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Kategorie: Kolumnen.

Wo ich in Bhutan ein Stück Glück gefunden habe

So, ja, genauso habe ich mir das vorgestellt! Erschöpft und zufrieden zugleich starre ich ins Nichts, auf die Silhouette der Berge rings um mich und hinunter auf den steilen Sandweg,…

So, ja, genauso habe ich mir das vorgestellt! Erschöpft und zufrieden zugleich starre ich ins Nichts, auf die Silhouette der Berge rings um mich und hinunter auf den steilen Sandweg, von dem wir gekommen sind. Schweißperlen tropfen mir von der Nase, die Ärmeln meines Funktionsshirts habe ich hoch gestrickt und die drei weiteren Schichten endlich einmal ausziehen können. Zum ersten Mal, seitdem ich vor einigen Tagen im winterlich-kalten Königreich Bhutan angekommen bin! Und es ist auch das erste Mal seit meiner Ankunft, dass ich mich in diesem “Land des Donnerdrachen” so richtig glücklich fühle.

Gleich nach dem Frühstück sind wir aufgebrochen, um eine Halbtageswanderung zu einem Meditationszentrum in den Bergen nahe der Hauptstadt Thimphu zu unternehmen. Statt mit dem Auto von einer bhutanischen Festung und jetzigem Verwaltungssitzen, den sogenannten Dzongs, zum nächsten Kloster gebracht zu werden, steht heute endlich einmal ein bisschen Bewegung auf dem Plan. Bisher hat uns unser Guide samt Chauffeur bei jeder kleinsten Distanz ins Auto geladen und bei der Sehenswürdigkeit wieder abgesetzt. Ob das daran liegt, dass die Bhutaner der Ansicht sind, Gehen sei schädlich – zumindest für uns TouristInnen? Oder ob es viel eher damit zu tun hat, dass die Gäste in Bhutan üblicherweise in die Altersklasse 50+ fallen? Egal, heute wird marschiert!

Statt TouristInnen kommen uns hier nur Mönche entgegen. Foto: Doris

Nicht nur aufs Gehen freue ich mich, sondern endlich einmal auf Natur. Bisher waren wir ausschließlich in Städten unterwegs. Gut, Thimphu mag zwar mit seinen 80.000 EinwohnerInnen keine Metropole sein, einer richtigen Stadt gleicht sie durchaus. Internationale Küche neben bhutanischen Ständen; Shops, die unseren billig-Asia-Läden gleichen; westlich gekleidete Jugendliche mit Sonnenbrille zwischen Mantren betenden Alten. Und gestern habe ich dann auch noch ein von Tripadvisor bewertetes Kaffeehaus mit englischer Beschilderung und schnellem Wifi entdeckt, wo neben den blonden Expads bhutanische Mönche mit Ipads und Iphones sitzen. Hier in der Stadt, die übrigens zu den am schnellsten wachsenden Orten Asiens zählt, ist der Kontrast zwischen Tradition und Moderne nicht zu übersehen.

Das ist der Blick nach unten nach einem steilen Aufstieg. Foto: Doris

Eine rund halbstündige Fahrt von Thimphu entfernt sieht das Ganze gleich anders aus. Auf der einen Seite lockt das Eingangsschild in den Jigme Dorji Nationalpark, auf der anderen geht es über eine Brücke hinauf Richtung Kloster, dem “Chacri Meditation Center”. Auf der einen Seite warten “rote Pandas, blaue Schafe, Schneeleoparden und schwarze Bären”, so sagt es ein Informationsblatt – auf der anderen das erste Kloster, das Shabdrung, Gründervater Bhutans, 1620 erbauen ließ. Wie viele andere Religionsstätten wurde es in einem unwegsamen, unerreichbaren Gelände in 2.800 Meter Höhe in den Bergen errichtet. Wie, das übersteigt meine Phantasie!

Über die Brücke drüber führt der Weg zum Chacri Meditationszentrum. Foto: Doris

Der Nationalpark zahle sich nur für zwei- bis dreitägige Trekkings aus, macht unser Guide meine Hoffnung (oder Angst) auf eine Begegnung mit den Tieren zunichte. Also folgen wir der Gruppe Mönche, die mit Sack und Pack belastet den steilen Sandweg nach oben zum Kloster einschlägt. Bis heute gibt es keine andere Möglichkeit, die 400 Höhenmeter zu bezwingen als den Fußmarsch. Die orange und rot gekleideten, mehr oder weniger alten Herren sind die Einzigen, die wir in der nächsten Stunde des Aufstiegs zu Gesicht bekommen werden. Keine AusländerInnen – die kommen nämlich selten hier herauf, auch wenn wir uns sonst mit unserer Route leider auf den üblichen Touristenpfaden bewegen. Nur die Mönche und ein paar Bhutaner, Frauen, Kinder, die den beschwerlichen Weg zum buddhistischen Kloster in Angriff nehmen – nicht aus Trainingszwecken wie wir, sondern um dort zu beten, Opfer darzubringen oder einfach nur ihrem Glauben Ausdruck verleihen. Ob für die Namensgebung der Kinder, bei Krankheit, Unfruchtbarkeit, selbst bei mangelndem Erfolg im Job, nach dem Tod – überall wird in Bhutan geopfert, gepilgert, Astrologie angesehen, Mönche um den Segen und Beistand gebeten, Gebetsräder gedreht, Stupas umrundet…

Hoch oben thront das erste von Shabdung erbaute Kloster in Bhutan. Foto: Doris

Heute wird das Kloster, das Shabdrung damals mit 30 Mönchen bewohnt hat, als Meditationszentrum genutzt: Alle Mönche müssen nach Abschluss ihrer Ausbildung drei Monate meditieren, um das erworbene Wissen zu verdauen. Ein Ansatz und eine Zeit, die ich mir auch schon oft gewünscht hätte – genauso wie die Abgeschiedenheit und die Ruhe, die da oben in den Bergen herrscht. Schade, dass nur Mönche diese Gelegenheit haben: Anders als in Thailand können in Bhutan “normale Menschen” nämlich nicht auf Zeit ins Kloster gehen.

Sie hat die Ruhe weg - im Chacri Meditationszentrum kein Wunder. Foto: Doris

Doch sie können so wie wir das Zentrum besuchen oder andere, ähnliche Tageswanderungen machen, denn Trekking-Wege gibt es überall in Bhutan – ob zu heiligen Stätten wie dem berühmten Tiger Nest, das wir natürlich am letzten Tag auch noch sehen, oder einfach so. Und irgendwie genügt das schon! Mir zumindest. Für heute. Ich bin wunschlos glücklich. Naja, fast: Frühjahr oder Sommer könnte noch sein, denn wie schön muss das Ganze erst mit üppigem Grün und farbig blühender Vegetation aussehen.

Mein breites Grinsen hat damit zu tun, dass ich in Bhutan ein Stück Glück gefunden habe. Foto: Estelle

 

 

Offenlegung: Ich bin von Bhutan Tourismus und Active Bhutan Tours zu einem FamTrip eingeladen. Die Kosten für den Aufenthalt vor Ort werden genauso wie 50 Prozent der Flugkosten von Bangkok nach Paro von den Veranstaltern getragen. Danke dafür! Den Flug von Wien nach Bangkok habe ich selbst bezahlt (danke, Emirates , für die Unterstützung), ebenso die Visum-Kosten von 40 USD. Meinungen und Ansichten bleiben wie immer meine eigenen. 

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Von Mythen und Halbwahrheiten: Bhutan für BesserwisserInnen

Zugegeben, ich bin noch keine 24 Stunden im Land des Donnerdrachens. Doch schon jetzt habe ich das Gefühl, ich hätte noch nie vor einer Reise so viele Bücher verschlungen, Websiten…

Zugegeben, ich bin noch keine 24 Stunden im Land des Donnerdrachens. Doch schon jetzt habe ich das Gefühl, ich hätte noch nie vor einer Reise so viele Bücher verschlungen, Websiten studiert, mit Leuten gesprochen – nur um dann hier im Königreich Bhutan festzustellen, dass manches schlicht und einfach nicht gilt oder vielmehr nicht mehr gilt. Denn man lese und staune: Auch das „letzte Shangri-La“ der Erde ist längst nicht mehr so unbeeinflusst wie von wenigen befürchtet oder von vielen erhofft.

1. Bhutan ist eines der teuersten Reiseländer der Welt

Bhutan selbst ist ein Entwicklungsland, das – wie bekannt – das Glück über den monetären Erfolg stellt. Für den Lebensstandard der Menschen vor Ort ist es unerschwinglich, 250 USD pro Tag zu zahlen. Für uns WestlerInnen ist das Angebot, das die Regierung des Königreichs macht, folgendermaßen: 40 USD kostet seit diesem Jahr das Visum, weitere 200 (im Winter und Sommer) bzw. 250 USD (in der Hochsaison) muss man täglich zahlen, um im Land reisen zu können. Inkludiert sind dabei aber nicht nur ein einheimischer Guide, sondern auch sämtliche Unterkünfte und drei Mahlzeiten pro Tag, nur für Getränke muss man extra aufkommen. Betrachtet man das als All-inclusive-Angebot ist das zwar ziemlich teuer, aber noch einigermaßen leistbar. Allerdings gibt es auch Rabatte je nach Aufenthaltsdauer für Schüler, StudentInnen und Gruppen (ab neun bzw. 12 Personen wird es angeblich günstiger). Besonders überteuert an einem Trip in den Bhutan sind aber die Anflugskosten: Von Bangkok, Delhi und einigen anderen indischen Städten sowie Singapur fliegt DrukAir, die nationale Airline, den einzigen Flughafen des Landes in der Stadt Paro an. Und die Preise der bhutanischen Fluglinie sind wirklich happig: 960 USD kostet zum Beispiel in diesem Moment der vierstündige Flug von Bangkok aus. Ob das ein „Schmerzensgeld“ dafür ist, dass Paro nach La Paz der zweithöchste Flughafen der Welt ist und als einer der gefährlichsten gilt? Im Zick-Zack-Kurs müssen die speziell trainierten Piloten durch das Himalaja-Gebirge die Landebahn ansteuern, ein heikles und vor allem durchrüttelndes Unterfangen – Tipp: Unbedingt einen Fensterplatz auf der rechten Seite buchen -, aber 960 USD werden dadurch meiner Meinung nach genauso wenig gerechtfertigt wie durch die Tatsache, dass es köstliches (auch vegetarisches) Essen an Bord gibt, das Servicepersonal immer lächelt und man große Beinfreiheit in den vier Fliegern der Airline hat.

Fazit: Wahrheit. Übrigens: Für Tour-Operators gibt es immer das selbe Gehalt (250 USD abzüglich Hotelkosten etc. und minus Regierungsanteil), nur Anbieter fremdsprachiger Touren  ausgenommen Englisch bekommen ca. 10 USD mehr pro Tag.

Im Landeanflug am besten auf der rechten Seite sitzen. Foto: Doris

2. Nach Bhutan darf nicht jede(r)

Ich habe von Einreiselimits von 20.000 TouristInnen pro Jahr gelesen, eine Kollegin hatte 1.000 Gäste pro Monat im Kopf. Fakt ist: Seit der Öffnung des Landes für den Tourismus in den 70er Jahren und seit Einführung von DrukAir 1983 hat sich einiges getan. Früher gab es tatsächlich Beschränkungen, jetzt stehen eher die natürlichen Kapazitätsbegrenzungen des einzigen Flughafens in Paro einem stärkeren Tourismus im Weg. Durch die Aufstockung der Fluglinie will man mindestens 5.000 bis 6.000 mehr Gäste in diesem Jahr gewinnen. Steigend ist der Tourismus ohnehin: 2010 reisten 60.000 vor allem AmerikanerInnen, EuropäerInnen und JapanerInnen ein – 2012 sollen es schon 110.000 werden. Mittlerweile ist auch der chinesische Markt erschlossen. Achja, wusstet ihr, dass Inder, Bangladeshi und Leute aus den Malediven kein Visum fürs Königreich Bhutan benötigen?

Fazit: Mythos, der Tourismus wird weiter gefördert, gehört er doch nach der Hydrokultur zur zweitstärksten Einnahmequelle des Landes. Und durch die Einnahmen aus dem Tourismus, von denen 65 USD an die Regierung gehen, gewährleistet der Staat freie medizinische Versorgung und Schulbildung für alle. 

Ankommen am einzigen Flughafen in Paro. Foto: Doris

3. Asiaten = Bhutaner sind prüde

Ein Land, das einen göttlichen Tunichtgut aufgrund seiner sexuellen Macht verehrt und in dem es einen Kondommann gibt, der freiwillig und kostenlos Gummis austeilt – das kann doch nicht prüde sein. Die Penisse überall an den Hauswänden mögen tatsächlich einen anderen Eindruck vermitteln, dabei wird doch damit auf die Scham der Leute gesetzt: Der Phallus soll nämlich verhindern, dass die Menschen auf ein Haus schauen und dabei eventuell Neid und Eifersucht fühlen. Und auch der Kondommann, der mit seinem Einsatzbus herumfährt, wurde bloß deshalb eingesetzt, weil Automaten nicht genutzt wurden. Ach ja, Homosexualität ist zwar nicht illegal, aber „es gibt sie bei uns nicht“, erklärt unser Guide Chencho und fügt Augen zwinkernd hinzu: „Nur bei den Mönchen – da gab es das ganz sicher. Schließlich mussten die ja auch irgendwie ihre Energie abbauen.“ Und schon ging er unter brüllendem Lachen weiter, unser Sex-Talk. Vielleicht doch nicht so prüde, die Bhutaner?

Fazit: Halbwahrheit 

Da muss man nicht einmal genau hinschauen, der Penis fällt schon richtig auf. Foto: Doris

4. Bhutan ist unglaublich schmutzig

Diese Aussage habe ich vor meiner Einreise öfters gehört und habe in Bhutan selbst in den ersten fünf Minuten eine positive Überraschung erlebt: An den Straßenrändern waren überall Menschen versammelt, die an offenen Feuerstätten offensichtlich alles Mögliche verbrannten. Es handelte sich um eine Aktion, die zu jedem Vollmond oder Neumond gemacht wird, und bei der sich die NachbarInnen versammeln, um ihren Schmutz von der Straße zu räumen, in Plastiksackerl zu stecken, um sie von der Müllabfuhr abholen zu lassen beziehungsweise den Rest verbrennen. Für asiatische Verhältnisse hat er jedenfalls bei meinen Asien-kennenden Mitreisenden großes Lob bekommen. Und zum Beispiel im Vergleich mit Südamerika kann ich auch sagen: Bhutan ist nicht schlimmer als andere Länder.

Fazit: Liegt wohl (wie alles) im Auge des Betrachters – aber tendenziell eher Mythos

Betelnüsse liegen überall - sonst ist das Land nicht so schmutzig wie gedacht. Foto: Doris

5. Es gibt keine Telefonnetze – und WiFi schon gar nicht

Ich widerlege diese Theorie: Ich bin online! Angeblich ist im Zentrum des Landes, das touristisch schon erschlossen ist, Internet üblich. Nur im eher wenig bereisten, aber offenbar wunderschönen Osten und in den Bergdörfern wird man WiFi lang suchen. Achja, unser Tourguide hat WiFi am Handy, inkludiert in seinem Vertrag. Mehr muss ich nicht sagen, oder?

Fazit: Mythos – zumindest was die touristischeren Gebiete angeht (und andernorts habe ich in Europa auch schon gesucht)

Internet - gibt´s! Foto: Doris

6. Bhutan ist einfach nur kaaaalt

Bei Seehöhen ab um die 2.000 Meter ist das in der jetzigen Winterzeit nichts Überraschendes. Dabei sind die Außentemperaturen kalt, das Schlimme aber ist, dass man sich auch im Inneren nicht aufwärmen kann: Heizungen gibt es selten, nicht einmal in Restaurants – und Heizstrahler bringen es eben doch nicht. Ob ich Bhutan im Winter empfehlen würde: Nur Hartgesottenen!

Fazit: Im Winter bitter(kalt)e Wahrheit, zumindest in den meisten Regionen

Männer in Gho, Frauen in der Kira - das kommt im Alltag meist nur bei Älteren vor. Foto: Doris

7. Die Leute in Bhutan müssen in ihrer Nationalrobe herumlaufen

Das Tragen der traditionellen Tracht für Männer, Gho, und für Frauen, die Kira, ist im Bhutan tatsächlich verpflichtend – allerdings nur für Werktage von Montag bis Freitag. In ein Büro darf man mit „normaler“, westlicher Kleidung nicht, in der Freizeit wird sie jedoch immer öfters getragen. Also nicht wundern, wenn ihr Leuten in Jeans und Pulli begegnet.

Fazit: Halbwahrheit

 

Offenlegung: Ich bin von Bhutan Tourismus und Active Bhutan Tours zu einem FamTrip eingeladen worden. Die Kosten für den Aufenthalt vor Ort werden genauso wie 50% der Flugkosten von Bangkok nach Paro von den Veranstaltern getragen. Danke dafür!  Den Flug von Wien nach Bangkok habe ich selbst bezahlt (Danke, Emirates , für die Unterstützung), ebenso die Visum-Kosten von 40 USD. Meinungen und Ansichten bleiben wie immer meine eigenen. 

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Wohnwagon: Campst du noch oder wohnst du schon?

Es war eine Frühgeburt. Konnte nicht mehr länger warten. Musste in die Welt. Der Geburtshelfer: Eine Anfrage des ORF, der einen Beitrag über Crowdfunding-Plattformen machen und dabei ein reales Finanzierungsprojekt vorstellen…

Es war eine Frühgeburt. Konnte nicht mehr länger warten. Musste in die Welt. Der Geburtshelfer: Eine Anfrage des ORF, der einen Beitrag über Crowdfunding-Plattformen machen und dabei ein reales Finanzierungsprojekt vorstellen wollte.

Genau das war mit dem Projekt „Wohnwagon“ schnell gefunden. Ein einzigartiges Wohnmobil hat der Unternehmer Christian Frantal mit seinem Team konzipiert. Die Zutaten: Regionale, natürliche Baustoffe, jede Menge innovativer Ansätze zum sich selbst versorgenden, unabhängigen Leben und vor allem ganz viel Liebe.

Ab der ORF-Anfrage geht alles ganz schnell: Freunde sind mit ihrer Agentur sofort dabei. Facebook-Page und Website werden aus dem Boden gestampft. Bilder werden publiziert, die innerhalb kürzester Zeit zigmal geteilt und geliked werden. Und jetzt stehen Okto-TV und eine neugierige immer zu schnelle Bloggerin zur gleichen Zeit vor der Tür, um mehr über das Projekt zu erfahren.

Christian und Wohnwagen-Bewohner Oliver werden von Okto TV befragt.

„Der Wohnwagon hat schon jetzt sein Eigenleben entwickelt.“, erzählt mir Christian stolz von seinem rasant wachsenden „Baby“. Wir haben es uns zusammen mit Theresa und Benedikt, die das nachhaltige Gesamtprojekt betreuen, in seinen selbst restaurierten Wohn- und Arbeitsräumen gemütlich gemacht. Erst letzten Sommer hat er gemeinsam mit FreundInnen eine 1,5 Hektar große Grünfläche außerhalb Wiens erstanden, Obst und Gemüse für den Eigenbedarf angebaut, sich einen alten Bauwagen gekauft, um dort auch übernachten zu können – und sich irgendwann die Frage gestellt: „Wie viel Platz brauchst du zum Wohnen?“ Seine Antwort: 25 Quadratmeter, denn „wir haben alle ohnehin viel zu viel“.

Die Lösung: Wohnen im Bauwagen! „Das mag gut sein, aber die Ausstattung von so einem Wagen ist einfach nur lieblos.“, wehrt sich Christian gegen ein „Schmuddel-“ und „Loser-Image“. Solche Assoziationen hat er bei seinem Wohnwagon ohnehin nicht zu befürchten: Seit Oktober zeichnet er mit dem Künstler Matthias an den Modellen für das mobile Eigenheim. Schick sieht es in jedem Fall aus mit seiner unverkennbaren, ovalen Form, die an einen Zirkuswagen erinnert und weg von der „Plastikkastenoptik“ jetziger Wohnmobile geht; oder mit den Außenwänden aus Holz, den großen Fensterwänden, den Bullaugen und natürlich dem Loft-artigen Charakter innen. Gerade in Sachen Nachhaltigkeit spielt es alle Stücke: Photovoltaik-, Gebrauchtwasseranlagen für die Dusche, Bio-Klo, ein Boden von einem Anbieter aus dem Waldviertel, der altes Holz aus Fachwerkhäusern recycelt – Christian ist ständig auf der Suche nach passenden, regionalen Materialien und den neuesten Entwicklungen.

„Wir möchten den Lebensraum von innen nach außen bringen,“, erklärt der Autodidakt die Idee, zeigt auf die vielen Fenster, die ausklappbare Terrasse und fügt hinzu, „es geht um die Verbindung mit der Natur, um Freiheit und Individualität.“. Letztere gelten auch bei der Wahl des Wohnwagons: Denn von der Anleitung zum Selberbauen über den leeren Wagon bis hin zur voll ausgestatteten Luxusversion soll die Bandbreite bei der Ausstattung genauso unendlich sein wie bei der Verwendungsart. Ob als Alternative zum Sommerhäuschen, Büro, Imbissbude, Zusatzzimmer eines Hotels – uns kommen gleich jede Menge Ideen. Vorstellbar ist (fast) alles. Einzig längeres Reisen nicht. „Dafür ist der Wohnwagon mit 10 mal 2,4 oder 6 mal 2.4 Metern zu groß und zu klobig.“,  klärt mich Christian darüber auf, warum sie es als „Halbmobil“ bezeichnen – „aber natürlich kann er ein-, zweimal im Jahr bewegt werden.“.

Was? Nur ein-, zweimal im Jahr? Meine Enttäuschung hält nicht lange an. Irgendwie lässt mich nämlich der Gedanke nicht los, dass das Wohnwagon-Modell nur ein Anfang ist. Schließlich spricht Christian schon davon, im zweiten Schritt Gebrauchtwagen nachhaltig umzubauen. Und so wie ich ihn kennen gelernt habe bleibt das wohl nicht die einzige Idee.

Zuerst aber muss einmal das Baby Wohnwagon flügge werden…

 

Für die Finanzierung des Wohnwagons benötigt man 250.000 Euro, die mit Crowdfunding und einer neuen Beteiligungsform aufgebracht werden sollen. Mehr dazu hierDer Wagon 10 mal 2.4 Meter wird ab ca. 35.000 Euro (in der „Nacktversion“), voll ausgerüstet um ca. 70.000 Euro zu haben sein. 

Wenn ihr euch über den Fortschritt von Wohnwagon informiert wollt, findet ihr hier weiteres auf der Website oder auf Facebook.

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Meine Lieblingsrezepte aus der Yoga-Küche auf Hawaii

„Essen ist mir ja normalerweise egal,“, sagt sie und schenkt mir dabei ein begeistertes Lächeln, „aber hier schmeckt es großartig!“ Ein schöneres Kompliment kann eine Köchin nicht bekommen, also serviere…

„Essen ist mir ja normalerweise egal,“, sagt sie und schenkt mir dabei ein begeistertes Lächeln, „aber hier schmeckt es großartig!“ Ein schöneres Kompliment kann eine Köchin nicht bekommen, also serviere ich diesem Gast gerne und mit stolzgeschwellter Brust eine extra Portion Salat. Schließlich habe ich als Freiwillige beim Kochen in der Yoga Community Kalani auf Big Island, Hawaii geholfen.

Mahlzeit - auf dem Lanai, dem Essensbereich in Kalani. Foto: Jess Scranton

Nun mag sein, dass im paradiesischen Umfeld von Hawaii alles besser schmeckt, doch nachgekocht kann man sich das fitte Urlaubsfeeling auch nach Hause holen. Deshalb haben mir die Köche und Köchinnen von Kalani hier einige ihrer veganen Lieblingsrezepte – jeweils für sechs Personen – verraten. Was für ein Zufall, dass es sich dabei auch um meine Highlights handelt.

Morgendliches: George’s Bio-Ahorn-Granola

Ob es daran liegt, dass Dessertchef George’s Granola bisher als „Geheimrezept“ unter Verschluss gehalten wurde oder daran, dass es einfach soooo köstlich ist: Die meisten Gäste fragen, wie man das Granola auch Zuhause auf den Frühstückstisch zaubert. Jetzt ist das Geheimnis gelüftet:

600g Bio-Haferflocken, nicht gekocht
Jeweils 130g von mindestens vier dieser Zutaten:
– Bio-Pekannüsse
– Bio-Mandeln
– Bio-Pinienkerne
– Bio-Sonnenblumenkerne
– Bio-Kokosflocken
– Bio-Walnüsse
– Bio-Kürbiskerne
– Bio-Erdnüsse
– Bio-Sesam
1 ½ Teelöffel Bio-Zimt
1 Teelöffel Bio-Muskat
1 ½ Teelöffel Bio-Salz
90g brauner Bio-Zucker
2 Teelöffel Bio-Vanilleextrakt
1 Tasse Bio-Ahornsirup
150g Bio-Kokosöl oder Bio-Erdnussöl

Den Ofen auf 170 Grad vorheizen. Alles mit den Händen gut vermischen und dann auf einem Blech auflegen. Zusammendrücken, damit die Granola flach wird. Rund 20 Minuten Backen bis es braun wird, dazwischen nicht verrühren. Vollständig abkühlen lassen und schließlich in einem luftdichten Behälter aufbewahren.

Nichts für SuppenkasperInnen: Grüne Papaya Suppe

1 mittelgroße Bio-Zwiebel, geschnitten
2 Zehen Bio-Knoblauch, ebenfalls geschnitten
2 Esslöffel Bio-Ingwer
2 geschnittene Bio-Karotten
1 bis 2 grüne Bio-Papaya, geschält, entkernt und in Würfel geschnitten
1 bis 2 Esslöffel Bio-Kochöl
150g geschälte Bio-Tomaten, geschnitten
1 Teelöffel getrockneter Bio-Oregano
1 Teelöffel getrocknete Bio-Petersilie oder 1 Esslöffel frische Bio-Petersilie, gehackt
Meersalz zum Abschmecken
2 kg lange Bio-Reisnudeln (Sai Fun)
0,70 l Bio-Gemüsesuppe

Das Öl in einem Suppentopf erhitzen, darin die Zwiebeln anbraten, bis sie hellbraun sind. Karotten, Knoblauch und Ingwer dazu geben und für weitere drei Minuten erhitzen. Tomaten, Papaya und Kräuter hinzufügen. Danach mit der Gemüsebrühe aufkochen, die Nudeln dazu geben und für weitere 15 Minuten (oder bis die Nudeln fertig sind) kochen. Heiß servieren.

Variation: Man kann auch Spinat oder anderes grünes Gemüse hinzufügen. Mit grünem Zwiebel garnieren, Sprossen und Koriander oder Kresse beifügen.

Auf dem Bauernmarkt in Hilo gibt es übrigens eine andere empfehlenswerte Köstlichkeit aus grüner Papaya: Den Green Papaya Salad von Ratana’s Green Papaya Salad, einem kleinen Stand unter den anderen Essensshops. Ich habe ihn probiert – er ist köstlich!

Knackiges: Spinat- und Brunnenkresse-Salat mit Himbeer-Vinaigrette

300g Bio-Spinatblätter
60g Bio-Brunnenkresse
15g getrocknete Bio-Cranberries
15g geröstete Bio-Walnüsse
30g geschnittene rote Bio-Zwiebel
30g frische Bio-Himbeeren
8 Esslöffel Bio-Olivenöl
2 Teelöffel Bio-Sherryessig
1 Teelöffel Bio-Balsamico-Essig
Salz und frisch geriebener Bio-Pfeffer

Für das Dressing den Essig und die Hälfte der Himbeeren in einen Mixer geben, dann mit Öl mischen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Salatzutaten mit dem Rest der Himbeeren und dem Dressing abrühren. Sofort servieren.

Sowohl die Suppe als auch den Salat kann man als Vorspeise, als pūpū (so der hawaiianische Ausdruck) genießen. Oder einfach so, weil alles ʻono (= köstlich) ist!

Lasst es euch schmecken!

 

Dieser Beitrag ist ein Vorgeschmack auf mein Reise-Buch über meine Zeit in der Yoga-Community auf Hawaii. Darin gibt’s noch mehr Rezepte und vor allem viele „Schmankerl“ von Big Island und den anderen Inseln: Hawaii – zwischen Yoga, Lava und Kochtöpfen. Drei Monate in einer Community auf der Trauminsel

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72 Stunden: Meine Highlights beim Lichterfest in Lyon

Alle Jahre wieder wird die französische Stadt Lyon erleuchtet. Nicht im biblischen Sinn, nein, vielmehr in einem sehr weltlichen. Beim Lichterfest oder, weil ja alles auf Französisch besser klingt, Fete…

Alle Jahre wieder wird die französische Stadt Lyon erleuchtet. Nicht im biblischen Sinn, nein, vielmehr in einem sehr weltlichen. Beim Lichterfest oder, weil ja alles auf Französisch besser klingt, Fete des Lumières erstrahlen die Straßen in einem Lichtermeer – und gehen beinah in einem Meer von Menschen unter. Das Wochenende, das dem Namen nach den Lumière-Brüdern, berühmte Söhne der Stadt und Erfinder des Films, gewidmet ist, zieht die TouristInnen von nah und fern in Scharen an. 2012 war ich eine von ihnen. Wegen des Lichterfests – und weil sich die lokale CouchSurfing-Community dieses Festival als Anlass hergenommen hat, ebenfalls alle Jahre wieder zu einem Treffen zu laden.

“Jedes Jahr kann ich mich nicht in das Spektakel stürzen.” Mein CouchSurfing-Host Esteban macht gleich bei meiner Ankunft klar: Das Lichterfestival ist für die 400.000 EinwohnerInnen Lyons nicht nur Anlass zur Freude. Zu viele Menschen stürmen die geschichtsträchtige Stadt mitten in Frankreich, zu viele Menschen drängen sich durch die mitunter zu engen, oft abgesperrten Gassen rund um Place des Terreaux, der Transport ist bei einer Million erwarteter Gäste schlicht und einfach überfordert. Vor allem, wenn die lieben U-Bahn-Chauffeure genau an einem der heißesten Tage in Sachen Menschenmassen beschließen, schlicht und einfach zu streiken. “Das würde in Österreich nicht passieren.”, denke ich mal wieder äußerst patriotisch – ein Gefühl, das bei mir grundsätzlich nur im Ausland auftaucht, und fluche mit den FranzösInnen im Chor darüber, dass ausgerechnet am zweiten Abend des Lichterfests einige U-Bahn-Linien nicht in Betrieb sind. Schließlich sollte man sich ja an fremde Sitten anpassen, stimmts?

Esteban hat zur Zeit der Fete des Lumieres noch einen Anlass zur Klage: Er lebt in einer der schönsten (ich kanns bestätigen!) und beliebtesten Straßen der Stadt, in Montée de la Grande Cote, die ins Alternativviertel Croix Rousse führt. Und während des Lichterfests haben nicht nur sämtliche kleine Läden, die ich schon untertags zum Einkaufen gestürmt habe, auch am Abend offen – nein, vor unserem Fenster baut sich eine russische Musikgruppe auf, ein paar Meter entfernt macht eine Brassband Stimmung. Bis nach Mitternacht zeigt sich beim Blick auf die steil bergauf gehende Straße nur eine einzige Menschentraube, die sich laut mitsingen, tanzend und vor allem in sehr langsamen Schritttempo vorwärts bewegt. Schlafen? Daran sollte ich gar nicht denken…

Sollte ich ohnehin nicht, schließlich gibt es viel zu sehen – nicht nur im künstlich-künstlerischem Licht, sondern auch untertags. Und das waren die Highlights meiner 72 Stunden in Lyon:

Montée de la Grande Cote: Wie gesagt, eine der schönsten Straßen der Stadt. Wenn man auch darüber streitet, ob sie schon zum ehemaligen Vorort Croix Rousse gehört oder nur die Vorstufe davon ist, ist es definitiv DER Platz für Shopping. In kleinen Boutiquen wie lafabriQ und Ateliers, in denen ich gleich Geld ausgegeben habe. Zum Glück sind die Preise absolut in Ordnung.

Markt auf dem Place de Croix Rousse: Jedes Wochenende Samstag und Sonntag bis ca. 12 Uhr gibt es den Freiluft-Markt. Im ersten Teil verkaufen Bio-Bauern und Bäuerinnen ihre Ware, dann geht es etwas Traditioneller weiter. Für das köstliche Gebäck muss man sich genauso lang anstellen wie vor den Bäckereien, aber das macht den FranzösInnen ja offensichtlich wenig…

Den Kleinen Prinzen suchen: Ja, ich liebe Antoine de Saint-Exupéry, einen der bekanntesten Künstler aus Lyon. Als Kind stand ich sogar als kleiner Prinz auf der Bühne, da musste ich mich einfach auf die Suche nach dieser Lieblingsfigur begeben. Und es ist wirklich wie eine Schnitzeljagd. “Die meisten finden ihn am Anfang nicht.”, macht mir Esteban Hoffnung. Tatsächlich muss auch ich mehrfach nachfragen: “Y ou est el petit prince?”, mein Französisch hat auch schon einmal bessere Zeiten erlebt. Dennoch finde ich ihn irgendwann, den kleinen Prinzen, der “nach oben gehoben werden musste, weil er so klein ist”, wie mir eine der vielen eleganten, älteren Damen erklärt. Auf einer Statue sitzt er samt seinem Erfinder und schaut auf den Place de Bellecour herunten. Angeblich ist das Geburtshaus von Saint-Exupéry dort gestanden. Die Statue selbst ist eher enttäuschend – da gefällt mir die gezeichnete Darstellung des Kleinen Prinzen auf der Fresque de Lyonnais besser, einer Fassade, auf der berühmte Lyonaiser abgebildet sind -, aber die Suche nach dem Kleinen ist in diesem Fall die Mühe wert.

Traboules: Die Passagen- oder Treppenhauskonstruktionen, die von den SeidenarbeiterInnen für Versammlungen und zum geschützten Transport der Stoffe genutzt wurden und auch in der Nazi-Zeit so einigen zur Flucht verholfen haben, sind vor allem im Stadtteil Vieux Lyon und Croix Rousse kaum zu übersehen. Am besten aber lässt du dich von einem Bewohner Lyons durch de Gänge führen. Der weiß nämlich auch, wo die Traboules sind, in die man nur auf einer Seite hinein kann – und wo nicht. Übrigens: Macht nichts, wenn es kein “echter” Lyonaiser ist. Die findest du ohnehin selten (ich bin keinem begegnet), denn – typisch Großstadt – sind viele zugereist.

Das Museums-Kaffee Café Gadagne in Vieux Lyon lädt mit seinem entzückenden Hinterhof ein, eine Pause einzulegen und sich bei einer heißen Schokolade oder dem allgegenwärtigen Kaffee zu stärken. Anders als ins gleichnamige Museum, das sich um die Geschichte Lyons dreht und auch eine Marionettenausstellung beherbergt, kommt man ins Café gratis.

Weihnachtsmarkt bei der U-Bahn-Station Perrache: Gut, es ist tatsächlich ein “ganz normaler Weihnachtsmarkt”, wie ihn Mitbewohnerin Apauline desillusionierend beschreibt. Wobei, ganz normal? Wir haben bei unseren Christkindlmärkten keine Schnecken im Angebot, oder? Dafür sorgen “Kougelhopf” oder Spätzle, die elsassche Variante, für ein bisschen Heimatgefühl. Unbedingt ausprobieren: Die Brioche de Praline – am besten mit vier weiteren Hungrigen teilen oder die nächsten drei Tage nichts zum Frühstück kaufen!

Last, but not least – das Lichterfest: Wer die Beleuchtung und Lichtershows ohne Menschenmassen erleben möchte, der kommt wie ich an einem Donnerstag. Abends ist schon einiges los, aber kein Vergleich zu dem, was sich am Freitag oder Samstag in den Straßen tummelt. Am Donnerstag kann man noch ungehindert von einer Station zur nächsten wandern: Schnappt euch einfach den Plan, der bei der Touristeninfo oder an einigen Punkten der Stadt, ausgeteilt wird und los geht’s!

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Auf zum Popradske See: Das Wandern ist des Sherpas Lust…

„Am Wochenende ist der Wanderweg zum Popradske See richtig überfüllt.“, erzählt mir Kathrin Noll, die deutsche Hotel-Managerin des Grand Hotel Kempinski beim Abendessen. Gut, dass Montag war. Noch besser, dass es ein Montag in…

„Am Wochenende ist der Wanderweg zum Popradske See richtig überfüllt.“, erzählt mir Kathrin Noll, die deutsche Hotel-Managerin des Grand Hotel Kempinski beim Abendessen. Gut, dass Montag war. Noch besser, dass es ein Montag in der Nebensaison war. Und an so einem Montag zwischen Sommer und Winter, wenn die HitzetouristInnen nicht mehr und die SkifahrerInnen noch nicht in der Hohen Tatra weilen, lässt sich ein sonst von Gästen überrannter Wanderweg in herrlicher Ruhe auskosten. Am besten bei strahlendem Herbstwetter!

Genau das habe ich gemacht: Eine Stunde dauert der Marsch vom Tschirmer See bis zum Popradske See, genauso lang wieder retour. Und wer nicht – wie die Meisten, denen wir begegnen – die Bahn dorthin nehmen möchte, um dann auf der asphaltierten Straße zu gehen, der kann in unsere Fußstapfen treten und den Waldpfad nehmen. Aber macht euch keine Hoffnungen: In der Sommerzeit ist auch dieser Weg kein Geheimtipp, ist er doch wirklich einfach und für jederman zu schaffen. Heute aber, ja, heute sind wir dort (fast) allein.

Wir? Ja, wir, denn auch wenn selbst ich es nicht geschafft hätte, mich auf dem genial beschilderten Wanderweg zu verirren, habe ich dennoch eine Begleitung. Die Beste überhaupt. Wer könnte nämlich geeigneter sein, die Liebe zur Region zu vermitteln als einer, der einen “großen Spaß” dabei empfindet, drei Jahre als Sherpa tagein, tagaus 80 Kilogramm schwere Vorräte zu den abgeschiedenen Hütten in die Berge zu tragen? Genau so einer ist Peter, der in der Hohen Tatra aufgewachsen und zutiefst verwurzelt ist. Er ist Concierge im Kempinski – und manchmal nimmt er Gäste in die Berge mit, während der Dienstzeit, versteht sich.

Und das sieht dann so aus:

Wir haben Glück: Noch hat der symbolische Friedhof, der an alle in den Bergen Gefallenen erinnert, offen. Bis Ende November ist das so, bis er wegen des Schnees gesperrt ist. Die bunten Holzkreuze und die Lage zwischen den Felsen machen ihn in jedem Fall zu etwas Besonderem:

Da liegt er dann vor uns, der Popradske See samt seiner zwei Hütten. Schon jetzt ist er an manchen Stellen mit einer hauchdünnen Eisschicht bedeckt. Im Winter wird er komplett zufrieren, zur Freude der Einheimischen, die den See zum Eislaufplatz umfunktionieren. Natürlich nicht offiziell, schließlich ist die unsichere Eisschicht schon unter einigen eingebrochen, wie mir Peter erzählt.

Die Hütte sieht nur von außen und unter blauem Himmel so einladend aus. Drinnen ist die Buffet-Kantine eher abschreckend und erinnert an Unterkünfte bei Schulsportwochen – ein Grund, warum wir das Mittagessen am See sein lassen.

Ich verzichte übrigens auch darauf zu testen, wie es ist, wie ein Sherpa kiloweise Material zur noch einmal zwei Stunden entfernten und somit nächsten Hütte zu tragen. Das Angebot besteht: Am Wegesrand stehen Tragen herum, die Gäste mit fünf bis zehn Kilogramm beladen dürfen und nach der Ablieferung des Materials bei der Hütte zur Belohnung eine Tasse Tee bekommen.

Nein, danke, auf diesen „Spaß“ kann ich verzichten – ich genieße lieber die Wanderung retour…

 

Offenlegung: Ich war aus beruflichen Gründen Gast im Grand Hotel Kempinski in der Hohen Tatra. Herzlichen Dank für die Einladung! Die Meinungen und Ansichten in den Geschichten bleiben die meinen. 

3 Kommentare zu Auf zum Popradske See: Das Wandern ist des Sherpas Lust…

Eine Bilderreise in den Garten Eden

Der Dschungel Malaysiens liegt nur wenige Gehminuten von den Olivenhainen des Mittelmeerraums entfernt. Genauso weit wie südenglische Kürbisbeete von aztekischen Malereien. Wo wir sind? Im Eden Project mitten in Cornwall. Wo…

Der Dschungel Malaysiens liegt nur wenige Gehminuten von den Olivenhainen des Mittelmeerraums entfernt. Genauso weit wie südenglische Kürbisbeete von aztekischen Malereien. Wo wir sind? Im Eden Project mitten in Cornwall. Wo die größten, längsten und mächtigsten Glashäuser mit exotischen Pflanzen und einheimische Gartenanlagen buchstäblich aus dem Nichts eines wüsten Lehmbodens hochgestampft wurden (dem kornischen Wind und Wetter trotzend), entstand eines der erfolgreichsten nachhaltigen Projekte Englands zur Jahrtausendwende. Ein Platz des spielerischen Lernens, des Informierens über die Umwelt, des Miteinanders, des Weltverbesserns, des Inspiriertwerdens und Motivierens – dazu, den Garten Eden nicht nur hier in Cornwall zu suchen, sondern zu Hause zu erschaffen.

Viel ist schon über das Eden Project geschrieben worden – und wie jede/r andere auch, habe ich ebenfalls „mein“ ganz persönliches Paradies dort erlebt. Dabei ist das Eden Project gar nicht zu beschreiben, das Eden Project muss man mit eigenen Augen sehen. Und wenn ihr schon nicht dort sein könnt, dann möchte ich euch zumindest auf diese Bilderreise mitnehmen.

Willkommen im Eden Project! Mein Tipp: Am besten sehr früh – zur Öffnungszeit – ankommen, sich einen Parkplatz auf „Banane“ oder „Apfel“ zu sichern (wie ihr euch jetzt denken könnt: Ja, die Parkplätze tragen Obstnamen) und dann einfach losspazieren.

Was ich besonders gut gefunden habe am Eden Project: Dass sie wissen, sie sind nicht allein. Es geht nicht nur um dieses Gebiet in Cornwall, darum, viele TouristInnen und Einheimische mit einer Gartenpracht zu erfreuen und über bestimmte Umweltgegebenheiten aufzuklären. Das Eden Project arbeitet mit Organisationen in aller Welt zusammen – überall geht es um Wissensvermittlung, um Ermutigung, darum zu zeigen, dass wir (nur) gemeinsam etwas bewegen können.

Vorher – nachher: Der Unterschied könnte nicht größer sein, oder was meint Ihr?

Und ja, so sieht das Areal mit den Weltrekord-Glashäusern heute aus:

Viele einheimische Familien – und natürlich TouristInnen – kommen immer wieder ins Eden Project. Es ist ein ideales Schlechtwetterprogramm – und ja, von Regen und Co gibt es in Cornwall genug, auch bei mir hat sich der blaue Himmel bald verfinstert. Für die Beschäftigung der Kleinen ist jedenfalls immer gesorgt, zum Beispiel mit einem Märchen- und Zauberzelt.

Oder ein Kürbisschnitzen zu Halloween:

Der Spaziergang geht weiter, durch ganz viel Grün…

Die Tropen warten: Dschungelhäuser, Skulpturen aus dem Regenwald und natürlich jede Menge üppige Pflanzen, Bäume, die in den Himmel ragen – und eine Affenhitze! Die wird auch bei der Wanderung durch das riesige Glashaus immer schlimmer. Meine Kamera jedenfalls hat ob der feuchten Tropfenwärme w.o. gegeben. Ich, ich natürlich nicht!

Dreimal dürft ihr raten, wo wir uns jetzt befinden! Richtig, wir sind im Mittelmeerraum gelandet – das zweite nicht ganz so große Glashaus des Eden Projects:

Und überall wird unterhaltend „aufgeklärt“ wie hier:

Im Mittelmeerraum darf natürlich eines nicht fehlen: Gutes Essen. Der Stand im mediterranem Glashaus ist aber nicht das einzige Restaurant: Überall auf dem Gelände gibt es Kaffeehäuser und Lokale, alle basieren auf dem Prinzip der regionalen Bioküche.

Riesig ist er, der Müllmann, der aus all unserem alltäglichen Abfall hergestellt wurde. Schade, dass ich kein Vergleichsfoto mit mir habe.

Im Eden Project ist alles bunt und verspielt. Der erhobene Zeigefinger ist nicht sichtbar – vielleicht versteckt er sich unter Handschuhen, wie hier im Museum des Projekts:

Mitnehmen kann man jedenfalls extrem viel: Oder wisst ihr, wie viel CO2 zum Beispiel die Produktion und der Transport einer Flasche Wein aus dem Supermarkt verursacht?

Es erinnert mich schon an ein seltsames Stachel-Raumschiff, das Museum, das mit Solarpanel für die Energieversorgung des Areals ausgerüstet ist:

Ja, in diesem Garten Eden könnte ich’s schon aushalten…

 

Ich befand mich auf den Spuren des Reisebuchs “Eat-Surf-Live”. Wenn ihr mehr dieses Projekt erfahren und die beiden Autorinnen Katharina und Vera unterstützen möchtet, schaut auf startnextOffenlegung: Avis stellt mir für die Cornwall-Recherchereise ein Mietauto zu Verfügung. Herzlichen Dank dafür! Die Meinungen und Ansichten in den Geschichten bleiben die meinen.

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The Maker Project: Makes you feel at home

Zelte in allen Knallfarben und Größen stehen auf den Wiesen, vereinzelte Socken und vielleicht auch ein paar Handtücher hängen auf Seilen dazwischen. Kinder laufen mit nacktem Oberkörper durch die Gegend…

Zelte in allen Knallfarben und Größen stehen auf den Wiesen, vereinzelte Socken und vielleicht auch ein paar Handtücher hängen auf Seilen dazwischen. Kinder laufen mit nacktem Oberkörper durch die Gegend und spielen Ball, während die “Großen” relaxt mit der Gitarre und dem Trembalo in den Händen in den Stühlen lümmeln. Ich kann mir schon vorstellen, wie es hier im Sommer aussieht.

Doch jetzt ist der englische Winter im Anflug – und Maker Heights auf der Rame Halbinsel versinkt im Matsch und in der Düsternis der Wolken, die den schnellen Prasselregen bringen. Woran es dann wohl liegt, dass ich mich dennoch auf Anhieb zu Hause fühle?

“Komm, jetzt zeige ich meine zweite Heimat!”, so hat mich meine Gastgeberin Jo kurz vor meinem Abschied von ihrer Patchworkfamilie, von ihrem (buchstäblich) immer offen stehenden Haus und damit von Cornwall hierher mitgenommen. Zum Maker Project auf den Maker Heights, nur fünf Autominuten von ihrem Daheim entfernt. Und doch wieder eine andere Welt – genauso wie vor ein paar Tagen, als ich von Plymouth hier ins versteckte Eck Cornwalls und somit in eine andere, eine noch immer eine Spur “heilere” Welt gefahren bin.

Alternaltivcommunity, Veranstaltungsräume, Künstlerateliers, Platz für Ideen und die Umsetzer dieser, ein von Volunteers betriebenes Kaffeehaus, verlängertes Wohnzimmer – es ist schwer in nur eine Kategorie einzuordnen, was sich hier in den alten Gebäuden des Maker Projects verbirgt. Vor mittlerweile über 15 Jahren haben sich die ersten Leute angesiedelt, um die Mauern der früheren Baracken hoch über der Gemeinde Maker-Rame vor dem Abriss und den riesigen Grund vor der Bebauung mit Hochhäusern zu schützen. Maler, Musiker, Wedding Planner, Pferdehalter: Die Vielfalt derer, die sich hier eingemietet haben ist genauso bunt wie das 44,5 Hektar große Areal an sich. Dazu tragen natürlich die vielen Künstler bei, denn sie werden besonders vom Maker Project angezogen. “Es sind keine lukrativen Businesses, die hier zu finden sind,”, hat mir Jo bei der steilen Auffahrt erzählt, die aber nach einiger Zeit in den engen Rüttelstraßen Cornwalls harmlos erscheint, “doch wir nehmen gerade so viel ein, dass das Areal weiterhin uns gehört und wir es weiter bewirtschaften können.”

Wir, das sind die Mitglieder des Rame Conservation Trusts, die zwischen zehn (Single) und 25 (Familie) Pfund pro Jahr einzahlen (also zwischen zwölf und 31 Euro) , damit die Gebäude auf Maker Heights erhalten und bei Bedarf renoviert werden können. Profitieren dürfen aber alle, auch die, die sich nicht beteiligen: “Jeder kann nach Maker Heights kommen.”, erzählt mir Jo von freitäglichen Treffen der Gemeinde hoch über dem Dorf Millbrook selbst, von Livekonzerten und Festivals. Oder vom Bonfire am Samstag, das ich leider versäumt habe, weil auch in London und Umgebung einiges auf mich wartet.

Vorbei an Fußball spielenden Kindern, die sich – mit Gummistiefeln ausgerüstet – auch von der drohenden Regenwolke nicht abschrecken lassen, zeigt mir Jo weiter The Maker Project. “Im Winter setzt eine gewisse Faulheit bei den Künstlern ein.”, meint sie, die den nächsten Poetry Slam mitorganisiert, und fügt erklärend hinzu: “Die Gebäude sind in der Kälte einfach zu schlecht zu heizen.” Das ist vermutlich mit ein Grund, warum wir bei den Ateliers heute vor verschlossenen Türen stehen. Statt Kunst schauen wir uns deshalb lieber Jos selbst gebaute Jurte an. Auch das Nomadenzelt ist schon ausgeräumt und für den Winter vorbereitet: “Normalerweise sind hier ein Doppelbett, ein Kasten und Teppiche drin.”, beschreibt Jo das mongolische Riesenteil, das sie im Sommer Gästen zu Verfügung stellt.

Seit zwei Jahren kann man hier auf Maker Heights nämlich campen: Übernachten kann man im eigenen Zelt oder in einem der Campingwägen der DorfbewohnerInnen, die hier auch jetzt herumstehen. Oder eben in einer Jurte wie die von Jo. Einfach perfekt für meinen nächsten Besuch in Cornwall denke ich und bin restlos überzeugt, als ich mich im Blick aufs weite Meer und bis ins nahe Dartmore verliere.

“Schnell, der Regen kommt!”, reißt mich Jo aus meinen Träumereien. Und sie hat natürlich recht: Wir schaffen es gerade noch, die Tür hinter dem Maker Junction Café zu schließen. Es ist ohnehin einen Besuch wert: Es wird vor allem von Freiwilligen betrieben, die hier auf Maker Heights auch wohnen können. Zwei kleine Buben laufen in den üblichen zu großen Gummistiefel herum, eine Gruppe von vier Menschen sitzt beieinander und zeichnet, der Laptop liefert Chillout-Musik, an den Wänden werden Töpferworkshops, Bandproben und Co angekündigt, im Hinterraum laden Bücherregale und Billardtische ins verlängerte Wohnzimmer ein. Und während Jo schon wieder einmal eine ihrer zahlreichen FreundInnen getroffen hat, belohne ich mich an der Theke mit Kaffee und Kuchen: Gerade richtig, um auf das Ende des Regens zu warten und sich noch einmal so richtig „at home“ zu fühlen, im Maker Project…

 

Die Website über das Maker Project und den Rame Conservation Trust ist im Entstehen: www.themakerproject.org.uk

Ich befinde mich auf den Spuren des Reisebuchs “Eat-Surf-Live”. Wenn ihr mehr dieses Projekt erfahren und die beiden Autorinnen Katharina und Vera unterstützen möchtet, schaut auf startnextOffenlegung: Avis stellte mir für die Cornwall-Recherchereise ein Mietauto zu Verfügung. Herzlichen Dank dafür! Die Meinungen und Ansichten in den Geschichten bleiben die meinen.

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Unvergessliches, vergessenes Eck Cornwalls

Eingesunken lehnt er da, an der weißen Wand der Westcroft Gallery, die seine Frau und er samt Guesthouse vor einigen Jahren in Kingsand eröffnet haben: Dylan McLees Taylor, groß, widerspenstiges blondes Wuschelhaar, gekleidet…

Eingesunken lehnt er da, an der weißen Wand der Westcroft Gallery, die seine Frau und er samt Guesthouse vor einigen Jahren in Kingsand eröffnet haben: Dylan McLees Taylor, groß, widerspenstiges blondes Wuschelhaar, gekleidet in betont nachlässigem London-Chic. Mit ausladender Gestik malt er mal eben so seine Begeisterung in die Luft. Und verzieht seine Lippen zu einem lässigen Grinsen, wenn ich wieder nach englischem Vokabular suche. „Der könnte in einer Rosamunde Pilcher-Verfilmung höchstens noch den zwielichtigen Widersacher spielen.“, ertappe ich mich beim Gedanken an triefenden Kitsch. Zu meiner Verteidigung: Das kommt nicht von ungefähr, schließlich befinden wir uns gerade in Cornwall.

Cornwall. Man braucht nur den Namen nennen, schon tauchen Bilder auf von grünen Endlos-Wiesen, Steinmauern, die in Efeu und sonstigem Planzenwerk untergehen; friedlich grasenden Kuh-, Schaf- oder Was-auch-immer-Herden, Häusern, die sich „Mermaid Cottage“ nennen und Gummi bestiefelten, behüteten, behandschuhten Menschen, deren Tagesablauf aus Gartenarbeit und dem Fünf-Uhr-Tee besteht.  Soll ich euch etwas verraten: Es ist genau so – nur, dass es neben den in tarngrün-braun gekleideten Personen aus den Pilcher-Filmen eine bunte Community an kreativen, alternativen Charakteren wie Dylan gibt. Oder wie die Dramatherapeutin in Ausbildung, Jo, die mir via Couchsurfing ihr Haus geöffnet hat.

„Möchten Sie einen Kaffee bei uns trinken?“, mittlerweile überrascht mich die Frage nicht mehr, ist es doch bereits das dritte Mal heute, dass sie mir gestellt wird. Von Fremden wohlgemerkt, nach ein paar Minuten Smalltalk, vor 10 Uhr morgens! Ich bin auf dem Wanderpfad zu Rame Head, laut Katharina und Vera vom Reisebuch “Eat-Surf-Live” der ideale Einstieg in einen Cornwall-Urlaub. Ich weiß zwar (noch) nicht, wie der meine weiter geht, aber eines kann ich schon sagen: Die Wanderung lohnt sich in jedem Fall. Zwei Stunden hin und zurück bin ich von Kingsand am teils asphaltierten Küstenpfad entlang bis an den äußersten Zipfel der Rame Halbinsel spaziert, wo die Überreste der St. Michael’s Chapel seit Jahrhunderten Wache halten. Aber es ist nicht das Ziel, das lockt, sondern tatsächlich der Weg dorthin. Die von Katharina und Vera angekündigten Pferde und Ponys waren zwar zu dieser Jahreszeit nicht mehr auf der Weide, doch mein Blick war ohnehin gefesselt: Vom rauschenden Meer mit seinen wilden Klippen und vor allem vom bunten Herbstwald, der gerade jedem Maler Konkurrenz macht.

„Die Bäume findest du nirgendwo sonst in Cornwall, sie sind hier gepflanzt worden.“, erzählt mir Dylan später enthusiastisch. Für ihn ist Rame Head übrigens der „schönste Platz auf Erden“, trotz oder gerade wegen acht Jahren in London und zwei Jahren auf Reisen. Erst 2004 hat es Dylan mit seiner Frau Sarah wieder an seinen Geburtsort gezogen – so wie viele andere Alternative und Kreative. „Nicht nach Cornwall, nach Kingsand!“, wie der Enddreissiger betont. Denn Kingsand und Umgebung sind anders.

Im Reiseführer Eine Perfekte Woche in Cornwall von der Sueddeutschen wird die Gegend als „Riviera“ Englands bezeichnet, Katharina und Vera sprechen vom „stiefmütterlichen“ Dasein des Ortes, der von der Stadt Plymouth in der Hochsaison zwischen März und Oktober (genauso wie am heutigen Feiertag) direkt per Fähre in 30 Minuten erreichbar ist. Gut so, denn Autos haben in den engsten Straßen ohnehin keinen Platz – ich weiß, wovon ich spreche, habe ich mich doch heute samt fahrbarem Untersatz dorthin verirrt. Dass ich heil und ohne Kratzer wieder heraus gekommen bin, verdanke ich den hilfsbereiten Mannen der Müllabfuhr, die mich zum nächsten Parkplatz geleitet haben. „Kingsand wird unterschätzt und übersehen.“, erklärt mir auch Dylan und fügt hinzu: „Wir haben zwei Parkplätze hier im Ort, und wenn die voll sind, ist Kingsand voll.“ Während er mir von Gästen erzählt, die erst nach jahrzehntelangen Cornwall-Besuchen zufällig über den Ort stolpern, lässt mich das Gefühl nicht los, dass ihm das gar nicht so unrecht ist.

Die Ruhe ist es auch, die die Stammgäste sowie -familien – und davon gibt es jede Menge, wie die Wachstumsmarker der Kinder auf den Wänden der Galerie beweisen – anzieht. Statt Touristenmengen wie in St. Ives bietet Kingsand vor allem eines: Cornische Gemütlichkeit.  Das und Whitsand Bay, den schier unendlichen Lieblingsstrand – nicht nur – von SurferInnen, der in nächster „walking distance“ liegt. Und Gehen, das gehört zu Cornwall ohnehin dazu. Mehr als 1.000 Kilometer „South West Coast Path“ kann man genauso bezwingen wie die Wanderwege dazwischen.

„Wir haben die Landschaft und jetzt haben wir auch die Kulinarik.“, Dylan hört nicht auf, überzeugt und nicht weniger überzeugend für Kingsand zu werben. Seit einigen Jahren ist der Ort tatsächlich für seine Gastronomie bekannt: Das Devonport Inn zum Beispiel, dessen französischer Koch schon gern einmal mit dem 80-jährigen Nachbarn zum Fischen geht und das frisch gefangene abends dann auf die Teller bringt. Mir hat das Lieblingspub von Dylan, das nur eine Gehminute von der Westcroft Gallery entfernt liegt, heute mit Pilzrisotto und herrlichem Schokopudding den Abend versüßt. Gut so, denn normalerweise ist das Lokal in der Winterzeit dienstags geschlossen, doch dank der Ferienwoche war ausnahmsweise offen.

Warum viele schon einmal aus London in die Gegend kommen, liegt aber vor allem am Restaurant The View. Da lockt nicht nur die namensgebende Aussicht auf Whitsand Bay, sondern besonders das köstliche Essen. So heißt es. Denn im Moment muss man darauf warten: Im September wurde The View von einer Flut überschwemmt und wird vermutlich erst wieder im Januar oder Februar eröffnet, wie mir Besitzer Matt verraten hat. „Mit neuem Boden und in neuem Glanz“ erstrahlt das Restaurant dann – und gibt mir einen Grund für einen weiteren Besuch in diesem vergessenen, unvergesslichen Eck Cornwalls.

Als ob ich dafür eine Grund gebraucht hätte: Ich habe mich ohnehin entschieden, die nächsten Tage auch hier in der Umgebung zu verbringen. Vielleicht schaue ich morgen in der Maker Künstlercommunity vorbei. Vielleicht sehe ich einfach nur aus dem Fenster, wie der Wind draußen die Blätter von den Bäumen weht. Ich scheine schon gelernt zu haben von den Menschen hier. Um es mit Dylan zu sagen: „Hier geht es nicht darum, eine Checklist abzuhaken, bei uns geht es darum einfach zu sein.“

 

Ich befinde mich auf den Spuren des Reisebuchs „Eat-Surf-Live“. Wenn ihr mehr über dieses Projekt erfahren und die beiden Autorinnen Katharina und Vera unterstützen möchtet, schaut auf startnextOffenlegung: Avis stellte mir für die Cornwall-Recherchereise ein Mietauto zu Verfügung. Herzlichen Dank dafür! Die Meinungen und Ansichten in den Geschichten bleiben die meinen. 

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Überlegungen zur Wende in Myanmar

Burma boomt. Jedes Mal, wenn ich von vollen Hotels und Guesthouses abgewiesen wurde, bekam ich das zu spüren. Wie stark sich die Zahl der Touristen tatsächlich erhöht hat, erfuhr ich…

Burma boomt. Jedes Mal, wenn ich von vollen Hotels und Guesthouses abgewiesen wurde, bekam ich das zu spüren. Wie stark sich die Zahl der Touristen tatsächlich erhöht hat, erfuhr ich aber erst am letzten Tag in einem amerikanischen Restaurant in Mandalay. Hier lag eine Zeitschrift mit den Besucherstatistiken der ersten sieben Monaten dieses Jahres herum. Rund 300.000 Menschen, zum größten Teil aus asiatischen Ländern, reisten demnach in Myanmar ein. Das sind ganze 37,5 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum im Vorjahr. Schweizer wie ich machen pro Monat etwa hundert Einreisen aus – Deutsche rund zehn Mal mehr.

Soweit die Zahlen. Doch was sind die Gründe, dass das Land plötzlich so beliebt wurde? Ich mache die Probe aufs Exempel und frage den einsamen Touristen am Nebentisch.  James Blumenthal ist knapp 30 Jahre alt, stammt aus New York und will im nächsten Jahr ein eigenes Goldhandelsunternehmen gründen. Weil er weiß, dass es sich dann bald ausgereist hat, erkundet er vorher noch schnell die Welt. „Ich wollte schon immer nach Myanmar,“, erzählt er, „aber erst seit Aun Dingsda Präsidentin wurde, ist es wieder politisch korrekt, das Land zu besuchen.“  Hier irrt er sich.

Politisch korrekt

Die Frage nach dem richtigen Verhalten beschäftigt Myanmar-Reisende seit die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi vor ein paar Jahren zu einem touristischen Boykott des Landes aufgerufen hat. Und mich beschäftigte die Frage besonders, seit ich gebeten wurde, einen Gastbeitrag über meine zweiwöchige Rucksackreise zu verfassen.

Was hat sich also verändert, seit Reisen in die Militärdiktatur nicht opportun waren? Zunächst eher wenig. Aung San Suu Kyi wurde vor zwei Jahren aus dem Hausarrest entlassen und durfte sich im Frühling 2012 ins Parlament wählen lassen. Das mag fürs Land ein bedeutender Schritt sein, er darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Militärjunta noch immer fest im Sattel sitzt. Wer das Land vor zwei Jahren nicht bereisen wollte, dürfte dies eigentlich auch heute nicht tun, es sei denn, er wolle die Regierung für die zaghaften Öffnungsversuche belohnen.

Die Frage ist indes, ob ein Fernbleiben überhaupt etwas bringt? Lonely Planet rechnet in seinem neusten Reiseführer vor, dass bei einer zweiwöchigen Individualreise für rund 420 Dollar zwischen einem Viertel und einem Fünftel in die Regierungskassen gespült wird. Der Rest kommt den Menschen zu Gute. Ich habe unterwegs mit Einheimischen über das Thema geredet. Zwar habe ich auf Grund meines Status als Reisender natürlich besonders häufig Menschen kennengelernt, die direkt vom Tourismus profitieren. Doch generell scheint mir, dass sich die meisten über die Zunahme der Besucher freuen. Viele Menschen können an den Reisenden schließlich etwas verdienen: Seien das die Besitzer von kleinen Pensionen oder auch bloß einfache Ladenbesitzer, die hin und wieder für 300 Kyat (Anm.: Rund 0,26 Euro) eine Flasche Trinkwasser verkaufen können.

Nachhaltig reisen

Eine andere Frage ist jedoch, wie nachhaltig man sich auf einer Myanmarreise verhalten kann. Weil mir das persönlich wichtig ist, habe ich in einem lokalen Reisebüro in Kalaw ein dreitägiges Trekking zum Inle See gebucht. Es hieß, wir würden durch mehrere abgelegene Minderheitendörfer wandern. Für mich war das nicht nur eine touristisch attraktive Alternative zu einer weiteren Rüttelfahrt im Bus. Es war auch etwas fürs soziale Gewissen, konnte ich doch einen Teil meiner Ausgaben in einem wirtschaftlich kaum erschlossenen Gebiet tätigen.

Die Realität sah jedoch anders aus. Damit der Tour-Operator seinen Gewinn optimieren konnte, aßen wir in den Dörfern nicht etwa bei den Einheimischen, sondern wir hatten einen Koch von der Trekking-Agentur dabei, der jeweils mit dem Auto zur nächsten Etappe fuhr und für uns kochte. Von zwei Reiseführern, die mit uns mit kamen, bekam einer überhaupt keinen Lohn. Grund: Er befindet sich noch im Ausbildung und muss zwei Monate lang jede Woche das Trekking mitlaufen, bis er den Weg gut genug kennt, um einer eigenen Gruppe den Weg zu weisen. In Dörfern durften wir nie länger bleiben. Schließlich sollten wir ja am Ende die Souvenirs bei einem Laden kaufen, der Provisionen auszahlt.

Auch wenn die Bilanz an vielen Stellen nicht besonders gut ausfällt sind Besuche des Landes trotzdem wertvoll. Myanmar gehört zu den Ländern mit der stärksten Medienzensur.  In den vielen persönlichen Gesprächen, die man mit den oft sehr neugierigen Menschen führen kann, übermittelt man ein Wissen über das Weltgeschehen, das den Einheimischen teilweise vorenthalten wird. Letztlich spricht für ein Besuch jedoch vor allem eines: Myanmar ist ein unglaublich spannendes und facettenreiches Reiseland mit ausgesprochen freundlichen Menschen.

 

Oliver, der Autor dieses Gastbeitrages, ist 37 Jahre alt und freier Journalist und Herausgeber des Weltreiseforums. Er lebt seit mehreren Jahren in Peking und unternimmt von dort aus regelmäßig Reisen in alle Ecken Ostasiens. Im Oktober 2012 besuchte er zum ersten Mal für zwei Wochen Myanmar. Die Route führte ihn durch das Dreieck Mandalay – Bagan – Inle-See.

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