Gehzeit: 5 Stunden 20 Minuten, Saint-Maurice-de-Rotherens, Gite d`etape Le Vernay von Louis Revel (großes Haus mit Schlafsälen und Zimmern)

Die heutige Strecke kürzen wir mit einem Straßenstück etwas ab und gehen dann bis Yenne wieder am Rhoneufer beziehungsweise an deren Nebenarmen entlang. Teilweise in einem Naturschutzgebiet. Während wir in Yenne in einem Lokal eine Kleinigkeit essen fängt es an zu stürmen. Die Sessel und Tische vor dem Lokal fliegen durch die Luft. Es liegen noch 16 Kilometer, großteils bergauf, vor uns. Wir beschließen 8 Kilometer inklusive Umweg mit dem Taxi zu fahren. Der Fahrer hat kein Navigationsgerät und kennt sich in den Dörfern nicht aus (er ist auch Fahrer des Krankentransports!!!). Irgendwo steigen wir aus und finden, nach einem längeren Straßenhatscher bergauf, wieder den markierten Jakobsweg. Es stürmt nicht mehr. Belohnt werden wir auf einer Anhöhe, bei einem interessanten Felsbrocken, mit einer tollen Sicht auf die Rhone.

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Es dauert noch einige Zeit bis wir in Saint-Maurice-de-Rotherens die Hinweisschilder zum Gite (Herberge) von Louis Revel finden. Ein letzter Anstieg führt zum großen Haus, das sichtbar eine ewige Bausstelle ist. Die Begrüßung ist herzlich. Louis Revel, ein Gerücht sagt, dass er Priester oder Pater war, ist ein wunderbarer Gastgeber. Wir bekommen ein Doppelzimmer und Louis schaltet den rostigen Elektroradiator für uns ein. Im Bad gibt es überraschenderweise einen starken Fön, den ich vorsichtig in einer heraushängenden Steckdose hinter dem Bett anstecke. Beim gemeinsamen Abendessen – wir sind sieben Pilger (Mutter und Sohn und Karl aus Deutschland, zwei Schweizer und wir zwei Österreicher) – leitet Louis gezielt die Gespräche in deutscher Sprache. Wir lernen einander kennen. Unsere Namen sind wichtig und Louis merkt sich jeden Namen. Der Tisch ist reichlich gedeckt. Fünf Gänge hat auch hier, in diesem einfachen Haus, das Essen. Alles vom Hausherrn in einer großen Küche zubereitet. Wein wird von ihm aufmerksam und großzügig nachgeschenkt. Louis ist ganz bei uns und mit uns. Ein alter Ölofen wärmt den großen Mehrzweckraum und die Suppe. Die große Überraschung ist eine kleine Steinkapelle im Haus in die wir nach dem Essen geführt werden. Louis spielt auf dem Harmonium. Jeder darf für sein Teelicht, versehen mit persönlichen Gedanken und Worten, einen Platz finden. Auch der junge Mann aus Deutschland ist, zu seiner eigenen Überraschung, berührt und gerührt – zur Freude seiner Mutter. Einer der Schweizer denkt an die überstandene Krebserkrankung seiner Frau. Ein wunderbarer Abschluss des Abends! Alle Mängel des Hauses verlieren an Bedeutung. Die desolaten elektrischen Leitungen sieht auch der Schweizer Techniker nicht mehr. Von der (schon lange) halbfertigen großen Terrasse fasziniert der Blick in die traumhaft schöne Landschaft.