Alexandre Dumas der Ältere ist den meisten wohl durch seine Werke Die drei Musketiere und Der Graf von Monte Christo ein Begriff. Neben diesen und vielen andern Büchern stammen auch sehr weise Worte aus seiner Feder. „Glücklicher als der Glücklichste ist, wer andere Menschen glücklich machen kann.“ Schon vor einiger Zeit bin ich über dieses Zitat gestolpert. Noch immer hallt es wider und regt mich zum Nachdenken an. Stimmt das? Ist das eigene Glück abhängig vom Glück anderer? Oder wird das eine durch das andere verstärkt? Wird Glück immer größer, je mehr Menschen sich daran erfreuen können? Antwort auf diese Fragen habe ich vor wenigen Tagen erhalten.

Anfang des Monats haben sich einige meiner KollegInnen zusammengeschlossen um gemeinsam für Menschen in Not zu kochen. Das Betreuungszentrum Gruft der Caritas in Wien unterstützt und umsorgt Menschen, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden. Obdachlose und sozial schwächer gestellte Menschen finden hier einen Platz zum Schlafen, Duschen und Essen. Sie werden mit Kleidung und anderen notwendigen Utensilien versorgt, die ihnen ihr Leben erleichtern. Drei Mal täglich gibt es eine Essensausgabe, die ab und an von freiwilligen Kochgruppen übernommen wird. Meine KollegInnen und ich haben eine solche Kochgruppe gegründet und die Möglichkeit genutzt, gemeinsam einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen.

Schon im Vorfeld war die Aufregung groß. Was wird gekocht? Wer kauft ein? Gibt es jemanden, der Erfahrung mit Großküchen hat? Sind wir alle hervorragende Meisterköche oder doch nur eine Ansammlung laienhafter Kartoffelschäler und Zwiebelschneider? Gemeinsam haben wir einen Schlachtplan aufgestellt und die Rollen verteilt. Dass unser Vorgesetzter zum Gehilfen und Zwiebelschäler erklärt wurde, war genau so in Ordnung wie die Tatsache, dass junge KollegInnen das Sagen über die Küchenabläufe hatten und altgediente KollegInnen auf Zuruf von A nach B flitzten. Für 200 Personen zu kochen ist für jemanden – oder eine ganze Gruppe – ohne Kocherfahrung eine ziemliche Herausforderung. Bewaffnet mit Schürzen und Kochmützen haben wir uns dieser Herausforderung gestellt. Erfolgreich, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat. Obwohl wir eine zusammengewürfelte Truppe aus verschiedenen Abteilungen und unterschiedlichen Altersklassen waren, stellte sich innerhalb kürzester Zeit ein großartiger Teamrhythmus ein. Jeder übernahm gewissenhaft seine Aufgaben und packte an, wo Hilfe benötigt wurde. Zwischen Unmengen an Kraut und Zwiebeln wurde gelacht und gescherzt und ganz nebenbei ein Menü für unsere Gäste auf die Beine gestellt. Dass wir zeitgerecht fertig geworden waren, war das erste große Erfolgserlebnis und Grund zur Freude. Die auf das Kochen folgende Essensausgabe sorgte aber doch für Nervosität. Was, wenn es nicht schmeckt? Wenn nicht ausreichend Essen vorhanden ist? Wie furchtbar wäre es, wenn jemand hungrig zu Bett gehen müsste! Alle Sorgen waren unbegründet. Wir hatten reichlich gekocht und wenn man den Mengen an verdrückten Portionen glauben mag, dann hat es auch geschmeckt. Nachdem der letzte Teller über den Tresen gewandert war, setzten wir uns zu den verköstigten Menschen und unterhielten uns noch eine Weile mit einigen von ihnen. Den Abschluss des Tages bildete ein gemeinsames Feierabendgetränk, bei dem der Nachmittag und Abend noch einmal eingehend besprochen wurden. Wir waren uns einig: Das war eine tolle Erfahrung und hat allen Spaß gemacht!

Im Nachhinein betrachtet waren zwei Aspekte ausschlaggebend für das vorherrschende Glücksgefühl, das auch noch anhielt als wir uns alle auf den Heimweg machten. Einerseits, dass wir aus dem gemeinsamen Wunsch, etwas Sinnvolles und Gutes zu tun, ein Team gebildet hatten, das wunderbar funktioniert und in dem jeder seinen Platz gefunden hatte. Gemeinsam etwas zu schaffen, sich gegenseitig unter die Arme zu greifen und am Ende erschöpft, aber zufrieden dastehen zu können fühlt sich großartig an und verbindet. Plötzlich sieht man seinen Vorgesetzten oder seine Kollegin mit anderen Augen, entdeckt vielleicht Charakterzüge, die vorher im Verborgenen lagen. Ein Perspektivenwechsel, der eine wahre Bereicherung darstellt.

Der zweite, noch viel wichtigere Aspekt, waren die vielen fröhlichen Gesichter, in die wir im Laufe des Abends blicken durften. Ja, den meisten dieser Menschen geht es schlecht. Viele von ihnen leben unter schrecklichsten Bedingungen, viele werden von ihren Mitmenschen nicht einmal wahrgenommen. Und trotzdem wurde gelacht und geplaudert. Wir sahen Menschen, die eng in Freundschaft verbunden ihre Scherze miteinander trieben und andere, die sich nach dem dritten Nachschlag über ein Stück Schokokuchen freuten, als gäbe es im Moment nichts, das sie glücklicher machen könnte. Einen kleinen Teil dieser Freude konnten wir mit unserem Abendessen bereiten. Dieser kleine Anteil an der momentanen Zufriedenheit aller Gäste der Gruft war es, der den Nachmittag für uns zu einem Erfolg und Grund zur Freude machte.

Das Glück des einen hängt nicht vom Glück des anderen ab. Wenn aber das Glück des einen den anderen glücklich macht, dann wird es mächtig und groß und für jeden fühlbar. Alexandre Dumas der Ältere hatte Recht. Ich hätte nicht glücklicher sein können und bin dankbar für diese Erfahrung, die ich mit meinen KollegInnen und den vielen unterschiedlichen Menschen in der Gruft teilen durfte.

Wenn ihr auch einmal den Kochlöffel für den guten Zweck schwingen wollt, könnt ihr euch hier informieren. Die Gruft ist übrigens nicht die einzige Einrichtung, in der Hilfe willkommen ist. Unterstützung wird an so vielen Orten benötigt. Scheut euch nicht nachzufragen, es wird sich lohnen.