Wie sage ich’s (richtig)?
Kommunikation fasziniert mich. Doch sie passiert automatisch, man nimmt sie als gegeben hin. Egal in welcher Form, über das Handy, den Computer oder (leider viel zu selten und mittlerweile sehr vernachlässigt) von Angesicht zu Angesicht, sie ist Normalität. Dabei ist die Psychologie dahinter entscheidend, warum genau diese Worte aus uns sprudeln und – was noch viel wichtiger ist – was sie in unserem Gegenüber bewirken. Nicht von irgendwo kommt der Spruch, dass jeder Mensch seine eigene Wahrheit hat; ich habe meine und du hast deine.
Jede Theorie hat ihre Richtigkeit – erst vor kurzem las ich wieder einmal das Buch von Serena Rust mit dem Titel „Wenn die Giraffe mit dem Wolf tanzt“. Es wird auf unkomplizierte Weise erklärt, wie „Gewaltfreie Kommunikation“ nach Marshall Rosenberg funktioniert. Ich kann der Autorin nur beipflichten, wenn sie sagt, das Prinzip ist zwar einfach, aber keineswegs leicht. Gespräche werden anhand der „Vier-Schritte-Taktik“ abgehalten, diese sind Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte. Zu Beginn drückt man frei von jeder Bewertung seine Beobachtung, also den Fakt, aus. Danach schildert man sein Gefühl – ohne Interpretation. Der nächste Schritt sieht das Bedürfnis vor („Ich brauche…“) und abschließend formuliert man eine Bitte. Demnach könnte ein Gespräch so ablaufen:
A: „Wenn du so schnell fährst, fühle ich mich unwohl.“
B: „Hast du Angst, dass etwas passieren könnte?“
A: „Ja, ich bin ein bisschen besorgt – und ich kann bei dem Tempo die Landschaft gar nicht genießen. Bitte fahre etwas langsamer!“
B: „Okay! Ich freue mich ja darüber, dass wir zum Vergnügen unterwegs sind. Ich fühle mich doch noch etwas angespannt von meinem Job. Was hältst du davon, wenn ich dort vorne am Restaurant anhalte und wir auf der Terrasse einen Kaffee trinken?“
A: „Oh! Das gefällt mir!“
Die Sache bekam für mich herausfordernden Charakter. Ist es möglich, mein Kommunikationsverhalten so zu verändern, dass Bewertungen darin keinen Platz mehr haben? Wie drücke ich meine Gefühle ehrlich aus? Ein noch bekannteres Konzept ist das vom Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun. Das „Vier-Ohren-Modell“ oder „Nachrichtenquadrat“ beschreibt eine Nachricht unter folgenden vier Aspekten: Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Beziehung und Appell. Der Sachinhalt (worüber ich informiere) tauscht eine Sachinformation aus. In der Selbstoffenbarung (was ich von mir selbst kund gebe) senden wir Details unserer Persönlichkeit aus, dies geschieht unbewusst und automatisch. Was ich mit meiner Nachricht erreichen möchte, zeigt sich im Appellaspekt (wozu ich dich veranlassen möchte). Meistens handelt es sich um Aufforderungen, etwas zu tun. Der zentrale Punkt der Beziehungsseite ist, was ich von meinem Gegenüber halte und wie wir zu einander stehen. Mit einer guten Freundin werde ich anders kommunizieren als mit meinem ungeliebten Nachbarn.
Der Satz „Schön, dass du mal wieder da bist.“ kann zum Beispiel auf den Ebenen folgende Ausprägung haben:
Sachinhalt: „Deine Anwesenheit ist schön.“
Selbstoffenbarung: „Ich bin einsam.“
Beziehung: „Du vernachlässigst mich.“
Appell: „Besuche mich öfter!“
Meiner Meinung nach ist das Feld der Kommunikationspsychologie ein unglaublich spannendes. Alleine das theoretische Wissen vermittelt einen guten Einblick und man wird dadurch hellhöriger. Ich bemühe mich, mein Verhalten an die oben vorgestellten Theorien anzulehnen. Doch wie effektiv sind sie in der Praxis? Wenn mich eine tobende Arbeitskollegin zu Unrecht anschreit, kann ich dann meine Beherrschung wahren und ruhig antworten? Schlucke ich so nicht meinen Zorn hinunter, anstatt ihn loszuwerden? Wie wende ich diese Taktik an, wenn meine Gefühle die Überhand nehmen? Ich bin zwar meistens ein Kopfmensch und begrüße daher solche Strategien, manchmal empfinde ich aber Kommunikation ohne Plan und ohne Regeln als die beste. Man öffnet sich seinem Gegenüber, spricht seine Wahrheit aus und hofft, verstanden zu werden. Denn eine Garantie dafür gibt es ohnehin nie!
Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Meiner Erfahrung nach kann man es schlicht und ergreifend nicht richtig sagen! Was man allerdings tun kann, ist, ehrlich zu sein und es auch so zu meinen! Denn was kann authentischer sein als wahre Worte, tief aus dem Knäuel zwischen unseren Rippen kommend? Vielleicht liegt hier ja das eigentliche Kommunikationszentrum (Sprechen und Hören) und findet viel zu selten Gebrauch. Denkt auf alle Fälle bei eurem nächsten Gespräch an Schulz von Thuns Worte: „Wenn einer etwas von sich gibt, gibt er auch etwas von sich.“.
Da dies keineswegs der Weisheit letzter Schluss ist, würde ich mich freuen, wenn ihr eure Wahrnehmung in den Kommentaren schildert.