Eco. Life. Style.

Autor: Nadine

Nadine sucht das Glück: Das Glück unter den Füßen

„Blumen sind das Lächeln der Erde“ sagte einst Ralph Waldo Emerson, ein amerikanischer Philosoph und Schriftsteller. 1837 verkündete er in seinem Buch „Nature“, dass in der Natur die wahre Quelle…

„Blumen sind das Lächeln der Erde“ sagte einst Ralph Waldo Emerson, ein amerikanischer Philosoph und Schriftsteller. 1837 verkündete er in seinem Buch „Nature“, dass in der Natur die wahre Quelle der göttlichen Offenbarung liege. Beinahe 200 Jahre sind seitdem vergangen, schon lange nimmt die Natur nicht mehr diesen Stellenwert ein. Sie wird als etwas Selbstverständliches angesehen, von vielen gar nicht beachtet, ja sogar als Übel betrachtet. Wälder nehmen zu viel Platz ein, Unkraut muss aus dem Garten verbannt werden, für wilde Blumenwiesen haben wir keinen Bedarf. Dass wir uns damit selbst um unseren größten Reichtum bringen, spielt keine Rolle. Wir müssen uns ausbreiten, Häuser und Fabriken bauen und ein noch feineres Netz aus Straßen und Wegen um die ganze Welt spannen. Wir leben grau in grau, mit wenigen Farbklecksen dazwischen. Ich frage mich, ob dieses Mehr an „Zivilisation“ und Weniger an Natur uns auf Dauer glücklich machen kann.

Mehr als die Hälfte des Wiener Stadtgebiets besteht aus Grünflächen. Zwischen riesigen Wohnkomplexen finden sich Parks, hinter verschlossenen Türen verstecken sich wunderbare Gärten in ruhigen Innenhöfen. Es gibt Naturschutzgebiete, wilde Wiesen und akribisch genau angelegte Blumenbeete und englische Rasen. Wien ist durchzogen von grünen Adern, mehr angeblich als viele andere Großstädte. Und obwohl ich diese Stadt liebe und mein Leben hier genieße, spüre ich manchmal die Sehnsucht nach mehr Natur.

Hinter meinem Elternhaus beginnt ein Wald. Er zieht sich fast bis zum Gipfel des Berges, an dessen Fuß der Ort liegt, an dem ich zum Teil aufgewachsen bin. Wenn man die ersten Schritte in diesen Wald macht, blitzt noch die Sonne zwischen den Wipfeln durch. Das wenige Licht tanzt in grünen Sprenkeln die Bäume entlang. Je tiefer man in den Wald gelangt, desto dunkler wird er. Die Bäume werden dichter, der Boden ist moosig und von einer Vielzahl von Pflanzen bewachsen. Die Luft ist rein und klar, es gibt keinen Lärm. Die einzigen Geräusche, die einen begleiten, sind das Gezwitscher der vielen Vögel, die hier ihre Runden ziehen und das stete Rascheln im Unterholz. Der Wald pulsiert vor Leben und strahlt dabei so viel Ruhe aus, dass man nicht anders kann als seine eigene Atmung dem Rhythmus des Waldes anzupassen. Mitten in diesem Wald gibt es eine Lichtung, auf der ein Felsen liegt, von dem man das ganze Tal überblicken kann. Ein Ort, so voller Kraft und Inspiration. Besonders an stressigen Tagen sehne ich mich nach dieser Quelle der Entspannung. Mir fehlt der satte Duft des Waldes, das farbenfrohe Leuchten der Blumenwiesen rundherum. Die Leichtigkeit, die spürbar wird, wenn man in einer Wiese liegt und Schmetterlingen beim Spielen zusieht. Die sanfte Freude, die einkehrt, wenn man abends von Grillen in den Schlaf gesungen wird und der nächste Tag mit dem Jubilieren der Frühaufsteher unter den Vögeln beginnt. Mir fehlt der Geruch nach Regen und die Reinheit der Luft, wenn das Gewitter vorbei ist. Das Gefühl, von Leben umgeben zu sein und es wachsen und gedeihen zu sehen. Ich vermisse es, am Boden zu liegen und den winzigen Insekten zuzusehen, wie sie ihre Leben meistern. Diese Faszination, die Zeit irrelevant macht. Am allermeisten aber fehlt mir das Gefühl von Gras unter den Füßen. Denn seien wir uns ehrlich, es gibt nichts besseres als barfuß über eine Wiese zu laufen, ins hohe Gras zu fallen und mit geschlossenen Augen in einem Meer aus Blumen von der Zukunft zu träumen.

All diese Dinge fehlen mir hier in Wien. Wenn ich aber durch die Stadt spaziere und sehe, dass sich auch aus den feinsten Rissen im Asphalt Blumen hervorkämpfen und es an jeder Ecke kleine Flecken gibt, an denen die Natur sich nicht unterkriegen lässt, dann weiß ich, dass die Erde auch hier lächelt. Und wenn man aufmerksam und behutsam durch die Straßen wandert und die Augen offen hält, dann sieht man, dass die Erde hier nicht nur lächelt, sondern aus vollem Hals lacht. An manchen Orten mit vorgehaltener Hand vielleicht, aber nicht weniger herzlich als anderswo. So lebe ich also hier in der Stadt und erfreue mich an Gänseblümchen zwischen Pflastersteinen ebenso wie an der überwältigenden Macht der Natur zu Hause. Ein Glück, dass beides möglich ist!

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Dance for Life – Ein Leben auf der Mülldeponie

Man sagt, Reisen erweitern den Horizont und bringen oftmals Veränderungen mit sich. Manchmal ist es ein mitgebrachtes Rezept, das die Küchenroutine bunter macht. Vielleicht ist es ein Ritual, das man…

Man sagt, Reisen erweitern den Horizont und bringen oftmals Veränderungen mit sich. Manchmal ist es ein mitgebrachtes Rezept, das die Küchenroutine bunter macht. Vielleicht ist es ein Ritual, das man am anderen Ende der Welt begonnen und in den heimischen Alltag integriert hat. Oft auch eine Erinnerung, die die eigene Wahrnehmung schärft und den Geist wandern lässt. Manchmal verändert eine Reise auch Leben. Von einer solchen Reise darf ich euch heute berichten. Durch einen glücklichen Zufall habe ich vor kurzem zwei Menschen kennengelernt, deren Geschichte in die Welt getragen werden will.

Bei einem gemeinsamen Essen – es gibt vietnamesische Frühlingsrollen zum Selberbasteln – erzählen Georg und Maui von ihrer Weltreise. Im September 2012 machten die beiden sich auf den Weg nach Thailand. Zwei Monate haben sie dort verbracht. „Wir haben zwei Monate lang das Leben genossen und es uns gut gehen lassen, aber wir haben Thailand beide schon gekannt. Wir wollten in ein Land, das nicht so touristisch ist. Wir wollten mehr Abenteuer.“ Die Entscheidung zwischen Burma, Laos und Kambodscha war schnell gefallen. Burma als Militärstaat war doch zu riskant, in Laos war schon einmal ein Bekannter. „Wir haben von Kambodscha nichts gewusst, keine Erfahrungsberichte gehört. Das war absolutes Neuland für uns. Bevor wir aufgebrochen sind, haben wir uns mit der Geschichte des Landes auseinander gesetzt und schon als wir die ersten Schritte nach der Grenze gemacht hatten, war klar, dass das hier eine andere Welt ist. Wir waren mitten in der Pampa gelandet. Im Vergleich zu Thailand ist Kambodscha ein wirklich armes Land. Es gibt kaum asphaltierte Straßen, nur rund um Angkor Wat ist alles super ausgebaut. Ansonsten reist man eher auf sandigen Wegen voller Schlaglöcher. Es gibt kaum Autos, dafür aber jede Menge Handkarren und Kutschen. Kambodscha wirkt wie Thailand vor vielen Jahren.“ Ihre erste Begegnung mit einer Einheimischen bestätigt diesen Eindruck. „Als wir mit einer Dose Sprite auf der Straße standen, kam ein kleines Mädchen auf uns zu und wollte die Dose haben. Wir haben gedacht, dass sie für das Altmetall vielleicht Geld bekommt. Sie hat den letzten Schluck getrunken und ist lachend davon gelaufen. So eine Kleinigkeit ist purer Luxus für die Leute dort.“ Georg schüttelt den Kopf, als er von diesem Erlebnis erzählt. Er scheint die Armut noch immer nicht fassen zu können.

Die ersten Wege in Kambodscha führten Georg und Maui in einige kleinere Städte und im Anschluss nach Phnom Penh. „Das war kein entspanntes Reisen. Wir hatten von Anfang an das Gefühl, dass es nicht in Ordnung ist, wenn wir uns mit viel Geld diesen Urlaub gönnen, aber ständig von Armut umgeben sind. Das hat nicht zusammen gepasst.“ Während ihres Aufenthalts in Phnom Penh waren die beiden eine Woche lang krank. Eine Woche Bettruhe bringt viel Zeit mit sich. Zeit zum Nachdenken und In-sich-gehen. Genau das haben die beiden getan. „Es war ganz schnell klar, dass wir in irgendeiner Art und Weise helfen wollen.“ Bei einem Skype-Telefonat mit einem Freund in Vorarlberg, dem sie über die Lage vor Ort berichteten, hatte dieser die Idee eine Charity-Party zu organisieren. „Das war ein Monat vor Weihnachten. Wir waren begeistert. Als Termin haben wir den 22. Dezember gewählt. So kurz vor Weihnachten sind alle bei ihren Familien zu Hause und die Spendenfreude ist groß. Während Nico in Österreich alles organisiert hat, haben wir vor Ort recherchiert und nach einer Möglichkeit gesucht, die Leute zu unterstützen.“

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Die Entschlossenheit, mit der sie von ihrem Plan erzählen, ist ansteckend. Ich kann mir die zwei gut vorstellen, wie sie noch nicht ganz gesundet in ihrem Zimmer sitzen und Pläne schmieden. „Zuerst haben wir uns überlegt, wo es überhaupt Sinn hat zu helfen und wie wir das rausfinden können. Wir mussten an die Leute ran und uns überlegen, wie wir das am besten anstellen.“ Der erste Weg führte sie zu einer Hilfsorganisation. Der Wille war vorhanden, allerdings fehlte es an einer ganz wesentlichen Information. Wie viel Geld wird vorhanden sein? Ohne das zu wissen, war es kaum möglich zu planen. „Wir haben uns dann an einen Tuk-Tuk-Fahrer gewandt, der uns vertrauenswürdig erschien und der auch Englisch sprach und ihn gefragt, ob er denn jemanden kennt, der besonders dringend Hilfe benötigt. Wir hatten eine vage Vorstellung von dringend benötigter Hilfe. Eine alleinerziehende Mutter ohne Arbeit entsprach dem ganz gut. Len, der Tuk-Tuk-Fahrer hat auch wirklich jemanden gekannt. Er hat uns gleich gesagt, dass wir nicht mit leeren Händen auftauchen sollen, da das ein seltsames Licht auf uns werfen würde. Immerhin wollten wir den- oder diejenigen, zu denen Len uns führen wollte, ja auch befragen. Wir haben also Reis und Spielzeug gekauft. Auf dem Weg dorthin kamen uns allerdings Zweifel. Wir fuhren an unzähligen Hütten vorbei, die auf uns den Eindruck machten als ginge es nicht ärmer.“ Ob sie denn Sorge gehabt hätten, dass sie übers Ohr gehauen würden, frage ich die beiden. „Naja, wir konnten nicht wissen, wo er uns hin bringt. Das hätte ja auch ein Angehöriger sein können, der gar nicht so arm ist, wie er tut. Aber das hätten wir schon einschätzen können.“ Die beiden haben sich im Vorfeld wirklich gut informiert und sich ein Bild von der Situation im Land gemacht. Das gefällt mir.

„Nach circa einer Stunde Fahrtzeit, in der wir an immer kleineren und schäbigeren Hütten vorbei gekommen waren, bei jeder von denen wir uns fragten, warum nicht hier, tauchte ein qualmender Berg auf. Wir sind direkt darauf zu gefahren. Es hat gestunken, überall waren Fliegen. Schon aus drei Kilometern Entfernung war es kaum auszuhalten. Damit haben wir nicht gerechnet. Es war schrecklich! Wir waren auf einer Mülldeponie.“ Das kommt auch für mich unerwartet. „Im ersten Moment haben wir uns einfach nur geekelt. Der Gestank und die Fliegen waren widerlich. Als wir uns aber umgesehen haben, waren wir geschockt. Auf dieser Müllhalde standen Hütten. Kinder arbeiteten barfuß im Dreck. Hier lebten Menschen. Wir waren entsetzt.“ Ich bin sprachlos. Die Erinnerungen an diese Szenen machen Georg und Maui noch immer betroffen. „Wir haben uns gemeinsam mit einem Dolmetscher umgesehen und uns mit den Leuten dort unterhalten. Das waren fast nur Frauen und Kinder. Die Männer arbeiten anderswo auf der Deponie. Wir wollten auch dorthin, aber wir haben es nicht geschafft. Überall wird Plastik verbrannt. Wir konnten kaum atmen, unsere Lungen haben gebrannt. Der Rauch ist so dicht, dass man die Hand vor Augen nicht sieht. Es war unmöglich zu den Männern zu gelangen.“ Wie kann es sein, dass Menschen so leben müssen? Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie es auf der Deponie sein muss. „Die Bewohner sind krank. Der älteste ist um die vierzig. Alle haben die Haut voller Blasen und leiden an schwerem Asthma. Es ist unvorstellbar.“ Len hatte wohl wirklich die Menschen gefunden, die jede Hilfe bitter nötig hatten. „Es war nicht so einfach herauszufinden, wie wir sie unterstützen können. Wir konnten nicht einfach fragen, die Leute wussten nicht, warum wir hier waren. Wir sagten ihnen, dass wir sie für eine Dokumentation befragen wollen. Der Vorwand war notwendig, weil wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, wie viel Geld wir zur Verfügung haben würden.“

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Während sich Georg und Maui in Kambodscha ihre Gedanken machten, steckte ihr Freund Nico mitten in den Vorbereitungen für die Wohltätigkeitsparty. „Nico war großartig. Er hat es geschafft in wahnsinnig kurzer Zeit etwas Großes auf die Beine zu stellen. Unter dem Titel „Dance for Life“ fand am 22. Dezember eine Party statt, die alle unsere Erwartungen übertroffen hat. Bekannte DJs haben ohne Gage aufgelegt, der Lost Kids Club wurde uns kostenlos zur Verfügung gestellt. Flyer, Getränke, Sound- und Lichttechnik – für nichts von alledem mussten wir bezahlen. Nico hat einen Aufruf auf Facebook gestartet und um Ideen und Mithilfe gebeten. Wir hatten nicht erwartet, dass die Resonanz so groß wird. Die Eigendynamik, die sich entwickelt hat, war unglaublich. Menschen haben sich gemeldet und gesagt, dass sie gerne helfen würden. Es gab viele, die keine Zeit hatten, aber spenden wollten. Wir hätten nie erwartet, dass das solche Ausmaße annimmt.“ Ich bin beeindruckt und will wissen, woran der Erfolg ihrer Idee liegen könnte. „Wir haben von Anfang an alles offen gelegt. Wir haben den Leuten gesagt, dass sie alles sehen können, was passiert. Transparenz war das Wichtigste für uns. Das hat den Menschen ein gutes Gefühl gegeben. Sie haben uns vertraut und gewusst, dass ihr Geld wirklich dort ankommt, wo es hin soll.“ Das kann ich gut verstehen. Oft ist der Zweifel groß, ob eine Spende auch wirklich denen zu Gute kommt, die sie brauchen. Das ist schwer nachvollziehbar und kaum zu kontrollieren. Kein Wunder, dass Georg, Maui und Nico die Menschen mit ihrer Begeisterung anstecken konnten.

„Die Party selbst war ein voller Erfolg. 300 Gäste waren da und sie alle waren davon überzeugt, dass wir gemeinsam das Richtige tun. Um zehn haben sie uns kurz über Skype dazu geschaltet. Wir haben unsere Freunde und Familien gesehen, Bekannte und Fremde, die alle gemeinsam gefeiert, getanzt und gelacht haben. Das war der Moment, in dem wir am meisten Heimweh hatten.“ Die Party dauerte bis in die frühen Morgenstunden. Es gab DJs und Live-Bands, die für eine unvergessliche Nacht sorgten. „Der Eintrittspreis war zehn Euro, der komplett auf unser Spendenkonto floss. Man konnte vor Ort auch zusätzlich spenden. Das haben viele gemacht. Am Ende des Abends haben wir sogar noch einen Teil der Getränkeeinnahmen des Lost Kids Club bekommen. Alles in allem konnten wir 4.134,24 Euro sammeln!“ Wow! Das ist unglaublich! Obwohl ich nicht dabei war, freue ich mich riesig über den Erfolg.

„Als man uns die Summe gesagt hat, haben wir uns richtig gut gefühlt. Aber wir waren auch ganz schön nervös. Immerhin hatten wir jetzt auch Verantwortung. Die Leute daheim haben uns vertraut, wir mussten das wirklich gut machen. Am 23. Dezember haben sie uns das Geld mit Western Union geschickt. Das war ein kleines Weihnachtswunder für alle Helfer und Spender.“ Die Geschichte ist so aufregend, dass ich zwischendurch immer wieder aufs Essen vergesse. Während ich mich wieder ans Frühlingsrollen drehen mache, erzählen Maui und Georg, wie sie das Geld investiert haben. „Unsere erste Idee von einer Zuckerrohrsaftpresse haben wir schnell verworfen. Eine Geldspende kam von Anfang an nicht in Frage. Wir wollten nichts schenken, das sich schnell verbraucht. Denn wenn das Geld einmal weg ist und der Wohlstand damit endet, ist das schlimmer als hätten sie ihn nie erlebt. Gemeinsam mit Len und einem seiner Freunde, Soklean, haben wir uns Gedanken gemacht, was die Bewohner der Deponie wirklich brauchen können. Normalerweise arbeitet die ganze Familie für umgerechnet 80 Cent pro Tag. Sie wühlen sich durch den Müll und suchen nach Dosen, die sie an eine Recyclingfirma verkaufen können. Der übrige Plastikmüll wird verbrannt, damit er ihre Hütten nicht komplett verschüttet. Soklean arbeitet bei einer Hilfsorganisation und kennt sich sehr gut mit der Situation im Land aus. Nach einigem Hin und Her haben wir uns entschieden, Tiere zu kaufen. Auf der Deponie gab es einige Hühner, wir wollten den Bewohnern auch Rinder zur Verfügung stellen. In Kambodscha gilt eine Kuh als Absicherung, weil man die Kälber verkaufen kann. Für ein Kalb bekommt man in etwa 500 Dollar, die Müllsammler verdienen pro Tag einen. Es war klar, dass Rinder eine gute Investition sind.“ Maui und Georg erzählen von ihren Besuchen bei verschiedenen Bauern, von Verhandlungen und von den Unterschieden der Kuhrassen. Es gibt weiße und braune Kühe, die weißen sind die „guten“. Australische Markenkühe, die nicht ganz so abgemagert sind.

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Dass es doch nicht ganz so einfach ist, wird den beiden rasch klar. „Ein deutscher Restaurantbesitzer, den wir kennengelernt haben, hat uns gesagt, dass er unsere Idee nicht gut findet. Er hat erzählt, dass die Leute in Kambodscha anders denken als der typische Mitteleuropäer. Dadurch, dass es keinen Winter gibt und man nicht unbedingt Vorräte horten muss, um die Kälte zu überstehen, denken sie nicht sehr weit in die Zukunft. Reis wächst immer und so gut wie überall. Die Menschen sind zufrieden, wenn sie etwas zu essen haben. Man denkt von einer Mahlzeit zur nächsten, von einem Tag zum anderen. „Schenkt ihnen eine Kuh und sie werden zwei Wochen davon essen. Danach ist alles wieder beim alten.“ hat er gesagt. Das hat uns ganz schön runtergezogen.“ Die erste Euphorie schlug in Enttäuschung um. War die Idee vielleicht doch nicht so gut? Gibt es denn überhaupt die Möglichkeit, etwas wirklich Sinnvolles zu tun? Soklean hatte die Antwort auf diese Fragen und verscheuchte damit die trüben Gedanken. Er schlug einen Vertrag vor, in dem festgehalten werden sollte, dass die Kühe weder geschlachtet noch verkauft werden dürfen. „So haben wir es dann auch gemacht. Wir haben fünf weiße Rinder, drei weibliche und zwei männliche, gekauft und mit einem Notar einen Vertrag aufgesetzt. Die Deponie-Bewohner – das sind zwölf Familien – dürfen die Rinder nicht schlachten und nicht verkaufen. Sie müssen sich um sie kümmern, sie füttern, tränken und sauber halten. Ab dem Zeitpunkt, in dem jede Familie eine eigene weibliche Kuh hat, die in Zukunft für Nachwuchs sorgt, dürfen sie auch die Kälber verkaufen oder essen.“ Das klingt sinnvoll. In Gedanken bin ich allerdings schon einen Schritt weiter. Wo leben denn die Kühe dann? Auf der Deponie? Was fressen sie dort? Wächst da Gras? Fragen über Fragen. Daran haben Georg und Maui aber auch gedacht. „Wir hatten genau die gleichen Bedenken. Man kann ja keine Kuhherde auf eine Müllhalde setzen. Die Tiere würden in kürzester Zeit sterben. Allerdings ist es so, dass die Kühe am Fuße der Deponie auf einer Wiese leben können. Das liegt daran, dass es in Kambodscha keinen Grundbesitz gibt. Niemandem gehört Land, es gibt aber ein Bleiberecht. Wenn man sich lange genug an einem Ort aufhält, darf man dort auch bleiben. Die Wiese am Fuß der Deponie haben die Bewohner also sozusagen ersessen. Ein großes Problem sind allerdings die Landminen, die überall verstreut liegen.“ Jedes Jahr sterben hunderte Menschen in Kambodscha an den Folgen von Verletzungen durch Landminen. Maui erzählt, dass überall Schilder vor der Minengefahr warnen. Oft darf man nur auf einem schmalen befestigten Weg gehen, ein Schritt daneben könnte verheerende Folgen haben. Unkontrolliert über Wiesen zu laufen ist unmöglich. Der Gedanke macht mich traurig. Als ob es nicht reichen würde, dass viele Menschen in Kambodscha in Armut leben, müssen sie auch noch um ihre Gesundheit fürchten, wenn sie auf den verseuchten Feldern arbeiten. Sie kennen die Gefahr, ihnen bleibt jedoch keine andere Wahl.

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„Nachdem wir die Kühe ausgesucht und den Vertrag mit dem Notar aufgesetzt haben, sind wir in Richtung Deponie aufgebrochen. Am Weg dorthin haben wir noch Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikel, Spielzeug und Medikamente gekauft. Werkzeug, Bretter und Seile für die Kühe und einen Unterstand haben wir auch mitgebracht. In der Apotheke hatten wir ein schönes Erlebnis. Wir haben der Apothekerin von unserem Projekt erzählt. Sie fand das so toll, dass sie uns alle Medikamente zum Einkaufspreis gegeben hat.“ „Wenn ihr unseren Leuten helft, helfen wir euch.“, eine Hand wäscht die andere. So einfach kann das sein. „Die Apothekerin hat sich sogar die Mühe gemacht, alle Schachteln in der Khmer-Sprache zu beschriften. Die meisten Leute können ja nicht lesen, so wussten sie zumindest wofür welche Medizin geeignet ist.“ Für die vielen Einkäufe war ein zweites Tuk-Tuk notwendig. Als sie bei der Deponie angekommen waren, baten sie alle Bewohner ans Fußende des Müllbergs. „Der Notar hat den Leuten alles erklärt. Sie haben sich überhaupt nicht ausgekannt, wussten gar nicht was los ist. Nachdem wir ihnen klar gemacht haben, dass sie die Kühe bekommen, haben wir gemeinsam den Vertrag unterschrieben. Wir haben alle unseren Fingerabdruck darunter gesetzt, jeder einzelne Deponie-Bewohner wurde miteinbezogen. Danach haben wir noch die übrigen Sachen verteilt. Der Dolmetscher musste den Leuten erklären, dass wir nur dieses eine Mal kommen würden und dass die Geschenke von den Spendern in Österreich stammen. Sie sollten nicht glauben, dass wir ab sofort ständig mit Geschenken auftauchen würden. Wir haben ihnen aber gesagt, dass wir ohne Voranmeldung vorbei kommen würden, um zu sehen, ob sie sich gut um die Kühe kümmern. Es war wichtig ihnen zu erklären, dass das eine Chance für sie ist, die sie nicht verstreichen lassen sollen. Wenn sie sich an die Vereinbarung halten, können sie die Deponie früher oder später verlassen. Diese Generation wird das wohl nicht mehr erleben, die nächste könnte ihren Lebensunterhalt aber schon mit Landwirtschaft verdienen, wenn sie es will.“

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Zwei Wochen später fuhren Georg und Maui wieder auf die Deponie. „Alle waren neu eingekleidet, das war so schön zu sehen. Die Leute haben sich richtig herausgeputzt. Wir haben mit dem Dorfältesten gesprochen und nach den Kühen gesehen. Sie stehen jetzt circa fünf Minuten entfernt von der Deponie. Einer hat immer Hirtendienst, die Kühe werden wirklich gut versorgt.“ Seit diesem Besuch waren Georg und Maui nicht mehr dort. Die Bewohner melden sich ab und zu bei Soklean und berichten ihm, wie es ihnen ergeht. Er ist so etwas wie die örtliche Kontrollinstanz. Mit ihm halten Georg und Maui auch sporadisch Kontakt über Facebook. Die letzte Information, die die beiden bekommen haben war, dass eine Kuh bereits ein Kalb geboren hat. Es scheint gut zu laufen, irgendwann werden sich die beiden persönlich davon überzeugen. Ich habe sie gefragt, was wirklich wichtig an dem Ganzen ist. „Diese Leute haben das erste Mal eine realistische Chance, die Deponie verlassen zu können. Sie können zu Landwirten und Viehhändlern werden.“ Eine Chance zu haben, Hoffnung auf ein besseres Leben, einen Lichtblick. Das ist das wirklich Wichtige.

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Ich bin beinahe erschlagen von der Geschichte. Die beiden schildern ihre Erinnerungen und Eindrücke so lebhaft, dass ich fast das Gefühl habe, dabei gewesen zu sein. Ich will wissen, welche Erkenntnis sie aus ihren Erlebnissen mitnehmen. Georg muss nicht lange überlegen. „Man muss sich im Klaren darüber sein, dass das Geld, das man als Tourist ausgibt, nicht bei den wirklich Armen ankommt. Wenn man Zeit hat und etwas zurückgeben will, muss man sich die Frage stellen: „Was brauchen die Leute?“ Für mich hat sich herausgestellt, dass ich nur dann Gast sein kann und darf, wenn ich im Gegenzug auch helfen kann. Es hätte sich falsch angefühlt, wenn wir nichts gemacht hätten“ Maui nickt zustimmend, gewährt mir aber auch Einblick in ihre Erkenntnisse. „Die Erinnerung an diese Reise und diese Erlebnisse ist schöner als die an einen Strandurlaub. So gut ein Strandurlaub auch sein kann, mit der Freude in den Augen der Menschen, denen wir geholfen haben, kann er nicht mithalten. Mir gibt diese Freude mehr als ein teurer Urlaub, in dem ich unnötig viel konsumiere. Auch die Erfahrung, dass die Realität so anders ist als man zu wissen glaubt, ist krass. In keiner Dokumentation könnte man das jemals so rüber bringen, wie es tatsächlich ist.“ Die beiden beeindrucken mich zutiefst. Gibt es eine Botschaft, die ihr den Lesern schicken wollt? Gibt es etwas, das jeder wissen sollte? Ich stelle die letzte Frage des Abends. „Haltet euch nicht in Touristenhochburgen auf. Geht raus auf die Straße, redet mit den Leuten, mit der normalen Bevölkerung. Dort findet die direkte und aufrichtige Kommunikation statt. Dort findet ihr das Leben, wie es wirklich ist.“

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Eine Reise verändert Leben. Diese Reise hat nicht nur Georgs und Mauis Leben verändert, sondern auch das von zwölf Familien. Zwölf Familien können das erste Mal auf eine sonnige Zukunft hoffen, fernab von „ihrer“ Deponie. Zwei junge Leute sind ausgezogen die Welt zu erkunden. Sie haben sie nicht nur erkundet, sie haben sie verändert. Wie oft habe ich mir schon gedacht, dass ich gerne etwas tun würde. Dass ich helfen und unterstützen möchte, die Welt retten und besser machen. Bis jetzt habe ich mich nicht getraut. Ich bin doch gar nicht reich genug. Klug genug. Mächtig genug. Ich hab so etwas noch nie gemacht, ich allein kann doch nichts bewirken. Das kann ja gar nicht funktionieren. Es funktioniert aber. Georg und Maui haben es bewiesen. Wenn ich das nächste Mal zweifle und mir nicht sicher bin, ob ich etwas bewegen kann, werde ich an diese beiden denken und mutig sein. Das Gleiche lege ich euch ans Herz. Seid mutig! Traut euch! Macht euch auf die Welt zu retten! Und wenn ihr euch allein nicht traut, schließt euch zusammen und schafft gemeinsam Großes. Es kann gar nie genug Alltagshelden geben. Wer soll die Welt verändern, wenn nicht wir?

Wenn ihr mehr Informationen zu Dance for Life haben wollt, schaut euch hier um. Das Projekt lebt und wartet auf neue Abenteurer!

Georg und Maui haben für alle Helfer, Sponsoren und Interessierten auch einen kurzen Film gedreht. Schaut rein und lasst euch inspirieren!

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Nadine sucht das Glück: Das Glück und die Liebe

„Glück ist Liebe, nichts anderes. Wer lieben kann, ist glücklich.“ So klar hat selten jemand formuliert, worin er das größte Glück sieht. Diese Worte stammen aus der Feder des deutschen…

„Glück ist Liebe, nichts anderes. Wer lieben kann, ist glücklich.“ So klar hat selten jemand formuliert, worin er das größte Glück sieht. Diese Worte stammen aus der Feder des deutschen Schriftstellers Hermann Hesse, der mit seinen Gedanken über die Liebe und das Leben ganze Generationen fesselt. In meinem ersten Kolumnenbeitrag habe ich euch die Geschichte meiner lieben Freundin Thea erzählt, die auf ein erfülltes Leben mit ihrem geliebten Mann zurückblicken und in glücklichen Erinnerungen schwelgen durfte. Ich frage mich oft, was das Geheimnis einer so langen, innigen Verbindung ist. Sind es ähnliche Wertvorstellungen oder gemeinsame Ziele? Sind es geteilte Leidenschaften oder gleiche Meinungen? Oder sind es die Unterschiedlichkeiten, die Differenzen, die zwei Menschen so dauerhaft und eng aneinander binden? Ist es vielleicht eine Kombination aus alledem? Ich werde vermutlich nie eine abschließende Antwort auf diese Frage finden. Manchmal aber habe ich das Gefühl, einen kurzen Blick auf des Rätsels Lösung erhaschen zu können.

Wenn ich meine Eltern sehe, die seit mehr als 30 Jahren verheiratet sind, wie sie füreinander da sind und sich gegenseitig in allen Lebenslagen unterstützen, wird mir vieles klar. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein und finden doch immer wieder Gemeinsamkeiten. Einen Spaziergang in der Natur, ein gemeinsamer Ausflug in die Stadt, eine Tasse Kaffee im Garten. Sie lachen miteinander, teilen ihre Leben und lassen dem anderen doch genug Raum für sich selbst. Sie begegnen sich mit größtem Respekt und Liebe im Herzen. Die Liebe nicht nur im Herzen, sondern auch in den Augen sehe ich bei meinem Bruder und seiner Freundin. Sie bauen gerade ihr erstes eigenes Nest, erkunden gemeinsam die Welt und lassen ihre Umwelt im Glanz ihrer jungen Liebe erstrahlen. Bei anderen Paaren in meinem Bekannten- und Freundeskreis sehe ich wilde Diskussionen und stürmische Versöhnungen, Leidenschaft in allen möglichen und unmöglichen Situationen des gemeinsamen Lebens. Ich kenne Ehepaare, die getrennte Wohnungen haben und ihre Verabredungen genießen wie frisch verliebte Teenager. Andere leben zusammen und verbringen jede freie Minute miteinander. Manchen reicht das Sonntagsfrühstück im Kaffeehaus nebenan. Andere bereisen zusammen die ganze Welt, klettern auf Berge, übernachten in Wäldern und schreiben gemeinsam Geschichte. So unterschiedlich alle diese Paare sind, so gleich sind sie doch, wenn es um die Liebe geht. Ihre Augen strahlen, wenn sie einander betrachten. Nach außen vermitteln sie alle die gleiche Botschaft: Wir gehören zusammen, wir sind eins.

Ganz besonders deutlich wird diese Botschaft, wenn sich zwei Liebende gegenüber stehen und sich vor ihren Familien und Freunden versprechen, ihre Zukunft in liebevoller Verbundenheit miteinander zu verbringen. In solchen Momenten ist die Luft von Liebe getränkt, das Glück spürbar. Das Glück der Brautleute, ihre andere Hälfte gefunden zu haben. Das Glück der Familien, ihre Kinder in gute und liebende Hände übergeben zu können und an deren Strahlen teilhaben zu dürfen. Das Glück der Freunde, eine Liebesgeschichte so nahe mitzuerleben. Ich durfte all diese wunderbaren Aspekte von Glück und Liebe vor wenigen Wochen erfahren, als meine älteste Freundin von ihrem Mann zum Altar geführt wurde. Diese zwei Menschen haben unter viel Applaus, Jubel und Lachen der Welt mitgeteilt, dass sie ihre Leben miteinander verknüpfen wollen, dass sie eins sind. Dass sie eins sind und es immer bleiben wollen. 

„Seid verschwenderisch mit der Liebe.“, sagte der Prediger bei der Trauung der beiden. Seid verschwenderisch, denn wo viel Liebe ist, wird viel Glück sein. Seid verschwenderisch, seid laut. Ruft eure Liebe in die Welt hinaus, damit sie sich ausbreitet und auch in den letzten Winkel kriecht. Macht kein Geheimnis aus eurem Glück, posaunt es hinaus und erfreut euch daran. Es ist ansteckend, durch das Teilen wird es immer größer und mächtiger. Und selbst der traurigste Mensch wird irgendwann ein Lächeln im Gesicht spüren, sein Herz öffnen und an die vielen liebevollen Momente denken, die er in seinem Leben schon erfahren durfte und noch erfahren wird. Und dann ist er glücklich. 

Geliebt zu werden macht glücklich, selbst zu lieben nicht weniger. Hermann Hesse hat es auf den Punkt gebracht. Also geht raus und werft mit Liebe um euch. Küsst und umarmt die Menschen, die ihr im Herzen tragt. Sagt ihnen, dass ihr sie liebt. Nicht nur einmal, sondern immer dann, wenn es euch in den Sinn kommt. Auch das sehe ich bei meinen Eltern. Sie versichern sich ihre Liebe jeden Tag aufs Neue. Denn man kann den Menschen gar nicht oft genug sagen, dass sie etwas Besonderes sind.

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Nadine sucht das Glück: Vom Glück des Scheiterns

„Scheitern ist ein Umweg, keine Sackgasse.“ Als ich vor einigen Jahren während meiner Recherchearbeiten für ein Seminar an der Uni über dieses Zitat des mir gänzlich unbekannten Autors und Motivationstrainers…

„Scheitern ist ein Umweg, keine Sackgasse.“ Als ich vor einigen Jahren während meiner Recherchearbeiten für ein Seminar an der Uni über dieses Zitat des mir gänzlich unbekannten Autors und Motivationstrainers Zig Ziglar gestolpert bin, wusste ich noch nicht all zu viel damit anzufangen. Scheitern war keine wünschenswerte Option. Scheitern war das so genannte „worst case scenario“. Ich erinnere mich gut an meine Studienzeit, an einige der Prüfungen, die ich nicht beim ersten Versuch bestanden habe. An Hausarbeiten, die mit dem Auftrag sie noch einmal komplett zu überarbeiten, an mich zurück gesandt wurden. Sogar solche Kleinigkeiten wie erfolglose Anmeldeversuche zu Pflichtveranstaltungen oder Prüfungen, sind mir im Gedächtnis geblieben. Aber nicht nur an der Uni boten sich massenhaft Möglichkeiten zu scheitern. Ich erinnere mich an misslungene Versuche, mit dem Auto bergauf mit angezogener Handbremse wegzufahren. An Bewerbungsschreiben, die unbeantwortet blieben. An Beziehungen, die nicht für die Ewigkeit gemacht waren. All diesen Erinnerungen wohnt ein bitterer Beigeschmack bei. „Ich habe es nicht geschafft. Ich habe versagt.“

Seit circa einem halben Jahr lasse ich mich zur Mediatorin ausbilden. Gemeinsam mit einigen anderen TeilnehmerInnen beschäftige ich mit Konflikten aller Art und vor allem auch mit meinem eigenen Konfliktverhalten. Im Rahmen dieses Lehrganges gewinnt das Scheitern nun eine ganz neue Bedeutung. Scheitern ist erlaubt, ja sogar erwünscht. Zu Beginn war das für mich unvorstellbar. Warum sollte man scheitern wollen? Erfolg ist doch das Ziel, auf das wir alle hinarbeiten. Erfolg ist unsere Motivation. Das lernen wir von Kindesbeinen an. „Sei fleißig, dann wirst du dein Ziel erreichen. Streng dich an, dann wirst du erfolgreich sein.“ Erfolgreich sein möchte ich auch in der Mediation. Nicht nur um mein selbst gestecktes Ziel zu erreichen, sondern insbesondere auch um meinen KlientInnen hilfreich sein zu können. Mit diesen Gedanken wagte ich mich am vergangenen Ausbildungswochenende zum ersten Mal in die Rolle der Mediatorin. Es kam, wie es kommen musste. Trotz guter Vorbereitung und bester Absichten wurde ich innerhalb von Minuten aus der Position der Unterstützerin in die Rolle der hilflosen Beobachterin gedrängt. Während sich meine Klientinnen eine verbale Schlacht auf Leben und Tod lieferten, konnte ich nichts anderes tun als machtlos dazusitzen und sie anzustarren. Was für ein Schauspiel! 

Meine Mutter hätte dieses Szenario wohl als „mit Bomben und Granaten durchgefallen“ bezeichnet. Womit sie nicht ganz falsch liegen würde. Ich bin tatsächlich auf ganzer Linie gescheitert. Nicht nur, dass meine Klientinnen ihren Konflikt nicht lösen konnten, er verschlimmerte sich sogar noch. Da saß ich nun mit meiner Idealvorstellung vom Erfolg und von den zufriedenen und wieder versöhnten Klientinnen, die überhaupt nicht der Realität entsprach. Ein worst case scenario wie es im Buche steht. Das Spannende aber war, dass es mir nicht als ein solches erschien. Ja, mein Versuch den Konflikt zu lösen, ist nicht geglückt. Ein einziger Versuch. Bin ich deshalb erfolglos? Soll ich deshalb aufgeben und den Kopf in den Sand stecken? Soll deshalb meine Motivation verloren gehen und mit ihr der Glaube an mich selbst? Was bedeutet es, wenn mein Lösungsansatz nicht geklappt hat? Dass ich nicht gut genug bin? Dass ich versagt habe? Nichts von alledem. Wenn mein Lösungsansatz nicht geklappt hat, bedeutet es genau das. Dieser eine Ansatz hat nicht funktioniert, diesen kann ich ausschließen. Übrig bleibt eine Vielzahl anderer und neuer Möglichkeiten, die auf ihre Nützlichkeit getestet werden wollen. Mittlerweile verstehe ich meine Trainer, wenn sie uns einladen unser Glück zu versuchen und zu scheitern. Gerade das Scheitern in einem geschützten Rahmen, wie ihn mein Lehrgang darstellt und auch die Universität, ermöglicht es mir, meine Flügel in alle Richtungen auszustrecken. Ich darf mich ausprobieren, darf kreativ sein und meinem Bauchgefühl folgen. Ich darf Fehler machen, meine Meinung und Perspektive ändern und das allerwichtigste, ich darf aus jedem Scheitern meine eigenen Lehren ziehen. 

Das mag nun alles leicht und nachvollziehbar klingen, wenn ich vom Scheitern im geschützten Rahmen schreibe. Die Vermutung liegt nahe, dass es draußen, „in der richtigen Welt“, im Beruf, in der Beziehung anders ist. Dem ist nicht so. Wenn mir im Beruf etwas nicht gelingen mag, weiß ich zumindest, dass ich es beim nächsten Mal anders machen werden. Aus meinem Misserfolg lerne aber nicht nur ich. Auch mein Vorgesetzter hat die Möglichkeit, aus einem gescheiterten Projekt etwas mitzunehmen. Vielleicht ändert er beim nächsten Mal die Rahmenbedingungen, vielleicht stellt er mehr Ressourcen zur Verfügung. Auf beiden Seiten bieten sich Optionen, die sich ohne das Scheitern womöglich nie aufgetan hätten. 

Noch schwieriger ist es, das Scheitern einer Beziehung als positiv zu sehen. Wie soll man auch etwas Gutes darin sehen können, dass etwas zu Ende geht, von dem man gedacht hat, es wäre für immer? Eine liebe Freundin von mir hat einmal gesagt „Meine Beziehung ist nicht gescheitert. Wir haben viele Jahre zusammen gelebt, haben zwei wundervolle Kinder und eine großartige Zeit miteinander verbracht. Wie könnte ich von Scheitern reden? Unsere Beziehung hat sich erfüllt.“ Manchmal erreicht man gemeinsam eine Kreuzung, an der man sich dankbar in die Arme schließt und in unterschiedliche Richtungen davon geht. Mit dem Wissen im Herzen, dass man einander gegeben hat, was zu geben war.

So viele Arten gibt es zu scheitern und jede einzelne macht uns ein Stück weiser. Jeder kleine Umweg, den wir gehen, führt uns auf Wege, die wir anders vielleicht nie gefunden hätten. Oder die wir aus Angst vielleicht nie zu beschreiten gewagt hätten. Mancher Umweg wird uns vielleicht an einer Bank vorbei führen, auf der ein Mensch sitzt, der uns ein Stück des Weges begleitet. Ein anderer wird vielleicht zu einem weiteren Umweg führen. Jeder einzelne aber bringt uns ein Stück näher ans Ziel. Gut, dass wir genug Zeit haben um auch die Blumen am Wegesrand zu bewundern.

Wie geht ihr mit Misserfolgen um? Seht ihr das Scheitern auch als Möglichkeit, Neues zu probieren? Habt ihr vielleicht sogar Tipps, wie es leichter fällt einen Misserfolg positiv zu betrachten? Ich freue mich auf eure Kommentare! 

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Nadine sucht das Glück: Glück ist Verbundenheit

„Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.“ Wilhelm von Humboldt, einem Gelehrten und Mitbegründer der heutigen Humboldt Universität, werden diese Worte nachgesagt….

„Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.“ Wilhelm von Humboldt, einem Gelehrten und Mitbegründer der heutigen Humboldt Universität, werden diese Worte nachgesagt. Immer wieder höre ich Menschen darüber sprechen, wie wertvoll ihr Leben sei. Dabei sprechen sie weniger über ihr Leben, als über ihren Besitz, ihre Statussymbole, ihre Leistung. Wertvoll ist, wer ein großes Auto fährt, jährliche Prämien im Job kassiert, drei Mal im Jahr in Urlaub fliegt. Wertvoll ist, wer erst spät in der Nacht aus dem Büro kommt und schon im Morgengrauen wieder am Schreibtisch sitzt. Die Leistungsträger und High Potentials sind es, die anscheinend den Maßstab für die Wertigkeiten unserer Gesellschaft, unserer Leben darstellen. Kann das wirklich sein? Ich bin kein High Potential und obwohl mir meine Arbeit Spaß macht, verbringe ich meine Zeit doch lieber draußen in der Sonne. Heißt das, dass ich weniger wert bin? Dass meine Art zu leben nicht wertvoll oder nicht wertvoll genug ist? Ich glaube nicht. Das vergangene Wochenende hat mich wieder einmal in diesem Glauben bestärkt und mir deutlich vor Augen geführt, dass Herr Humboldt ein ausgesprochen weiser Mann war.

Seit knapp neun Jahren lebe ich mittlerweile in Wien, beinahe schon ein Jahrzehnt. In all diesen Jahren hat eine Vielzahl von Menschen meinen Weg gekreuzt und Spuren hinterlassen. Die einen mehr, die anderen weniger. Einer dieser Menschen, der sehr schnell zu einem lieben Freund wurde, hat am vergangenen Freitag seinen dreißigsten Geburtstag gefeiert. Dreißig Jahre sind eine lange Zeit, in der man gewiss viele Bekanntschaften macht. In dreißig Jahren entstehen Freundschaften und Beziehungen, manche davon währen ein Leben lang. So manchen Begleiter verabschiedet man nach einem Stück gemeinsamen Weges, den einen oder anderen trifft man vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder. Bei besagter Geburtstagsfeier sind viele dieser Weggefährten zusammen gekommen um den Gastgeber hochleben zu lassen. Alte Schulfreunde, Arbeitskollegen, Familie und Freunde aus den verschiedensten Kreisen gaben sich ein Stelldichein. Alte Freundschaften wurden belebt, neue Freundschaften geschlossen. Ich habe Menschen getroffen, die ich seit Jahren nicht gesehen habe. Von Veränderungen wurde berichtet, von neuen Plänen und Zielen. Und natürlich wurde in Erinnerungen geschwelgt. „Weißt du noch, damals…“, „Kannst du dich erinnern, wir haben doch früher immer…“, „Ich sehe dich vor mir, als wäre es erst gestern gewesen…“ In all dem Trubel und Gelächter, in all der Wiedersehensfreude wurden jugendliche Schandtaten ausführlichst besprochen, gemeinsame Abenteuer Revue passieren lassen und vor Jahren begonnene Diskussionen weiter geführt. Begleitet von Kopfschütteln und lautem Lachen wurde über lang vergangene Missgeschicke und Entgleisungen philosophiert. „Jetzt, wo wir älter sind, würden wir das wohl nicht mehr so machen.“ Ein Blick auf den verschmitzt grinsenden Sprecher verspricht das Gegenteil. Ganz genau so würde ich alles wieder machen, denn auf keinen Fall möchte ich diese Erinnerungen missen. Nicht eine einzige Geschichte würde ich meinen Enkeln anders erzählen wollen. Kein einziger Witz auf meine Kosten soll unerzählt bleiben. Alles was war, macht uns zu den Menschen, die wir sind. Jede gemeinsame Erinnerung, jedes gemeinsame Erlebnis ist wie ein seidener Faden, der uns verbindet. Die Verbundenheit ist an diesem Abend deutlich zu spüren. Ein Gefühl, als könne man den Mond vom Himmel holen, wenn man nur gemeinsam fest genug am Seil zöge.

Ja, wir sind älter geworden. Erwachsener auf jeden Fall, meistens auch vernünftiger. Viele unserer in jungen Jahren gesteckten Ziele haben wir erreicht, viele auch nicht. Wir werden noch einige mehr erreichen, einige, die wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können. Viele werden wir nicht erreichen. Zum Teil weil sie mit der Zeit uninteressant geworden sind, zum Teil weil wir sie zu hoch gesteckt haben. Zum Teil vielleicht auch, weil uns die Möglichkeiten fehlen. Und trotzdem werden wir den Wert unserer Leben kennen und uns in dreißig Jahren entspannt zurücklehnen können, wenn die zukünftigen High Potentials die Maßstäbe neu festlegen. Ja, ich bin alt geworden. Gemeinsam mit wundervollen Menschen, deren Fußabdrücke meinen Weg zieren und deren Freundschaft und Verbundenheit meinem Leben so viel mehr Wert geben, als es ohne sie hätte. In diesem Sinne, liebes Geburtstagskind, erwarte ich voller Vorfreude die nächsten dreißig Jahre mit allen Abenteuern, die da kommen mögen. Nur den Mond würde ich gerne am Himmel stehen lassen, die Nacht wäre leer ohne ihn.

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Nadine sucht das Glück: Glück ist Klarheit

„Wir haben von unserem eigenen Körper, in dem unaufhörlich so viele Unlust- und Lustgefühle zusammenströmen, keine so klar umrissene Vorstellung wie von einem Baum oder einem Haus oder einem Vorübergehenden.“…

„Wir haben von unserem eigenen Körper, in dem unaufhörlich so viele Unlust- und Lustgefühle zusammenströmen, keine so klar umrissene Vorstellung wie von einem Baum oder einem Haus oder einem Vorübergehenden.“ Marcel Proust hat in seinem siebenbändigen Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ auf den Punkt gebracht, worüber ich mir regelmäßig den Kopf zerbreche. Von allem habe ich eine Vorstellung, mal eine vage, mal eine konkrete. Ein Bild auf jeden Fall, das im Geiste gemalt, vertraut und fassbar ist. Ich habe ein Bild von den Menschen, die mir begegnet sind, von den Städten, die ich gesehen habe. Ich kann mir leicht ausmalen, wie mein nächster Urlaub sein soll, mein Gemüsegarten, den ich in ferner Zukunft hegen werde. Ich weiß, wie es sich anfühlt, den Liebsten zu vermissen und ihn wieder in die Arme schließen zu können. Ich habe eine Ahnung, wie es sein würde, sollte er mich bitten, unsere Leben miteinander zu verbringen. Ich kann mir sogar vorstellen, wie die Farbe Rot schmecken könnte. Von all diesen Menschen, Dingen, Emotionen und abstrakten Begriffen kreiere ich im Geiste Bilder. Auch von meinem Körper habe ich ein Bild. Eines, das ich jeden Tag im Spiegel sehe und das auch meine Umgebung wahrnimmt. Nur das Innenleben liegt oft im Dunkeln. Da gibt es Ahnungen, vielleicht auch mal das kurze Aufblitzen eines Gefühls. Im Großen und Ganzen ist mein Inneres aber ein Mysterium.

Das Gute an Mysterien ist, dass sie aufgelöst werden wollen. Dass sie reizvoll sind und einen zum Hinsehen zwingen. Da ich mein größtes Mysterium bin, verbringe ich einen nicht unwesentlichen Teil meiner Freizeit mit der Erforschung meiner selbst. Eine für mich sehr effektive Methode habe ich in der Teilnahme an Gruppencoachings entdeckt. Das Besondere an diesen Veranstaltungen ist, dass sie immer das gleiche Thema haben. Beziehungen. Nicht irgendwelche Beziehungen, sondern die allerwichtigsten. Meine Beziehungen zu mir. Der Gedanke dahinter ist ganz einfach. Wenn die Beziehung mit mir, mit meinem Körper, mit meinem Geist und allen meinen Lebensthemen eine gute ist, werden auch alle Beziehungen zur Außenwelt gut sein.

In regelmäßigen Abständen nehme ich an eben diesen Beziehungskreisen teil, so auch vor wenigen Tagen. Jeder Beziehungskreis ist eine sehr besondere Erfahrung und die Erlebnisse arbeiten meist noch sehr lange in mir. Dieser war so außergewöhnlich und bereichernd, dass ich meine Erkenntnisse gerne teilen möchte. Ein kleiner Kreis von Teilnehmerinnen – mich eingeschlossen – erforschte mit Hilfe von Steinen und unter Anleitung einer wundervollen Coachin sein Innerstes. Schon als Kind habe ich Steine geliebt. Jeder ist anders, keiner sieht gleich aus und fühlt sich auch nicht so an. Gemein ist ihnen ihre Unvergänglichkeit. Für mich war diese Art der Mysterienauflösung allein deshalb schon sehr faszinierend. Im Laufe des Tages entdeckte ich neue Facetten meiner Persönlichkeit. Ängste, die tief verborgen geschlummert hatten, Talente, die noch nicht genügend Wertschätzung erfahren haben, Freude, die geteilt werden will. Ich habe Bestätigung in mir gefunden, die mich manche Dinge mit anderen Augen sehen lässt. Und ich habe ein Gefühl gefunden, dass ich nicht erahnen hätte können. Ich habe Ablehnung gefunden, einen Abschied, der lange nicht ausgesprochen war. Ein Gefühl, dass so viel Energie raubt und nichts zurück gibt. Die Erkenntnis etwas verabschieden zu müssen, war schmerzhaft und überraschend. Linderung schaffte die einkehrende Gewissheit, dass es kein „Müssen“ ist, sondern ein „Dürfen“. Etwas gehen lassen zu dürfen ist befreiend. Gerade wenn es sich um etwas handelt, mit dem man eng verbunden ist. So schön und kräftigend eine enge Verbindung meist ist, so anstrengend und kraftzehrend kann sie auch sein. Die Klarheit, dass es eine solche Verbindung in meinem Leben gibt, habe ich an diesem Tag gewinnen dürfen.

Diese Klarheit erlaubt mir, die Situation zu betrachten und zu bewerten. Sie schafft Gewissheit. Die Klarheit, die Enthüllung einer verborgenen Schwierigkeit ist es, die mir als großes Glück erscheint. Denn sie ermächtigt mich, meine Wahl zu treffen. Ich schaffe die Formen meines Lebens. Ich bin mächtig. Ich verneige mich vor dem Göttlichen in mir. Diese wunderbaren Erkenntnisse durfte ich mit nach Hause nehmen und diese sind es, die ich mit euch teilen will. Denn jedem soll Klarheit gewährt werden. Klarheit über jede einzelne Facette seines Körpers, ob innen oder außen, damit jeder seine eigene, besondere Macht spüren kann.

Kennt ihr diese Momente, in denen ihr alles, was ist und sein wird, ganz klar vor Augen habt? Die Erleichterung, die ein Abschied manchmal mit sich bringt? Ich freue mich, wenn ihr eure Erfahrungen mit mir teilt!

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Nadine sucht das Glück: Das Glück und die Katzen

„Wo immer sich eine Katze niederlässt, wird sich das Glück einfinden.“ Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich mit diesem Ausspruch von Stanley Spencer, einem britischen Maler, nicht viel anfangen…

„Wo immer sich eine Katze niederlässt, wird sich das Glück einfinden.“ Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich mit diesem Ausspruch von Stanley Spencer, einem britischen Maler, nicht viel anfangen können. Gewiss, Katzen sind edel und elegant und durchaus spannende Wesen, aber dass man Glück mit ihnen in Verbindung bringt, davon hatte ich noch nie gehört. Man lernt nie aus, heißt es. Seit ich nicht nur mit dem wunderbarsten aller Männer, sondern auch mit zwei fabelhaften Katzendamen unter einem Dach wohne, bin ich mir sicher, dass Herr Spencer Recht hatte. Ich frage mich allerdings oft, ob nur ich das so empfinde oder ob es den Katzen ähnlich geht.

Oft sitze ich einfach nur da und sehe ihnen zu. Wie sie durch die Wohnung spazieren, ihre Rundgänge durch ihr Reich machen und jede Veränderung sofort wahrnehmen. Ein neues Möbelstück, eine Einkaufstüte, Straßenschuhe, die unbekannte Wege beschritten haben. All das ist neu und aufregend und spannend. Eine leere Schachtel bietet Beschäftigung für Stunden, wenn nicht gar Tage. Was ist da drin? Wie komme ich da rein? Komme ich jemals wieder da raus? Und was, wenn die andere Katze schon drin sitzt? Was tut die da? Gibt es dort etwas interessantes zu sehen? Wie zwei Forscher auf einer Expedition ins unbekannte Land erscheinen die beiden. Wo die eine ist, ist die andere meist nicht weit. Und obwohl sie so viele Gemeinsamkeiten haben – insbesondere was ihre Vorliebe für Schabernack betrifft – könnten ihre Charaktere unterschiedlicher nicht sein. Die eine ist eine Dame, eine wahre Königin. Grazil und würdevoll in ihrem Aussehen und in ihren Bewegungen tappt sie auf leisen Pfoten durch die Welt. Die andere im Gegenteil ist laut und schief, ein wenig ungeschickt und in all ihrem Handeln ein unbedarfter Rüpel. Gleichzeitig ist sie eine Schmusekatze, liebevoll und verspielt, mit einem Blick, der Eisberge zum Schmelzen bringt. Beiden gemein ist ihr zauberhaftes Wesen.

An Tagen, an denen man besser im Bett geblieben wäre, erwarten sie einen beim Heimkommen an der Tür. Sie schmeicheln und schmusen, umgarnen mit einem Blick und tauchen die Welt durch ihre bloße Anwesenheit in ein anderes Licht. Wie könnte ein Tag auch grau bleiben, wenn einen vier Kulleraugen voller Zuneigung ansehen? „Schön, dass du da bist. Wir haben dich vermisst.“ Das sehe ich, wenn die beiden Schönen vor mir sitzen. Katzen können alles sein. Spielgefährten, Trostspender und wahre Freunde. Wenn ich krank bin, sind sie aufmerksam und ruhig. Wenn sie merken, dass ich gut gelaunt und voller Tatendrang bin, toben und spielen sie. Sie sind rücksichtsvoll und haben doch ihren eigenen Willen. Denn, wenn es Zeit zum Frühstücken ist, dann müssen ihre Menschen raus aus dem Bett. Dass Sonntags um sechs Uhr morgens der Wille zum Aufstehen nicht besonders groß ist, kümmert sie wenig. Wenn leises Maunzen nicht den gewünschten Erfolg bringt, gehen sie schon mal auf Rücken und Bäuchen spazieren oder küssen einen wach. Da hilft kein Umdrehen oder unter der Decke verstecken, die beiden Damen gewinnen immer. Übel nehmen kann ich es ihnen nie.

Wenn ich die beiden sehe, wie sie sich am Fensterbrett räkeln und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen, muss ich jedes Mal lächeln. Wenn die Schnurrhaare zittern, weil sie im Traum durchs Gras flitzen und ab und zu ein aufgeregtes Maunzen ertönt, beschleicht mich das Gefühl, dass ihr Katzenleben ein schönes ist. Dass sie genau so von Abenteuern und Heldentaten träumen wie wir das manchmal tun. Ihre Gesichter drücken mindestens genau so viele Gefühle aus wie die Gesichter der Menschen. Freude, Überraschung, Zuneigung, aber auch Furcht und Trauer kann man in ihnen lesen. Für mich sind unsere Katzen weit mehr als Haustiere. Für mich sind die beiden Familie. Wenn ich sehe, wie sie sich mit verschlafenem Blick strecken und sich zufrieden schnurrend an mich gekuschelt zusammenrollen und weiterschlafen, bin ich fast sicher, dass sie das ebenso empfinden.

Ein glückliches Zuhause war das unsere auch vorher schon. Mit dem Einzug der beiden Damen hat sich uns aber eine bis dahin unbekannte Facette von Glück eröffnet. Verantwortung für ein anderes Lebewesen übernehmen zu dürfen, dessen Zuneigung und Dankbarkeit zu erfahren und einen anderen Blick auf gewisse Lebensthemen werfen zu können, das alles ging mit dem Einzug der beiden einher. Glück, das uns sonst wohl verborgen geblieben wäre. Ich bin dankbar für diese Erfahrung und empfinde das Zusammenleben mit diesen wunderbaren Wesen als Bereicherung. Ja, das ist eine Liebeserklärung. An Katzen im Besonderen und an alle Tiere im Generellen. Vielleicht fragen sich manche von euch jetzt, warum ich dieser Liebe schriftlich Ausdruck verleihe. Ganz einfach, weil unsere vierbeinigen Freunde es verdient haben. Weil sie fabelhafte Weggefährten sind und das Leben bunter machen. Und das alles ohne Bedingungen zu stellen. Weil sie gut sind, aus ihrem tiefsten Inneren heraus.

Habt ihr auch das Glück, mit Tieren leben zu dürfen? Empfindet ihr sie auch als Bereicherung? Ich kann mir ein Leben ohne die Damen nicht mehr vorstellen und bin gespannt, ob es euch ähnlich geht.

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Nadine sucht das Glück: Glück ist Gemeinsamkeit

Alexandre Dumas der Ältere ist den meisten wohl durch seine Werke Die drei Musketiere und Der Graf von Monte Christo ein Begriff. Neben diesen und vielen andern Büchern stammen auch…

Alexandre Dumas der Ältere ist den meisten wohl durch seine Werke Die drei Musketiere und Der Graf von Monte Christo ein Begriff. Neben diesen und vielen andern Büchern stammen auch sehr weise Worte aus seiner Feder. „Glücklicher als der Glücklichste ist, wer andere Menschen glücklich machen kann.“ Schon vor einiger Zeit bin ich über dieses Zitat gestolpert. Noch immer hallt es wider und regt mich zum Nachdenken an. Stimmt das? Ist das eigene Glück abhängig vom Glück anderer? Oder wird das eine durch das andere verstärkt? Wird Glück immer größer, je mehr Menschen sich daran erfreuen können? Antwort auf diese Fragen habe ich vor wenigen Tagen erhalten.

Anfang des Monats haben sich einige meiner KollegInnen zusammengeschlossen um gemeinsam für Menschen in Not zu kochen. Das Betreuungszentrum Gruft der Caritas in Wien unterstützt und umsorgt Menschen, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden. Obdachlose und sozial schwächer gestellte Menschen finden hier einen Platz zum Schlafen, Duschen und Essen. Sie werden mit Kleidung und anderen notwendigen Utensilien versorgt, die ihnen ihr Leben erleichtern. Drei Mal täglich gibt es eine Essensausgabe, die ab und an von freiwilligen Kochgruppen übernommen wird. Meine KollegInnen und ich haben eine solche Kochgruppe gegründet und die Möglichkeit genutzt, gemeinsam einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen.

Schon im Vorfeld war die Aufregung groß. Was wird gekocht? Wer kauft ein? Gibt es jemanden, der Erfahrung mit Großküchen hat? Sind wir alle hervorragende Meisterköche oder doch nur eine Ansammlung laienhafter Kartoffelschäler und Zwiebelschneider? Gemeinsam haben wir einen Schlachtplan aufgestellt und die Rollen verteilt. Dass unser Vorgesetzter zum Gehilfen und Zwiebelschäler erklärt wurde, war genau so in Ordnung wie die Tatsache, dass junge KollegInnen das Sagen über die Küchenabläufe hatten und altgediente KollegInnen auf Zuruf von A nach B flitzten. Für 200 Personen zu kochen ist für jemanden – oder eine ganze Gruppe – ohne Kocherfahrung eine ziemliche Herausforderung. Bewaffnet mit Schürzen und Kochmützen haben wir uns dieser Herausforderung gestellt. Erfolgreich, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat. Obwohl wir eine zusammengewürfelte Truppe aus verschiedenen Abteilungen und unterschiedlichen Altersklassen waren, stellte sich innerhalb kürzester Zeit ein großartiger Teamrhythmus ein. Jeder übernahm gewissenhaft seine Aufgaben und packte an, wo Hilfe benötigt wurde. Zwischen Unmengen an Kraut und Zwiebeln wurde gelacht und gescherzt und ganz nebenbei ein Menü für unsere Gäste auf die Beine gestellt. Dass wir zeitgerecht fertig geworden waren, war das erste große Erfolgserlebnis und Grund zur Freude. Die auf das Kochen folgende Essensausgabe sorgte aber doch für Nervosität. Was, wenn es nicht schmeckt? Wenn nicht ausreichend Essen vorhanden ist? Wie furchtbar wäre es, wenn jemand hungrig zu Bett gehen müsste! Alle Sorgen waren unbegründet. Wir hatten reichlich gekocht und wenn man den Mengen an verdrückten Portionen glauben mag, dann hat es auch geschmeckt. Nachdem der letzte Teller über den Tresen gewandert war, setzten wir uns zu den verköstigten Menschen und unterhielten uns noch eine Weile mit einigen von ihnen. Den Abschluss des Tages bildete ein gemeinsames Feierabendgetränk, bei dem der Nachmittag und Abend noch einmal eingehend besprochen wurden. Wir waren uns einig: Das war eine tolle Erfahrung und hat allen Spaß gemacht!

Im Nachhinein betrachtet waren zwei Aspekte ausschlaggebend für das vorherrschende Glücksgefühl, das auch noch anhielt als wir uns alle auf den Heimweg machten. Einerseits, dass wir aus dem gemeinsamen Wunsch, etwas Sinnvolles und Gutes zu tun, ein Team gebildet hatten, das wunderbar funktioniert und in dem jeder seinen Platz gefunden hatte. Gemeinsam etwas zu schaffen, sich gegenseitig unter die Arme zu greifen und am Ende erschöpft, aber zufrieden dastehen zu können fühlt sich großartig an und verbindet. Plötzlich sieht man seinen Vorgesetzten oder seine Kollegin mit anderen Augen, entdeckt vielleicht Charakterzüge, die vorher im Verborgenen lagen. Ein Perspektivenwechsel, der eine wahre Bereicherung darstellt.

Der zweite, noch viel wichtigere Aspekt, waren die vielen fröhlichen Gesichter, in die wir im Laufe des Abends blicken durften. Ja, den meisten dieser Menschen geht es schlecht. Viele von ihnen leben unter schrecklichsten Bedingungen, viele werden von ihren Mitmenschen nicht einmal wahrgenommen. Und trotzdem wurde gelacht und geplaudert. Wir sahen Menschen, die eng in Freundschaft verbunden ihre Scherze miteinander trieben und andere, die sich nach dem dritten Nachschlag über ein Stück Schokokuchen freuten, als gäbe es im Moment nichts, das sie glücklicher machen könnte. Einen kleinen Teil dieser Freude konnten wir mit unserem Abendessen bereiten. Dieser kleine Anteil an der momentanen Zufriedenheit aller Gäste der Gruft war es, der den Nachmittag für uns zu einem Erfolg und Grund zur Freude machte.

Das Glück des einen hängt nicht vom Glück des anderen ab. Wenn aber das Glück des einen den anderen glücklich macht, dann wird es mächtig und groß und für jeden fühlbar. Alexandre Dumas der Ältere hatte Recht. Ich hätte nicht glücklicher sein können und bin dankbar für diese Erfahrung, die ich mit meinen KollegInnen und den vielen unterschiedlichen Menschen in der Gruft teilen durfte.

Wenn ihr auch einmal den Kochlöffel für den guten Zweck schwingen wollt, könnt ihr euch hier informieren. Die Gruft ist übrigens nicht die einzige Einrichtung, in der Hilfe willkommen ist. Unterstützung wird an so vielen Orten benötigt. Scheut euch nicht nachzufragen, es wird sich lohnen.

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Posteo: Nachhaltige E-Post

Hand hoch, wer sich schon einmal gefragt hat, ob elektronische Post überhaupt noch nachhaltiger sein kann. Die Transportwege sind denkbar kurz, beim Absender türmen sich weder Papierknödel noch leere Tintenpatronen…

Hand hoch, wer sich schon einmal gefragt hat, ob elektronische Post überhaupt noch nachhaltiger sein kann. Die Transportwege sind denkbar kurz, beim Absender türmen sich weder Papierknödel noch leere Tintenpatronen oder kaputte Kugelschreiber und selbst wenn der Empfänger die Nachricht wegwirft, landet sie nicht als Abfallprodukt im Müll. Das klingt doch ganz gut. Aber wie so oft im Leben geht es immer noch ein bisschen besser.

In diesem Fall macht es Posteo ein bisschen besser. Der deutsche E-Mail-Anbieter legt größten Wert auf Nachhaltigkeit und bietet seinen Kunden leicht zu bedienende E-Mail-Accounts, die nichts an Funktionalität vermissen lassen. Posteo wird zu 100% mit Ökostrom von Greenpeace Energy betrieben. Der Einsatz von effizienter Hardware und die Verwendung von Recyclingpapier geben einen zusätzlichen Pluspunkt auf der grünen Liste. Das Tüpfelchen auf dem i bildet der nachhaltige Umgang mit den Finanzen des Unternehmens. Das Firmenkonto wurde bei der sozial-ökologischen GLS-Bank eingerichtet, die das Geld ausschließlich zur Finanzierung sozialer und ökologisch wertvoller Projekte verwendet. Die Rücklagen des Unternehmens liegen bei der Umweltbank, die mit diesen wichtige Umweltprojekte fördert. Wer hätte gedacht, dass elektronische Post so viele Facetten der Nachhaltigkeit haben kann?

Posteo hat sich allerdings nicht nur Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Sicherheit und Datenschutz sind dem Unternehmen nicht weniger wichtig. Die gesamte Seite ist werbefrei, eine Anmeldung kann ohne Angabe persönlicher Daten erfolgen. Egal von wo aus man seine E-Mails abrufen möchte, jeder Zugriff erfolgt verschlüsselt. Posteo bietet allen Nutzern die Möglichkeit auch Adressbücher und Kalender zu verschlüsseln. Wer also auf der sicheren Seite sein möchte, ist mit diesem Anbieter sehr gut beraten.

Ich habe vor wenigen Wochen mein E-Mail-Postfach zu Posteo verlegt. Sowohl die Einrichtung als auch die Benutzung des Postfachs sind kinderleicht. Posteo ermöglicht auch einen „Nachsendeauftrag“ vom alten E-Mail-Provider zum neuen Konto. Ich habe diesen Service nicht in Anspruch genommen, da ich ganz gut auf die 87 Werbe- und Spam-Mails verzichten kann, die Tag für Tag in meinem alten Postfach eintrudeln. Mein Fazit nach der kurzen Zeit: Ich bin absolut zufrieden mit meiner Entscheidung und kann jedem, dem seine Datensicherheit am Herzen liegt und der außerdem Wert auf Nachhaltigkeit legt, den Umstieg zu Posteo nur empfehlen. Ja, es kostet etwas. Einen knackigen Euro pro Monat. Kurz habe ich überlegt, ob ich tatsächlich Geld für etwas ausgeben möchte, das an so vielen Ecken und Enden gratis angeboten wird. Ja, ich will. Denn nur weil ich kein Geld in die Hand nehme, um etwas zu bezahlen, heißt das noch lange nicht, dass eine Leistung nicht trotzdem ihren Preis hat.

Alle wichtigen Informationen zu Posteo findet ihr hier.

Kennt ihr Posteo schon? Oder gibt es gar ähnliche Anbieter, die mir noch nicht untergekommen sind? Ich warte gespannt auf eure Meinungen und Tipps!

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Nadine sucht das Glück: Glück ist schrillernd

„Ich bekenne, ich brauche Geschichten, um die Welt zu verstehen.“ So das Geständnis von Siegfried Lenz, einem deutschen Schriftsteller in seinem Werk „Die Erzählungen“. Mir geht es ganz ähnlich, auch…

„Ich bekenne, ich brauche Geschichten, um die Welt zu verstehen.“ So das Geständnis von Siegfried Lenz, einem deutschen Schriftsteller in seinem Werk „Die Erzählungen“. Mir geht es ganz ähnlich, auch ich möchte die Welt verstehen und benötige dafür Geschichten. Noch mehr als die Welt als Ganzes möchte ich aber die Menschen verstehen, die ihre Geschichten erzählen. Was bringt sie zum Lachen, was zum Weinen? Welche Abenteuer haben sie schon erlebt und für welche wappnen sie sich gerade? Wovon träumen sie, worauf hoffen sie? Und vor allem, was macht sie glücklich? Was ist es, das ihre Energiereserven auffüllt und sie auch in schweren Zeiten die Zuversicht nicht verlieren lässt? Was ist es, das sie aus ihrem Inneren heraus strahlen lässt? Immer wieder stelle ich mir diese Fragen. Erst vor kurzem ist mir die Problematik daran aufgefallen. Ich stelle mir diese Fragen. Mir selbst, als würde ich die Antworten kennen. Dabei sind doch die anderen Menschen die einzigen, die mit ihren Geschichten meine Fragen beantworten können.

Die erste Person, die ich gebeten habe, mir ihre Geschichte zu erzählen nennt sich Yogi. Wir kennen uns mittlerweile schon seit einigen Jahren und haben gemeinsam gelacht, getanzt und über Gott und die Welt geredet. Über ihre persönliche Glücksgeschichte haben wir allerdings noch nie gesprochen. Bei einem gemeinsamen Kaffeehausbesuch und anschließendem Spaziergang am Donaukanal haben wir das aber nachgeholt. Vorhang auf für Yogi, hier kommt ihre Geschichte!

„2012 war das beste Jahr meines Lebens. Ich war das ganze Jahr lang auf Weltreise, war frei und ungezwungen und konnte einfach nur das tun, worauf ich Lust hatte. Was ich mache, mit wem ich rede, wen ich kennenlernen möchte, wohin ich gehe – all das war ganz allein meine Entscheidung. Ich war ein ganzes Jahr lang auf Urlaub, wer würde das nicht großartig finden?“ Zwölf Monate lang durch die Welt zu reisen und ganz frei entscheiden zu können, welchen Weg man als nächstes einschlägt, macht ganz gewiss glücklich. Daran zweifle ich nicht. Ob es diese Freiheit ist, die sie als größtes Glück empfand, habe ich sie gefragt. „Nein, das war großartig, aber dass ich Orte kennen lernen durfte, an denen ich mich heimisch fühle, das war die beste Erfahrung. Und auch die Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen und Kulturen waren ein großes Glück.
In Venice Beach, Los Angeles hatte ich das erste Mal auf meiner Reise dieses Gefühl. Das ist ein Ort, an dem ich bleiben könnte, weil die Menschen entspannt sind und das Lebensgefühl frei ist. Ein fantastisches Buchgeschäft gibt es dort. Es gibt Açaí-Eis aus Brasilien, Bongo-Spieler, das Meer rauscht, man radelt die Strandpromenade entlang und fühlt sich wie in Baywatch.

Ein noch stärkeres „Hier bin ich zu Hause“-Gefühl hatte ich in Kambodscha. Eigentlich habe ich nichts über dieses Land gewusst. Ich musste aus Thailand ausreisen, weil mein Visum ausgelaufen war. Der Grenzübertritt zu Kambodscha war der am nächsten gelegene. In Thailand zog ich von einem Ort zum anderen, wollte nie weiter und verliebte mich doch sofort wieder in mein nächstes Ziel. Ich wollte Thailand nicht verlassen, landete aber doch ganz unvermutet in meinem Lieblingsland.“

In Gedanken reise ich nach Kambodscha. Was weiß ich eigentlich über dieses Land und die Leute dort? Nichts. Ich habe mich noch nie damit auseinandergesetzt. Yogi nimmt einen Schluck von ihrem brasilianischen Kaffee und erzählt weiter: „Die Leute in Kambodscha sind so liebenswert. Obwohl ihre jüngste Vergangenheit nicht immer leicht war und die Spuren des Genozids in den Siebzigern nach wie vor präsent sind, sind sie aufgeschlossen und offen. Ich war fasziniert und fragte mich, wie das überhaupt möglich sein konnte. Zwischen all diesen Menschen, die trotz ihrer schlechten Erfahrungen so lebensfroh geblieben sind, fühlte ich mich zu Hause.“

Während Yogi von Kambodscha und den Leuten dort erzählt, leuchten ihre Augen. Die Erinnerung an ihre Zeit dort bereitet ihr offensichtlich viel Freude. Mir drängt sich die Frage auf, wie es sich jetzt anfühlt, fernab Asiens und eineinhalb Jahre später. „Kambodscha ist mein Land, dort soll ich sein. An diesem Gedanken hat sich bis heute nichts geändert.“ Yogi scheint in der Ferne ihr Herz an eine zweite Heimat verloren zu haben. So sehr sie die Monate dort genossen hat, so wenig vergessen sind auch die weniger schönen Erinnerungen. „Nach acht Monaten Reisezeit hatte ich ein so genanntes Travel Burnout. Obwohl ich mich so heimisch fühlte, ging es mir nicht gut. Es gab ständig nur Reis und Nudeln, überall war es schmutzig, ständig wurde ich als Touristin von Händlern bedrängt, die mir etwas verkaufen wollten. Ich nahm mir eine Auszeit und verbrachte einige Tage in der Hauptstadt von Kambodscha. Dort gönnte ich mir seltene Luxustage. Ich ging zum Frisör, kaufte mir ein hübsches Kleid und mietete ein Zimmer in einem Hostel, das neben einem hervorragenden Kaffeehaus lag. Diese Auszeit vom Reisen hat mir das Land noch näher gebracht, weil ich gesehen habe, dass es mich auch aufbauen kann, wenn es mir schlecht geht.“ Ich habe noch nie von einem Travel Burnout gehört und bin überrascht, wie offen Yogi darüber spricht. So schlecht es ihr ging, so fabelhaft ist es, dass sie eine so positive Erkenntnis gewinnen konnte.

„Während meiner Tage in Phnom Penh habe ich auch einen Fotokurs besucht, weil Fotografie auf dieser Reise zu meiner Leidenschaft und meiner Möglichkeit geworden ist, besondere Momente einzufangen und anderen zugänglich zu machen. Ich habe viele Einheimische fotografiert. An meinem letzten Tag habe ich beim Ausflug mit dem Fotokurs eine runzlige, alte Kambodschanerin ohne Zähne fotografiert. Ihr liebenswertes, aufgeschlossenes Lächeln hat mich berührt und mir noch mehr verdeutlicht, wie sehr ich dieses Land liebe.“

cambodian by Yogi

Yogis Aufenthalt in Kambodscha endete wiederum, weil ihr Visum auslief. „An der Grenze habe ich geweint. Ich wollte nicht weg.“ So eng fühlte sie sich dem Land verbunden, dass der Abschied schmerzte. Die nächsten Tage in Vietnam konnten den Kummer nicht lindern. „Die Menschen in Vietnam waren ganz anders als in Kambodscha. Sie waren viel verschlossener, trugen meistens Mundschutz und tief ins Gesicht gezogene Hüte. Ich hatte das Gefühl von Gesichtslosen umgeben zu sein. Außerdem war es, als hätte ich, egal wo ich hin kam, das ganze Touristenprogramm schon gesehen. Immer die gleichen Tempel, die gleichen Bauten und die gleichen Wasserfälle. Ich hatte nicht das Gefühl noch etwas Neues zu erleben. Deshalb habe ich meine Reise in den Norden auf halbem Weg abgebrochen und bin wieder zurück nach Kambodscha gefahren.“

Als mir Yogi von ihrer Rückkehr erzählt, freue ich mich richtig. Wie schön, wenn jemand seinem Herzen folgt und auch mal von einem Plan abweicht. „Eigentlich wollte ich in Sihanoukville in einer Strandbar arbeiten. Ich habe mir ein kleines Paradies vorgestellt, wurde aber schwer enttäuscht. Sihanoukville ist ein versifftes Loch voller Drogen und Prostitution, überall begegnet man verlorenen Seelen, die dort hängen geblieben sind.“ Die Enttäuschung steht ihr ins Gesicht geschrieben, allerdings auch das Mitgefühl mit den Menschen dort. „Statt in der Strandbar zu arbeiten habe ich einen Tauchtrip gebucht. Am Morgen als es losgehen sollte, sah ich eine Frau, die mir gefiel. Ich stornierte spontan meinen geplanten Ausflug und buchte stattdessen einen Tauchgang bei ihrer Schule, um sie zu begleiten. Mit dieser Tauchgruppe war eine Übernachtung auf einer anderen Insel geplant, auf der Insel Koh Rong. Ich bin für eine Nacht gekommen und einen Monat geblieben. Das war das Paradies, das ich gesucht hatte.“
Yogi erzählt, dass sie auf Koh Rong Arbeit in einem Guesthouse gefunden hat. Das Hausmädchen dort, die 14-jährige Srey Ni aus dem Einheimischendorf wurde schnell zu ihrer Schwester und Freundin. „Ihre Mutter brachte mir häufig Kokosnüsse aus dem Garten vorbei. Srey Ni und ihre Familie leben auf dieser Insel ohne Autos, ohne Arzt, ohne Hektik. Das Festland ist zweieinhalb Stunden Bootsfahrt entfernt. Srey Ni war erst zwei Mal dort.“ Yogi würde die kleine Kambodschanerin gerne nach Österreich einladen, wenn sie alt genug ist um alleine in Phnom Penh einen Pass beantragen zu können. In Kontakt bleiben können die beiden nur schwer, weil es auf der Insel weder Post noch Computer gibt. Nur wenn einer von Yogis Freunden auf einer Kambodschareise dort Halt macht, können sie sich über dessen Smartphone oder Tablet über Skype sehen und unterhalten. Ich versuche mir vorzustellen, wie Srey Ni auf ihrer kleinen Insel lebt. Ganz ohne die Luxusgüter, die wir gewohnt sind und oftmals nicht sehr wertschätzen. Wer wohl glücklicher ist? Wir mit all unseren Errungenschaften, die den Alltag erleichtern oder Srey Ni und ihre Familie, die ohne Hektik irgendwo im Nirgendwo leben. Ich komme zu keiner Antwort. Vielleicht sollte ich Yogi auf ihrer nächsten Reise begleiten und Srey Ni selbst fragen.

Natürlich will ich wissen, wie es ist, wenn man nach so einer langen Reise wieder nach Hause kommt. „Ich war ein Jahr lang unterwegs. Wieder in Wien zu sein war schwierig, ich hatte es mir anders vorgestellt. Irgendwie hatte ich erwartet, dass ich nach meiner Rückkehr sesshaft werden würde. Dass ich eine neue Wohnung, einen guten Job und eine Partnerin finden würde. Doch es kam anders. Ich lebe immer noch in der gleichen Wohnung und fand weder Job noch Partnerin. Meine Reise war ein Selbstfindungstrip. Ich habe mich auch gefunden, in vielen Facetten erfunden und neu entdeckt. Aber kaum war ich zurück, habe ich mich gleich wieder verloren. Ich wusste nicht, wo ich hin wollte. Sollte ich in Wien bleiben? Zurück nach Asien gehen? In ein ganz anderes Land ziehen? Ich war überfordert von der Fülle an Möglichkeiten, die sich mir bot. Dass ich nicht gleich eine gute Arbeit gefunden habe, hat an meinem Selbstwertgefühl gekratzt. Ich habe mich gefragt, warum ich überhaupt wieder zurück gekommen bin, wo ich doch anscheinend komplett überflüssig war. Das war keine leichte Zeit. Die große Frage, die im Raum schwebte, war: Wenn das mein bestes Jahr war, was soll jetzt noch kommen? Wird alles nur noch halb so gut sein? Wovon soll ich jetzt noch träumen?“ Ich bin beeindruckt, dass Yogi so aufrichtig über diese schwierige Zeit redet. Ein Jahr lang dauerte diese Unsicherheit und Unwissenheit, zwölf Monate voller Selbstzweifel und unbeantworteter Fragen. „2013 endete damit, dass mir ein Bekannter zu Silvester sagte, dass dieses Jahr mein Übergangsjahr gewesen sei. Heute sehe ich das auch so. Die Leere nach meiner Rückkehr war komisch, ich habe lange gebraucht um damit zurechtzukommen. Mittlerweile bin ich aber wieder angekommen und fühle mich wohl in Wien. 2012 war definitiv eines der besten Jahre meines Lebens. Ich freue mich aber auf die, die noch kommen werden. Denn es werden noch viele fantastische Jahre kommen, da bin ich mir sicher.“

Nachdem mir Yogi ihre Geschichte erzählt hat, die nicht nur eine Geschichte ihrer Reise, sondern auch eine ihres Wachsens und Erwachsenwerdens ist, sitzen wir noch einige Zeit am Wasser und bewundern die Muster, die der Wind an der Wasseroberfläche zeichnet. Ich bin dankbar, dass sie mir von ihrem großen Abenteuer erzählt hat und erfreue mich an den vielen kleinen Glücksstrahlen, die aus den Erzählungen hervor blitzen. Yogi hat nicht nur eine zweite Familie und viele neue Heimaten gefunden, sondern auch ein Stück ihrer selbst. Die Erinnerungen, die Freundschaften, die Einblicke in fremde Kulturen und die Erkenntnisse über sich selbst sind für Yogi wie ein innerlicher Schatz, den sie hütet, aber auch für andere frei gibt.

Zum Abschluss unseres gemeinsamen Nachmittags stelle ich ihr drei Fragen. Immerhin gibt es nicht nur die reisende Yogi, sondern auch noch viele andere. Wer warst du, wer bist du, wer wirst du sein? Zeig mir deine Persönlichkeit, ich möchte wissen wer du bist. Sie beginnt mit der Gegenwart, das ist am einfachsten. „Ich bin eine selbstbewusste, ehrliche, mutige Weltenbummlerin, die ihr Leben nicht nach gesellschaftlichen Normen ausrichtet. Eine Freundin hat ein Wort für mich erfunden, schrillernd. Sie sagt, ich sei schrill und schillernd. Es kümmert mich nicht, wenn mich jemand komisch ansieht.“ Ich muss laut lachen, als ich die von der Freundin kreierte Beschreibung höre. Schrillernd. Schrill, schräg und schillernd. Ja, das passt wunderbar. Während ich mich über die Wortschöpfung amüsiere, sucht sie nach Antworten auf meine beiden anderen Fragen. „Ich war das kritische, alles hinterfragende Leitschaf und auch ein Klassenclown. Schulsüchtig war ich auch, aber nur, weil ich ständig in meine Lehrerinnen verknallt war.“ Die Frage nach der zukünftigen Yogi ist wohl am schwierigsten zu beantworten. „Ich werde erfolgreich sein, erfahren und wissend und die Welt gesehen haben. Letzteres habe ich ja auch jetzt schon erreicht. Am wichtigsten ist mir, dass ich mich auch in Zukunft immer selbst zu schätzen weiß und mein Leben lang so schrillernd bleibe wie ich jetzt bin.“ Beim letzten Satz lächelt sie ob der Gewissheit, dass es tatsächlich so sein wird. Ein Glück, wenn man sich selbst gefunden hat. Ein größeres Glück, wenn man sich selbst gefunden hat und noch dazu gut leiden kann.

1 Kommentar zu Nadine sucht das Glück: Glück ist schrillernd

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