Skurril! Wenn ich mein Wochenende in Riga in einem Wort zusammenfassen müsste, hätte ich gleich dieses hier parat. Die Geschichten von jungen Frauen, die dem Alkohol zugeneigt sind, gern die ganze zwanzigköpfige Großfamilie einladen, wenn der – vermeintliche – Liebste aus dem Ausland zu Besuch kommt, und die Maniküre jedem romantischen Stelldichein vorziehen… ich habe sie vor einigen Wochen noch als lustige Einzelfälle abgetan. Dafür würde ich jetzt meine Hand nicht mehr ins Feuer legen.
„Was machen wir denn in Riga?“, hat meine belgische Freundin noch gefragt, bevor wir am Freitag nach durchwachter Nacht in den Flieger gestiegen sind. „Egal, Hauptsache, wir haben Spaß!“, habe ich daraufhin gemeint, und so haben wir uns ohne großes Vorwissen und – abgesehen von obigen Erzählungen – unbelastet auf die Stadt gestürzt, in der rund die Hälfte der zwei Millionen Letten wohnen.
Hätten wir beide vorher mehr Zeit zum Einlesen gehabt, vielleicht wären wir etwas besser vorbereitet gewesen – und hätten höchstwahrscheinlich einige Lacher und ganz sicher einige gerunzelte Stirnfalten weniger gehabt. Hatten wir aber nicht. Für alle, denen es ähnlich geht, gibt es hier meine Quick-Tipps für ein Wochenende in Riga!
1. Wer RyanAir fliegt…
…ist selber schuld. Die Erfolgsmeldung zuerst: Wir zählten sowohl beim Hin- als auch beim Rückflug zu den 90 Prozent aller Flüge mit der Billig(?)linie, die pünktlich bzw. sogar im Voraus angekommen sind. Damit hat es sich mit den Erfolgsmeldungen auch. Woran man sonst merkt, dass man RyanAir fliegt? Vielleicht daran, dass einen die Stewardess aufweckt, damit man ihr den Müll seiner Nachbarn reicht – obwohl Letztere wach und durchaus willig waren, den Mist selbst weiterzugeben? Oder daran, dass man selbst seinen Duty-Free-Kauf noch ins Handgepäck stopfen muss, auch wenn überall steht, dass ein Teil dankenswerter mit an Bord darf? Oder daran, dass man am Flughafen in Riga unvorbereiteter Weise noch einmal rund acht Euro bezahlen muss, um durchs Check-In zu gelangen. So billig war das wohl dann doch nicht… Beim nächsten Mal nehme ich dann wohl lieber von Wien aus Lufthansa oder Finnair.
2. Riga ist begehbar
Wer sich so wie wir schon am Flughafen darüber freut, bei der Tourismus-Information praktischerweise ein Öffi-Ticket für seinen Aufenthalt kaufen zu können, wird schnellstens feststellen: Das braucht man gar nicht. In Riga ist so ziemlich alles zu Fuß ergehbar – und für die Gebiete, für die man die Tram oder den Bus benötigt, sind die 0,70 Lats (1 Lats = 100 Santims) durchaus in Ordnung. Auf die rund fünf Lats, die wir für ein Rundum-Drei-Tage-Ticket ausgegeben haben, sind wir jedenfalls trotz einiger Öffi-Fahrten nicht gekommen.
3. Seid dankbar, bedient zu werden
„Wo ist denn bei Ihnen das WC?“ Schiefer Blick, hochgezogene Augenbraue, kurzes Kinn-nach-oben-Schieben später die Antwort: „Ja, wir haben ein WC!“ „Wo finde ich denn den nächsten Bankomat?“, die Frage an der Kasse nach Kauf einer Postkarte. „Ich bin beschäftigt. Fragen Sie einfach eine Junge. Gehen Sie bitte!“ ist die Antwort der Verkäuferin. Situationen wie diese haben uns durchaus immer wieder spüren lassen, wie dankbar wir eigentlich zu sein haben, überhaupt unser Geld irgendwo lassen zu können und bedient zu werden. Ein oder zwei Mal hätte uns eine Kellnerin beinah den Teller entgegen geworfen. Natürlich haben wir beschämt ein leises „Danke“ gehaucht. Wir haben ja schließlich Manieren…
4. Postkarten findet man überall und Postkästen sind gelb
Nein, ich habe nicht zu viel vom (übrigens grauenvollen, nicht einmal mit Cranberry-Saft genießbaren) „Nationalgetränk“ Black Balsam getrunken, bevor ich diese Überschrift geschrieben habe. Tatsächlich war es ein Leichtes, eine Postkarte samt Briefmarke in Riga zu kaufen – die gibt es in jedem Eckladen. Eine größere Herausforderung war es da schon, einen Postkasten zu finden. Nachdem wir etliche Mal ein „Tut mir leid, ich habe keine Ahnung, wo es einen gibt.“ zur Antwort bekommen haben, war diese dann doch eine Enthüllung: „Wo man Postkasten einwirft? Ach, das sind so gelbe Boxen, die finden sich irgendwo in der Stadt.“ Aha, darauf wären wir im Traum nicht gekommen! Ein heißer Tipp: Fündig wurden wir dann übrigens im Radisson Blue Hotel, wo man einen Abstecher zur Skyline Bar schon einmal fürs Einwerfen der Postkarten nutzen kann! (Apropos Skyline Bar: Eintritt kostet dort leider ab 19 Uhr 2 LATS, aber die Drinks bzw. das Essen dort ist auch nicht viel teurer als an anderen Orten. Und der Blick von oben über die Stadt ist recht schön, wenn auch durch Glasfenster.)
5. Come and join the music
Auf den Straßen, in den Gassen, auf den Plätzen – überall wird in Riga musiziert, gesungen, getanzt, gespielt. Und gleich unser erster Abend in Riga bleibt unvergesslich: Den haben wir nämlich im Ala Folk Club verbracht, entdeckt auf Empfehlung von Kristine vom Blue Cow Hostel. Im Kellergewölbe in der Altstadt versammelt sich Jung und Alt, echte (und unechte) Letten, es gibt – angeblich einzigartige – lettische Kost (selbst für VegetarierInnen wie mich), mein neues Lieblingsbier Madona und dazu noch freundliche Bedienung. Der Höhepunkt war aber sicher die Live-Band, zu der ein bereits etwas tapsiger Mann mit Irokesenhaarschnitt ausladend die Hüften geschwungen und damit seine um zwei Köpfe höhere Freundin beeindruckt hat. Ich liebe Shows wie diese, oder wie die am anderen Tag im Rockabilly House, wo sich doch tatsächlich eine 80jährige Wilma Feuerstein in Leoparden-Fetzen abgeshakt hat, dass es nicht nur für die langhaarigen Hawaii-Hemden tragenden Live-Band-Mitglieder ein Fest war!
6. Sonntag ist Ruhetag
Auch wenn Riga angeblich als „zweite Stadt, die niemals schläft“ bezeichnet wird, sonntags habe ich definitiv das Gegenteil festgestellt: Da standen wir nämlich – fast – überall vor verschlossenen Türen und dort, wo uns der Guide noch „pulsierendes Treiben“ oder „bunte Märkte“ versprochen hat, war der Ausdruck der gähnenden Leere noch eine Untertreibung. Vielleicht lag das in diesem Fall aber auch daran, dass die Tall Ships Race zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder in Rigas Hafen eingekehrt sind – und da haben sich die Letten getummelt, ich sag’s euch!
7. Offline geht anders
„Typisch Osteuropa,“, meint meine Freundin, die neben der belgischen auch die ungarische und rumänische Staatsbürgerschaft hat, bei der Ankunft in Riga, „WiFi ist überall!“ Recht hat sie. Die lettische Hauptstadt war also wohl nicht die ideale Station, um mein Experiment „Ich reise zum ersten Mal seit drei Jahren ohne Notebook.“ anzutreten – überall lockte das Internet. Gratis, oft ohne Code, was für ein Traum für Junkies wie mich!
Offenlegung: Danke an HostelBookers für die Vermittlung ans Blue Cow Hostel und die Einladung, dort zu übernachten. Ich kann die Wohnzimmer-Atmosphäre und zentrale Lage nur empfehlen! Die Ansichten und Meinungen in der Geschichte bleiben meine eigenen.