I. Story
Wir sehen einen Mann, der in einem Kanu über einen See in Florida fährt und von der Natur angetan ist. Er fotografiert die Tiere, vor allem Frösche und Schlangen. Schon die blauen Titel des Vorspanns über den grünen Tieren wirken ungemütlich und unheilschwanger. Bei jedem Fotoklick friert das Bild eine Sekunde mit dem Tier ein, während der Name eines Beteiligten darauf erscheint. Ab der zweiten Minute liegt der Fokus des Fotografen nicht mehr auf den Tieren, sondern auf dem Müll im Wasser und am Ufer – Dosen, Plastik, eine nackte Puppe und ein Rohr, das eine braune Flüssigkeit in den See spült. Während er Enten fotografiert, wird er von einem heranrasenden Motorboot erfasst und sein Kanu kentert. Der Fahrer, offensichtlich angetrunken, und seine Begleiterin entschuldigen sich wortreich und laden ihn auf ihre Insel ein. Sie stellen sich als Clint und Karen Crockett vor und auf der Insel wartet schon ihr Großvater, der millionenschwere Patriarch Jason Crockett, der sie von seinem Rollstuhl aus durchs Fernglas missmutig beobachtet.
In der siebten Minute sehen wir die ersten bildfüllenden Ochsenfrösche und auf dem Anwesen angekommen, werden sie auch ausgiebig thematisiert. Die gesamte Familie ist zum morgigen Geburtstag vom alten Crockett versammelt und jeder hat eine Meinung zu der diesjährigen Froschplage. Jenny ist überzeugt, von dem ständigen Gequake verrückt zu werden und Stuart schlägt ernsthaft vor, Öl ins Wasser zu gießen, damit sie ersticken. Crockett ist zuerst misstrauisch, weil Picket Smith, so heißt der Mann, unerlaubt Fotos geschossen hat. Als Picket aber erklärt, er sei Fotograf und arbeite an einer Reportage über Umweltverschmutzung, realisiert Crockett, dass ihm der Eindringling vielleicht doch nützlich sein könnte und bittet ihn, sich da „draußen“ mal nach den Fröschen und Grover, einem seit dem vorigen Tag verschwundenen Mitarbeiter, der mit Pestiziden unterwegs war, umzuschauen.
Picket tut ihm den Gefallen, findet tote Frösche, Schlangen, Vögel und eine Sprühdose mit Pestiziden und in der 21. Minute die erste menschliche Leiche: Grover, der einem Schlangenbiss erlag. Alle sind beunruhigt und besonders Picket fordert eindringlich, die Insel zu verlassen. Doch der alte Crockett will von all dem nichts wissen, denn: „Die Feier findet genau wie geplant statt. Genauso, wie ich sie mein ganzes Leben gefeiert habe. Nichts wird uns davon abhalten.“ Doch daraus wird natürlich nichts. Schon während der Partyvorbereitungen am Vormittag beginnt die schrittweise Dezimierung der Familie Crockett. Am Abend lässt sich Bella mit den zwei Hausangestellten von Clint mit dem Motorboot übersetzen, was ihnen mutmaßlich aber auch nicht geholfen hat, denn später werden ihre verwaisten Gepäckstücke am Ufer gefunden.
Ein programmatischer Dialog zwischen dem skeptischen Freigeist Picket und dem konservativen, sowohl autoritätsgläubigen, als auch autoritären Crockett, steckt die Positionen ab:
Picket: „Frösche attackieren Fenster, Schlangen hängen vom Kronleuchter. Das ist doch nicht normal.“
Crockett: „Ich glaube nicht, dass es Anlass zur Sorge gibt. Der Staat kann bestimmt Pestizide einsetzen.“
Picket: „Ja, Sir. Da bin ich sicher. Aber dann würden auch eine Menge anderer Sachen getötet.“
Crockett: „Mr. Smith, hier gehen unsere Meinungen auseinander. Ich glaube immer noch, dass der Mensch die Welt beherrscht.“ (Original: Master of the World!)
Picket: „Heißt das, dass man nicht in Harmonie mit ihr leben kann?“
Crockett: „Nennen Sie diesen schrecklichen Lärm etwa harmonisch?“
Picket: „Mr. Crocket, ich weiß, es klingt sehr seltsam. Aber vielleicht versucht die Natur, sich zu rächen.“
Crockett: „Blödsinn.“
Picket: „Wir erklären Sie sich das dann?“
Crockett: „Warten wir ab.“
Am Ende sind nur noch die Stimme der Vernunft, Picket Smith, sein Love Interest Karen, ihr Großvater Crockett und dessen Urenkel Tina und Jay übrig. Sie versuchen, Crockett zum Aufbruch zu motivieren, doch er weigert sich beharrlich, scheint die Realität völlig auszublenden und verlangt bis zuletzt nach dem geplanten Menü, outet sich als konservativer Knochen sondergleichen, wenn er sagt: „Weil nichts den heutigen Zeitplan durcheinander bringen darf. Gar nichts. Ein Jahr geht zu Ende, ein Jahr beginnt. So war es immer und so bleibt es immer.“ Mit dem Essen wird es nichts mehr, aber Karen bringt ihm den gewünschten Drink, einen Whiskycocktail, der den sprechenden Namen Old Fashioned trägt und im Deutschen schnöde mit doppelten Whisky übersetzt wird.
Sie lassen ihn schließlich zurück und rasen mit dem Motorboot in Richtung vermeintliche Freiheit. Auf der Flucht muss Picket noch das Boot aus dem Morast schieben und eine aggressive Seeschlange mit dem Ruder tot schlagen, wofür er sich sein Hemd ausziehen muss. Auf der anderen Seite angekommen halten sie ein Auto an und die Fahrerin berichtet erstaunt, dass sie seit einer Stunde kein Auto gesehen hätten, und das an einem Feiertag. Ihr Sohn Bobby, der gerade aus dem Ferienlager kommt, dreht sich zu den Kindern um und fragt: „Hey, wollt ihr sehen, was ich gefangen habe? Es wimmelt nur so davon im Lager. Habt ihr je so ein großes Monster gesehen?“ und hält ihnen einer der großen Frösche vors Gesicht. Die Frösche haben also schon gesiegt. Zoom auf den Frosch und Überblende auf das Crockett Anwesen. Es ist Nacht und das Haus hell erleuchtet. Crockett ist umgeben von Fröschen, die durchs Fenster herein springen und stirbt in Panik an einem Herzinfarkt.
II. Karma
Frogs gilt als Wegbereiter des Ecohorrors, einer Spielart des Tierhorrors, in der sich die Natur an den Menschen rächt. Anders als in Genreklassikern wie Hitchcocks The Birds (1963) oder Spielbergs Jaws (1975), in welchen die Tiere scheinbar aus heiterem Himmel die Menschen attackieren, liegen dem Gemetzel in Frogs ganz deutlich karmische Gesetze zugrunde, was schon im Trailer klar wird. Während auf der Bildebene besonders drastische Highlights aus dem Film vereint werden, spricht eine tiefe bedrohliche Männerstimme: „Suppose Nature gave a war and everybody came: The snakes, the birds, the lizards and frogs. And suppose that the polluter, the species on earth called man, is the enemy in this war.“ Crockett, in Vertretung seiner Spezies: „I still believe man is master of the world.“ Wieder die Stimme: „And then suppose the human race lost.“1
Hier wird schon die fatalistische Grundhaltung des Films sichtbar. Tatsächlich haben 99 Prozent der Charaktere, die in diesem Film sterben, vorher Tiere getötet, ihren Lebensraum erheblich gestört oder dies unterstützt oder gefordert. Grover stirbt an einem Schlangenbiss, nachdem er mit Pestiziden Frösche, Schlangen und Vögel getötet hat. Michael, der zuvor wie ein Erbschleicher um seinen Großvater herumgeschleimt ist, wird von diesem gebeten, nach dem Telefonmasten zu sehen, weil die Leitung seit dem vorigen Tag tot ist. Er stoppt den Jeep, um einen Vogel vom Himmel zu schießen und läuft zu der Stelle, an der er gelandet sein muss. Er stolpert über eine Wurzel und schießt sich selbst ins Bein, kann nicht mehr aufstehen. Er schreit jämmerlich während ein weißes Geflecht vom Baum herab fällt und ihn bedeckt. Taranteln und Skorpione besorgen den Rest.
Kenneth wird von seiner Mutter Iris ins Gewächshaus geschickt, um ein paar Orchideen zu holen. Offensichtlich vorsätzlich handelnde Geckos stoßen Flaschen mit giftigen Pestiziden vom Regal und Kenneth erstickt qualvoll an den Dämpfen. Die Tiere scheinen eigenständig und intelligent zu handeln und ihnen machen die Dämpfe seltsamerweise auch nicht zu schaffen. Bemerkenswert ist, dass Kenneth nur Augen für seine Freundin Bella hatte und sich an keinem Tier vergriffen hatte. Ist er ein Kollateralschaden? Oder in Sippenhaft? Oder eine Verwechslung? Oder reicht die Tatsache, dass er im Gewächshaus gefangen gehaltene Orchideen beschneidet, für die Geckos als Grundlage für ein Todesurteil?
Iris hingegen ist passionierte Schmetterlingssammlerin und gerade auf der Jagd, als sie in Panik vor einer Klapperschlange flieht. Sie fällt in einen Tümpel, taucht mit Blutegeln bedeckt wieder auf, rennt weiter, stolpert wieder und diesmal wird sie von der Klapperschlange geschnappt. Ihr Mann Stuart sucht sie und wird von einem Krokodil gefressen. Das Wasser, das er nun rot färbt, ist so schwarz und dickflüssig, dass es unglaubwürdig erscheint, dass sein Vorschlag, Öl in den See zu schütten, um die Frösche zu töten, reine Hypothese geblieben ist.
Clint bringt Bella, Maybelle und Charles ans Ufer. Das Motorboot ist seltsamerweise ohne ihn in die Mitte des Sees getrieben, und er versucht es nun schwimmend zu erreichen, um zurück zu seiner Familie zu kommen, wobei ihn aber die Seeschlange erwischt. Seine Frau Jenny sieht das leere Boot und sucht ihn am Ufer, wobei sie von einer Riesenschildkröte (!) gefressen wird. Crockett ist der letzte und sein Tod ist der grausamste. Er wird zwar nicht gefressen, aber er stirbt an Angst und Schrecken. Er ist allein in seinem Zimmer, das voller Frösche ist. Sie springen unbeeindruckt durch die Fensterscheiben. Sein einziger Verbündeter ist sein Hund Colonel, der keine Hilfe ist und nur ängstlich winselt. Er gehört als domestiziertes Tier offensichtlich zu seinem Menschen und hat genauso wie er Angst vor der Naturgewalt der Froschinvasion. Vor der letzten Szene auf dem Festland, in der Picket, Jenny und den Kindern der Frosch aus dem Ferienlager präsentiert wird, hat sich Crockett noch selbst mit einem sarkastischen „Many happy returns of the day. To me.“2 gratuliert, seinen Drink ausgetrunken und schwungvoll das Glas weggeworfen, das klirrend zersprang. Nun spielt er auf dem Plattenspieler einen Militärmarsch, der das Froschquaken aber nicht übertönen kann und langsam und verzerrt ganz verstummt, als ein Frosch auf den Plattenteller hopst.
Crockett gießt sich einen zweiten Drink ein und leert ihn in einem Zug. In seinem Rollstuhl dreht er sich im Raum und von den Wänden starren ihn die toten Augen von präparierten Bären, Löwen und Gämsen an. Das Telefon klingelt, aber als er abnimmt ist die Leitung tot. Zunehmend verzweifelt ruft er in den Hörer „Hallo? Hallo?“ und lässt ihn schließlich zu Boden fallen, auf dem die Frösche in ihn hinein quaken. Das Telefonklingeln war offensichtlich eine akustische Halluzination, eine Manifestation der tief verwurzelten Sehnsucht nach Zivilisation und der Angst vor der unberechenbaren Natur. Crockett dreht sich wieder im Raum und jetzt hört er nicht nur das ohrenbetäubende und reale Quaken der Frösche, sondern auch das Fauchen, Brüllen, Meckern und Kreischen der toten Tierköpfe an der Wand. Schnelle Gegenschnitte der Tierköpfe, der lebenden Frösche und dem hilflosen Crockett in seinem Rollstuhl versinnbildlichen seine existenzielle Panik. Es wirkt, als würden sowohl die lebenden als auch die toten Tiere über ihn Gericht halten und nach kurzer Zeit wird er von einem Herzinfarkt erlöst, fällt aus seinem Rollstuhl und ist sofort von Fröschen übersät. Man sieht das Crockett Haus in der Totalen. Alle Lichter gehen aus. Ende. Während des kurzen Nachspanns hört man keine Musik, nur Froschquaken. Am Ende erscheint ein Cartoonfrosch, der eine menschliche Hand verschluckt, was das eben gesehene Werk etwas ins Lächerliche zieht, aber auch keinen Zweifel an dem Sieger dieses „Kriegsfilms“ zulässt.
Crockett verkörpert den Prototyp des patriarchalen Unternehmers, der es mit seinen Geschäften zu Reichtum und Macht gebracht hat. Es ist nicht ganz klar, um was für Geschäfte es sich handelt. Es fällt nur einmal das Stichwort „Papiermühle“ als seine Tochter Iris sich bei ihm beschwert, dass dort seit neuestem Schmutzfilter Pflicht seien und diese die Familie Millionen kosten würden. Er hatte in seinem Leben mit großer Sicherheit gegen alle nachhaltigen und tiefenökologischen Prinzipien verstoßen, die besagen, dass das Sich-entfalten-können des menschlichen und nichtmenschlichen Lebens und somit der Reichtum und die Vielfalt aller Lebensformen Werte an sich sind, und dass Menschen kein Recht haben, diesen Reichtum der Natur über ein Maß, das zum Überleben notwendig ist, zu verringern.
Dafür, dass Crockett symbolisch für den US-amerikanischen Unternehmer oder sogar für die US-Gesellschaft an sich steht, gibt es viele spitze sarkastische Hinweise. Sein Geburtstag fällt nicht zufällig auf den 4. Juli, den Independence Day und größten US-Feiertag, der an die Ratifizierung der Unabhängigkeit der dreizehn ersten Kolonien von den Europäern am 4. Juli 1776 erinnert. Von Europa kann man sich unabhängig machen, aber nicht von der Natur.
Während der Partyvorbereitungen am Vormittag springt ein Frosch, unbeeindruckt von den strengen Gesetzen, die die Schändung der US-Flagge ahnden, auf eine Sahnetorte mit Stars-and-Stripes-Muster und in Crocketts finaler Szene beendet ein Frosch mit dem Sprung auf den Plattenteller die patriotische Militärmusik. Bemerkenswert ist, dass Crockett mehr Selbstreflexion zu haben scheint als der Rest seiner Familie, die nur gierig auf sein Ableben wartet, um seine Millionen zu erben. So erklärt er seiner ignoranten Tochter, dass Schmutzfilter dem Umweltschutz dienen. In einer anderen Szene, in der die Familie im prachtvollen Salon zusammensitzt und auf weitere Hiobsbotschaften wartet, meint Crockett auf Iris‘ Befürchtung, Grover könnte hilflos in einem Straßengraben liegen, das geschehe ihm ganz recht. Darauf entgegnet Karen, das sei furchtbar, so etwas zu sagen, es würde ja klingen, als seien sie die gemeinen Reichen („The ugly rich“). Darauf sagt Crockett nur trocken und vollkommen ironiefrei, mit der Decke auf den Knien und dem Drink in der Hand: „We are the ugly rich.“
In nahezu prophetischer Weitsicht nimmt der beleidigte Crockett mit dem Ausspruch; „Ich sehe, wer loyal ist und wer nicht. Das sehe ich.“ das berühmt-berüchtigte „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“ Zitat des doppelten US-Präsidenten George W. Bush am Beginn seiner völkerrechtswidrigen Invasion des Iraks 2003 vorweg, die hunderttausenden unschuldigen Zivilisten, tausenden Soldaten und ungezählten Tieren das Leben kostete. Dieser Krieg wurde aus Geld- und Ölgier geführt und outete Präsident Bush als einen alles andere als nachhaltig denkenden Menschen.
Es fällt leicht, noch weiter zu denken und Crockett nicht nur als Personifizierung der kapitalistischen US-Gesellschaft, sondern der Zivilisation und des modernen Menschen an sich zu sehen, dessen luxuriöse Lebensgrundlage ohne die Ausbeutung und Zerstörung der Natur, seiner Mitwelt, undenkbar ist. Die Tatsache, dass Crockett, der unangefochtene millionenschwere Patriarch, im Rollstuhl sitzt, spricht Bände, macht es doch die hilflose und ausweglose Situation klar, in welche sich die Menschen mit ihrer oberflächlichen kurzsichtigen Gier manövriert haben. Der Rollstuhl als Symbol für das Anthropozän, das Menschenzeitalter.
III. Versuchsaufbau
Dass die Handlung auf einer Insel, einem hermetisch abgeriegeltes Territorium, spielt und somit einem Versuchsaufbau gleicht, ist ein geschickter Schachzug, lassen sich doch so leicht Vertreter der US-Gesellschaft wie Schachfiguren installieren. Die Familie Crockett besteht aus einem alten weißen Patriarchen, seiner Tochter und ihrem Mann, fünf Vertretern der Enkelgeneration um die dreißig, davon drei männlich und zwei weiblich sowie zwei etwa zehnjährigen Kindern, auch männlich und weiblich. Hinzu kommen drei Afroamerikaner, zwei Frauen und ein Mann. Maybelle und Charles arbeiten seit Jahren als treue Hausangestellte für Crockett und Bella hat es aus einfachen Verhältnissen als Model und Modedesignerin und die Verbindung zum Crockettenkel Kenneth in die weiße High Society gebracht.
Trotz der nun faktischen Klassenunterschiede bietet die Herkunft und die Hautfarbe immer noch mehr Zusammenhalt als die neue Familie der Crocketts. In einer der ersten Szenen bietet Bella Maybelle Alkohol an und gesteht ihr, dass sie aus den Südstaaten kommt und eigentlich auch Maybelle heißt. Maybelle bietet ihr daraufhin an, jederzeit in die Küche, ihr Refugium, zu kommen, wenn Bella nach einem guten Gespräch sei, was diese dankend annimmt. Als Bella vom Tod ihres Freundes Kenneth erfährt, ist sie völlig aufgelöst und läuft instinktiv in die Arme Maybelles, um sich trösten zu lassen. Auch die Flucht ist nach Rassen getrennt. Die stolze und unabhängige Bella ist neben Picket die einzige, die dem starrköpfigen autoritären Crockett von Anfang an zu widersprechen wagt und energisch zur Flucht von der Insel aufruft, offensichtlich, weil sie die einzigen sind, die in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm stehen. Auch Maybelle und Charles raten höflich, aber bestimmt, zum Aufbruch. Schließlich bringt Clint die drei als erstes ans Ufer.
Picket Smith fungiert in diesem Spiel als die Stimme der Vernunft und Empathie, ein Vertreter des Nachhaltigkeitsgedankens, der keine Angst vor Klapperschlangen hat, sondern sie liebevoll betrachtet und sie fotografiert statt zu erschießen oder hysterisch wegzulaufen. Er ist auch als freischaffender Fotograf, der, wie er Karen nachts am Pool erklärt, an seinem Job am meisten die Tatsache, dass er viel herumkommt, viele Menschen kennenlernt und keinen Boss hat, der ihm über die Schulter schaut, also die Freiheit, liebt, ein Vertreter der Gegenkultur. Drei Jahre nach Easy Rider war es Zeit für ein ökologisches Update.
IV. Gaia
Wenn man von der Prämisse des Trailers ausgeht, dass die Natur der Menschheit den Krieg erklärt hat, um sich für ihre Schändung zu rächen, kommt man schnell auf Gaia. Sie war in der griechischen Mythologie die personifizierte Erde, eine der ersten Götter. Sie ist liebevolle Mutter, aber auch Rachegöttin und ihr Name bedeutet wahrscheinlich so viel wie „die Gebärerin“3. Nach der Gaia-Hypothese der Naturwissenschaftler James Lovelock und Lynn Margulis ist die Erde und ihre Biosphäre als Lebewesen zu betrachten, als dynamisches System von komplexen Organismen, die aufeinander reagieren, und keine wörtlich genommene Mutter Erde4.
Menschen, Tiere, Pflanzen, Bakterien und Mineralien sind demnach so etwas wie die Körperzellen der Gaia und die Umweltzerstörung durch den Menschen (oder die Zivilisation an sich, wenn man Derrick Jensens Argumentation in seiner epochalen Anklageschrift Endgame folgt5) kann als Autoimmunkrankheit bezeichnet werden. In diesem Sinne kann man Naturkatastrophen, Klimawandel oder in diesem Falle die aggressive Invasion von Reptilien, Amphibien, Insekten und Vögeln als Versuch des Immunsystems lesen, die lebenserhaltende Ordnung im Organismus oder Ökosystem wieder herzustellen.
V. Das Tier des Teufels
Dass gerade Frösche in diesem Film für Schrecken sorgen, liegt höchstwahrscheinlich an der kaltblütigen Pokerfacehaftigkeit ihrer Gesichter, die sich im Gegensatz zu denen von Säugetieren durch sehr sparsame Mimik auszeichnen. Sie sind eine weiße Leinwand, auf die man alle Ängste projizieren kann. In heidnischen Zeiten war der Frosch einmal ein angesehenes Tier und wurde als Fruchtbarkeitssymbol verehrt. Doch die Christianisierung, die zwanghaft alles, was vor ihr da war, umdeutete, setzte ihn mit dem Teufel gleich, was zu einem theologischen Dilemma führte, denn wie kann ein Tier des Teufels sein wenn doch alle Tiere Gottes Schöpfung sind?6
Als Crockett sich weigert, die Insel zu verlassen und alleine dort bleiben will, warnt ihn Picket passenderweise mit den Worten: „Sie haben sich auf eine teuflische Schlacht eingelassen. Machen Sie sich besser bereit.“ In Frogs wird der Frosch seiner Jahrhunderte alten Dämonenrolle, die vor allem durch Jim Hensons Kermit ab 1976 aufgeweicht wurde, noch einmal gerecht.
VI. Bedeutung des Films und der Künstler
Böse Zungen werfen dem Film Trash, Overacting und Holzhammermethoden vor, anderen gilt er als der beste der schlechten Filme. Doch er ist unbestritten ein Klassiker des Ökohorrors und versteht es, seine Botschaft spannend und eindringlich zu übermitteln. Auffällig ist, dass die meisten der Beteiligten der Fernsehbranche entstammen. Regisseur George McGovan drehte dreißig Jahre lang Folgen für Serien wie Fantasy Island (1977-84) und Charlie‘s Angels (1976-81), aber nicht einmal eine handvoll Handvoll Kinofilme.
„Crocket“ Ray Milland (Dial M for Murder, 1954) und „Picket“ Sam Elliot (The Big Lebowski, 1998) sind die unangefochtenen Stars dieses Films. „Clint“ Adam Roarke erlangte in den 60er und 70er Jahren eine gewisse Berühmtheit neben Stars wie Jack Nicholson und Peter Fonda in Biker- und Highwayfilmen und „Bella“ Judy Pace ist seit fünfzig Jahren eines der bekanntesten afroamerikanischen Gesichter des US-Fernsehens.
Die Legende besagt, dass während der Dreharbeiten an Originalschauplätzen dem Filmteam ein Großteil der 500 Florida Frösche und 100 Südamerikanischen Riesenkröten entwischt sind. Inwiefern die Flucht der Tiere zu eine biologischen Invasion und Veränderung des Ökosystems, also ein Reenactment der Filmhandlung, führte, ist nicht überliefert.7
Frogs – Killer aus dem Sumpf (auch Die Frösche), Frogs, USA 1972. Regie: George McCowan, Drehbuch: Robert Hutchison, Robert Blees, Darsteller: Ray Milland, Sam Elliot, Joan van Ark, Adam Roarke, Judy Pace, Lynn Borden, Mae Mercer, David Gilliam, Nicoolas Cortland, George Skaff, Lance Taylor Sr., Hollis Irving, Dale Willingham, Hal Hodges, Carolyn Fitzsimmons, Robert Sanders
Zum Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=9OTaIzBPxtk
Quellen:
1 Stimme: „Stell dir vor, die Natur eröffnet den Krieg und alle kommen: Die Schlangen, die Vögel, die Eidechsen und die Frösche. Und stell dir nun vor, dass der Verschmutzer und Zerstörer, die Spezies namens „Mensch“, der Feind in diesem Krieg ist.“ Crockett: „Ich glaube immer noch, dass der Mensch die Erde beherrscht.“ Stimme: „Und nun stell dir vor, dass die menschliche Rasse den Krieg verliert.“
2 Wörtlich übersetzt: „Viele glückliche Wiederholungen dieses Tages. Auf mich.“ In der deutschen Tonfassung sehr frei mit „Allein dumme Menschen fliehen vor ihrem Schicksal. Zum Wohl.“ übersetzt.
4 Unter anderen: Lovelock, J.: GAIA – Die Erde ist ein Lebewesen. Scherz. Bern, München, Wien 1992.
5 Jensen, D.: Endgame. Zivilisation als Problen. Pendo Verlag. Zürich 2008. Siehe auch: http://www.derrickjensen.org/
6 Hüppauf, B.: Vom Frosch. Eine Kulturgeschichte zwischen Tierphilosophie und Ökologie. Transcript. Bielefeld 2011.