„Wir haben von unserem eigenen Körper, in dem unaufhörlich so viele Unlust- und Lustgefühle zusammenströmen, keine so klar umrissene Vorstellung wie von einem Baum oder einem Haus oder einem Vorübergehenden.“ Marcel Proust hat in seinem siebenbändigen Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ auf den Punkt gebracht, worüber ich mir regelmäßig den Kopf zerbreche. Von allem habe ich eine Vorstellung, mal eine vage, mal eine konkrete. Ein Bild auf jeden Fall, das im Geiste gemalt, vertraut und fassbar ist. Ich habe ein Bild von den Menschen, die mir begegnet sind, von den Städten, die ich gesehen habe. Ich kann mir leicht ausmalen, wie mein nächster Urlaub sein soll, mein Gemüsegarten, den ich in ferner Zukunft hegen werde. Ich weiß, wie es sich anfühlt, den Liebsten zu vermissen und ihn wieder in die Arme schließen zu können. Ich habe eine Ahnung, wie es sein würde, sollte er mich bitten, unsere Leben miteinander zu verbringen. Ich kann mir sogar vorstellen, wie die Farbe Rot schmecken könnte. Von all diesen Menschen, Dingen, Emotionen und abstrakten Begriffen kreiere ich im Geiste Bilder. Auch von meinem Körper habe ich ein Bild. Eines, das ich jeden Tag im Spiegel sehe und das auch meine Umgebung wahrnimmt. Nur das Innenleben liegt oft im Dunkeln. Da gibt es Ahnungen, vielleicht auch mal das kurze Aufblitzen eines Gefühls. Im Großen und Ganzen ist mein Inneres aber ein Mysterium.
Das Gute an Mysterien ist, dass sie aufgelöst werden wollen. Dass sie reizvoll sind und einen zum Hinsehen zwingen. Da ich mein größtes Mysterium bin, verbringe ich einen nicht unwesentlichen Teil meiner Freizeit mit der Erforschung meiner selbst. Eine für mich sehr effektive Methode habe ich in der Teilnahme an Gruppencoachings entdeckt. Das Besondere an diesen Veranstaltungen ist, dass sie immer das gleiche Thema haben. Beziehungen. Nicht irgendwelche Beziehungen, sondern die allerwichtigsten. Meine Beziehungen zu mir. Der Gedanke dahinter ist ganz einfach. Wenn die Beziehung mit mir, mit meinem Körper, mit meinem Geist und allen meinen Lebensthemen eine gute ist, werden auch alle Beziehungen zur Außenwelt gut sein.
In regelmäßigen Abständen nehme ich an eben diesen Beziehungskreisen teil, so auch vor wenigen Tagen. Jeder Beziehungskreis ist eine sehr besondere Erfahrung und die Erlebnisse arbeiten meist noch sehr lange in mir. Dieser war so außergewöhnlich und bereichernd, dass ich meine Erkenntnisse gerne teilen möchte. Ein kleiner Kreis von Teilnehmerinnen – mich eingeschlossen – erforschte mit Hilfe von Steinen und unter Anleitung einer wundervollen Coachin sein Innerstes. Schon als Kind habe ich Steine geliebt. Jeder ist anders, keiner sieht gleich aus und fühlt sich auch nicht so an. Gemein ist ihnen ihre Unvergänglichkeit. Für mich war diese Art der Mysterienauflösung allein deshalb schon sehr faszinierend. Im Laufe des Tages entdeckte ich neue Facetten meiner Persönlichkeit. Ängste, die tief verborgen geschlummert hatten, Talente, die noch nicht genügend Wertschätzung erfahren haben, Freude, die geteilt werden will. Ich habe Bestätigung in mir gefunden, die mich manche Dinge mit anderen Augen sehen lässt. Und ich habe ein Gefühl gefunden, dass ich nicht erahnen hätte können. Ich habe Ablehnung gefunden, einen Abschied, der lange nicht ausgesprochen war. Ein Gefühl, dass so viel Energie raubt und nichts zurück gibt. Die Erkenntnis etwas verabschieden zu müssen, war schmerzhaft und überraschend. Linderung schaffte die einkehrende Gewissheit, dass es kein „Müssen“ ist, sondern ein „Dürfen“. Etwas gehen lassen zu dürfen ist befreiend. Gerade wenn es sich um etwas handelt, mit dem man eng verbunden ist. So schön und kräftigend eine enge Verbindung meist ist, so anstrengend und kraftzehrend kann sie auch sein. Die Klarheit, dass es eine solche Verbindung in meinem Leben gibt, habe ich an diesem Tag gewinnen dürfen.
Diese Klarheit erlaubt mir, die Situation zu betrachten und zu bewerten. Sie schafft Gewissheit. Die Klarheit, die Enthüllung einer verborgenen Schwierigkeit ist es, die mir als großes Glück erscheint. Denn sie ermächtigt mich, meine Wahl zu treffen. Ich schaffe die Formen meines Lebens. Ich bin mächtig. Ich verneige mich vor dem Göttlichen in mir. Diese wunderbaren Erkenntnisse durfte ich mit nach Hause nehmen und diese sind es, die ich mit euch teilen will. Denn jedem soll Klarheit gewährt werden. Klarheit über jede einzelne Facette seines Körpers, ob innen oder außen, damit jeder seine eigene, besondere Macht spüren kann.
Kennt ihr diese Momente, in denen ihr alles, was ist und sein wird, ganz klar vor Augen habt? Die Erleichterung, die ein Abschied manchmal mit sich bringt? Ich freue mich, wenn ihr eure Erfahrungen mit mir teilt!