Ich habe kürzlich ein sehr interessantes Gespräch auf Facebook mitverfolgt, in dem es darum ging, dass Veganer radikal seien. „Warum sind Veganer denn radikal?“, habe ich mich neugierig in das Gespräch eingeklingt. „Weil sie Bilder von Tierquälerei zeigen.“, war die Antwort. Etwas verwirrt war ich unsicher, wie ich diese Antwort interpretieren sollte. Radikal ist kein schönes Wort. Konkret bedeutet es, mit Rücksichtslosigkeit und Härte vorzugehen. Es ist also soweit nachzuvollziehen, dass man jemanden, den man radikal nennt, nicht unbedingt leiden kann. Aber was genau hat das nochmals mit Bildern von Tierquälerei zu tun? Ich frage nach.

Die Antwort: „Veganer posten auf Facebook Bilder aus Schlachthöfen oder ähnliches, mit dem Kommentar, dass Fleischesser daran Schuld wären.“ „Aber das ist doch auch so…“, schießt es mir in den Kopf. Gäbe es keinen Fleischkonsum, dann gäbe es keine Schlachthäuser. „Aber die Bilder aus Schlachthöfen zeigen doch die Realität.“, sage ich. „Ja, aber ich will diese Bilder nicht sehen.“, bekomme ich als Antwort. „Aus meiner Sicht handelt es sich hier um das pure Teilen von Informationen. Ich verstehe, dass diese Bilder sehr unangenehm anzusehen sind. Aber ich halte es für wichtig, dass Informationen über Missstände jeglicher Art verbreitet werden.“, lege ich meinen Standpunkt dar. „War ja klar, dass du das sagst.“, wird mir zurückgeworfen.

„Natürlich.“, denke ich mir. Und danke im stillen dem Internet, denn ohne die Informationen, die ich über Facebook bekommen habe, wäre ich vermutlich noch immer Vegetarier, weil ich einfach nicht wusste, wie problematisch Milch- und Eiproduktion sind. Und dann erinnere ich mich daran zurück, wie unangenehm es mir war, die Informationen darüber zu sehen und zu lesen und dass auch ich wütend wurde. Ich dachte doch schon, dass ich etwas Gutes tue mit einem vegetarischen Leben. Und dann diese Information! Stimmt das überhaupt? Wird das nicht nur aufgebauscht? Oder sind das vielleicht sogar Lügen? Ich war traurig, frustriert und verfluchte innerlich die Menschen, die mir das Bild meines aus meiner Sicht rücksichtsvollen und ökologischen Lebensstils zerstört hatten.

Ich wollte herausfinden, was hinter diesen Behauptungen steckt und begann zu recherchieren. Und erfuhr Dinge wie Qualzuchten, Kükenschreddern, Antibiotikamissbrauch und noch so vieles mehr. Und war entsetzt. Wieso informierte niemand über diese Themen? Dann erinnerte ich mich aber, doch ab und zu darüber gelesen zu haben. Der eine Zeitungsbericht, die eine Doku im Kino, die eine Fernsehsendung. Doch ich hatte das alles verdrängt, denn ich war der Meinung, dass das mit mir nicht wirklich etwas zu tun hatte. Denn ich wollte das alles doch nicht, wie sollte es also mit mir zusammenhängen?

Lange Rede, kurzer Sinn, nun bin ich selber Veganer. Und stehe auf der anderen Seite. Auf der Seite, die versteht, warum solche Informationen geteilt werden. Und die es wichtig findet, so viele Menschen wie möglich darüber zu informieren. Und es dafür hinzunehmen, als Spinner, radikal und noch zig anderes bezeichnet zu werden. Aber ich verstehe auch die Seite meines Gegenübers. Die, auf der ich früher stand. Und hoffe, dass irgendwann auch die Neugier dieser Menschen überwiegt und sie erkennen, dass sie mit diesen Bildern zu tun haben. Und dass das auch bedeutet, dass das eigene Handeln relevant ist. Dass die eigenen Entscheidungen einen Unterschied machen. Dass es möglich ist, etwas zu ändern. Und vielleicht verstehen sie mich dann eines Tages auch.