Gastbeitrag von Vera Wolters von Finding the Universe
Weihnachten 1990. Alles läuft wie am Schnürchen: Morgens Geschenke verpacken, mittags ein leichtes Essen, nachmittags schick anziehen und in die Kirche, wieder zurück zum Singen vor dem geschmückten Baum, anschließend Bescherung und als Weihnachtsmahl Fondue. Schön!
Doch halt, zu früh gefreut: Auf einmal wird mir speiübel, und ich kotze das ganze Essen wieder aus. Das hängt mir nach. Da gibt’s einmal im Jahr Fondue und dann so was! Ursache ist das Lariam, das ich während der nächsten Wochen als Malaria-Prophylaxe einnehmen soll.
Was denn, Weihnachts-Malaria? Aber nein: Meine Patentante hat mich für die Weihnachtsferien nach Zimbabwe in Afrika eingeladen! Während der letzten Jahre hat sie dort bei „Ärzte ohne Grenzen“ gearbeitet und nun ist ein Besuch fällig – mit mir, dem elfjährigen Patenkind, im Schlepptau.
Und so geht’s los. Beim Stop-Over in Lissabon fahren wir zum Frühstücken in die gerade erwachende Stadt. Ein kleines Abenteuer, das seine Krönung findet mit der Taube, die meiner Patentante auf den Kopf kackt. Diese findet das nicht ganz so lustig wie ich, erklärt aber: „Das bringt Glück!“
In Zimbabwe wohnen wir bei Freunden. Eine nichtsahnende Spinne, die ich in einem Winkel meines Zimmers erspähe, beunruhigt mich so sehr, dass der gutmütige Herr des Hauses extra eine Leiter holt, um das Tierchen entfernen zu können. Auch entdecke ich ein Stäbcheninsekt, das ich aber großzügig für harmlos befinde, obwohl es dreimal größer ist als die Spinne. Schon klar, Vera.
Oh ja, die Tier- und Reptilienwelt Zimbabwes! Nichts, was betatscht werden darf, ist vor mir sicher; nicht mal Schlangen und kleine Krokodile. Eine Schildkröte, die ich von einer Straße rette, pinkelt mir zum Dank über die Hand. Jetzt grinst meine Patentante. Bringt das auch Glück?
Wir sehen Gazellen, Gnus, Elefanten, Krokodile, Flusspferde, Kraniche und anderes Getier. Darunter auch faustgroße schwarze Käfer, die mich aber eher weniger faszinieren, da sie zu Hunderten in dem Pool treiben, in dem ich schwimmen wollte. Dann halt nicht.
Fast am Ende der Reise nehmen wir eine uralte Dampflok zum Zambezi River, und von da aus geht es zu den Victoria Falls. Ich verschieße vor lauter Aufregung mindestens einen Film. Zu Hause stellt sich heraus, dass von den ganzen Fotos kein einziges die Schönheit der gewaltigen, sich in die Tiefe ergießenden Wassermassen wieder gibt. Ich klebe sie trotzdem alle in mein Album ein. Sie erinnern mich daran, dass man manche Dinge eben selber gesehen haben muss.
Ich habe bis vor gar nicht langer Zeit gedacht, dass meine Patentante schon irgendwie Perlen vor die Säue warf, als sie mich als Elfjährige auf so eine tolle Reise eingeladen hat, aber mittlerweile bin ich anderer Meinung. Denn warum hopse ich so unbedarft durch die Weltgeschichte und bin diese Weihnachten wieder mal ganz weit weg, Malaria-Prophylaxe inklusive? Weil ich Orte durch meine eigenen Augen sehen und erleben will. Selbst wenn mir dabei manchmal ein Vogel auf den Kopf kackt. Bringt doch Glück!