Sich psychologische Hilfe zu holen ist leider auch im Jahr 2022 noch ein Tabuthema. Dennoch hat Corona die Thematik aus dem Schatten geholt. Zwei Jahre Pandemie hinterlassen sichtbar ihre Spuren in der Gesellschaft. Medial thematisiert wird dabei immer wieder die Belastung für Jugendliche, für die diese Zeit eine große Herausforderung darstellt, die leider viel zu wenig beachtet wurde. Aber auch alle anderen Altersgruppen haben mit unterschiedlichen Belastungen zu kämpfen – fast jeder Mensch erlebt im Laufe seines Lebens zumindest eine Krise.
Für Betroffene ist es oft schwer professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Einerseits kostet es viel Mut sich mit solchen Themen an fremde Menschen zu wenden, andererseits ist das Angebot für viele sehr undurchsichtig. An wen soll man sich wenden, um die richtige Behandlung oder Unterstützung zu bekommen? In diesem Artikel möchte ich einen Überblick der unterschiedlichen Berufsgruppen geben, die in Österreich psychologische Hilfe anbieten.
PsychiaterIn
Hierbei handelt es sich korrekt formuliert um „FachärztInnen für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin“.
Ausbildung
Zuerst muss das sechsjährige Medizinstudium abgeschlossen und anschließend noch einmal sechs Jahre Facharztausbildung absolviert werden. Diese erfolgt überwiegend im Krankenhaus, kann aber auch teilweise in Rehabilitationszentren oder ambulanten Einrichtungen stattfinden.
Mittlerweile ist auch eine psychotherapeutische Ausbildung in der Facharztausbildung inkludiert, auch wenn diese nicht so umfangreich ist, wie jene der Psychotherapeuten. Ursprünglich war sie nicht automatisch in der Facharztausbildung inkludiert, wodurch es hier noch einige Unterschiede zwischen „alten“ und „neuen“ PsychiaterInnen geben kann.
Tätigkeitsfeld
PsychiaterInnen behandeln Erkrankungen der Psyche, wie zum Beispiel Depressionen, Zwangsstörungen, Schizophrenie, Suchtkrankheiten, Essstörungen oder Demenz. Hauptdiagnosemittel ist dabei das Gespräch mit den PatientInnen, doch als ÄrztInnen sind sie auch für die Abklärung von körperlichen Ursachen (beispielsweise mittels Blutuntersuchungen, MRT, CT,…) für psychische Erkrankungen zuständig.
Darauf aufbauend wird eine Diagnose erstellt und ein Behandlungsplan festgelegt. Je nach Art und Schwere der Erkrankung verschreiben PsychiaterInnen Medikamente, eine Psychotherapie oder schlagen einen stationären Aufenthalt in einem Krankenhaus vor. Auch therapeutische Gespräche können von ihnen geführt werden.
Zusammenfassung
PsychiaterInnen
- sind FachärztInnen,
- die mit psychisch kranken Menschen arbeiten,
- Diagnosen stellen und Medikamente verschreiben können.
- Eine psychotherapeutische Tätigkeit ist möglich.
NeurologIn
Eigentlich passt die Neurologie nicht ganz in diese Aufzählung, soll aber dennoch nicht fehlen, um den Unterschied aufzuzeigen.
Ausbildung
Auch hierbei handelt es sich um FachärztInnen (für Neurologie). Hier wurde ebenfalls ein sechsjähriges Medizinstudium und weitere sechs Jahre Facharztausbildung absolviert.
Bedeutung für die psychiatrische Versorgung haben vor allem Fachärzte der alten Ausbildungsordnungen. Früher war es möglich als Psychiater oder Neurologe das jeweils andere Fach für sechs Monate in der Ausbildung als Gegenfach zu belegen. Danach schlossen sie die Ausbildung als Doppelfachärzte ab und konnten sich „Arzt für Neurologie und Psychiatrie“ oder „Arzt für Psychiatrie und Neurologie“ nennen, wobei nicht beide Fachrichtungen gleich intensiv gelernt wurden.
Tätigkeitsfeld
NeurologInnen behandeln Erkrankungen des Nervensystems. Dazu zählen beispielsweise Schlaganfälle, Hirnblutungen, Parkinson, Multiple Sklerose, Epilepsie, Migräne, Hirnhautentzündungen und Gehirntumore. Die Diagnostik wird neben der Anamnese ergänzt durch neurologische Untersuchungen (zum Beispiel Prüfung von Kraft und Bewegungsabläufen), elektrophysiologischen Untersuchungen wie EEG und Bildgebung (MRT, CT).
Nachdem Erkrankungen des Nervensystems auch psychiatrische Symptome auslösen können, arbeiten NeurologInnen oft mit PsychiaterInnen, klinischen PsychologInnen oder PsychotherapeutInnen zusammen.
Zusammenfassung
Bei NeurologInnen
- handelt es sich um FachärztInnen.
- Sie behandeln Krankheiten des Nervensystems,
- stellen Diagnosen und können Medikamente verschreiben.
PsychotherapeutIn
Häufig werden Psychologie und Psychotherapie miteinander verwechselt. PsychotherapeutInnen müssen kein Psychologiestudium absolviert haben, da es hier eine eigene Ausbildung gibt.
Ausbildung
Als Basisausbildung dient das „Psychotherapeutische Propädeutikum“, welches vier Semester dauert. Dieses alleine ist jedoch noch keine Berufsausbildung. Es vermittelt vielmehr die einheitlichen Grundlagen für alle therapeutischen Schulen.
Für das darauf folgende Fachspezifikum entscheidet man sich zu Beginn für eine der 23 in Österreich anerkannten therapeutischen Richtungen. Das Mindestalter beträgt 24 Jahre und je nachdem für welche therapeutische Schule man sich entschieden hat, dauert die Ausbildung weitere drei bis sechs Jahre.
Tätigkeitsfeld
Je nach gewählter Fachrichtung können PsychotherapeutInnen sehr unterschiedlich arbeiten. Vom reinen Gespräch bis hin zur Visualisierung von Gefühlen und Zielen oder Theaterspiele und Rollenspiele sowie Musik- oder Kunsttherapie ist alles möglich. Allen gemeinsam ist ein regelmäßiger Kontakt zu den PatientInnen – je nach Diagnose und aktuellem Befinden öfter oder seltener –, wobei es um den Aufbau einer vertrauensvollen und tragfähigen Beziehung geht. Ziel ist, die bestehenden Probleme oder Symptome gemeinsam mit den PatientInnen zu mildern oder zu beseitigen und ihre Persönlichkeitsentwicklung und Gesundheit zu fördern.
Zusammenfassung
PsychotherapeutInnen
- arbeiten mit psychisch kranken Menschen.
- Sie stellen Diagnosen,
- dürfen aber KEINE Medikamente verschreiben.
PsychologIn
Hierbei muss ein wenig unterschieden werden, da es innerhalb der Gruppe der PsychologInnen noch einmal unterschiedliche Berufsgruppen gibt.
Ausbildung
Als PsychologIn gilt laut PsychologInnengesetz in Österreich, wer das Studium der Psychologie mit einem Master- oder Magisterabschluss absolviert hat.
Tätigkeitsfeld
Psychologie könnte man vereinfacht als Wissenschaft der psychischen Vorgänge und des menschlichen Verhaltens bezeichnen. Mittels empirischer und systematischer Beobachtungen versuchen PsychologInnen allgemeingültige Regeln für das Erleben und Verhalten der Menschen aufzustellen. Das Studium der Psychologie stellt jedoch keine Berufsausbildung als solche dar.
Klinische PsychologInnen
Die klinische Psychologie umfasst die klinisch-psychologische Diagnostik (mittels wissenschaftlicher Testverfahren), Beratung und Behandlung von sämtlichen psychischen Leidenszuständen. Ihr Tätigkeitsfeld ist in Kliniken sowie ambulanten Einrichtungen und Rehabilitationskliniken, aber auch ein selbständiges Arbeiten in eigener Praxis ist möglich.
Als klinische PsychologIn darf sich jedoch nur bezeichnen, wer nach dem erfolgreichen Studium der Psychologie eine umfangreiche Zusatzausbildung absolviert hat.
GesundheitspsychologInnen
Dieses Berufsbild – getrennt von klinischen PsychologInnen – gibt es noch nicht so lange, auch hierfür muss eine Zusatzausbildung nach dem Psychologiestudium absolviert werden. Die Gesundheitspsychologie beschäftigt sich thematisch mit der Erhaltung der Gesundheit sowie mit der Erforschung und Entwicklung gesundheitsfördernder Maßnahmen und der Prävention. Sie arbeiten in freier Praxis, können aber auch in Betrieben oder an Schulen tätig sein.
Zusammenfassung
PsychologInnen
- sind in der Forschung tätig,
- stellen KEINE Diagnosen und
- dürfen KEINE Medikamente verschreiben.
Klinische PsychologInnen
- arbeiten mit psychisch kranken Menschen,
- stellen Diagnosen und
- dürfen KEINE Medikamente verschreiben.
GesundheitspsychologInnen
- arbeiten vorwiegend präventiv,
- stellen KEINE Diagnosen und
- dürfen KEINE Medikamente verschreiben.
Lebens- und SozialberaterIn (LSB)
Auch dieser Beruf wird in drei Gruppen unterteilt: Psychosoziale Beratung, Ernährungswissenschaftliche Beratung und Sportwissenschaftliche Beratung. Da es in diesem Artikel über die psychische Gesundheit geht, gehe ich hier nur auf die psychosoziale Beratung näher ein.
Ausbildung
2022 tritt eine neue Ausbildungsverordnung in Kraft, die die Ausbildung an vorhandene Bachelor- und Master-Systeme angleicht. Bisher hat die Ausbildung fünf Semester umfasst und mit dem Titel „Diplomierte/r Lebens- und Sozialberater/in“ abgeschlossen. Anders als bei anderen Diplomausbildungen gab es hier jedoch seit Jahrzehnten ein gesetzlich geregeltes Curriculum. Neben der theoretischen Ausbildung müssen mehrere hundert Stunden fachliche Tätigkeit vorgewiesen werden. Auch hier ist ein Mindestalter von 24 Jahren vorgegeben, wie bei PsychotherapeutInnen gibt es unterschiedliche Methoden und Ansätze.
Tätigkeitsfeld
Auch als psychisch gesunder Mensch befindet man sich immer wieder in seinem Leben in schwierigen Situationen und Krisen, in denen professionelle Hilfe vieles erleichtert. Hier setzt diese Berufsgruppe an und arbeitet präventiv um Krankheit vorzubeugen.
Die Themen umfassen dabei unter anderem Persönlichkeitsentwicklung, Partnerschaft und Familie, Erziehung, Sexualberatung, Mobbing, Konflikte, Stress und Burnout sowie Verluste. Beraten werden sowohl Einzelpersonen, wie auch Paare und Gruppen. Es werden jedoch keine psychischen Erkrankungen diagnostiziert oder behandelt.
Zusammenfassung
Lebens- und SozialberaterIn
- absolvieren eine gesetzlich geregelte Ausbildung,
- sie arbeiten mit gesunden Menschen in schwierigen Lebenslagen und Krisen,
- stellen KEINE Diagnosen und
- dürfen KEINE Medikamente verschreiben.
Coaches, (Mental-)TrainerInnen & Co.
Unter Coaching wird die Beratung im beruflichen Kontext verstanden, es fällt somit in das Tätigkeitsfeld von UnternehmensberaterInnen und Lebens- und SozialberaterInnen und ist entsprechend ein reglementiertes Gewerbe. Anders verhält es sich mit dem Begriff „Coach“. Dieser ist in Österreich nicht geschützt oder geregelt und kann daher auch abseits der in diesem Artikel beschriebenen Berufsgruppen verwendet werden.
Die Bezeichnung „Coach“ gibt demnach keinerlei Auskunft über die Qualität einer Ausbildung, da es hierfür keine gesetzlichen Vorgaben gibt. Auch die Berufsbezeichnung „TrainerIn“ ist nicht genauer geregelt. Es gibt zwar Trainerausbildungen, jedoch sind diese keine Voraussetzung um ein Gewerbe anzumelden. Oft wird hier in Form eines freien Gewerbes oder mit dem Gewerbeschein des Humanenergetikers gearbeitet. Für beide Gewerbeformen gibt es keine gesetzlichen Voraussetzungen, solange die ausgeführte Tätigkeit nicht in ein geregeltes Gewerbe fällt.
Zusammenfassung
Coaches, (Mental-)TrainerInnen & Co.
- benötigen KEINE gesetzlich geregelte Ausbildung,
- sie arbeiten mit gesunden Menschen,
- stellen KEINE Diagnosen und
- dürfen KEINE Medikamente verschreiben.
Wer psychologische Hilfe benötigt, findet in Österreich viele unterschiedliche Angebote, die in Anspruch genommen werden können. Jede Berufsgruppe hat dabei ihre eigene Kernkompetenz. Es lohnt sich also vor der Suche nach einer passenden Unterstützung zu überlegen, welche Probleme man bearbeiten möchte, welche Ziele man dabei verfolgt und welche Berufsgruppe dies wohl am besten abdecken kann. Die Beziehung ist jedoch die wichtigste Komponente für eine erfolgreiche Zusammenarbeit und deshalb ist es ebenso wichtig, dass man darauf achtet, sich bei der beratenden oder behandelnden Person wertgeschätzt und wohl zu fühlen.
Habt ihr weitere Fragen zu dieser Thematik oder einen Themenvorschlag für einen zukünftigen Artikel? Hinterlasst eure Ideen und Vorschläge gerne in den Kommentaren!