Eco. Life. Style.

Kategorie: Film. TV.

#diagonaledenktweiter – Wenn eine nachhaltige Initiative die Rolle der Selbstverständlichkeit einnimmt

Es ist der Film, welcher uns in andere Welten gleiten lässt, aber auch die Institution Kino, welche uns erlaubt diesen Moment zu genießen. Es ist ein “Ort, der Publikum hat”…

Es ist der Film, welcher uns in andere Welten gleiten lässt, aber auch die Institution Kino, welche uns erlaubt diesen Moment zu genießen. Es ist ein “Ort, der Publikum hat” aber auch einer, der mit Hilfe der Initiative #diagonaledenktweiter viel fortschrittlicher und vor allem nachhaltiger agieren kann.

Seit bereits 20 Jahren schreibt Graz einmal im Jahr Filmgeschichte. Wie viele Geschichten so hat auch die Diagonale, das Festival des österreichischen Films, viele unterschiedliche Wurzeln zu einem großen Ganzen zusammengeführt. Alles begann mit den österreichischen Filmtagen und führte schlussendlich zum “Querschnitt des österreichischen Filmschaffens”. Die Diagonale hat sich dem österreichischen Film verschrieben und entwickelt deshalb laufend neue Strukturen um das österreichische Kino groß heraus zu bringen und vielleicht den einen oder anderem Besucher “gegen den Strich zu bürsten.” Unterschiedliche Ecken und Enden, Anfänge und Historien, sowie andere “Stories” können auf der Diagonale erforscht werden.

Der österreichische Film ist im Ausland als “feel-bad cinema” verschrieen. Jedoch sollten die Facetten dieser Filmwerke nicht unterschätzt werden und eher als dunkelbunte Darstellung der Realität oder Fiktion gesehen werden. Die Co-Intendanten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber wollen auf dem Bestehenden aufbauen und so an einem Rädchen nach dem anderen drehen, damit sich Kleinigkeiten zum Besseren wandeln. Rote Fäden sollen das Programm zusammen halten und ein Netzwerk für Jung und Alt schaffen. Das Festival stellt sogar ein Refugeekontingent bereit, um den sozialen Raum Kino jedem zugänglich zu machen.

Um etwas zu bewegen und zu verbessern wurde die #diagonaledenktweiter Initiative ins Leben gerufen. Dieses Interview soll aufzeigen, was die Initiative sein soll und welche Rolle sie auf keinen Fall einnehmen darf.

Sebastian Hoeglinger & Peter Schernhuber im Interview; credits: Lukas Maul

Sebastian Hoeglinger und Peter Schernhuber im Interview. Bild: Lukas Maul

Corinna: Wo soll #kinodenktweiter hinführen? 

Da muss man etwas früher einhaken. Die Diagonale hat vor einigen Jahren schon die Initiative “diagonale goes green” ins Leben gerufen. Da ging es sehr stark darum im nachhaltigen und ökologischen Sinn zu agieren und einfach einmal die Festivalgestaltung zu hinterfragen – auch im Hinblick auf ökologische Aspekte. Dabei ging es vorwiegend darum regionale Lebensmittel ins Programm aufzunehmen, ganz bewusst auch Dinge zu reduzieren, die so nicht notwendig sind und nur Müll produzieren beispielsweise das Merchandising und so weiter.

Damit war die Diagonale damals sehr früh dran, sehr in einer PionierInnen-Rolle und wie immer das bei solchen Nachhaltigkeitsinitiativen ist, muss man sie auch überprüfen und schauen was sie eigentlich bringen oder eben nicht! Inwiefern gibt es Benefits für alle Beteiligten? Läuft man schon längst Gefahr, Greenwashing zu betreiben? Ist es nur noch ein ideologisches Vorhaben – ist ja auch ganz oft der Fall.

Und das war bei uns dann der Grund, warum wir diese Initiative als wichtigen Impuls übernommen haben. Wir haben diese hinterfragt und daraus #diagonaledenktweiter gemacht. Einfach weil es uns wichtig war, auch die soziale Komponente mit hinein zu bringen. Das beginnt dann bei den Produktionsbedingungen für die Merchandiseprodukte geht aber auch über in Fragen der Festivalgestaltung. So auch die gerechte Entlohnung im Rahmen des Möglichen. Zusammengefasst kann man sagen: #diagonaledenktweiter legt verstärkt einen Blick auf die sozialen Aspekte im Rahmen eines Festivals.

Wofür soll diese Initiative stehen?

Was es nicht sein soll ist ganz klar – es soll keine Fahne sein, die wir voran tragen und es kann auch nicht sein oder beziehungsweise finden wir das immer bedauernswert, wenn solche Initiativen Inhaltliches dominieren. Die Diagonale ist ein Filmfestival, in dem Fall das Festival des österreichischen Films und im Zentrum stehen die Filme und bei diesen Filmen gibt es (mit der Ausnahme der historischen Specials) keinerlei inhaltliche Vorgaben, wird es auch in Zukunft nicht geben und würde auch keinen Sinn machen. Das aber wiederum heißt nicht, dass solche Filme nicht im Programm sind, denn der österreichische Film ist ein sehr kritischer und da gibt es immer wieder Filme, die diese Themen aufgreifen. Wenn ich jetzt an die aktuelle Jahresproduktion denke, dann wäre Bauer unser beispielsweise so ein Film.

Das Gartenbaukino hat zu unserer Freude unsere Aktivitäten beobachtet und beschlossen, in Wien in ihrem Kino das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu steigern. Die Frage war, ob sie das Label übernehmen können von #diagonaledenktweiter zu #kinodenktweiter, was uns natürlich sehr freute. Dabei haben wir uns auch zusammengesetzt und geschaut wo es Synergien gibt, wo kann man zusammenarbeiten, wo kann man Erfahrungen austauschen und ich glaube dieser Erfahrungsaustausch ist ein wichtiger Teil des Ganzen.

UNTITLED - der Eröffnungsfilm; credits Filmladen Lotus Film

UNTITLED – der Eröffnungsfilm. Bild: Filmladen Lotus Film

Das Wissen soll über traditionelles Handwerk sowie auch kreatives Potential weitergeben werden. Wie können wir uns das vorstellen?

Es soll weniger über Film auf der Leinwand als eher an der Arbeit am Festival statt finden. Beim Handwerk geht es darum, dass unsere Marketing- und Sponsoringabteilung ganz bewusst mit Betrieben aus der Steiermark und im besonderen in Graz zusammen arbeitet. Dazu muss man sagen, dass die Diagonale seit 20 Jahren in Graz statt findet. Und auch in dem Sinne ist Graz der bestmögliche Standort, weil es dort einfach wahnsinnig viele junge und alte, kreative und traditionellere Handwerksbetriebe gibt, die diese Zusammenarbeit ermöglichen. Ich meine jetzt nicht das Handwerk im klassischen Sinn, sondern das beginnt bei den Produzenten unserer Apfelchips, die dann für den Signature-Drink bei der Bar am Abend relevant sind und hört auf bei den Festivaltaschen, die von einem Unternehmen in Graz gemacht werden und in Slowenien zum Teil genäht werden. Aber alles quasi so, dass es nachvollziehbar ist und dass es sich am Schluss in dieses Gesamtkonzept einfügt.

Beim anderen Aspekt geht es sehr stark um den unprätentiösen Austausch miteinander. Also wirklich den Wissenstransfer als gelebte Chance zu sehen. Festivals in Österreich sind im internationalen Vergleich doch nicht allzu groß, das heißt man ist gut beraten hier sehr viel auf Wissenstransfer zu setzen, auf Teamwork, auf Zusammenarbeit. Auf all diese Dinge, die man jetzt in der New Economy mit spektakulären Worten beschreibt, die aber hier in der Kulturszene eigentlich schon längst üblich sind, aus einer Notwendigkeit heraus. Diese Dinge nicht nur aus einem Zwang heraus zu tun, sondern aktiv das Potential darin zu entdecken, das ist glaube ich damit gemeint.

Ein Punkt zum Beispiel wäre, dass die Diagonale nicht das ganze Team über das ganze Jahr hinweg beschäftigen kann, deshalb gibt es innerhalb der Festivals in Österreich einen Durchlauf, einen Transfer – einen “positiven Braintrain”, wenn man so will – Leute die bei einem Festival arbeiten, dann beim nächsten dabei sind und so weiter. Diese gegenseitige Solidarität ist letztlich auch Grundvoraussetzung um Festivals, wie sie in Österreich aufgestellt sind, stattfinden zu lassen.

Vielen Dank für das Interview!

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Jagd: ServusTV ändert kurzfristig Pläne für Diskussion

Der Fernsehsender ServusTV hat kurzfristig die Pläne für Talk im Hangar 7 zur Diskussion über Jagd geändert und DiskussionsteilnehmerInnen ausgeschlossen. Hat die Jägerschaft interveniert? Vergangenen Donnerstagabend diskutierten fünf männliche –…

Der Fernsehsender ServusTV hat kurzfristig die Pläne für Talk im Hangar 7 zur Diskussion über Jagd geändert und DiskussionsteilnehmerInnen ausgeschlossen. Hat die Jägerschaft interveniert?

Vergangenen Donnerstagabend diskutierten fünf männliche – davon vier selbst jagende – Diskussionsteilnehmer mit Michael Fleischhacker im Talk im Hangar 7 zum Thema „Wald, Wild, Waidmänner: Wie viel Jagd braucht die Natur?“. Sowohl das Thema, als auch die Diskussionsteilnehmer waren bis zwei Tage vor der Ausstrahlung von der Sendungsredaktion anders geplant.

Von „Wozu brauchen wir die Jagd?“ zu „Wie viel Jagd braucht die Natur?“

Bereits Wochen vor dem Ausstrahlungstermin wurde Elia Schneeweiß, Mitherausgeberin von „Die Jägerin“, in den Talk am Hangar 7 eingeladen, um mit Josef Eder (Landesjägermeister von Salzburg), Franz Puchegger (Jäger, Förster und Obmann des ökologischen Jagdverbandes) und Martin Balluch (Jagdgegner, Tierschützer und Obmann des Vereins gegen Tierfabriken) zum Thema „Lizenz zum Töten – Wozu brauchen wir die Jagd?“ zu diskutieren.

Kurzfristig erfuhr die einzig weibliche Diskutantin per Mail, dass sie doch nicht an der Talk im Hangar 7 Diskussion teilnehmen werde. Warum das Konzept zur Sendung völlig umgeworfen wurde und nun Josef Eder, Franz Puchegger, Klaus Hackländer (Wildbiologe), Hubert Stock (langjähriger Berufsjäger) und Florian Asche (Jäger und Anwalt) ohne sie diskutierten weiß die Jägerin nicht, hält aber fest: „Wäre ich dabei gewesen, hätte viel differenzierter über den Begriff Gatterjagd diskutiert werden müssen.“

In Österreich gibt es laut Gatterbesitzerin Schneeweiß einige Gatterbetriebe, die sich nicht an die Richtlinien halten. „Da wird auf kleinsten Flächen Wild zum Abschuss gezüchtet, das hat mit ethisch vertretbarer Jagd nichts zu tun“, so die Jägerin.

Balluch: „Auftrag mich auszuschließen kam von ganz oben“

Neben Schneeweiß wurde auch Gatterjagd-Kritiker Martin Balluch kurzerhand aus der Sendung ausgeladen. Balluch ist sich sicher, dass für seinen Ausschluss die Jägerschaft bei ServusTV interveniert hat: „Mir wurde von Servus TV mitgeteilt, dass der Auftrag mich auszuladen von ganz oben kam.“

Dabei wäre es „sehr interessant mit Martin Balluch über Gatterjagd zu diskutieren“, so Schneeweiß, die es für denkbar hält, dass „Einzelpersonen aus der Jägerschaft Druck auf ServusTV ausgeübt haben, damit Martin Balluch aus der Sendung ausgeschlossen wird.“ 

ServusTV zugeknöpft

Laut ServusTV sind die Änderungen beim inhaltlichen Konzept zur Sendung der Präzisierung des Themas geschuldet und die Gästeliste wurde geändert, weil man beschlossen hat „ausschließlich mit ausgewiesenen Jagdexperten zu diskutieren“, so das offizielle Statement.

Konkrete Fragen, warum es zur kurzfristigen Änderung des Sendungskonzeptes kam und warum Schneeweiß und Balluch aus der Diskussion ausgeschlossen wurden, werden von ServusTV nicht beantwortet. Auch der Verdacht, dass von der Jägerschaft Druck auf ServusTV ausgeübt worden sei „werde nicht kommentiert“, heißt es bei Servus TV.

Laut Informationen aus dem Sender wurden alle Beschäftigten bei ServusTV angehalten, über keine Details zur Sache zu sprechen.

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Cowspiracy – Die Dokumentation, die die Umweltschutzbewegung revolutionieren wird

Als ich die Dokumentation Cowspiracy: The Sustainability Secret zum ersten Mal – kurz nachdem sie erschienen ist – gesehen habe, habe ich danach einige Minuten gebraucht, um sprichwörtlich wieder zu…

Als ich die Dokumentation Cowspiracy: The Sustainability Secret zum ersten Mal – kurz nachdem sie erschienen ist – gesehen habe, habe ich danach einige Minuten gebraucht, um sprichwörtlich wieder zu mir zu kommen. Ich hatte niemals zuvor eine Dokumentation gesehen, die mich so nachdenklich gestimmt hat. Gleich darauf habe ich den Link zur Cowspiracy-Homepage auf Facebook mehrmals geteilt, denn ich wusste, dass diese Dokumentation ein riesiges Potential hat, Menschen für das Thema Umweltschutz zu sensibilisieren.

Am 15. September 2015 wirde weltweit eine aktualisierte Version auf dem Streaming-Portal Netflix veröffentlicht, auch in einer deutschen Fassung (ebenfalls auf Englisch, Spanisch und Portugiesisch). Leonardo DiCaprio, der nicht nur ein bekannter Schauspieler, sondern auch ein bekennender Umweltschützer ist, hat mitgeholfen, den aktualisierten Film zu produzieren und ihn auf Netflix zu bringen.

Worum geht es in dieser Dokumentation eigentlich?

Cowspiracy berichtet über die Auswirkungen der Viehzucht auf unseren Planeten. Die Produktion von Fleisch, Fisch, Milch und Eiern, sowie das Fischen in unseren Ozeanen hat dramatischere Auswirkungen, als die Bevölkerung es einschätzen würde. Hier ein paar Beispiele: Viele Menschen glauben, dass Auto und Flugzeug die größten Klimakiller sind. Dem ist jedoch nicht so. Die Produktion von Tierprodukten, unter Berücksichtigung der gesamten Produktionskette, ist für 51 Prozent der weltweit ausgestoßenen Treibhausgasen verantwortlich, wobei der weltweite Transportsektor lediglich für 13 Prozent verantwortlich ist.

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Auch die Fischerei in den Ozeanen ist außer Kontrolle geraten. Wenn dieser Fischfang nicht abnimmt, werden laut Cowspiracy im Jahr 2048 alle Fische vollständig aus den Meeren verschwunden sein, was drastische Folgen auf das gesamte Ökosystem Erde haben würde. Auf jeden gefangenen Pfund Fisch werden bis zu fünf Pfund Beifang aus dem Meer gefischt wie Wale, Haie oder Schildkröten. Der Hauptgrund der weltweiten Abholzung der Regenwälder ist ebenfalls die Viehzucht und der damit zusammenhängende Futtermittelanbau. Im Amazonas sind bis zu 91 Prozent des Regenwalds für Fleisch, Milch und Eier abgeholzt worden.

Warum muss mensch erst eine Dokumentation sehen, um dies zu erfahren?

Ganz einfach: Mensch hört davon nichts, weil die größten Umweltschutzorganisationen diese Problematik gar nicht thematisieren. Der Fokus wird auf Palmöl gelegt, welches jedoch fünf Mal weniger Regenwald auf dem Gewissen hat. Damit kommen wir zu einem weiteren sehr verblüffenden Teil der Dokumentation. In dem Film wurden diverse führende NGOs wie Oceana, Rainforest Action Network und Sierra Club zu der Problematik interviewt und befragt, wobei Greenpeace ein Interview ablehnte. Dies macht den Eindruck, als ob führende Organisationen der Umweltschutzbewegung gar nichts von dieser Thematik wissen wollten. Die Interviews sind teils sehr amüsant schockierend, aber auch sehr aufklärend.

Ich habe hier nur einige wenige Beispiele erläutert, denn der Film ist von Anfang bis zum Ende vollgepackt mit spannenden und aktuellen Daten und Fakten. Ich würde den Film wirklich jede und jedem ans Herz legen, die/der sich auch nur im Entferntesten für Umweltschutz interessiert.

Alle zitierten Zahlen und die Studien dazu sind hier nachzulesen: www.cowspiracy.com/facts

 

Für alle, die den Film auf Netflix kostenlos sehen wollen, aber noch nicht auf Netflix sind – es gibt ein kostenloses Probemonat, das ihr nutzen könnt, um euch Cowspiracy: The Sustainability Secret anzusehen: netflix.com

Hier könnt ihr euch den Trailer ansehen, den Film um 4,95 Dollar downloaden oder die DVD bestellen (19,95 Dollar): cowspiracy.com

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EARTHLINGS – Schau es dir an!

Es sind nur Tiere! Wie viel weißt du tatsächlich darüber? Oder: Fakten die du nie wissen wolltest – Eine Filmkritik Die Anfrage fing eigentlich ganz harmlos an. Ob nicht irgendwer über…

Es sind nur Tiere! Wie viel weißt du tatsächlich darüber? Oder: Fakten die du nie wissen wolltest – Eine Filmkritik

Die Anfrage fing eigentlich ganz harmlos an. Ob nicht irgendwer über den Film EARTHLINGS schreiben wolle. Im Idealfall jemand, der Fleisch isst und nicht Vegetarier oder Veganer ist. In diesem Moment hätte man es ja schon ahnen können. Tat ich aber nicht und nun sitze ich hier. Suche Worte für einen Film, den man in die Welt hinaus schreien muss. Man sollte die Zuschauer ein wenig vorbereiten auf das, was sie erwartet. Vielleicht. Denn dein Fleisch kommt nicht vom Heile-Welt-Bauernhof!

Worum geht es in Earthlings?

Der ungefähr 95 Minuten dauernde Dokumentarfilm lässt sich in mehrere Kapitel aufteilen:

Haustiere
Was passiert mit streunenden, ausgesetzten und abgegebenen Haustieren?

Nahrung
Woher kommt das Fleisch, welches wir als Nahrung zu uns nehmen? Wie wird es produziert?

Kleidung
Wie werden Leder und Pelz hergestellt?

Unterhaltung
Was haben Sea World und der Zirkus von nebenan mit EARTHLINGS zu tun?

Wissenschaft
Welche Experimente werden für Kosmetikhersteller, Pharmaunternehmen und die Verkehrsforschung durchgeführt?

Es dreht sich alles um den tatsächlichen, realen Umgang des Menschen mit Tieren. Nicht um das schöne Bild, das wir ständig in der Werbung sehen. Keine endlosen Weidegründe mit wenigen Kühen, sondern eng zusammengepferchte Kühe, Schweine und Hühner sind die Realität. Leider ist das immer noch eine Beschönigung der Zustände.

Bevor ich weiter auf den Film eingehen möchte, will ich dir noch kurz drei Fragen mit auf den Weg geben:
Sind Tiere minderwertig?
Ab wann ist ein Tier ein Lebewesen?
Ab wann empfinden Tiere Schmerzen, Leid und Angst?

Du wirst verstörende Bilder zu sehen bekommen. EARTHLINGS wird als „Dicke Berta“ der Veganer gegen die Fleischesser beschrieben. Als das schwerste Geschütz, das gegen die Gegner aufgefahren werden kann. Das ist zwar durchaus richtig aber andererseits ist es von den tatsächlichen Anschuldigungen her noch relativ wertungsfrei. Dich werden Bilder erwarten wie fast verhungerte Hunde, die lebend in eine Müllpresse geworfen werden. Hunde werden vor deinen Augen eingeschläfert. Tiere werden aus Kostengründen einfach vergast, weil es bei der Masse an Tötungen nicht mehr möglich ist, alle per Spritze einzuschläfern. Ich bin ehrlich: Das sind noch die harmloseren Bilder.

Ich kannte manche Bilder bereits aus anderen Kampagnen, doch bei EARTHLINGS musste ich mehrfach schlucken. Erst hofft man, es seien Einzelfälle. Doch das sind sie nicht. Der Film berichtet von immer wiederkehrenden Vorfällen – oft aus Kostengründen

Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir die Aufnahmen des Bullen, der mit aufgeschlitzter Kehle in seinem eigenen Blut auf dem Boden um seine letzten Augenblicke kämpft. Oder das Tier, welchem man in die Augen mit den langen Wimpern schauen kann, nachdem ihm bei lebendigem Leibe der Pelz vom Körper gerissen wurde. Die Affen, denen in Versuchslaboren bewusst Hirnverletzungen zugefügt werden, um deren Auswirkungen erforschen zu können.

Wirklich, keine schönen Aufnahmen. Doch gerade wenn du FleischesserIn, PelzträgerIn oder begeisterte/r ZirkusbesucherIn bist erwarte ich eines von dir: Schau es dir an!

Ich bin, wie gesagt, selbst Konsument von Fleisch, trage im beruflichen Alltag Lederschuhe und fand Delfin-Shows toll. Genau aus diesem Grund finde ich es wichtig, dass man weiß, unter welchen Umständen all dies entsteht. denn wenn du es nutzt, solltest du auch wissen, woher es kommt.

Earthlings und die KZ-Vergleiche

In der WAZ werden mehrfach die Vergleiche mit einem Konzentrationslager kritisiert. Holocaust, Rinderzucht, andere Verbrechen. Alles irgendwie das selbe. Denn zu Beginn des Films werden Aufnahmen einer großen Rinderfarm kurz nach Bildern eines Konzentrationslagers gezeigt. Anschließend bekommt der Zuschauer weitere Verbrechen zu sehen, diesmal wieder an Menschen. Wo und aus welchen Gründen diese geschehen sind bleibt offen. Konzentrationslager, nicht genauer benannte Menschenrechtsverletzung und Massentierhaltung in einer Szene. Das wirkt nicht nur wie ein billiger Versuch Aufmerksamkeit zu erhaschen, sondern ist auch gefährliche Gleichmacherei.

Denn die politische Verfolgung von Millionen Juden hat rein gar nichts damit zu tun, dass Menschen viele Tiere als günstige Nahrungsquelle ausnutzen. Der Holocaust, Rinderzucht, irgendwelche anderen Verbrechen. Bei Earthlings ist das alles irgendwie das selbe. Das ist schade.“

Ich kann verstehen, wenn man im ersten Moment unverständlich den Kopf schüttelt. Verbrechen an Menschen können nicht den gleichen Stellenwert haben wie Verbrechen an Tieren. Doch trotzdem muss ich in ein paar Punkten widersprechen. Greift man zurück auf den Anfang der Dokumentation, findet man dort die Definitionen von Sexismus, Rassismus und Spezieismus. In der NS-Zeit Deutschlands wurden Juden getötet, weil sie Juden waren. In der heutigen Zeit werden Tiere getötet, weil sie Tiere sind. Das eine ist Rassismus, das andere Spezieismus.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, habe ich die Definition von Konzentrationslagern herausgesucht: Als Konzentrationslager wurden bisher verschiedene Haftorte in verschiedenen Ländern zu verschiedenen Zeiten bezeichnet. Die lateinische Wortherkunft bedeutet sammeln, zusammenziehen oder zusammenlegen. Passt leider besser, als uns lieb sein dürfte. Ich halte es nicht unbedingt für einen „billigen Versuch Aufmerksamkeit zu erhaschen“, sondern für eine Darstellung von den unvorstellbaren Zahlen an Lebewesen die damals wie heute vernichtet wurden. Ich kann mir zum Beispiel nicht die Menge von fünf Millionen Menschen vorstellen. Wie soll ich mir dann die Menge von 66 Millionen Tieren vorstellen, die jeden Tag von Menschen getötet werden. Jeden Tag? Für mich ist das unvorstellbar viel. Das kann nur mit einer Tötungsmaschinerie ablaufen. Und so schließt sich der Kreis zu den KZs.

Mein persönliches Fazit: Ansehen!

Ich finde den Film gut. Sehr gut sogar. Was mir gefällt ist die Tatsache, dass es wirklich eine Dokumentation ist und keine direkte Anklage. Bei Interviews, Dokus und Vorträgen zum Thema Ernährung driftet es leider manchmal schnell in eine Anklage ab. Zuschauer bekommen das Gefühl sich rechtfertigen zu müssen. Bei Earthlings kam mir das nicht so vor. Das mag auch an dem Satz zum Schluss liegen: Make the connection.

Earthlings für Kinder und Jugendliche? Zu Beginn des Films wird gesagt, dass man den Film auch seinen Kindern zeigen kann. Damit hätte ich, bei meiner Tochter mit neun Jahren, noch Bauchschmerzen. Ich denke den Film sollte man frühestens mit zwölf, besser aber erst mit 16 Jahren sehen. Sicherlich kann und sollte man das Thema „Woher kommt mein Essen?“ bei passender Gelegenheit ansprechen, doch solche Bilder müssen für unter 16jährige nicht unbedingt sein. Wo der Film aber gut hin passen würde, wäre im schulischen Bereich der Oberstufe. Man kann damit mehrere gesellschaftliche sowie politische Themen ansprechen.

Was hat der Film für Auswirkungen auf mein Konsumverhalten? Da ich schon seit einiger Zeit bewusster auf meinen Konsum achte, ändert sich bei mir langsam etwas. Manche Bilder bleiben im Gedächtnis und kehren auch wieder wenn man zum Beispiel vor der Wurst- oder Käsetheke steht. Dann schaue ich mich eher nach vegetarischen Alternativen um. Mein Fleischkonsum ist nicht komplett eingestellt. Allerdings entwickle ich eine Neugier auf vegetarische bzw. vegane Produkte, mit der ich vorher nicht gerechnet hätte. Auch der Gedanke mich vegetarisch zu ernähren wird immer konkreter.

Privat trage ich kein Leder oder Pelz. Beruflich bin ich aber leider zu Lederschuhen verpflichtet. Daher werde ich mich beim nächsten Kauf von Schuhen auch nach Kunstleder umschauen. Noch besser wäre es natürlich, wenn die jetzigen noch möglichst lange halten. Im Großen und Ganzen hat EARTHLINGS bei mir also eine bewusstere Wahrnehmung meines Konsumverhaltens hervorgerufen.

Nun bist du gefragt! Was denkst du über den Film? Lass es mich wissen und schreibe doch ein Kommentar!

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Frogs – Killer aus dem Sumpf (1972): Erstes Kapitel zum Mensch-Natur-Verhältnis im Spielfilm

I. Story Wir sehen einen Mann, der in einem Kanu über einen See in Florida fährt und von der Natur angetan ist. Er fotografiert die Tiere, vor allem Frösche und…

I. Story

Wir sehen einen Mann, der in einem Kanu über einen See in Florida fährt und von der Natur angetan ist. Er fotografiert die Tiere, vor allem Frösche und Schlangen. Schon die blauen Titel des Vorspanns über den grünen Tieren wirken ungemütlich und unheilschwanger. Bei jedem Fotoklick friert das Bild eine Sekunde mit dem Tier ein, während der Name eines Beteiligten darauf erscheint. Ab der zweiten Minute liegt der Fokus des Fotografen nicht mehr auf den Tieren, sondern auf dem Müll im Wasser und am Ufer – Dosen, Plastik, eine nackte Puppe und ein Rohr, das eine braune Flüssigkeit in den See spült. Während er Enten fotografiert, wird er von einem heranrasenden Motorboot erfasst und sein Kanu kentert. Der Fahrer, offensichtlich angetrunken, und seine Begleiterin entschuldigen sich wortreich und laden ihn auf ihre Insel ein. Sie stellen sich als Clint und Karen Crockett vor und auf der Insel wartet schon ihr Großvater, der millionenschwere Patriarch Jason Crockett, der sie von seinem Rollstuhl aus durchs Fernglas missmutig beobachtet.

In der siebten Minute sehen wir die ersten bildfüllenden Ochsenfrösche und auf dem Anwesen angekommen, werden sie auch ausgiebig thematisiert. Die gesamte Familie ist zum morgigen Geburtstag vom alten Crockett versammelt und jeder hat eine Meinung zu der diesjährigen Froschplage. Jenny ist überzeugt, von dem ständigen Gequake verrückt zu werden und Stuart schlägt ernsthaft vor, Öl ins Wasser zu gießen, damit sie ersticken. Crockett ist zuerst misstrauisch, weil Picket Smith, so heißt der Mann, unerlaubt Fotos geschossen hat. Als Picket aber erklärt, er sei Fotograf und arbeite an einer Reportage über Umweltverschmutzung, realisiert Crockett, dass ihm der Eindringling vielleicht doch nützlich sein könnte und bittet ihn, sich da „draußen“ mal nach den Fröschen und Grover, einem seit dem vorigen Tag verschwundenen Mitarbeiter, der mit Pestiziden unterwegs war, umzuschauen.

Picket tut ihm den Gefallen, findet tote Frösche, Schlangen, Vögel und eine Sprühdose mit Pestiziden und in der 21. Minute die erste menschliche Leiche: Grover, der einem Schlangenbiss erlag. Alle sind beunruhigt und besonders Picket fordert eindringlich, die Insel zu verlassen. Doch der alte Crockett will von all dem nichts wissen, denn: „Die Feier findet genau wie geplant statt. Genauso, wie ich sie mein ganzes Leben gefeiert habe. Nichts wird uns davon abhalten.“ Doch daraus wird natürlich nichts. Schon während der Partyvorbereitungen am Vormittag beginnt die schrittweise Dezimierung der Familie Crockett. Am Abend lässt sich Bella mit den zwei Hausangestellten von Clint mit dem Motorboot übersetzen, was ihnen mutmaßlich aber auch nicht geholfen hat, denn später werden ihre verwaisten Gepäckstücke am Ufer gefunden.

Ein programmatischer Dialog zwischen dem skeptischen Freigeist Picket und dem konservativen, sowohl autoritätsgläubigen, als auch autoritären Crockett, steckt die Positionen ab:

Picket: „Frösche attackieren Fenster, Schlangen hängen vom Kronleuchter. Das ist doch nicht normal.“
Crockett: „Ich glaube nicht, dass es Anlass zur Sorge gibt. Der Staat kann bestimmt Pestizide einsetzen.“
Picket: „Ja, Sir. Da bin ich sicher. Aber dann würden auch eine Menge anderer Sachen getötet.“
Crockett: „Mr. Smith, hier gehen unsere Meinungen auseinander. Ich glaube immer noch, dass der Mensch die Welt beherrscht.“ (Original: Master of the World!)
Picket: „Heißt das, dass man nicht in Harmonie mit ihr leben kann?“
Crockett: „Nennen Sie diesen schrecklichen Lärm etwa harmonisch?“
Picket: „Mr. Crocket, ich weiß, es klingt sehr seltsam. Aber vielleicht versucht die Natur, sich zu rächen.“
Crockett: „Blödsinn.“
Picket: „Wir erklären Sie sich das dann?“
Crockett: „Warten wir ab.“

Am Ende sind nur noch die Stimme der Vernunft, Picket Smith, sein Love Interest Karen, ihr Großvater Crockett und dessen Urenkel Tina und Jay übrig. Sie versuchen, Crockett zum Aufbruch zu motivieren, doch er weigert sich beharrlich, scheint die Realität völlig auszublenden und verlangt bis zuletzt nach dem geplanten Menü, outet sich als konservativer Knochen sondergleichen, wenn er sagt: „Weil nichts den heutigen Zeitplan durcheinander bringen darf. Gar nichts. Ein Jahr geht zu Ende, ein Jahr beginnt. So war es immer und so bleibt es immer.“ Mit dem Essen wird es nichts mehr, aber Karen bringt ihm den gewünschten Drink, einen Whiskycocktail, der den sprechenden Namen Old Fashioned trägt und im Deutschen schnöde mit doppelten Whisky übersetzt wird.

Sie lassen ihn schließlich zurück und rasen mit dem Motorboot in Richtung vermeintliche Freiheit. Auf der Flucht muss Picket noch das Boot aus dem Morast schieben und eine aggressive Seeschlange mit dem Ruder tot schlagen, wofür er sich sein Hemd ausziehen muss. Auf der anderen Seite angekommen halten sie ein Auto an und die Fahrerin berichtet erstaunt, dass sie seit einer Stunde kein Auto gesehen hätten, und das an einem Feiertag. Ihr Sohn Bobby, der gerade aus dem Ferienlager kommt, dreht sich zu den Kindern um und fragt: „Hey, wollt ihr sehen, was ich gefangen habe? Es wimmelt nur so davon im Lager. Habt ihr je so ein großes Monster gesehen?“ und hält ihnen einer der großen Frösche vors Gesicht. Die Frösche haben also schon gesiegt. Zoom auf den Frosch und Überblende auf das Crockett Anwesen. Es ist Nacht und das Haus hell erleuchtet. Crockett ist umgeben von Fröschen, die durchs Fenster herein springen und stirbt in Panik an einem Herzinfarkt.

II. Karma

Frogs gilt als Wegbereiter des Ecohorrors, einer Spielart des Tierhorrors, in der sich die Natur an den Menschen rächt. Anders als in Genreklassikern wie Hitchcocks The Birds (1963) oder Spielbergs Jaws (1975), in welchen die Tiere scheinbar aus heiterem Himmel die Menschen attackieren, liegen dem Gemetzel in Frogs ganz deutlich karmische Gesetze zugrunde, was schon im Trailer klar wird. Während auf der Bildebene besonders drastische Highlights aus dem Film vereint werden, spricht eine tiefe bedrohliche Männerstimme: „Suppose Nature gave a war and everybody came: The snakes, the birds, the lizards and frogs. And suppose that the polluter, the species on earth called man, is the enemy in this war.“ Crockett, in Vertretung seiner Spezies: „I still believe man is master of the world.“ Wieder die Stimme: „And then suppose the human race lost.“1

Hier wird schon die fatalistische Grundhaltung des Films sichtbar. Tatsächlich haben 99 Prozent der Charaktere, die in diesem Film sterben, vorher Tiere getötet, ihren Lebensraum erheblich gestört oder dies unterstützt oder gefordert. Grover stirbt an einem Schlangenbiss, nachdem er mit Pestiziden Frösche, Schlangen und Vögel getötet hat. Michael, der zuvor wie ein Erbschleicher um seinen Großvater herumgeschleimt ist, wird von diesem gebeten, nach dem Telefonmasten zu sehen, weil die Leitung seit dem vorigen Tag tot ist. Er stoppt den Jeep, um einen Vogel vom Himmel zu schießen und läuft zu der Stelle, an der er gelandet sein muss. Er stolpert über eine Wurzel und schießt sich selbst ins Bein, kann nicht mehr aufstehen. Er schreit jämmerlich während ein weißes Geflecht vom Baum herab fällt und ihn bedeckt. Taranteln und Skorpione besorgen den Rest.

Kenneth wird von seiner Mutter Iris ins Gewächshaus geschickt, um ein paar Orchideen zu holen. Offensichtlich vorsätzlich handelnde Geckos stoßen Flaschen mit giftigen Pestiziden vom Regal und Kenneth erstickt qualvoll an den Dämpfen. Die Tiere scheinen eigenständig und intelligent zu handeln und ihnen machen die Dämpfe seltsamerweise auch nicht zu schaffen. Bemerkenswert ist, dass Kenneth nur Augen für seine Freundin Bella hatte und sich an keinem Tier vergriffen hatte. Ist er ein Kollateralschaden? Oder in Sippenhaft? Oder eine Verwechslung? Oder reicht die Tatsache, dass er im Gewächshaus gefangen gehaltene Orchideen beschneidet, für die Geckos als Grundlage für ein Todesurteil?

Iris hingegen ist passionierte Schmetterlingssammlerin und gerade auf der Jagd, als sie in Panik vor einer Klapperschlange flieht. Sie fällt in einen Tümpel, taucht mit Blutegeln bedeckt wieder auf, rennt weiter, stolpert wieder und diesmal wird sie von der Klapperschlange geschnappt. Ihr Mann Stuart sucht sie und wird von einem Krokodil gefressen. Das Wasser, das er nun rot färbt, ist so schwarz und dickflüssig, dass es unglaubwürdig erscheint, dass sein Vorschlag, Öl in den See zu schütten, um die Frösche zu töten, reine Hypothese geblieben ist.

Clint bringt Bella, Maybelle und Charles ans Ufer. Das Motorboot ist seltsamerweise ohne ihn in die Mitte des Sees getrieben, und er versucht es nun schwimmend zu erreichen, um zurück zu seiner Familie zu kommen, wobei ihn aber die Seeschlange erwischt. Seine Frau Jenny sieht das leere Boot und sucht ihn am Ufer, wobei sie von einer Riesenschildkröte (!) gefressen wird. Crockett ist der letzte und sein Tod ist der grausamste. Er wird zwar nicht gefressen, aber er stirbt an Angst und Schrecken. Er ist allein in seinem Zimmer, das voller Frösche ist. Sie springen unbeeindruckt durch die Fensterscheiben. Sein einziger Verbündeter ist sein Hund Colonel, der keine Hilfe ist und nur ängstlich winselt. Er gehört als domestiziertes Tier offensichtlich zu seinem Menschen und hat genauso wie er Angst vor der Naturgewalt der Froschinvasion. Vor der letzten Szene auf dem Festland, in der Picket, Jenny und den Kindern der Frosch aus dem Ferienlager präsentiert wird, hat sich Crockett noch selbst mit einem sarkastischen „Many happy returns of the day. To me.“2 gratuliert, seinen Drink ausgetrunken und schwungvoll das Glas weggeworfen, das klirrend zersprang. Nun spielt er auf dem Plattenspieler einen Militärmarsch, der das Froschquaken aber nicht übertönen kann und langsam und verzerrt ganz verstummt, als ein Frosch auf den Plattenteller hopst.

Crockett gießt sich einen zweiten Drink ein und leert ihn in einem Zug. In seinem Rollstuhl dreht er sich im Raum und von den Wänden starren ihn die toten Augen von präparierten Bären, Löwen und Gämsen an. Das Telefon klingelt, aber als er abnimmt ist die Leitung tot. Zunehmend verzweifelt ruft er in den Hörer „Hallo? Hallo?“ und lässt ihn schließlich zu Boden fallen, auf dem die Frösche in ihn hinein quaken. Das Telefonklingeln war offensichtlich eine akustische Halluzination, eine Manifestation der tief verwurzelten Sehnsucht nach Zivilisation und der Angst vor der unberechenbaren Natur. Crockett dreht sich wieder im Raum und jetzt hört er nicht nur das ohrenbetäubende und reale Quaken der Frösche, sondern auch das Fauchen, Brüllen, Meckern und Kreischen der toten Tierköpfe an der Wand. Schnelle Gegenschnitte der Tierköpfe, der lebenden Frösche und dem hilflosen Crockett in seinem Rollstuhl versinnbildlichen seine existenzielle Panik. Es wirkt, als würden sowohl die lebenden als auch die toten Tiere über ihn Gericht halten und nach kurzer Zeit wird er von einem Herzinfarkt erlöst, fällt aus seinem Rollstuhl und ist sofort von Fröschen übersät. Man sieht das Crockett Haus in der Totalen. Alle Lichter gehen aus. Ende. Während des kurzen Nachspanns hört man keine Musik, nur Froschquaken. Am Ende erscheint ein Cartoonfrosch, der eine menschliche Hand verschluckt, was das eben gesehene Werk etwas ins Lächerliche zieht, aber auch keinen Zweifel an dem Sieger dieses „Kriegsfilms“ zulässt.

Crockett verkörpert den Prototyp des patriarchalen Unternehmers, der es mit seinen Geschäften zu Reichtum und Macht gebracht hat. Es ist nicht ganz klar, um was für Geschäfte es sich handelt. Es fällt nur einmal das Stichwort „Papiermühle“ als seine Tochter Iris sich bei ihm beschwert, dass dort seit neuestem Schmutzfilter Pflicht seien und diese die Familie Millionen kosten würden. Er hatte in seinem Leben mit großer Sicherheit gegen alle nachhaltigen und tiefenökologischen Prinzipien verstoßen, die besagen, dass das Sich-entfalten-können des menschlichen und nichtmenschlichen Lebens und somit der Reichtum und die Vielfalt aller Lebensformen Werte an sich sind, und dass Menschen kein Recht haben, diesen Reichtum der Natur über ein Maß, das zum Überleben notwendig ist, zu verringern.

Dafür, dass Crockett symbolisch für den US-amerikanischen Unternehmer oder sogar für die US-Gesellschaft an sich steht, gibt es viele spitze sarkastische Hinweise. Sein Geburtstag fällt nicht zufällig auf den 4. Juli, den Independence Day und größten US-Feiertag, der an die Ratifizierung der Unabhängigkeit der dreizehn ersten Kolonien von den Europäern am 4. Juli 1776 erinnert. Von Europa kann man sich unabhängig machen, aber nicht von der Natur.

Während der Partyvorbereitungen am Vormittag springt ein Frosch, unbeeindruckt von den strengen Gesetzen, die die Schändung der US-Flagge ahnden, auf eine Sahnetorte mit Stars-and-Stripes-Muster und in Crocketts finaler Szene beendet ein Frosch mit dem Sprung auf den Plattenteller die patriotische Militärmusik. Bemerkenswert ist, dass Crockett mehr Selbstreflexion zu haben scheint als der Rest seiner Familie, die nur gierig auf sein Ableben wartet, um seine Millionen zu erben. So erklärt er seiner ignoranten Tochter, dass Schmutzfilter dem Umweltschutz dienen. In einer anderen Szene, in der die Familie im prachtvollen Salon zusammensitzt und auf weitere Hiobsbotschaften wartet, meint Crockett auf Iris‘ Befürchtung, Grover könnte hilflos in einem Straßengraben liegen, das geschehe ihm ganz recht. Darauf entgegnet Karen, das sei furchtbar, so etwas zu sagen, es würde ja klingen, als seien sie die gemeinen Reichen („The ugly rich“). Darauf sagt Crockett nur trocken und vollkommen ironiefrei, mit der Decke auf den Knien und dem Drink in der Hand: „We are the ugly rich.“

In nahezu prophetischer Weitsicht nimmt der beleidigte Crockett mit dem Ausspruch; „Ich sehe, wer loyal ist und wer nicht. Das sehe ich.“ das berühmt-berüchtigte „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“ Zitat des doppelten US-Präsidenten George W. Bush am Beginn seiner völkerrechtswidrigen Invasion des Iraks 2003 vorweg, die hunderttausenden unschuldigen Zivilisten, tausenden Soldaten und ungezählten Tieren das Leben kostete. Dieser Krieg wurde aus Geld- und Ölgier geführt und outete Präsident Bush als einen alles andere als nachhaltig denkenden Menschen.

Es fällt leicht, noch weiter zu denken und Crockett nicht nur als Personifizierung der kapitalistischen US-Gesellschaft, sondern der Zivilisation und des modernen Menschen an sich zu sehen, dessen luxuriöse Lebensgrundlage ohne die Ausbeutung und Zerstörung der Natur, seiner Mitwelt, undenkbar ist. Die Tatsache, dass Crockett, der unangefochtene millionenschwere Patriarch, im Rollstuhl sitzt, spricht Bände, macht es doch die hilflose und ausweglose Situation klar, in welche sich die Menschen mit ihrer oberflächlichen kurzsichtigen Gier manövriert haben. Der Rollstuhl als Symbol für das Anthropozän, das Menschenzeitalter.

III. Versuchsaufbau

Dass die Handlung auf einer Insel, einem hermetisch abgeriegeltes Territorium, spielt und somit einem Versuchsaufbau gleicht, ist ein geschickter Schachzug, lassen sich doch so leicht Vertreter der US-Gesellschaft wie Schachfiguren installieren. Die Familie Crockett besteht aus einem alten weißen Patriarchen, seiner Tochter und ihrem Mann, fünf Vertretern der Enkelgeneration um die dreißig, davon drei männlich und zwei weiblich sowie zwei etwa zehnjährigen Kindern, auch männlich und weiblich. Hinzu kommen drei Afroamerikaner, zwei Frauen und ein Mann. Maybelle und Charles arbeiten seit Jahren als treue Hausangestellte für Crockett und Bella hat es aus einfachen Verhältnissen als Model und Modedesignerin und die Verbindung zum Crockettenkel Kenneth in die weiße High Society gebracht.

Trotz der nun faktischen Klassenunterschiede bietet die Herkunft und die Hautfarbe immer noch mehr Zusammenhalt als die neue Familie der Crocketts. In einer der ersten Szenen bietet Bella Maybelle Alkohol an und gesteht ihr, dass sie aus den Südstaaten kommt und eigentlich auch Maybelle heißt. Maybelle bietet ihr daraufhin an, jederzeit in die Küche, ihr Refugium, zu kommen, wenn Bella nach einem guten Gespräch sei, was diese dankend annimmt. Als Bella vom Tod ihres Freundes Kenneth erfährt, ist sie völlig aufgelöst und läuft instinktiv in die Arme Maybelles, um sich trösten zu lassen. Auch die Flucht ist nach Rassen getrennt. Die stolze und unabhängige Bella ist neben Picket die einzige, die dem starrköpfigen autoritären Crockett von Anfang an zu widersprechen wagt und energisch zur Flucht von der Insel aufruft, offensichtlich, weil sie die einzigen sind, die in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm stehen. Auch Maybelle und Charles raten höflich, aber bestimmt, zum Aufbruch. Schließlich bringt Clint die drei als erstes ans Ufer.

Picket Smith fungiert in diesem Spiel als die Stimme der Vernunft und Empathie, ein Vertreter des Nachhaltigkeitsgedankens, der keine Angst vor Klapperschlangen hat, sondern sie liebevoll betrachtet und sie fotografiert statt zu erschießen oder hysterisch wegzulaufen. Er ist auch als freischaffender Fotograf, der, wie er Karen nachts am Pool erklärt, an seinem Job am meisten die Tatsache, dass er viel herumkommt, viele Menschen kennenlernt und keinen Boss hat, der ihm über die Schulter schaut, also die Freiheit, liebt, ein Vertreter der Gegenkultur. Drei Jahre nach Easy Rider war es Zeit für ein ökologisches Update.

IV. Gaia

Wenn man von der Prämisse des Trailers ausgeht, dass die Natur der Menschheit den Krieg erklärt hat, um sich für ihre Schändung zu rächen, kommt man schnell auf Gaia. Sie war in der griechischen Mythologie die personifizierte Erde, eine der ersten Götter. Sie ist liebevolle Mutter, aber auch Rachegöttin und ihr Name bedeutet wahrscheinlich so viel wie „die Gebärerin“3. Nach der Gaia-Hypothese der Naturwissenschaftler James Lovelock und Lynn Margulis ist die Erde und ihre Biosphäre als Lebewesen zu betrachten, als dynamisches System von komplexen Organismen, die aufeinander reagieren, und keine wörtlich genommene Mutter Erde4.

Menschen, Tiere, Pflanzen, Bakterien und Mineralien sind demnach so etwas wie die Körperzellen der Gaia und die Umweltzerstörung durch den Menschen (oder die Zivilisation an sich, wenn man Derrick Jensens Argumentation in seiner epochalen Anklageschrift Endgame folgt5) kann als Autoimmunkrankheit bezeichnet werden. In diesem Sinne kann man Naturkatastrophen, Klimawandel oder in diesem Falle die aggressive Invasion von Reptilien, Amphibien, Insekten und Vögeln als Versuch des Immunsystems lesen, die lebenserhaltende Ordnung im Organismus oder Ökosystem wieder herzustellen.

V. Das Tier des Teufels

Dass gerade Frösche in diesem Film für Schrecken sorgen, liegt höchstwahrscheinlich an der kaltblütigen Pokerfacehaftigkeit ihrer Gesichter, die sich im Gegensatz zu denen von Säugetieren durch sehr sparsame Mimik auszeichnen. Sie sind eine weiße Leinwand, auf die man alle Ängste projizieren kann. In heidnischen Zeiten war der Frosch einmal ein angesehenes Tier und wurde als Fruchtbarkeitssymbol verehrt. Doch die Christianisierung, die zwanghaft alles, was vor ihr da war, umdeutete, setzte ihn mit dem Teufel gleich, was zu einem theologischen Dilemma führte, denn wie kann ein Tier des Teufels sein wenn doch alle Tiere Gottes Schöpfung sind?6

Als Crockett sich weigert, die Insel zu verlassen und alleine dort bleiben will, warnt ihn Picket passenderweise mit den Worten: „Sie haben sich auf eine teuflische Schlacht eingelassen. Machen Sie sich besser bereit.“ In Frogs wird der Frosch seiner Jahrhunderte alten Dämonenrolle, die vor allem durch Jim Hensons Kermit ab 1976 aufgeweicht wurde, noch einmal gerecht.

VI. Bedeutung des Films und der Künstler

Böse Zungen werfen dem Film Trash, Overacting und Holzhammermethoden vor, anderen gilt er als der beste der schlechten Filme. Doch er ist unbestritten ein Klassiker des Ökohorrors und versteht es, seine Botschaft spannend und eindringlich zu übermitteln. Auffällig ist, dass die meisten der Beteiligten der Fernsehbranche entstammen. Regisseur George McGovan drehte dreißig Jahre lang Folgen für Serien wie Fantasy Island (1977-84) und Charlie‘s Angels (1976-81), aber nicht einmal eine handvoll Handvoll Kinofilme.

„Crocket“ Ray Milland (Dial M for Murder, 1954) und „Picket“ Sam Elliot (The Big Lebowski, 1998) sind die unangefochtenen Stars dieses Films. „Clint“ Adam Roarke erlangte in den 60er und 70er Jahren eine gewisse Berühmtheit neben Stars wie Jack Nicholson und Peter Fonda in Biker- und Highwayfilmen und „Bella“ Judy Pace ist seit fünfzig Jahren eines der bekanntesten afroamerikanischen Gesichter des US-Fernsehens.

Die Legende besagt, dass während der Dreharbeiten an Originalschauplätzen dem Filmteam ein Großteil der 500 Florida Frösche und 100 Südamerikanischen Riesenkröten entwischt sind. Inwiefern die Flucht der Tiere zu eine biologischen Invasion und Veränderung des Ökosystems, also ein Reenactment der Filmhandlung, führte, ist nicht überliefert.7

 

Frogs – Killer aus dem Sumpf (auch Die Frösche), Frogs, USA 1972. Regie: George McCowan, Drehbuch: Robert Hutchison, Robert Blees, Darsteller: Ray Milland, Sam Elliot, Joan van Ark, Adam Roarke, Judy Pace, Lynn Borden, Mae Mercer, David Gilliam, Nicoolas Cortland, George Skaff, Lance Taylor Sr., Hollis Irving, Dale Willingham, Hal Hodges, Carolyn Fitzsimmons, Robert Sanders

Zum Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=9OTaIzBPxtk

 

Quellen: 

1 Stimme: „Stell dir vor, die Natur eröffnet den Krieg und alle kommen: Die Schlangen, die Vögel, die Eidechsen und die Frösche. Und stell dir nun vor, dass der Verschmutzer und Zerstörer, die Spezies namens „Mensch“, der Feind in diesem Krieg ist.“ Crockett: „Ich glaube immer noch, dass der Mensch die Erde beherrscht.“ Stimme: „Und nun stell dir vor, dass die menschliche Rasse den Krieg verliert.“

2 Wörtlich übersetzt: „Viele glückliche Wiederholungen dieses Tages. Auf mich.“ In der deutschen Tonfassung sehr frei mit „Allein dumme Menschen fliehen vor ihrem Schicksal. Zum Wohl.“ übersetzt.

4 Unter anderen: Lovelock, J.: GAIA – Die Erde ist ein Lebewesen. Scherz. Bern, München, Wien 1992.

5 Jensen, D.: Endgame. Zivilisation als Problen. Pendo Verlag. Zürich 2008. Siehe auch: http://www.derrickjensen.org/

6 Hüppauf, B.: Vom Frosch. Eine Kulturgeschichte zwischen Tierphilosophie und Ökologie. Transcript. Bielefeld 2011.

3 Kommentare zu Frogs – Killer aus dem Sumpf (1972): Erstes Kapitel zum Mensch-Natur-Verhältnis im Spielfilm

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