aus. Damit der Tour-Operator seinen Gewinn optimieren konnte, aßen wir in den Dörfern nicht etwa bei den Einheimischen, sondern wir hatten einen Koch von der Trekking-Agentur dabei, der jeweils mit dem Auto zur nächsten Etappe fuhr und für uns kochte. Von zwei Reiseführern, die mit uns mit kamen, bekam einer überhaupt keinen Lohn. Grund: Er befindet sich noch im Ausbildung und muss zwei Monate lang jede Woche das Trekking mitlaufen, bis er den Weg gut genug kennt, um einer eigenen Gruppe den Weg zu weisen. In Dörfern durften wir nie länger bleiben. Schließlich sollten wir ja am Ende die Souvenirs bei einem Laden kaufen, der Provisionen auszahlt.

Auch wenn die Bilanz an vielen Stellen nicht besonders gut ausfällt sind Besuche des Landes trotzdem wertvoll. Myanmar gehört zu den Ländern mit der stärksten Medienzensur.  In den vielen persönlichen Gesprächen, die man mit den oft sehr neugierigen Menschen führen kann, übermittelt man ein Wissen über das Weltgeschehen, das den Einheimischen teilweise vorenthalten wird. Letztlich spricht für ein Besuch jedoch vor allem eines: Myanmar ist ein unglaublich spannendes und facettenreiches Reiseland mit ausgesprochen freundlichen Menschen.

 

Oliver, der Autor dieses Gastbeitrages, ist 37 Jahre alt und freier Journalist und Herausgeber des Weltreiseforums. Er lebt seit mehreren Jahren in Peking und unternimmt von dort aus regelmäßig Reisen in alle Ecken Ostasiens. Im Oktober 2012 besuchte er zum ersten Mal für zwei Wochen Myanmar. Die Route führte ihn durch das Dreieck Mandalay – Bagan – Inle-See.

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Von Öko-Nomaden und Gut-Reisenden …

Eine Wohnung habe ich derzeit nicht. Ich lebe aus dem Rucksack. Ich schlafe bei FreundInnen auf der Couch (Danke!). Ich ernähre mich vegetarisch, wenn geht auch vegan. Die Worte Nachhaltigkeit,…

Eine Wohnung habe ich derzeit nicht. Ich lebe aus dem Rucksack. Ich schlafe bei FreundInnen auf der Couch (Danke!). Ich ernähre mich vegetarisch, wenn geht auch vegan. Die Worte Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Recycling kommen mir täglich mehrfach über die Lippen. Ich heiße Doris und bin Öko-Nomadin!

„Eco-nomads are people who consciously choose to not work full time and dedicate their life to ecological projects. By not having a full time job, you have the time and energy to do so.“ Okay, durchgefallen! Die Kriterien von Pieter Abts erfülle ich nicht, schon gar nicht, weil ich ein Auto (und ab Ende November vermutlich auch wieder eine Wohnung) habe. Dennoch ist das eine gute Gelegenheit, ein Versprechen einzuhalten: Ob Öko-NomadIn oder nicht, wie kann ich so gut, so nachhaltig, so rücksichtsvoll und bewusst wie möglich reisen?

Beiträge zum „sanften Tourismus“ finden sich viele im Netz, ich habe dazu auch bereits meinen Senf abgegeben. Klarheit bedeutet das aber noch lange nicht. Kein Wunder, gibt es doch noch nicht einmal eine allgemein gültige und akzeptierte Definition dafür. Ökotourismus ist nicht nachhaltiger Tourismus ist nicht sanfter Tourismus…

„Nachhaltiger Tourismus muss soziale, kulturelle, ökologische und wirtschaftliche Verträglichkeitskriterien erfüllen. Nachhaltiger Tourismus ist langfristig, in Bezug auf heutige wie zukünftige Generationen, ethisch und sozial gerecht und kulturell angepasst, ökologisch tragfähig sowie wirtschaftlich sinnvoll und ergiebig.“ Forum Umwelt und Entwicklung, 1999

Ob gut oder schlecht, jeder muss darf für sich herausfinden, wie er oder sie nachhaltig(er!) reisen kann und will. Alles was ich hier schreibe sind Vorschläge, meine, ganz persönlich und subjektiv, solche, die für mich funktionieren. Inspiriert werden erlaubt! Inspirieren ebenso!

Collaborative Consumption

Klingt toll, stimmt’s? Heißt nichts anderes als das Teilen von persönlichen Gegenständen mit anderen Menschen. Sprich: Statt kaufen lieber tauschen, ausborgen, gemeinsam nutzen. Wer schon einmal auf einer (längeren) Reise war, macht das fast automatisch: Da ist jedes Buch, jedes Kleidungsstück im Gepäck zu viel. Dazu gehört aber auch Couchsurfing am besten via Sustainable Couch, Airbnb und Co genauso wie Mitfahrgelegenheiten. Dass man dabei nicht nur Energie spart, sondern zusätzlich Kosten ist schon ein Vorteil. Das Genialste daran sind aber die Begegnungen, die dabei entstehen!

Be a act as a local

Das heißt Respekt vor der Kultur zu haben, in der ich mich befinde, und Spielregeln einzuhalten. Egal, ob ich verstehe, warum bestimmte Bräuche so sind oder nicht – typisches Beispiel ist der Respekt vor der Religion. Ich muss ja in einem christlichen Land nicht mit unbedeckten Schultern in die Kirche gehen. Dazu gehört zu fragen, wie viel Trinkgeld man normalerweise gibt genauso wie angemessene Preise zu zahlen. Das heißt aber nicht, das Eigene komplett auszublenden. Nur weil man in Kolumbien zum Beispiel den Abfall auf die Straße geworfen hat, habe ich das trotzdem nicht so gemacht. Und ich probiere keine Fleischgerichte, auch wenn ich dann DAS Nationalgericht schlechthin verpasse. Geht einfach nicht.

Was es darüber hinaus bedeutet ist, so gut wie möglich die lokale Wirtschaft zu unterstützen: In Hotelketten schlafen – nein. Auf dem regionalen Markt kaufen und Kooperativen besuchen – ja. Das gilt fürs (landestypische) Essen wie für alles andere.

Vor allem aber heißt es, dem Gegenüber auf gleicher Augenhöhe zu begegnen: Und ja, dazu gehört auch, manchmal auf den „besten Schnappschuss aller Zeiten“ zu verzichten – schließlich geht’s hier um Menschen und nicht um Tiere im Zoo!

Hablas español? Wie sehr mir in acht Monaten Südamerika geholfen hat, dass ich diese Frage mit „Si!“ beantworten konnte! Es ist schon unglaublich, wie öffnend und einladend es auf Einheimische wirkt, wenn man nur ein paar Worte der Sprache spricht. Zumindest einige Brocken aufzuschnappen geht auch meist ganz einfach (und auf längeren Touren fast schon automatisch).

Zeit ist Gold – und leider etwas, was man nicht immer hat. Ich bin mir dessen bewusst. Ja, ich mache viele Kurztrips, that’s my job. Aber ich versuche – wenn es geht – , länger an einem Ort zu bleiben, wie zum Beispiel auf Hawaii, wo ich in einer Community gelebt habe oder in Bogotá. Ich finde, man lernt dadurch Land und Leute noch besser sowie vor allem von einer ganz anderen, der nicht-touristischen Seite kennen (und immer lieben!).

Mit Zeit reist es sich auch anders: Da lässt es sich leichter auf Bus, Rad oder Füße umsteigen statt mit Auto oder Flugzeug zu reisen. Aber auch ohne Zeit gilt zumindest so viel wie möglich marschieren und öffentliche Verkehrsmittel nutzen –  das fördert wiederum lokale Arbeitsplätze. Dass es die Umwelt schont, das ist uns ohnehin allen klar. Übrigens gibt es manchmal auch witzige Alternativen, wie eine Fahrt mit dem Velotaxi oder Solarboot…


Nachhaltiges unterstützen

Dazu gehört für mich zum Beispiel darauf zu achten, mit welchem Touranbieter ich einen Ausflug mache. Ich bin kein Fan von Führungen, aber wenn schon, dann doch am besten mit einem Anbieter, der auch Wert auf Nachhaltigkeit legt. Der Einheimischen gehört. Wo wieder in die Gemeinschaft investiert wird. Die zertifiziert sind.

Wie ich das besonders gern mache: Indem ich Ökodörfer besuche, Naturschutzzentren anschaue und auf grüne Projekte neugierig bin. Und darüber berichte natürlich!


Grenzen und Ressourcen achten 

„Warning! Don’t go further!“ Solche Schilder stehen meist nicht einfach nur so da, der Raum ist nicht umsonst geschützt. Grenzen einzuhalten ist mir wichtig: Wenn man mir sagt, dass ich Tiere nur aus 100 Meter Entfernung fotografieren darf, dann gehe ich nicht auf Tuchfühlung mit ihnen. Auch wenn andere dann vielleicht die besseren Fotos haben. Und ich nehme keinen Lavabrocken mit, wenn extra gebeten wird, alles liegen zu lassen. Grenzen haben ihren Sinn – und ich denke, das sollten wir respektieren!

Die Betten zwei Mal pro Tag machen lassen. Handtücher nach einer Benutzung wechseln. Sich eine halbe Stunde duschen und die ganze Zeit das Wasser laufen lassen. Und die Klimaanlage 24/7 eingeschaltet lassen. Solche „Annehmlichkeiten“ scheinen sich auf Reisen eingebürgert zu haben – aber wozu? Ressourcen sind da, um sie sinnvoll zu nutzen, nicht um sie zu verschwenden. Und Handtücher sind auch nach drei Tagen noch wunderbar…

Alles logisch, oder? Ach ja, das sind nicht nur meine Vorschläge für werdende Öko-NomadInnen und fürs Reisen, sondern auch für zu Hause – aber das habt ihr euch wohl ohnehin gedacht.

5 Kommentare zu Von Öko-Nomaden und Gut-Reisenden …

Malediven: Putztrupp statt Cocktail

Ein paar Inseln – eine kleiner und einsamer als die andere – umgeben von mal tiefblauem, mal türkisfarbenem Meer, das in der Sonne glitzert. Honeymoon-Paradies mitten im Nirgendwo, wo die…

Ein paar Inseln – eine kleiner und einsamer als die andere – umgeben von mal tiefblauem, mal türkisfarbenem Meer, das in der Sonne glitzert. Honeymoon-Paradies mitten im Nirgendwo, wo die einzige Sorge darin besteht, welchen Cocktail man sich zuerst an den Pool liefern lassen soll. Ich gebe zu, mein Bild von den Malediven war ein sehr einseitiges (ein Grund, warum mich der Inselstaat nicht interessiert hat). Bis bei den ERDgesprächen der Film The Island President über den ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Inselstaats Mohamed Nasheed gezeigt wurde.

Ich habe die Dokumentation damals nicht gesehen, aber irgendetwas hat klick gemacht – die Malediven haben mich seither nicht los gelassen. Vielleicht, weil es den Inselstaat bald nicht mehr gibt: Das Paradies mit seinen 1.196 Inseln, von denen 200 bewohnt und weitere 87 als reine „Ressortinseln“ nur TouristInnen vorbehalten sind, droht nämlich wegen der globalen Erwärmung im Meer zu versinken. Eine Gefahr, die Nasheed bis zu seinem („erzwungenen“) Rücktritt im Februar 2012 laut nach außen und innen kommuniziert hat und zu der er wohl auch in Zukunft nicht schweigen wird.*

„Ich denke, dass man als einzelner versuchen sollte etwas zu bewegen und zu verändern. Daher werde ich nicht aufgeben, auch wenn das Ergebnis sein sollte, dass dieser Staat nicht mehr zu retten ist!“ Nein, diese Aussage stammt nicht von Nasheed, nicht von einem anderen Staatsmann der Malediven, sondern von Mascha Blome. Die Deutsche hat sich in den Inselstaat verliebt, als sie als 19-jährige auf der Ressortinsel Machchafishi gearbeitet hat. Nicht, dass ihre ersten Erfahrungen so positiv gewesen wären, ganz im Gegenteil: Sieben-Tage-Woche, Passentzug, keine Ausreisemöglichkeit, kaum Kontakt mit der Familie – und das alles für 400 US-Dollar pro Monat. Die ehemalige Philosophiestudentin, die seit klein auf Meeresbiologin werden wollte, hat am eigenen Leib erfahren, dass die Arbeitsbedingungen vor Ort genauso wenig paradiesisch sind wie so manches andere. „Ich habe auch gehört, dass der gesamte Inselmüll nachts auf Dhonis (Anm.: traditionelle Holzboote) geladen und ins offene Meer geleert wird.“, fügt Mascha hinzu – etwas, was ihr bei ihrem letzten Aufenthalt auf den Malediven bestätigt wurde.

„Seit diesen Erfahrungen haben mich die Malediven und die Menschen dort nicht mehr losgelassen,“, erzählt Mascha, die zurzeit ihr Geld als Sprechstundenhilfe verdient, „ich habe nie aufgehört davon zu träumen, eines Tages wieder auf die Malediven zurück zu kehren und dort etwas Gutes für die Bevölkerung sowie die Umwelt zu tun.“ Das Versprechen, das sie damals gegeben hat, hat sie eingehalten: Vor zwei Jahren hat sie den gemeinnützigen Verein arkipal e.V. (ark = „Arche“, i = „und“ auf Spanisch, pal = „Freund“) gegründet. Gemeinsam mit motivierten Bekannten auf den Malediven und der NGO VFF (Velidhoo Future Foundation) möchte sie Einheimische wie TouristInnen über das Müllproblem aufklären: „Denn das führt unweigerlich auch zum Klimawandel, weil die Fauna und Flora der Inseln und des Meeres wichtig für das Gleichgewicht der Malediven sind. Sind beide angegriffen haben die Inseln keinen natürlichen Schutz mehr.“

Vor allem Ressorts möchte Mascha als Kooperationspartner an Bord holen und versucht im Moment in ihrer Freizeit von Deutschland aus das Projekt bekannter zu machen sowie UnterstützerInnen zu finden, „schließlich sind Hotels nicht unschuldig an der Umweltverschmutzung. Zum Beispiel durch den Müll, der oft im Meer entsorgt wird und durch die Strömung an den Stränden der Einheimischeninseln landet, wo er Tiere und Korallen gefährdet. Oftmals werden auch Palmen, die die Touristen auf so einer Insel erwarten, von anderen Inseln zu den Ressorts transportiert, was wieder zu Erosionsgefahr auf der Spenderinsel führt.“ Um Schuldzuweisungen geht es der Bremerin aber nicht, „wir wollen Alternativen für die Rettung der Malediven und anderer vom Klimaschutz bedrohten Staaten aufzeigen. Auf diese Weise könnten sie (Anm.: die Ressortbetreiber) der Natur etwas zurückgeben.“

Der Wiederaufbau beziehungsweise die Stärkung der schon angegriffenen Riffe mit so genannten Korallentischen, die Einführung von Recycling und Kompostierung, die Aufklärung der Einheimischen sowie der umliegenden Ressorts – auf Mascha wartet im November viel Arbeit, wenn sie für drei Monate auf die Malediven zurückkehrt. Auf lange Sicht ist außerdem geplant, mit der DAM Divers Association Maldives eine Art „Taucherpolizei“ wie am roten Meer zu entwickeln. Diese soll unter anderem darauf achten, dass Korallen nicht für den besten Schnappschuss aufs Spiel gesetzt werden. Zusätzlich möchte die Deutsche den InselbewohnerInnen mit einem Show-House zeigen, wie Kosten sparend und effizient erneuerbare Energien – Solar, LED-Lampen oder Biogasanlagen – sind. Projekte, die arkipal nur mit Hilfe von Spenden umsetzen kann.

„Pro Jahr fliegen allein ca. 60.000 deutsche TouristInnen auf die Malediven,“, berechnet Mascha, die sich vor allem FördermitgliederInnen mit monatlich individuellen Fixbeiträgen für arkipal wünscht, „wenn jeder nur einen Euro spenden würde, wären unsere Träume, Ziele und Projekte viel leichter realisierbar.“ Von den Ressorts kommt im Moment wenig Hilfe: So stand Mascha lange mit einem Hotel in Kontakt, um ein Konservierungsprogramm auf der Insel zu initiieren. „Am Ende wurde uns ein Sechs-Tage-pro-Woche-Job für 350 US-Dollar pro Monat in der Tauchschule angeboten.“ Nicht die einzige enttäuschende Reaktion, bei der man sich fragt, ob die Bemühungen von Ressorts in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz reinster Marketinggag sind.

Dann lieber gar keine TouristInnen? „Die maledivische Regierung unter Nasheed nutzte Teile der Einnahmen und Tourismussteuer, um die Umwelt zu schützen, die Folgen des Klimawandels auszubessern und Gegenmaßnahmen zu ergreifen.“, plädiert Mascha für das „notwendige Übel“ Tourismus, das neben der Fischerei wichtigste Einnahmequelle der Bevölkerung ist. Aber es braucht Regeln. „Die TouristInnen sollten sich vor der Reise auf die Malediven über das Land, die Traditionen, die Umwelt und die Probleme vor Ort informieren und sich dementsprechend verhalten,“, so die Bitte, nein, der Aufruf der Umweltschützerin an uns alle, die wir die Malediven auf der Bucket-List haben, „man sollte hier ansetzen, indem man ihnen auferlegt, einen geringen Betrag an die Einheimischen, NGOs und nachhaltige Projekte zu spenden. Ich denke, indem sie diese einzigartige Umwelt nutzen und genießen, tragen sie eine Verantwortung, diese zu erhalten!“ Statt in den nächsten Cocktail sollten wir vielleicht doch besser in diesen „Putztrupp“ für die Malediven investieren…

 

Danke, Mascha, für das Gespräch und dein Engagement! Finanzielle Unterstützung für das Projekt sind ebenso willkommen wie weitere Mundpropaganda oder Mithilfe vor Ort.

*Mohamed Nasheed, erster demokratischer Präsident, Gründer der Partei MDP (Maledivian Democratic Party), der die Malediven zum ersten klimaneutralen Staat machen wollte, trat im Februar 2012 aufgrund einer Revolte nach nur vier Jahren Amtszeit zurück. Derzeit befindet er sich wieder auf den Malediven und macht für seine nächste Kandidatur im Jahr 2013 Werbung. Mehr auf Wikipedia und im Film The Island President

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Mit grüner Brille durch Berlin

Sieht gemütlich aus, der Kaffeeklatsch: Auf zwei Gartenstühlen sitzen sie, die zwei Frauen, die Zigarette in der Hand und wegen der frostigen Herbsttemperaturen in mehrere Schichten eingepackt. Auf der anderen Seite…

Sieht gemütlich aus, der Kaffeeklatsch: Auf zwei Gartenstühlen sitzen sie, die zwei Frauen, die Zigarette in der Hand und wegen der frostigen Herbsttemperaturen in mehrere Schichten eingepackt. Auf der anderen Seite sind zwei Hipster mit einer Runde Tischfußball genauso beschäftigt wie der eine, der hier sein hoffentlich noch warmes Mittagessen mehr in sich hinein schaufelt als genießt.

Irgendwie beschleicht mich aber das dumpfe Gefühl, als Schaulustige mit Kamera bewaffnet zu stören, in diesem grünen Alltagsidyll mitten in der Stadt, umringt von Pflanzenstauden, Kräutern und Blumengewirr, von etwas angegriffenen Gemüsebeeten und Erdsäcken. Doch er darf auf keiner Tour durchs nachhaltige Berlin fehlen, der Prinzessinnengarten*.

Das hat sich wohl auch unser Guide Katharina gedacht, die uns im Rahmen einer Pressereise durch Kreuzberg, über den Morizplatz und die Oranienstraße führt. Gemeinsam mit der GoArt-Chefin Miriam Bers hat sie die „Green Design Tours“ initiiert, um „Berlins kreative, ökologische, faire, eben nachhaltige Lifestyle-Seiten erlebbar zu machen.“, wie es auf der Website heißt.

„Was, stehen wir jetzt schon im Stadtführer?“, freut sich Christoph, einer der Gründer des Co-Workings-Spaces betahaus, als wir ihm zufällig vor der Haustür begegnen. Was wie ein Café aussieht, lädt Kreative zum stunden-/tage-/monatsweisen Arbeiten an neuen – nachhaltigen (?) – Projekten ein. Hinten gibt es außerdem eine Werkstatt und natürlich „richtige Büros“.

Teil der Tour ist auch eine Fahrt zu einer besonders riesigen grünen Seite Berlins: Zum Gelände des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof, wo mittlerweile der größte Park der Stadt zum Erskaten, Erlaufen, Erradeln, Ergärtnern oder anderem Erleben einlädt.

Und sonst? Ein paar Ökoläden, ein „grünes“ Papiergeschäft, ein Eckladen für Bio-Küche… wirklich spannende Projekte zeigt der rund dreistündige Spaziergang kaum. Ob es daran liegt, dass in Berlin alles weiter verstreut ist und die Wege zu lang für eine zeitlich befristete Tour sind? Oder vielleicht wären wir mit einer „Creative sustainability tour“ von ID22 besser beraten gewesen? Oder waren wir schlicht und einfach zur falschen Zeit am falschen Ort? Ich fand es jedenfalls schade, hat doch die deutsche Bundeshauptstadt, die sich mit Extremen wie „grünste, Auto freiste Stadt, Radfahrparadies“ nur so überschlägt, garantiert mehr zu bieten. Das verspricht zumindest die 15-seitige (!) Information, die uns visitBerlin mitgegeben hat.

Einen Apfelstrudel in Deutschlands erstem klimaneutralen Restaurant kosten, in einem der 30 individuell von KünstlerInnen gestalteten Zimmer des ersten Bio-Hotels der Stadt übernachten, das Kultur- und Sozialzentrum ufaFabrik besuchen, dessen Energie aus Blockheizkraftwerken gewonnen wird, mit einem Solar-Hausboot die Wasserwege entlang schippern: Berlin sieht mich jedenfalls (nicht nur deshalb) wieder! Vielleicht schon um den 17./ 18. November zur „ersten Verbrauchermesse rund um den nachhaltigen Genuss, Konsum und energieeffizienten Technik“, dem 5. Berliner Heldenmarkt im Postbahnhof.

*Seit 2009 belebt das mehrfach ausgezeichnete Ökolandbau- und Community-Projekt Prinzessinnengarten die Nachbarschaft des prekären Viertels Kreuzberg und zeigt, wie die Städte der Zukunft gestaltet und wie Menschen integriert werden können.

 

Eingeladen von Deutsche Zentrale für Tourismus in Kooperation mit Tourismus Marketing Brandenburg, Fly Niki und visitBerlin durfte ich einige Tage in Brandenburg und Berlin verbringen. Herzlichen Dank dafür! Die Meinungen und Ansichten in dieser Geschichte bleiben meine Eigenen. 

Nähere Infos zum Reisen in Berlin findet ihr hier: visitBerlin

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Grundkurs Spreewald: Stadt – Land – Fluss

“Und wo bleibt die Haselnuss?” Mit einer meditativen Gedankenreise hin zu Mammuts, Büffel und zu zugefrorenen Eisdecken wollte uns unser Tourguide von den Spreescouts die Eiszeit und somit die Entstehungszeit des Spreewalds näher…

“Und wo bleibt die Haselnuss?” Mit einer meditativen Gedankenreise hin zu Mammuts, Büffel und zu zugefrorenen Eisdecken wollte uns unser Tourguide von den Spreescouts die Eiszeit und somit die Entstehungszeit des Spreewalds näher bringen. Und dann diese Frage.

Nein, dass unsere Gruppe – ein paar erwachsene JournalistInnen aus Österreich – bei Eiszeit sofort an den Film “Ice Age“ denken muss, das hat unser Guide wohl nicht erwartet. Er könnte sich aber schon einmal daran gewöhnen, zeigen die Spreescouts doch vor allem Kindern und Jugendlichen die “Schatzkammer Spreewald”, machen Exkursionen zu Blockhäusern und Radtouren mit Kochkursen. Nachhaltige Aktiv-Führungen und Touren, die in Zusammenarbeit mit dem Spa Hotel “Zur Bleiche” auch für TouristInnen verstärkt angeboten werden sollen.

Eine davon durften wir gestern schon mit unserem Spreescout erleben: “Colonisten für den König” lautet der klingende Name einer Radtour, die uns von Burg, dem flächenmäßig größten (und sicher weit verstreutesten) Ort Deutschlands, durch das UNESCO Biosphärenreservat Spreewald geführt hat. Ja, jeder kennt den “alten Fritz”, spricht liebevoll von ihm wie von einem Kindheitsfreund. Er ist einfach omnipräsent, der Preußenkönig Friedrich der Große, der “Ausländer” aus dem Nachbarland Sachsen und anderen Regionen im Spreewald angesiedelt hat. Land, Steuerfreiheit, Geld… er musste wohl einiges versprechen, um ihnen das ursprüngliche Sumpfland schmackhaft zu machen.

Wie viel Arbeit dahinter gesteckt haben muss (und wohl noch immer steckt), die so genannte “Obst- und Gemüsekammer Berlins” zu bewirtschaften, das können wir nur erahnen. So radeln wir auf “Mina”, “Kito” und Co – unsere schicken blau-grauen ROTOR-Räder aus Leipzig tragen typische alte Namen des hier ansässigen westslawischen Volksstammes der Sorben – vorbei an üppigen Apfelbäumen, feuchten Wiesen ohne Umzäunung, kleinen Beeten mitten in großen Feldern und schmucken Blockhäusern. Nur das Rauschen der Erlen und das Plätschern des Wassers in den Fließen, wie die Nebenflüsse der Spree genannt werden, durchbrechen die Stille.

“Ideal für Burnout-Kandidaten, hier lenkt nichts ab.”, treffender als meine Kollegin könnte ich es nicht ausdrücken. Ja, hier könnten wir uns so richtig entspannen, in dieser schön aufgeräumten, sauberen, weitläufigen Landschaft, wo selbst in noblen Hotels Wi-Fi ein Fremdwort ist. Könnten – wäre da nicht der Faktor Zeit. Denn wir möchten einiges unterbringen auf unserer Reise. Dementsprechend kurz fallen auch die zahlreichen Stopps auf der Radtour aus: Streuobstwiesen, das ehemalige Bleichhaus und jetzige Spa Hotel, in dem Hemden für die Armee weiß gemacht wurden oder ein typisches Stallhaus, wo sowohl Tiere als auch Menschen zusammen gewohnt haben und das von einem sächsischen Paar renoviert wurde – Geschichten von Friedrichs Wirken werden im Schnelldurchlauf erledigt.

“Ab in die Kiste”, dass der Ausdruck genauso wie “den Löffel abgeben” aus dieser Zeit stammt, lernen wir erst später beim Besuch des Freilandmuseums Lehde. Da können wir nämlich in ein solches Stallhaus und andere ursprüngliche Gebäude hinein, die von überall in Brandenburg abgetragen und hierher nach Lübbenau in den Spreewald gebracht wurden. Wir erfahren, dass in einem Bett alle Generationen Platz hatten – und in einer ausziehbaren Kiste die Jüngsten schliefen. Und dass aus einer Schüssel gegessen und der Löffel weitergereicht, eben abgegeben wurde.

Nein, dass wir nicht genug Neues und Wissenswertes erfahren hätten, das können wir von unserem ersten Tag im Spreewald nicht sagen. Und auch unser Spreescout Guide feiert eine doppelte Feuertaufe: Für den gebürtigen Hessen, der – wie die meisten Guides des jungen Unternehmens – in Berlin wohnt, war es nicht nur die erste Radtour, auch die heutige Paddeltour ist für ihn neu. Genauso wie für uns “Ösis”: Auf Zweier- und Dreierteams aufgeteilt rudern wir einige Stunden in Kanus mit Namen wie „Tschummi“ oder „Bluschnitza“ über die Spree und in die Seitenarme.

Es ist ganz anders als das Erlebnis, das wir gestern bei einer gemeinsamen Fahrt mit einem Kahn hatten. Während am Vortag ein Kahnführer für uns die Arbeit erledigt hat, heißt es jetzt für jeden Einzelnen: Gegen die Strömung steuern, darauf achten, weder links noch rechts gegen das Ufer zu stoßen, teilweise im dichten Gras und Schilf paddeln, durch Schleusen durchfahren und den anderen Booten sowie Kähnen ausweichen. Im Schweiße meines Angesichts und die Jammerlaute meines Kollegen im Ohr, der wieder einmal die schnelle Strömung verflucht, fällt es mir ganz schön schwer, das Hier und Jetzt zu genießen. Dabei wäre es so romantisch, durch die Ortsteile von Burg zu gleiten und an Häusern vorbeizuströmen, die teilweise nur mit Boot erreichbar sind. Ja, solche Gebiete gibt es tatsächlich noch, in Lehde nämlich, wo dann auch die Post auf dem Flussweg verteilt wird.

“Einfach immer dem Wasser nach!” empfiehlt einer der vielen Kahnfahrer, als wir uns mit den Kanus verirren und nach der Richtung fragen. Ein echt heißer Tipp bei den 6.700 Kilometer Wasserstraßen und 3.500 Seen, die es in Brandenburg gibt! Dem könnten wir sogar morgen folgen, wenn wir es weitergeht nach Berlin. Mitten in einem Binnendelta der Spree gelegen, kann man von Burg direkt in die Bundeshauptstadt paddeln. Drei bis vier Tage dauert das “Vergnügen”, für das uns aber leider die nötige Schulterstärke Zeit fehlt. Also geht es mit dem Bus vom ländlich-stillen Brandenburg ins hippe Berlin, das auch mit dem Zug nur eine Stunde von hier entfernt liegt. Dann hätten wir alles: Stadt – Land – Fluss.

Eingeladen von Deutsche Zentrale für Tourismus in Kooperation mit Tourismus Marketing Brandenburg, Fly Niki und visitBerlin durfte ich einige Tage in Brandenburg und Berlin verbringen. Herzlichen Dank dafür. Die Meinungen und Ansichten in dieser Geschichte bleiben meine Eigenen. 

Nähere Informationen zum Reisen in Brandenburg findet ihr hier: Tourismus Marketing Brandenburg

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