Künstler Chris Moser konfrontiert uns schonungslos mit der Fratze der Pseudoargumentation. Hässliche Zähne, weit aufgerissener Mund, schwarz-rote Augen, die Wirbelsäule dringt aus dem Nacken und über ihr glänzt eine merkwürdige Mechanik. Mitten im abscheulichen Kopf steckt eine rote Axt, eine Brille schwächt den monsterhaften Charakter dieser Büste und ein Schriftzug betitelt sie. Es ist ein „Homo ABER“! Wir können seinen Schrei beinahe hören.

Bild: Chris Moser, homo ABER, Gips, Accessoires, 2015 | © Chris Moser

Bild: Chris Moser, homo ABER, Gips, Accessoires, 2015 | © Chris Moser

Homo ABER?

Der „Homo ABER“ kann laut Künstler Chris Moser im weitesten Sinne als Gegenstück zum anthropologischen Begriff des „Homo Faber“ gesehen werden. Der „Homo Faber“, als schaffender Mensch, führt durch sein Handeln Veränderungen herbei, im Gegensatz zu ihm sucht der „Homo ABER“ stets nach Argumenten, um sein Handeln oder Nicht-Handeln zu legitimieren.
Symbolisch steht der „Homo ABER“ für die Aussagen, die am Sockel zu lesen sind. Diese Phrasen sind austauschbar – das pseudo-argumentative ABER hinter den leeren Wortfetzen bleibt bestehen. Will sich der „Homo ABER“ weiterentwickeln ist laut Moser Bewusstseinsbildung notwendig.

Auszug Sockelbeschriftung:
„Ich bin bestimmt nicht rassistisch, ABER“
„Mir tun die Tiere ja auch leid, ABER“
„Natürlich müssen wir die Mitwelt schützen, ABER“
„Klar sollten Kinder nicht geschlagen werden, ABER“
„Mir tun Flüchtlinge ja auch leid, ABER“
„Natürlich bin ich gegen Gewalt, ABER“

Bild: Chris Moser, homo ABER, Gips, Accessoires, 2015 | © Chris Moser

Bild: Chris Moser, homo ABER, Gips, Accessoires, 2015 | © Chris Moser

Radikalkunst

Das Werk steht für den manipulativen Moment in Mosers Kunst: „Wer diese Arbeit kennt und in Zukunft eine der bekannten unseligen ABER-Phrasen hört, erkennt in der SprecherIn unvermeidbar die Fratze des „Homo ABER“. Wer solche Aussagen (noch) selbst tätigt, ertappt sich dabei, selbst abstoßender „Homo ABER“ zu sein!“ [1]

Konfrontativ, provokant und erbarmungslos ist die Kunst des Tirolers. In der Provokation sieht Moser sein Stilmittel, nämlich „das Brecheisen, um die verkrusteten Schalen von Gleichgültigkeit und Politikverdrossenheit aufzubrechen“[2]. Sein Kunstbegriff ist eindeutig: „Ganz allgemein denke ich, dass KünstlerInnen die Verantwortung haben, sich klar zu positionieren. […] Solange Ungerechtigkeit und Ausbeutung herrschen, ist es die Pflicht der Kunst […] dagegen vorzugehen.“[3] Schweigt die Kunst zu gesellschaftsrelevanten Themen, ist sie bloße Dekoration, dient der Zerstreuung, der Ablenkung und unterstützt so Unrecht und Gewalt.[4]

Kunst oder Aktivismus?

Chris Mosers Kunst und sein Engagement als politischer Aktivist lassen sich nicht voneinander abgrenzen. Seine Kunst ist Teil seines politischen Aktivismus. Als Angeklagter im sogenannten Tierschutzprozess wurde seine künstlerische Intention vom Gericht hinterfragt und sein Aktivismus kriminalisiert. Moser wurde freigesprochen (aus bewiesener Unschuld, rechtskräftig) und fand in seinem Plädoyer im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Wiener Neustadt klare Worte: „Ich werde nicht auf Gerechtigkeit hoffen, sondern weiterhin dafür kämpfen! Für die Befreiung von Mensch und Tier, für die Freiheit der Kunst! Somit schließe ich mit einem Zitat Bertolt Brechts: Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zu Pflicht!”[5]

Fazit

Moser adressiert die Betrachtenden direkt, verweist dabei unmissverständlich auf die Verantwortung jedes einzelnen Menschen und will diese zum Nach- und Umdenken ermutigen. Als notwendige Voraussetzung einer emanzipatorischen Kraft stellt Moser dominierende Herrschaftsmechanismen und Hierarchiekonzeptionen in Frage, beleuchtet Ausbeutungs- und Unterdrückungsprozesse und fordert mittels dem Symbol der Axt die Zerschlagung von traditionellen Denk- und Handlungsstrukturen.

Chris Moser lebt und arbeitet als Künstler, Buchautor und politischer Aktivist in Tirol.
Künstlerische Medien: Bildhauerei, Grafik, Collage/Assemblage
Facebook
Website

 

Quellen:
Der Prozess. Ein Film zur §278a-Thematik von Igor G. Hauzenberger, 2011
Green Seven Report 2013 – Chris Moser
MOSER, Chris, Die Kunst Widerstand zu leisten. Wie mit § 278 a im Tierschutzprozess Freiheit untergraben und Kunst zum Verbrechen wurde. Ein Tatsachenbericht, Kyrene Verlag, 2012
MOSER, Chris, M.E, Kyrene Verlag, 2013
objects? of art! (Katalog zur Ausstellung am 6. Tierrechtskongress Wien, 10. bis 12. Oktober 2014), Wien 2014
Tierschutzprozess. Effektiver Tierschutz und gelebte Demokratie in Gefahr

[1] E-Mail Interview mit Chris Moser
[2] MOSER, Chris, M.E, Kyrene Verlag, 2013, S.20
[3] MOSER, M.E, S.24
[4] Vgl. MOSER, M.E, S.24
[5] MOSER, Chris, Die Kunst Widerstand zu leisten. Wie mit § 278 a im Tierschutzprozess Freiheit untergraben und Kunst zum Verbrechen wurde. Ein Tatsachenbericht, Kyrene Verlag, 2012, S.16