Gehzeit: 5 Stunden, La Gare (Saint-Saveur-en-Rue), Chambres d’Hotes
Um 6 Uhr verlassen wir ohne Frühstück – das gibt es hier leider nicht – den ungastlichen Ort. Nach zwei Stunden bekommen wir um 8 Uhr in Saint-Julien-Moulin-Molette in einer Bar einen guten Kaffee und Konrad seine versöhnliche Mehlspeise in der benachbarten Boulangerie. Dort herrscht Hochbetrieb – „alle“ Männer des Ortes kaufen Baguettes ein. Es ist Pfingstsonntag und Konrad erhofft sich mittags in Bourg-Argental das typische, gute französische Sonntagsmenü. Nach einer Messe, die mit einer berührenden Erwachsenentaufe verbunden ist, begeben wir uns auf Lokalsuche. Die Enttäuschung ist groß, nachdem wir auch beim dritten Versuch kein Glück haben. Alles für Familienfeiern ausgebucht! Wir stapfen resigniert weiter und sind froh, wenigstens noch eine Snackbar zu finden. In der „Bar des Tilleuls“ sind wir zuerst die einzigen Gäste und werden vom humorvollen Wirt Jean-Jacques und seiner Frau Gisele freundlichst empfangen. Natürlich kocht er uns persönlich ein Sonntagsmenü und auch etwas Vegetarisches für mich. Es kommen noch fünf Gäste zum Essen und paar junge Leute sitzen an der Theke. Wir kommen alle miteinander ins Gespräch und der gute Wein trägt das seine zur lockeren Stimmung bei. Umarmend und küssend verabschieden wir uns von allen und werden mit den besten Wünschen auf den Weg entlassen.
Die Natur hat uns wieder auf dem Weg bergauf zu einer alten, aufgelassenen Eisenbahntrasse mit schönen Viadukten aus den Jahren 1880 bis 1882. Die alten Tunnel sind gesperrt und werden auf der Straße umgangen. In La Gare, einer ehemaligen Haltestelle der Bahn in rund 1.000 Meter Seehöhe holt uns unsere 80-jährige Gastgeberin mit dem Auto zum Quartier in Saint-Saveur-en-Rue abseits des Jakobsweges ab. Auch hier war Konrad schon vor zwei Jahren zu Gast. Die alte Dame bewohnt alleine das große 170 Jahre alte Haus ihrer Eltern. Ihr Wohnteil ist halbwegs ordentlich renoviert. Die Tapeten im Stiegenhaus zu den Gästezimmern sind uralt. Der aufgestellte Stoss wird mit Reisnägeln notdürftig niedergehalten. Die Tapeten in den Zimmern sind nur alt und fleckig. Ein düsteres, enges Gang-WC war früher einmal für mehrere Wohneinheiten gedacht. Im Keller wurde eine Gästedusche neu eingerichtet. Das Zimmer, das Bett, die Sauberkeit… nur nicht genau hinschauen! Unsere sehr freundliche Gastgeberin kocht für uns beide und wir sitzen mit ihr gemeinsam an einem wuchtigen Tisch in ihrem geräumigen Wohnzimmer. An einer Wand, ganz ungewöhnlich, ein breiter gelber Vorhang. Dieses Geheimnis wird im Laufe unserer Gespräche gelüftet. Hinter dem Vorhang befindet sich ein breites Poster auf dem sich der Stammbaum der Familie befindet.