Carcassonne, Hotel Bristol

Hier in Toulouse hängt in unserem Hotelzimmer ein Druck von Klimt. Wir werden langsam an die Rückkehr in die Heimat gewöhnt. Im unpersönlichen Frühstücksraum die typische Atmosphäre eines Stadthotels. Jeder sitzt schweigend an seinem ungemütlichen Tisch. Welch ein Gegensatz zum gemeinsamen Frühstück mit Louis Revel, mit Esther und an anderen schönen, gastfreundlichen Plätzen auf dem Jakobsweg. Es ist Sonntagvormittag und noch sehr ruhig in der Stadt Toulouse. Die Gehsteige sind verschmutzt. Unser erstes Ziel ist die Basilika Saint Sernin.

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Ein Fresko zeigt den Heiligen, wie er an einen Stier gebunden durch die heutige Rue du Taur gezogen wird. Für die Wallfahrer wurde im 11. Jahrhundert die Basilika erbaut und jeden Nachmittag werden die Jakobspilger des südlichen Weges durch Frankreich hier begrüßt. Wir sehen einen einzigen Pilger mit seinem Rücksack in der Basilika. Vor einer Marienikone (das gleiche Motiv, von mir abgeschrieben, hängt in Höflein) zünde ich meine Kerze an. In der Bank vor mir sitzt eine Afrikanerin mit grauem, kurzem Haar, das perfekt zu ihrer grauen Bouclèjacke passt. Die aufgestickten Perlen auf ihrer Jacke harmonieren mit den grauen Rosenkranzperlen in ihrer Hand. Ein sehr berührendes Bild in diesem großen Gotteshaus. Eine Familie versammelt sich um den Altar für eine Taufe.

Langsam wacht die Stadt auf. Die Straßen werden belebt. Am breiten Fluss Garonne bei der Pont Neuf übt eine Sängerin Opernarien. Die wenigen Fußgänger bleiben stehen und applaudieren ihr. Etwas ganz besonderes ist die Cathèdrale Saint Etienne. Das Ergebnis einer Verbindung von zwei voneinander abgetrennten und unvollendeten Gebäuden. Gebaut zwischen dem 13. und 14 Jahrhundert. Paul Riquet, der Erbauer des 400 Kilometer langen Canal du Midi ist hier begraben. Mittags speisen wir in einem feinen Fischrestaurant. Wir sind natürlich in Wanderkluft, was anderes haben wir ja nicht – ganz im Gegensatz zu den französischen Familien, die hier ihr traditionelles Sonntagmittagsmenü einnehmen. Entsprechend unserer Kleidung werden wir weniger zuvorkommend behandelt. Kleider machen Leute! Die vorbeigehenden Menschen aus verschiedenen Nationen und Kulturen  spiegeln die Geschichte Frankreichs wider.

Nachmittags setzen wir uns in den Zug nach Carcassonne. Die Züge sind voll besetzt. Immer wieder begegnet uns der Canal du Midi und in dieser endlosen Ebene viele Weingärten. Auch heute liegt unser Hotel direkt am Canal du Midi. Viele Hausboote liegen hier vor Anker.

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Die Stadt selber ist schäbig. Berechtigterweise als Weltkulturerbe anerkannt ist die bestens erhaltene Festungsanlage um die alte Stadt. Wir starten unseren Fußmarsch zur Festung. Auf der Straße tanzt ein Paar im perfekten Stil zur Musik aus dem Autoradio. Schön anzuschauen. Auf der Festung trifft man – auch jetzt am Abend – noch viele Besucher in den kleinen Gassen mit den vielen Geschäften und Lokalen. Wir verschaffen uns einen Überblick über die imposante Anlage und essen in einer belebten Tapasbar Ziegenkäse mit Honig gekrönt mit einem Gläschen Wein. Mmh! Auf sehr holprigem Steinpflaster führt der steile Weg hinunter zur alten Brücke Pont Vieux über den Fluss Ande, der viel vom Regen aufgewühltes braunes Wasser führt. Zwei Möwen attackieren einen Fischreiher, der auf einem Stein im Wasser sitzt. Er bleibt stoisch sitzen und weicht geschickt den Angriffen aus. Als es ihm zu bunt wird setzt er sich ein paar Meter weiter auf einen anderen Stein und eine der Möwe besetzt den eroberten Stein. Die andere lässt sich in der Nähe nieder. Alle drei sind zufrieden. Die Wolken verdichten sich und wir beeilen uns ins Hotel zurück zu kommen.

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