Gastbeitrag von Tanja, die seit September 2013 auf ihrem Blog Search for Happiness über ihre Reiseerlebnisse schreibt und Tipps und Tricks gibt, wie du deine eigene Langzeitreise planen kannst.
Dein Herz klopft wild gegen deinen Brustkorb, deine Hände schwitzen, dein Mund ist trocken. Ungewissheit kann manchmal der schlimmste Feind sein. Warum hast du dich nicht für den angenehmen Bus entschieden, nörgelst du innerlich mit dir selbst. Aber du wolltest etwas Einzigartiges erleben. Und sogar die Kiwis sagen, dass Trampen die Antwort darauf sei.
Nun stehst du hier am Straßenrand, streckst trotz aufkeimenden Muskelkrampfs brav einen Arm von dir weg, den Daumen in die Höhe und beobachtest die vorbeiziehenden Autos. Fühlst dich wie bestellt und nicht abgeholt. Weißt nicht, ob und wann du deine Destination erreichst und vor allem, wer für dich stehen bleibt. Was soll daran einzigartig sein?
Ein verlangsamtes Auto reisst dich aus deinen Gedanken. Fokussiert beginnst du zu lächeln, schließlich willst du dem Fahrer etwas verkaufen – dich selbst. Dein Lächeln steht für „Ich werde dir nichts tun“ oder „Ich kann dir lustige Geschichten über mein Heimatland erzählen“. Und tatsächlich hält er an. Dein nervöses Herzrasen verwandelt sich in einschleichende Panik. Wer ist das? Ist er nett oder gefährlich? Herzlich oder cholerisch?
Ein weißhaariger Mann mit mindestens 70 rüstigen Jahren Lebenserfahrung steigt aus und lächelt dich nett an. Seine freundlichen blauen Augen beruhigen dich, er grüßt dich sehr offen und hilft dir beim Verstauen deines Backpacks am Rücksitz.
Schon sitzt du am Beifahrersitz eines Fremden. Bist stolz auf dich, weil die erste Hürde geschafft ist. Und stellst dich nun auf den unausweichlichen, oberflächlichen Small Talk ein.
Wieso reist du?
Okay, diese Frage kam unerwartet. Du dachtest, du erzählst zuerst ein bisschen über dich, hast deinen Text schon vorbereitet, gleich einem Bewerbungsgespräch. Aber es stimmt – wieso reist du wirklich?
Weil ich unglücklich war.
Womit warst du unglücklich?
Noch eine gute Frage.
Eigentlich mit fast allem. Meinem Studium, meiner Beziehung. Ich war immer sehr unsicher und habe mich oft hinter anderen versteckt. Und jetzt versuche ich meine Antwort auf die Frage zu finden, was ich aus meinem Leben machen will.
Du staunst über deine Ehrlichkeit und deinen Willen, dir hemmungslos Schwäche und Fehler einzugestehen. Denn du weißt, dass du deinen Sitznachbarn höchstwahrscheinlich nie wieder siehst.
Dieser erzählt nun ein bisschen von sich. Du spürst die Trauer, als er von seinem verstorbenen Vater berichtet, den Stolz, wenn er über seine einzige Tochter erzählt, die Freude, wenn er dir ein Stückchen von seinem Leben preisgeben darf.
Die nächsten 150 Kilometer vergehen schneller als dir lieb ist. Mitten im Gespräch bist du schon angekommen und steigst beinahe widerwillig aus. „Danke für die Fahrt“, sagst du etwas nachdenklich. „Ist doch selbstverständlich“, entgegnet er.
Als du dich umdrehen möchtest, fügt er noch hinzu: „Vergiss nicht, dass du ein toller Mensch bist. Du kannst alles schaffen was du möchtest und gib dich nicht mit weniger zufrieden. Ich hoffe du findest dein persönliches Glück.“ Und schon fährt er weiter. Dein erstes Mal Trampen ist vorbei und du verstehst nun.
Nicht die Fahrt an sich macht es so besonders, sondern die Menschen, die das Fahrzeug bedienen. Innerhalb von zwei Stunden können sie mit ihren Ansichten, Überlegungen und Fragen dein Leben verändern. Sie denken anders als deine Freunde zuhause, sie unterscheiden sich von Herkunft, Alter und Erziehung. Und du weißt nie, wer deine nächste Bekanntschaft sein wird: Ein Pilot, ein LKW-Fahrer, eine Bäckermeisterin, eine Mutter, ein Schiffskapitän. Doch sie bringen dich zum Nachdenken, zum Hinterfragen, doch vor allem bestärken sie dich, in dem was du tust, denn so sind die Kiwis nun einmal. Und du wirst auch stärker, denn Trampen kostet jedes Mal Überwindung und Mut.
Und egal in welches Auto du steigst, du redest mit dem Fahrer über sehr Persönliches, weil seine Unbekanntheit dich überraschenderweise vertrauen lässt. Er wird dich nicht verurteilen. Im Gegensatz dazu erzählt er dir Geschichten über sein Land, sein Leben, seine Familie. Er zeigt dir eine Seite von Neuseeland, die du in einem Bus nie erfahren hättest: Echte, neuseeländische Kultur. Und das macht jedes Trampen in Neuseeland einzigartig.
Natürlich besteht beim Trampen immer ein gewisses Restrisiko, schließlich steigst du bei fremden Menschen ein. Jedoch musst du hier auf dein Bauchgefühl vertrauen. Fühlst du dich nicht wohl, fährst du einfach nicht mit und wartest auf den nächsten Fahrer. In Neuseeland gab es in den letzten Jahren keine unangenehmen Zwischenfälle mehr.
Als Frau ist es prinzipiell einfacher eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Männer warten oft doppelt oder dreimal so lange. Wenn du alleine bist, hast du ebenfalls keine Probleme, zu zweit wird es schon etwas schwieriger, ist aber dennoch möglich.
Worauf du achten musst: Wenn du trampen willst, ist der richtige Warteplatz absolut notwendig. Stell dich zum Straßenrand in die richtige Richtung, naheder Hauptstraßenauffahrt. Vermeide jenen Straßenbereich, welcher am Rand mit gelben Strichen markiert ist, hier dürfen die Autos nicht stehen bleiben. Des Weiteren ist es ganz normal, dass du öfter mal umsteigen musst, da nicht jeder dieselbe Destination anfährt wie du.
Und nun, Daumen hoch!