Seit Jahrzehnten war der Bauernhof im Waldviertel bekannt für Missstände und Tierquälerei – couragierte BürgerInnen handelten!
Tierquälerei am Bauernhof: April 2014
BürgerInnen melden einen landwirtschaftlichen Betrieb beim Amtstierarzt, in dem fünf schwer verletzte Rinder in nicht artgerechter Tierhaltung und schlechten hygienischen Zuständen leben.
Der zuständige Amtstierarzt der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya wird, trotz Gefahr in Verzug, nicht sofort tätig. Seine Kollegin dokumentiert vier Tage nach der ersten Meldung die Missstände, am sechsten Tag erst besucht auch der Amtstierarzt schließlich den Bauernhof.
Der Landwirt aus Eggmanns hält in einem zu kleinen Stall voller Exkremente Rinder, teilweise ohne Tageslicht und bei verfaultem Futter. Fünf der Rinder – in dauerhafter Anbindehaltung – weisen massive Verletzungen auf. Die Ketten sind mit dem Nackenfleisch der Kühe verwachsen und teilweise von neuer Haut bedeckt. Dieser Betrieb wird jährlich mit 14.000 Euro von der EU subventioniert.
Laut § 37 Abs 1 Tierschutzgesetz (TSchG) ist es die Pflicht der Behörden, Verstöße gegen § 5 (Tierquälerei) und § 7 (Verbot von Eingriffen an Tieren) unmittelbar zu beenden. Statt einer Beschlagnahmung ordnet der zuständige Amtstierarzt aber eine für den Landwirt profitable Notschlachtung an. Die um das Wohl der Tiere besorgten BürgerInnen können, gemeinsam mit AktivistInnen der Tierschutzorganisation Verein gegen Tierfabriken (VGT), den Amtstierarzt und den Landwirt von einer Übergabe der fünf verletzten Rinder an einen Gnadenhof überzeugen. Die Tötung der physisch und psychisch leidenden Kühe kann verhindert werden, weil der österreichische Gnadenhof Gut Aiderbichl auf die Vorgabe des Landwirts eingeht und ihm die Tiere abkauft. Vor dem Abtransport reißt der Landwirt den Tieren die eingewachsenen Ketten aus der Haut und versucht danach, seine Handlungen zu vertuschen.
Ist die Anbindehaltung in Österreich erlaubt?
Nein. Das österreichische Tierschutzgesetz (TSchG) besagt in § 16 (Bewegungsfreiheit) Abs 3 „Die dauernde Anbindehaltung ist verboten.“ Die rechtlich untergeordnete Anlage 2 der 1. Tierhaltungsverordnung (2.2 Bewegungsfreiheit) wird jedoch zur Umgehung dieser Bestimmung benutzt: „Die dauernde Anbindehaltung ist zulässig, wenn eine Unterbrechung der Anbindehaltung für den Tierhalter aus technischen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist.“ Tierschutz- und Tierrechtsaktivist Elmar Völkl schickte diesbezüglich eine Sachverhaltsdarstellung an die Volksanwaltschaft mit der Bitte um eine juristische Prüfung.
Werden diese von LandwirtInnen angegebenen Gründe überprüft?
Nein. Dazu der zuständige Amtstierarzt in seiner Zeugenaussage vor dem Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya: „Der Landwirt muss eigentlich nur erklären, dass er aus faktischen, gesundheitlichen, rechtlichen oder auch finanziellen Gründen nicht in der Lage sei, dieser Tierhalteverordnung zu entsprechen. Diese Gründe werden nicht überprüft, auch nicht verifiziert, es reicht die bloße Erklärung des Landwirtes und dann darf er auch weiterhin Tiere in Anbindehaltung halten.“
Landwirt vor Gericht: September 2014
Der angeklagte Landwirt bekennt sich vor dem zuständigen Bezirksgericht schuldig für die Missstände, Verletzungen und Schmerzen der fünf Tiere. Bereits vor Monaten habe er die verwachsenen Ketten bemerkt, diese immer wieder aus dem Fleisch der Kühe gelockert und die Wunden mit Blauspray besprüht. Auch das Verbot der Anbindehaltung sei ihm bekannt gewesen, Förderungen für einen Umbau nahm er aus Gründen, die ihm selbst nicht bekannt waren, nicht in Anspruch.
Hauptverhandlung: Dezember 2014
Das Gericht lehnt eine von der Verteidigung geforderte, außergerichtliche Einigung ab. Deren Argument, dass im Betrieb 30 Jahre lang alles in Ordnung gewesen sei, entgegnet die Richterin: „Das wage ich stark zu bezweifeln.“ Die Angabe der Verteidigung, dass der Betrieb seit kurzem vorbildlich geführt werden würde, beeindruckt die Richterin auch nicht: „Natürlich ist es gut, wenn jetzt alles funktioniert, aber das ist eine Selbstverständlichkeit.“ Die restlichen Tiere befinden sich weiterhin am Bauernhof des Beschuldigten, an deren Haltung hat sich nichts geändert.
Es ist die Pflicht von LandwirtInnen, die untersten Mindeststandards zu erfüllen – die sehr engagierte Richterin ist empört darüber „dass Landwirte sich durch eine einfache, nicht überprüfte Erklärung vom Verbot der dauernden Anbindehaltung selbst ausnehmen können.”, und bezeichnet den Umstand, dass unterste Mindeststandards derart unterschritten werden als „nicht tolerierbar.“
Das Urteil
Unter anderem wegen Vernachlässigung der Tiere und dem aktiven Herausreißen der Ketten wurde der Landwirt – rechtskräftig – zu drei Monaten bedingter Strafe verurteilt. Für Tierschutz- und Tierrechtsaktivist Elmar Völkl handelt es sich um ein richtungsweisendes Urteil: „Heute ist ein richtungsweisendes Urteil gefallen, mit einem klaren Signal an TierhalterInnen, dass die Unterschreitung der ohnehin niedrigen Mindeststandards nicht mehr toleriert wird!“
Die fünf Tiere befinden sich auf Gut Aiderbichl, wurden medizinisch versorgt und erholen sich seither von ihren physischen und psychischen Verletzungen. Danke an alle engagierten Menschen, die hinsehen, erkennen und handeln!
Nachgefragt bei Tierschutz- und Tierrechtsaktivist Elmar Völkl
Wie sollten Menschen vorgehen, wenn sie ZeugInnen von Tierquälerei werden?
Elmar Völkl: Dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren! Es ist essenziell, Tierquälereien so gut wie möglich zu dokumentieren, für den Fall, dass mündlichen Aussagen nicht geglaubt wird, wie wir beim Verein gegen Tierfabriken (VGT) leider schon oft erleben mussten. Um zu verhindern, dass ein Verfahren erfolgend aus einer privaten Meldung eingestellt wird, empfiehlt sich bei schweren Fällen von Tierquälerei, den Kontakt mit Tierschutz-/Tierrechtsvereinen, wie dem VGT, aufzunehmen. Qualifizierte Sachverhaltsdarstellungen können erarbeitet und ein Fall gegebenenfalls an die Öffentlichkeit gebracht werden. Sollte Gefahr in Verzug herrschen, zögern Sie bitte nicht, die Polizei zu rufen und auf ein sofortiges Einschreiten zu bestehen!
Was können KonsumentInnen tun?
Elmar Völkl: Es liegt an den mündigen, kritischen KonsumentInnen selbst, die sich ein Bild davon machen müssen, welche Lebensmittelproduktion ihren ethischen und ökologischen Ansprüchen gerecht wird. Leider sind Bioprodukte – vor allem weil es letzten Endes wieder um Massenproduktion geht – auch nicht der Tierethik letzter Schluss: Nicht zuletzt aufgrund stets wachsendem Wissen über die kognitiven und sozialen Fähigkeiten nicht-menschlicher Tiere und deren Personenstatus, entscheiden sich immer mehr Menschen für eine vegetarische oder vegane Lebensweise.
Quellen:
Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG)
Tierhaltungsverordnung, Anlage 2, Mindestanforderungen für die Haltung von Rindern
News des Vereins gegen Tierfabriken
Niederösterreichische Nachrichten
Gut Aiderbichl, Video von Transport
Tierrechtsradio, Sendung vom 5. Dezember 2014