„Warum müssen wir immer alles haben, zu jeder Zeit? Wie können Bananen im Winter nur ein paar Euros kosten und woher kommen die?“, Andreas Lackner stellt im Sykpe-Gespräch noch einmal klar, ob ich verstanden habe, worum es ihm geht: „Wir müssen solche Prozesse hinterfragen, damit unsere Welt eine Zukunft hat.“ Hinterfragen allein ist dem gebürtigen Steirer und seinen niederländischen Partnern allerdings schon lange nicht mehr genug: Mit dem Segelschiff „Tres Hombres“ transportieren sie seit einigen Jahren fair und biologisch produzierte Waren aus aller Welt über den Ozean – einzigartig ohne Motor, ohne CO2-Emission, ohne einen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen und mit einer Crew, die sich zum Teil aus Freiwilligen und Interessierten wie dir oder mir zusammensetzt.

Schon im Jahr 2000 hat Andreas Arjen van der Veen Jorne Langelaan kennen gelernt – auf einem Schiff, wie könnte es anders sein? Der Steirer aus Stainz bei Straden war auf dem Wasserweg nach Südamerika, die beiden Holländer befanden sich als Lehrlinge der Seefahrtschule mit an Bord eines Dreimasters. „Wir waren die einzigen, die nicht zur Crew gehörten, aber auch keine zahlenden Passagiere waren.“, erzählt mir Andreas, der gerade auf „Heimaturlaub“ ist, und auf den ich aufmerksam geworden bin, weil er bei einer Nachhaltigkeitskonferenz über sein Projekt spricht. Ein Anderssein, das verbindet und ihnen beim Kapitän den Namen „Tres Hombres“ („Drei Männer“) einbrachte.

Drei Männer, eine Idee.

Nicht nur den Namen verdanken sie dieser Zeit: „Als wir ein Frachtschiff überholt haben, weil wir mit viel Wind gefahren sind, ist uns die Idee gekommen, Waren wieder ohne Emission zu transportieren.“ Eine Idee, die anfangs auf viel Unverständnis gestoßen ist und erst 2006 zum Leben erweckt werden sollte. Da haben die beiden Holländer Andreas, der mittlerweile in Kroatien ein Segelboot-Unternehmen führte, besucht. Jetzt war die Zeit reif – und wer an Zeichen glaubt, wird die Geschichte, wie sie „ihren“ Frachter in Holland gefunden haben, lieben: „Wir sind in einen Hafen hinein und da hat jemand gerufen „tres hombres“, wir schauen auf die andere Seite – und da liegt ein Schiff, abgedeckt, verrottet.“, schildert Andreas die schicksalhafte Begegnung mit dem deutschen Schiffsrumpf aus dem Jahr 1943 und fügt hinzu: „Es war außerdem ein österreichisches Modell, das 1935 von einer Wiener Firma gezeichnet wurde.“ Dass das Wrack für läppische 3.000 Euro verkauft wurde, ist natürlich ein weiteres Zeichen…

Segelmacher, die Mannschaft darf arbeiten.

Um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden wie die Vorbesitzer des Schiffs, die sich zu dritt mit dem Herrichten völlig übernommen hatten, machten es die findigen Männer anders: Mit selbst gebastelten, notariell beglaubigten und rechtsgültigen Scheinen verkauften sie Anteile am Schiff und konnten so 350.000 Euro einnehmen, um Material für die Renovierung zu finanzieren. Und sie stellten ein Freiwilligenprojekt auf: 150 Menschen aus 25 Ländern haben zweieinhalb Jahre gebaut, um aus der 80 Jahre alten, 35 Meter langen und 130 Tonnen schwere Zweimast-Brigantine ohne Motor das faire Frachtschiff zu machen. „Manche blieben drei Tage, andere Monate.“ – Andreas schwärmt noch heute von der „besten Zeit seines Lebens“, in denen er Freunde fürs Leben gefunden hat – und eine Crew fürs Schiff. Denn einige von den Leuten haben als Teil der fünfköpfigen fixen Profi-Mannschaft angeheuert, die derzeit mit zehn Euro pro Zwölf-Stunden-Tag sowie Unterkunft und Verpflegung entlohnt werden kann. Der Rest der Arbeit wird von den Freiwilligen erledigt: Zehn Leute werden mitgenommen und dürfen sich auf der „Tres Hombres“ nützlich machen, nicht als Passagiere, sondern als Teil der Crew. Der Frachter ist nämlich als Trainings-Segelschiff geeignet, „Lehrlinge“ aus der Schiffschule in der notwendigen Praxis auszubilden. „Wir hatten aber auch schon einen 76-Jährigen an Bord.“, erzählt mir Andreas davon, dass sie alle Interessierten mitnehmen, die Hand anlegen und mich im gleichen Zug einlädt, auch einmal mitzushippern.

Gruppenfoto der Mannschaft.

50 Prozent der Kosten werden durch diese „Lehr-Crew“ aufgebracht, die andere Hälfte nehmen die Tres Hombres mit dem Verkauf ihrer Fracht ein: Schokoladebohnen, die sie von der Fairtrade Bauerngenossenschaft in der Dominikanischen Republik abholen und zum Produzenten nach Amsterdam schippern, wo die 70 Kilogramm-Säcke mit Transportfahrrädern die letzten zwei Kilometer zur Fabrik gebracht werden, deren Maschinen aus alten spanischen Schokofabriken stammt. 30 Cent bekommen Andreas und Co pro verkauftem Schokoladeriegel. Oder Bio-Portwein aus Portugal, Bio-Bier aus Frankreich, lokalen Madeira Honig von der gleichnamigen Insel und natürlich ihr Hauptprodukt, den acht bis 16-jährigen Tres Hombres Rum: Den kaufen sie von kleinen Herstellern der Dominikanischen Republik oder – heuer zum ersten Mal – der kanarischen Inseln ab, lassen ihn in Holland in Flaschen abfüllen und verkaufen ihn selbst in Europa.

Tres Hombres legt in Porto an.

Seit drei Jahren steuern Andreas und seine beiden Partner eine ähnliche Route mit verschiedenen Häfen an: Im Oktober legen sie von Holland ab, über England, Frankreich, Portugal, Madeira, Kanarische Inseln geht es in die Karibik. Einer der drei Männer ist jedesmal die gesamten acht Monate mit an Bord – der Steirer ist im Februar 2013 wieder auf dem Weg in die Dominikanische Republik, um von dort mit der Tres Hombres in See zu stechen.

Eine Frau ist auch dabei.

Die Tres Hombres selbst ist aber „nur“ Botschafter, den drei Männern geht es um mehr: „16 der größten Frachtschiffe produzieren mehr Schadstoffe als alle Autos zusammen.“, erklärt mir der ehemalige Greenpeace-Mitarbeiter und Weltreisende Andreas und hat auch eine Lösung parat: Segelschiffe statt Motoren – noch dazu ist Wind gratis und eine Umrüstung zahlt sich somit auch wirtschaftlich aus. „Damit wir alle wieder eine gute Luft haben.“, ist die Vision klar, und Andreas fügt hinzu: „Es ist eine gemeinnützige Idee, aber ich tu’s für mich selbst!“ So wollen die drei Freunde mit ihrer Stiftung Atlantis Zeilende Handelsvaart alte Frachtschiffe mit großen Motoren umrüsten und auf Schiffe mit modernen Segeln umbauen. Außerdem haben sie mit dem Jachtproduzenten Dykstra ein Modell für ein 140 Meter langes und mit vier Masten ausgestattetes High-Tech-Segelschiff namens Ecoliner entwickelt, das unzählige Frachtkontainer tragen kann und nur ein Crewmitglied für die Navigation benötigt. Ein Projekt, das bisher – wie ähnliche Projekte in anderen Ländern – ausschließlich auf dem Papier existiert. „Den Ecoliner zu bauen, das würde uns im Moment zu viel Geld kosten.“, ist Andreas realistisch und erzählt gleichzeitig vom EU Programm SAIL, das eine Finanzierung und somit den Baustart für die nächsten Jahre in Aussicht stellt. Kollege Jorne erklärte 2011 bei TEDxAmsterdam: „Damit wir einen Unterschied machen, bräuchte es über 300 Ecoliner in den nächsten fünf Jahren.“

Bis es soweit ist, sind sie mit Tres Hombres – „dem originellsten und schönsten Schiff“ laut Andreas – unterwegs, zeigen vor, dass fairer Transport möglich ist, machen das Projekt noch bekannter und möchten auch für ein Umdenken von uns allen sorgen. Oder, um aus dem TEDxAmsterdam-Talk zu zitieren: „Stell dir vor, was passiert, wenn es weltweit kein günstiges Öl für die Frachtschiffe gibt. Wir müssen darauf achten, was wir verschiffen. Kauf so viele lokale Produkte wie du kannst und transportiere nur die Dinge, die man unbedingt bewegen muss.“ Achja, und „um eine Zukunft von nachhaltigem Transport zu ermöglichen, kaufe unseren Rum, kaufe Anteile an Tres Hombres, nutze unser Schiff, um deine Frachten zu transportieren und spende an FairTransport.“ Oder segle mit! Wird gemacht!

Tres Hombres segelt über das Meer.

Segle mit: Am liebsten ist es Andreas, wenn man die ganze halbjährige Tour mitmacht – auch, weil eine Ozeanüberquerung schon ein oder zwei Wochen länger dauern kann. Buchbar ist aber eine Reisedauer zwischen drei Tage und drei Monate, Kosten: Ab 225 Euro. Mehr zu Fairtransport und Tres Hombres erzählen sie selber in diesem Video (mit englischen Untertiteln).