Bei meinem Besuch in Traiskirchen zur Ausgabe der Spenden an die Flüchtlinge parkte ich fast direkt vor dem Eingang des Flüchtlingszentrums und ertappte mich dabei zu überlegen, ob ich meinen USB-Stick beziehungsweise gleich das ganze Autoradio einpacken sollte. (Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich leider persönlich – nicht in Verbindung mit Flüchtlingen – schon Erfahrung mit mehren Einbrüchen sammeln durfte.) Aber gut, ich wollte mich dem Thema neutral und ohne Vorurteile nähern – also ließ ich beides dort. Gleich am Anfang muss ich aber noch etwas gestehen: Sofort nach dem Aussteigen hätte ich mein 37-Grad-Sommer-Outfit, bestehend aus Hotpants und Trägertop, gerne noch einmal überdacht. Der Weg bis zum vereinbarten Treffpunkt, vorbei an verschiedenen Menschengruppen, die offensichtlich einer anderen Kultur angehören, war erst einmal total ungewohnt.

Aber trotz aller anfänglicher Bedenken wurde es ein wunderschöner Nachmittag voll geteilter Freude, Emotionen und Geschichten, wovon noch einige folgen sollten. Ich möchte an dieser Stelle auch erwähnen, wie begeistert ich von der Zusammenarbeit der einzelnen Religionsgemeinschaften bin – katholische Pfarre, türkisch-islamischer Kulturverein, Helfer von der evangelischen Kirche… Es ist wunderschön mit anzusehen, wie alle an einem Strang ziehen und zusammen helfen, wenn es hart auf hart kommt, und dass es keinen Unterschied macht, woran du glaubst oder auch nicht. Auch die Gruppe der Freiwilligen besteht aus Österreichern, Flüchtlingen aus verschiedenen Ländern und Menschen, die als Dolmetscher für alle nicht Deutsch- beziehungsweise Englischsprechenden agieren. Einen Bericht was mit den Spenden für die Flüchtlinge in Traiskirchen passiert und den allgemeinen Ablauf findet ihr hier: Traiskirchen – der Weg der Spenden

Bleibende Erinnerungen

Als ich durch die eng gedrängte und auf die Ausgabe wartende Menge gehe, machen mir sofort alle Platz und ein freiwillig helfender Flüchtling hält mir die Türe auf – ich komme mir ein wenig vor wie ein VIP. Mohammed erzählt mir auf Englisch, dass er seit zwei Monaten hier sei und bereits österreichische Freunde gefunden habe. Stolz zeigt er mir Fotos auf seinem Handy von einem Pärchen und ihm beim Essen, beim Autofahren…

Während des Team-Meetings übersetzt einer der „refugees“ die wichtigsten Eckpunkte für seine Landsleute und ein anderer ist so gerührt von der Hilfsbereitschaft hier, dass er mit zitternder Stimme und in gebrochenem Englisch erklärt, dass er gelernter Koch sei und wie gerne er nicht für uns alle Kochen würde als Dankeschön.

Mahmot erzählt, dass er mit seiner Frau und ihrem Baby innerhalb von 18 Tagen (!) von Griechenland hierher gegangen (!) ist. Ich mache große Augen und obwohl wir beide gut englisch sprechen, wiederhole ich meine Frage mit Zeichensprache, wobei ich mit zwei Fingern das Gehen symbolisiere. Er beginnt zu lachen: „You can believe me – we just walked.“ Sie sind also tatsächlich nur zu Fuß gegangen. Zwischen 18 und 20 Stunden am Tag waren sie unterwegs. Das übersteigt meine Vorstellungskraft und obwohl ich nicht glaube, dass er mir etwas Falsches erzählt, überprüfe ich diese Aussage später mit Google Maps. Und stelle fest: Es geht sich aus! Google Maps sagt, 311 Stunden Fußmarsch wären es in etwa bis Griechenland – und 342 Stunden sind es, wenn man 18 Tage lang jeweils 19 Stunden marschiert. Ich bin noch immer absolut fassungslos! Wer tut so etwas, wenn er nicht „um sein Leben läuft“? (Die junge Familie wollte übrigens gar nicht nach Österreich, sondern nach Holland, sie sind hier aber von der Polizei gefasst worden.)

Eine syrische Frau fragt mich nach getaner Sortierarbeit im Pfarrheim mit Hilfe einer Dolmetscherin nach den Bildern an den Wänden, auf denen Fotos von der Jungschar zu sehen sind, was das für eine Gruppe sei und ob ihre Tochter auch dort mitmachen könne, die Kinder sähen so glücklich aus auf den Bildern. Ein „refugee“ tritt beim Sortieren im Pfarrhof an mich heran und fragt, ob er sich Wasser von der Leitung (!) nehmen dürfte, er sei so durstig…

Dass hier nur Positives erwähnt wird, liegt nicht daran, dass ich die Gespräche ausgefiltert habe, sondern ich habe in den etwa rund zwanzig Stunden dort tatsächlich keine negativen Zwischenfälle erlebt.

Die Beweggründe kann man natürlich überhaupt nicht miteinander vergleichen, aber die Nachmittage bei der Ausgabe sind für mich wie eine Mischung aus hektischem Flohmarkt und Sprachreise. Bei so einer Reise ist man ja auch fremd in einem anderen Land, verständigt sich zum Teil mit Händen und Füßen ohne etwas oder jemanden zu kennen und ist wirklich froh über jeden Tipp und jedes nett entgegengebrachte Wort. „Am meisten freuen sie sich über ein nettes Lächeln, nette Worte und jemanden, der ihnen einfach nur zuhört.“, bestätigt auch Doris, eine der Projektleiterinnen der Caritas.

Zelt_Ausgabe

Die Spendenausgabe

Wie bereits im verlinkten Artikel erwähnt, hatte jede Flüchtlings-Gruppe nur etwa zehn Minuten (!) Zeit um sich bei der Spendenausgabe die nötigen Dinge zusammenzusuchen, danach galt es, alle aus dem Zelt zu bekommen. Und wenn man sich das Titelbild beziehungsweise das folgende Foto ansieht, kann man erahnen, wie viel Passendes man in zehn Minuten zusammensuchen kann. Ausdrücklich erwünscht: Bilder nochmals genau ansehen und sich vorstellen, man müsste für sich selbst – eventuell auch zusätzlich für seine Kinder – in zehn Minuten, gemeinsam mit etwa 30 anderen Personen alles notwendige zusammensuchen.

Spendenausgabe_Traiskirchen_Damen_u_Kinderabteilung

Auch bei der anschließenden Aufforderung zum Gehen hatte ich – vor allem als Frau – anfangs Bedenken, ob das gut gehen würde. Aber alles klappte problemlos – das einzige, worum wir freiwilligen Helfer immer wieder gebeten wurden, war „Please, one more minute!“. Und auch wenn sich die einzelnen Gruppen nicht im Eiltempo nach draußen bewegten, gab es an den zwei Tagen, an denen ich bis jetzt bei der Ausgabe dabei war, noch nie etwas negatives zu berichten.

Mit einem Polizisten vor Ort konnte ich auch kurz sprechen, er erzählte (es war drei Uhr nachmittags), dass er seit gestern früh, sechs Uhr im Dienst sei, vier Stunden geschlafen habe und noch bis morgen Vormittag seiner Pflicht nachgehe. In der Nacht gab es einen Streit zwischen den Flüchtlingen aus verschiedenen Ländern wie auch in vielen Zeitungen zu lesen war.

Zu gefährlich?

Im Baumarkt, als ich auf der Suche nach einem kleinen Schloss und einer Kette war, erzählte ich dem Mitarbeiter kurz, dass ich die Sachen benötige, um eine Schere an einem Tisch zu fixieren und in weiterer Folge, dass ich die Schere benötige, um Hosen für Flüchtlinge zu kürzen. „Sie fahren nach Traiskirchen? Sie als Frau?“, fragte er, gefolgt von der Frage ob ich das beruflich mache (Nein, ich habe einen „normalen“ Vollzeit-Job.), der Frage, ob ich Moslem bin (Nein.) und dem Hinweis, dass er seine Freundin dort nicht helfen lassen würde, das sei seiner Meinung nach zu gefährlich…

Ich denke, dass die ablehnende Haltung vieler Österreicher beziehungsweise Gemeinden auf Angst basiert. Sie kennen diese Situation und die Kulturen nicht und natürlich macht eine große Gruppe von Menschen mehr Angst als Einzelpersonen. Auch kommt noch das Sprachproblem dazu – klar ist es anfangs etwas unangenehm, wenn man an einer Gruppe vorbeigeht und keinen Schimmer hat, worüber die Personen gerade reden oder ob man gar selbst gerade Thema des Gesprächs ist. Wie ihr im ersten Absatz lesen konntet, war auch ich anfangs sehr unsicher.

Trotzdem möchte ich die Skeptiker bitten, Mut zu fassen und offen für dieses Thema zu sein, letztendlich sind es Menschen wie du und ich, mit Ausbildung, einem ehemals schönen Zuhause… Ich möchte meine Hand nicht ins Feuer legen, dass alle von den etwa 3.000 bis 4.000 Flüchtlingen in Traiskirchen zu hundert Prozent zu den „Guten“ zählen – das könnte ich bei 4.000 willkürlich ausgewählten Österreichern aber auch nicht garantieren.

Wenn ihr offene Fragen habt, die in keinem der zwei Artikel oder den unten angefügten Links beantwortet werden, könnt ihr gerne einen Kommentar schreiben – Matthias, Projektleiter von der Caritas, hat sich zu einem Interview bereit erklärt.

P.S.: Vier Mal war ich bis jetzt schon in Traiskirchen – mein USB-Stick und das Radio waren an den Tagesenden bis jetzt immer noch in meinem Auto und auch an den folgenden, heißen Tagen bin ich mit kurzer Hose hingefahren.