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Kategorie: Knowledge.

Dance for Life – Ein Leben auf der Mülldeponie

Man sagt, Reisen erweitern den Horizont und bringen oftmals Veränderungen mit sich. Manchmal ist es ein mitgebrachtes Rezept, das die Küchenroutine bunter macht. Vielleicht ist es ein Ritual, das man…

Man sagt, Reisen erweitern den Horizont und bringen oftmals Veränderungen mit sich. Manchmal ist es ein mitgebrachtes Rezept, das die Küchenroutine bunter macht. Vielleicht ist es ein Ritual, das man am anderen Ende der Welt begonnen und in den heimischen Alltag integriert hat. Oft auch eine Erinnerung, die die eigene Wahrnehmung schärft und den Geist wandern lässt. Manchmal verändert eine Reise auch Leben. Von einer solchen Reise darf ich euch heute berichten. Durch einen glücklichen Zufall habe ich vor kurzem zwei Menschen kennengelernt, deren Geschichte in die Welt getragen werden will.

Bei einem gemeinsamen Essen – es gibt vietnamesische Frühlingsrollen zum Selberbasteln – erzählen Georg und Maui von ihrer Weltreise. Im September 2012 machten die beiden sich auf den Weg nach Thailand. Zwei Monate haben sie dort verbracht. „Wir haben zwei Monate lang das Leben genossen und es uns gut gehen lassen, aber wir haben Thailand beide schon gekannt. Wir wollten in ein Land, das nicht so touristisch ist. Wir wollten mehr Abenteuer.“ Die Entscheidung zwischen Burma, Laos und Kambodscha war schnell gefallen. Burma als Militärstaat war doch zu riskant, in Laos war schon einmal ein Bekannter. „Wir haben von Kambodscha nichts gewusst, keine Erfahrungsberichte gehört. Das war absolutes Neuland für uns. Bevor wir aufgebrochen sind, haben wir uns mit der Geschichte des Landes auseinander gesetzt und schon als wir die ersten Schritte nach der Grenze gemacht hatten, war klar, dass das hier eine andere Welt ist. Wir waren mitten in der Pampa gelandet. Im Vergleich zu Thailand ist Kambodscha ein wirklich armes Land. Es gibt kaum asphaltierte Straßen, nur rund um Angkor Wat ist alles super ausgebaut. Ansonsten reist man eher auf sandigen Wegen voller Schlaglöcher. Es gibt kaum Autos, dafür aber jede Menge Handkarren und Kutschen. Kambodscha wirkt wie Thailand vor vielen Jahren.“ Ihre erste Begegnung mit einer Einheimischen bestätigt diesen Eindruck. „Als wir mit einer Dose Sprite auf der Straße standen, kam ein kleines Mädchen auf uns zu und wollte die Dose haben. Wir haben gedacht, dass sie für das Altmetall vielleicht Geld bekommt. Sie hat den letzten Schluck getrunken und ist lachend davon gelaufen. So eine Kleinigkeit ist purer Luxus für die Leute dort.“ Georg schüttelt den Kopf, als er von diesem Erlebnis erzählt. Er scheint die Armut noch immer nicht fassen zu können.

Die ersten Wege in Kambodscha führten Georg und Maui in einige kleinere Städte und im Anschluss nach Phnom Penh. „Das war kein entspanntes Reisen. Wir hatten von Anfang an das Gefühl, dass es nicht in Ordnung ist, wenn wir uns mit viel Geld diesen Urlaub gönnen, aber ständig von Armut umgeben sind. Das hat nicht zusammen gepasst.“ Während ihres Aufenthalts in Phnom Penh waren die beiden eine Woche lang krank. Eine Woche Bettruhe bringt viel Zeit mit sich. Zeit zum Nachdenken und In-sich-gehen. Genau das haben die beiden getan. „Es war ganz schnell klar, dass wir in irgendeiner Art und Weise helfen wollen.“ Bei einem Skype-Telefonat mit einem Freund in Vorarlberg, dem sie über die Lage vor Ort berichteten, hatte dieser die Idee eine Charity-Party zu organisieren. „Das war ein Monat vor Weihnachten. Wir waren begeistert. Als Termin haben wir den 22. Dezember gewählt. So kurz vor Weihnachten sind alle bei ihren Familien zu Hause und die Spendenfreude ist groß. Während Nico in Österreich alles organisiert hat, haben wir vor Ort recherchiert und nach einer Möglichkeit gesucht, die Leute zu unterstützen.“

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Die Entschlossenheit, mit der sie von ihrem Plan erzählen, ist ansteckend. Ich kann mir die zwei gut vorstellen, wie sie noch nicht ganz gesundet in ihrem Zimmer sitzen und Pläne schmieden. „Zuerst haben wir uns überlegt, wo es überhaupt Sinn hat zu helfen und wie wir das rausfinden können. Wir mussten an die Leute ran und uns überlegen, wie wir das am besten anstellen.“ Der erste Weg führte sie zu einer Hilfsorganisation. Der Wille war vorhanden, allerdings fehlte es an einer ganz wesentlichen Information. Wie viel Geld wird vorhanden sein? Ohne das zu wissen, war es kaum möglich zu planen. „Wir haben uns dann an einen Tuk-Tuk-Fahrer gewandt, der uns vertrauenswürdig erschien und der auch Englisch sprach und ihn gefragt, ob er denn jemanden kennt, der besonders dringend Hilfe benötigt. Wir hatten eine vage Vorstellung von dringend benötigter Hilfe. Eine alleinerziehende Mutter ohne Arbeit entsprach dem ganz gut. Len, der Tuk-Tuk-Fahrer hat auch wirklich jemanden gekannt. Er hat uns gleich gesagt, dass wir nicht mit leeren Händen auftauchen sollen, da das ein seltsames Licht auf uns werfen würde. Immerhin wollten wir den- oder diejenigen, zu denen Len uns führen wollte, ja auch befragen. Wir haben also Reis und Spielzeug gekauft. Auf dem Weg dorthin kamen uns allerdings Zweifel. Wir fuhren an unzähligen Hütten vorbei, die auf uns den Eindruck machten als ginge es nicht ärmer.“ Ob sie denn Sorge gehabt hätten, dass sie übers Ohr gehauen würden, frage ich die beiden. „Naja, wir konnten nicht wissen, wo er uns hin bringt. Das hätte ja auch ein Angehöriger sein können, der gar nicht so arm ist, wie er tut. Aber das hätten wir schon einschätzen können.“ Die beiden haben sich im Vorfeld wirklich gut informiert und sich ein Bild von der Situation im Land gemacht. Das gefällt mir.

„Nach circa einer Stunde Fahrtzeit, in der wir an immer kleineren und schäbigeren Hütten vorbei gekommen waren, bei jeder von denen wir uns fragten, warum nicht hier, tauchte ein qualmender Berg auf. Wir sind direkt darauf zu gefahren. Es hat gestunken, überall waren Fliegen. Schon aus drei Kilometern Entfernung war es kaum auszuhalten. Damit haben wir nicht gerechnet. Es war schrecklich! Wir waren auf einer Mülldeponie.“ Das kommt auch für mich unerwartet. „Im ersten Moment haben wir uns einfach nur geekelt. Der Gestank und die Fliegen waren widerlich. Als wir uns aber umgesehen haben, waren wir geschockt. Auf dieser Müllhalde standen Hütten. Kinder arbeiteten barfuß im Dreck. Hier lebten Menschen. Wir waren entsetzt.“ Ich bin sprachlos. Die Erinnerungen an diese Szenen machen Georg und Maui noch immer betroffen. „Wir haben uns gemeinsam mit einem Dolmetscher umgesehen und uns mit den Leuten dort unterhalten. Das waren fast nur Frauen und Kinder. Die Männer arbeiten anderswo auf der Deponie. Wir wollten auch dorthin, aber wir haben es nicht geschafft. Überall wird Plastik verbrannt. Wir konnten kaum atmen, unsere Lungen haben gebrannt. Der Rauch ist so dicht, dass man die Hand vor Augen nicht sieht. Es war unmöglich zu den Männern zu gelangen.“ Wie kann es sein, dass Menschen so leben müssen? Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie es auf der Deponie sein muss. „Die Bewohner sind krank. Der älteste ist um die vierzig. Alle haben die Haut voller Blasen und leiden an schwerem Asthma. Es ist unvorstellbar.“ Len hatte wohl wirklich die Menschen gefunden, die jede Hilfe bitter nötig hatten. „Es war nicht so einfach herauszufinden, wie wir sie unterstützen können. Wir konnten nicht einfach fragen, die Leute wussten nicht, warum wir hier waren. Wir sagten ihnen, dass wir sie für eine Dokumentation befragen wollen. Der Vorwand war notwendig, weil wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, wie viel Geld wir zur Verfügung haben würden.“

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Während sich Georg und Maui in Kambodscha ihre Gedanken machten, steckte ihr Freund Nico mitten in den Vorbereitungen für die Wohltätigkeitsparty. „Nico war großartig. Er hat es geschafft in wahnsinnig kurzer Zeit etwas Großes auf die Beine zu stellen. Unter dem Titel „Dance for Life“ fand am 22. Dezember eine Party statt, die alle unsere Erwartungen übertroffen hat. Bekannte DJs haben ohne Gage aufgelegt, der Lost Kids Club wurde uns kostenlos zur Verfügung gestellt. Flyer, Getränke, Sound- und Lichttechnik – für nichts von alledem mussten wir bezahlen. Nico hat einen Aufruf auf Facebook gestartet und um Ideen und Mithilfe gebeten. Wir hatten nicht erwartet, dass die Resonanz so groß wird. Die Eigendynamik, die sich entwickelt hat, war unglaublich. Menschen haben sich gemeldet und gesagt, dass sie gerne helfen würden. Es gab viele, die keine Zeit hatten, aber spenden wollten. Wir hätten nie erwartet, dass das solche Ausmaße annimmt.“ Ich bin beeindruckt und will wissen, woran der Erfolg ihrer Idee liegen könnte. „Wir haben von Anfang an alles offen gelegt. Wir haben den Leuten gesagt, dass sie alles sehen können, was passiert. Transparenz war das Wichtigste für uns. Das hat den Menschen ein gutes Gefühl gegeben. Sie haben uns vertraut und gewusst, dass ihr Geld wirklich dort ankommt, wo es hin soll.“ Das kann ich gut verstehen. Oft ist der Zweifel groß, ob eine Spende auch wirklich denen zu Gute kommt, die sie brauchen. Das ist schwer nachvollziehbar und kaum zu kontrollieren. Kein Wunder, dass Georg, Maui und Nico die Menschen mit ihrer Begeisterung anstecken konnten.

„Die Party selbst war ein voller Erfolg. 300 Gäste waren da und sie alle waren davon überzeugt, dass wir gemeinsam das Richtige tun. Um zehn haben sie uns kurz über Skype dazu geschaltet. Wir haben unsere Freunde und Familien gesehen, Bekannte und Fremde, die alle gemeinsam gefeiert, getanzt und gelacht haben. Das war der Moment, in dem wir am meisten Heimweh hatten.“ Die Party dauerte bis in die frühen Morgenstunden. Es gab DJs und Live-Bands, die für eine unvergessliche Nacht sorgten. „Der Eintrittspreis war zehn Euro, der komplett auf unser Spendenkonto floss. Man konnte vor Ort auch zusätzlich spenden. Das haben viele gemacht. Am Ende des Abends haben wir sogar noch einen Teil der Getränkeeinnahmen des Lost Kids Club bekommen. Alles in allem konnten wir 4.134,24 Euro sammeln!“ Wow! Das ist unglaublich! Obwohl ich nicht dabei war, freue ich mich riesig über den Erfolg.

„Als man uns die Summe gesagt hat, haben wir uns richtig gut gefühlt. Aber wir waren auch ganz schön nervös. Immerhin hatten wir jetzt auch Verantwortung. Die Leute daheim haben uns vertraut, wir mussten das wirklich gut machen. Am 23. Dezember haben sie uns das Geld mit Western Union geschickt. Das war ein kleines Weihnachtswunder für alle Helfer und Spender.“ Die Geschichte ist so aufregend, dass ich zwischendurch immer wieder aufs Essen vergesse. Während ich mich wieder ans Frühlingsrollen drehen mache, erzählen Maui und Georg, wie sie das Geld investiert haben. „Unsere erste Idee von einer Zuckerrohrsaftpresse haben wir schnell verworfen. Eine Geldspende kam von Anfang an nicht in Frage. Wir wollten nichts schenken, das sich schnell verbraucht. Denn wenn das Geld einmal weg ist und der Wohlstand damit endet, ist das schlimmer als hätten sie ihn nie erlebt. Gemeinsam mit Len und einem seiner Freunde, Soklean, haben wir uns Gedanken gemacht, was die Bewohner der Deponie wirklich brauchen können. Normalerweise arbeitet die ganze Familie für umgerechnet 80 Cent pro Tag. Sie wühlen sich durch den Müll und suchen nach Dosen, die sie an eine Recyclingfirma verkaufen können. Der übrige Plastikmüll wird verbrannt, damit er ihre Hütten nicht komplett verschüttet. Soklean arbeitet bei einer Hilfsorganisation und kennt sich sehr gut mit der Situation im Land aus. Nach einigem Hin und Her haben wir uns entschieden, Tiere zu kaufen. Auf der Deponie gab es einige Hühner, wir wollten den Bewohnern auch Rinder zur Verfügung stellen. In Kambodscha gilt eine Kuh als Absicherung, weil man die Kälber verkaufen kann. Für ein Kalb bekommt man in etwa 500 Dollar, die Müllsammler verdienen pro Tag einen. Es war klar, dass Rinder eine gute Investition sind.“ Maui und Georg erzählen von ihren Besuchen bei verschiedenen Bauern, von Verhandlungen und von den Unterschieden der Kuhrassen. Es gibt weiße und braune Kühe, die weißen sind die „guten“. Australische Markenkühe, die nicht ganz so abgemagert sind.

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Dass es doch nicht ganz so einfach ist, wird den beiden rasch klar. „Ein deutscher Restaurantbesitzer, den wir kennengelernt haben, hat uns gesagt, dass er unsere Idee nicht gut findet. Er hat erzählt, dass die Leute in Kambodscha anders denken als der typische Mitteleuropäer. Dadurch, dass es keinen Winter gibt und man nicht unbedingt Vorräte horten muss, um die Kälte zu überstehen, denken sie nicht sehr weit in die Zukunft. Reis wächst immer und so gut wie überall. Die Menschen sind zufrieden, wenn sie etwas zu essen haben. Man denkt von einer Mahlzeit zur nächsten, von einem Tag zum anderen. „Schenkt ihnen eine Kuh und sie werden zwei Wochen davon essen. Danach ist alles wieder beim alten.“ hat er gesagt. Das hat uns ganz schön runtergezogen.“ Die erste Euphorie schlug in Enttäuschung um. War die Idee vielleicht doch nicht so gut? Gibt es denn überhaupt die Möglichkeit, etwas wirklich Sinnvolles zu tun? Soklean hatte die Antwort auf diese Fragen und verscheuchte damit die trüben Gedanken. Er schlug einen Vertrag vor, in dem festgehalten werden sollte, dass die Kühe weder geschlachtet noch verkauft werden dürfen. „So haben wir es dann auch gemacht. Wir haben fünf weiße Rinder, drei weibliche und zwei männliche, gekauft und mit einem Notar einen Vertrag aufgesetzt. Die Deponie-Bewohner – das sind zwölf Familien – dürfen die Rinder nicht schlachten und nicht verkaufen. Sie müssen sich um sie kümmern, sie füttern, tränken und sauber halten. Ab dem Zeitpunkt, in dem jede Familie eine eigene weibliche Kuh hat, die in Zukunft für Nachwuchs sorgt, dürfen sie auch die Kälber verkaufen oder essen.“ Das klingt sinnvoll. In Gedanken bin ich allerdings schon einen Schritt weiter. Wo leben denn die Kühe dann? Auf der Deponie? Was fressen sie dort? Wächst da Gras? Fragen über Fragen. Daran haben Georg und Maui aber auch gedacht. „Wir hatten genau die gleichen Bedenken. Man kann ja keine Kuhherde auf eine Müllhalde setzen. Die Tiere würden in kürzester Zeit sterben. Allerdings ist es so, dass die Kühe am Fuße der Deponie auf einer Wiese leben können. Das liegt daran, dass es in Kambodscha keinen Grundbesitz gibt. Niemandem gehört Land, es gibt aber ein Bleiberecht. Wenn man sich lange genug an einem Ort aufhält, darf man dort auch bleiben. Die Wiese am Fuß der Deponie haben die Bewohner also sozusagen ersessen. Ein großes Problem sind allerdings die Landminen, die überall verstreut liegen.“ Jedes Jahr sterben hunderte Menschen in Kambodscha an den Folgen von Verletzungen durch Landminen. Maui erzählt, dass überall Schilder vor der Minengefahr warnen. Oft darf man nur auf einem schmalen befestigten Weg gehen, ein Schritt daneben könnte verheerende Folgen haben. Unkontrolliert über Wiesen zu laufen ist unmöglich. Der Gedanke macht mich traurig. Als ob es nicht reichen würde, dass viele Menschen in Kambodscha in Armut leben, müssen sie auch noch um ihre Gesundheit fürchten, wenn sie auf den verseuchten Feldern arbeiten. Sie kennen die Gefahr, ihnen bleibt jedoch keine andere Wahl.

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„Nachdem wir die Kühe ausgesucht und den Vertrag mit dem Notar aufgesetzt haben, sind wir in Richtung Deponie aufgebrochen. Am Weg dorthin haben wir noch Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikel, Spielzeug und Medikamente gekauft. Werkzeug, Bretter und Seile für die Kühe und einen Unterstand haben wir auch mitgebracht. In der Apotheke hatten wir ein schönes Erlebnis. Wir haben der Apothekerin von unserem Projekt erzählt. Sie fand das so toll, dass sie uns alle Medikamente zum Einkaufspreis gegeben hat.“ „Wenn ihr unseren Leuten helft, helfen wir euch.“, eine Hand wäscht die andere. So einfach kann das sein. „Die Apothekerin hat sich sogar die Mühe gemacht, alle Schachteln in der Khmer-Sprache zu beschriften. Die meisten Leute können ja nicht lesen, so wussten sie zumindest wofür welche Medizin geeignet ist.“ Für die vielen Einkäufe war ein zweites Tuk-Tuk notwendig. Als sie bei der Deponie angekommen waren, baten sie alle Bewohner ans Fußende des Müllbergs. „Der Notar hat den Leuten alles erklärt. Sie haben sich überhaupt nicht ausgekannt, wussten gar nicht was los ist. Nachdem wir ihnen klar gemacht haben, dass sie die Kühe bekommen, haben wir gemeinsam den Vertrag unterschrieben. Wir haben alle unseren Fingerabdruck darunter gesetzt, jeder einzelne Deponie-Bewohner wurde miteinbezogen. Danach haben wir noch die übrigen Sachen verteilt. Der Dolmetscher musste den Leuten erklären, dass wir nur dieses eine Mal kommen würden und dass die Geschenke von den Spendern in Österreich stammen. Sie sollten nicht glauben, dass wir ab sofort ständig mit Geschenken auftauchen würden. Wir haben ihnen aber gesagt, dass wir ohne Voranmeldung vorbei kommen würden, um zu sehen, ob sie sich gut um die Kühe kümmern. Es war wichtig ihnen zu erklären, dass das eine Chance für sie ist, die sie nicht verstreichen lassen sollen. Wenn sie sich an die Vereinbarung halten, können sie die Deponie früher oder später verlassen. Diese Generation wird das wohl nicht mehr erleben, die nächste könnte ihren Lebensunterhalt aber schon mit Landwirtschaft verdienen, wenn sie es will.“

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Zwei Wochen später fuhren Georg und Maui wieder auf die Deponie. „Alle waren neu eingekleidet, das war so schön zu sehen. Die Leute haben sich richtig herausgeputzt. Wir haben mit dem Dorfältesten gesprochen und nach den Kühen gesehen. Sie stehen jetzt circa fünf Minuten entfernt von der Deponie. Einer hat immer Hirtendienst, die Kühe werden wirklich gut versorgt.“ Seit diesem Besuch waren Georg und Maui nicht mehr dort. Die Bewohner melden sich ab und zu bei Soklean und berichten ihm, wie es ihnen ergeht. Er ist so etwas wie die örtliche Kontrollinstanz. Mit ihm halten Georg und Maui auch sporadisch Kontakt über Facebook. Die letzte Information, die die beiden bekommen haben war, dass eine Kuh bereits ein Kalb geboren hat. Es scheint gut zu laufen, irgendwann werden sich die beiden persönlich davon überzeugen. Ich habe sie gefragt, was wirklich wichtig an dem Ganzen ist. „Diese Leute haben das erste Mal eine realistische Chance, die Deponie verlassen zu können. Sie können zu Landwirten und Viehhändlern werden.“ Eine Chance zu haben, Hoffnung auf ein besseres Leben, einen Lichtblick. Das ist das wirklich Wichtige.

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Ich bin beinahe erschlagen von der Geschichte. Die beiden schildern ihre Erinnerungen und Eindrücke so lebhaft, dass ich fast das Gefühl habe, dabei gewesen zu sein. Ich will wissen, welche Erkenntnis sie aus ihren Erlebnissen mitnehmen. Georg muss nicht lange überlegen. „Man muss sich im Klaren darüber sein, dass das Geld, das man als Tourist ausgibt, nicht bei den wirklich Armen ankommt. Wenn man Zeit hat und etwas zurückgeben will, muss man sich die Frage stellen: „Was brauchen die Leute?“ Für mich hat sich herausgestellt, dass ich nur dann Gast sein kann und darf, wenn ich im Gegenzug auch helfen kann. Es hätte sich falsch angefühlt, wenn wir nichts gemacht hätten“ Maui nickt zustimmend, gewährt mir aber auch Einblick in ihre Erkenntnisse. „Die Erinnerung an diese Reise und diese Erlebnisse ist schöner als die an einen Strandurlaub. So gut ein Strandurlaub auch sein kann, mit der Freude in den Augen der Menschen, denen wir geholfen haben, kann er nicht mithalten. Mir gibt diese Freude mehr als ein teurer Urlaub, in dem ich unnötig viel konsumiere. Auch die Erfahrung, dass die Realität so anders ist als man zu wissen glaubt, ist krass. In keiner Dokumentation könnte man das jemals so rüber bringen, wie es tatsächlich ist.“ Die beiden beeindrucken mich zutiefst. Gibt es eine Botschaft, die ihr den Lesern schicken wollt? Gibt es etwas, das jeder wissen sollte? Ich stelle die letzte Frage des Abends. „Haltet euch nicht in Touristenhochburgen auf. Geht raus auf die Straße, redet mit den Leuten, mit der normalen Bevölkerung. Dort findet die direkte und aufrichtige Kommunikation statt. Dort findet ihr das Leben, wie es wirklich ist.“

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Eine Reise verändert Leben. Diese Reise hat nicht nur Georgs und Mauis Leben verändert, sondern auch das von zwölf Familien. Zwölf Familien können das erste Mal auf eine sonnige Zukunft hoffen, fernab von „ihrer“ Deponie. Zwei junge Leute sind ausgezogen die Welt zu erkunden. Sie haben sie nicht nur erkundet, sie haben sie verändert. Wie oft habe ich mir schon gedacht, dass ich gerne etwas tun würde. Dass ich helfen und unterstützen möchte, die Welt retten und besser machen. Bis jetzt habe ich mich nicht getraut. Ich bin doch gar nicht reich genug. Klug genug. Mächtig genug. Ich hab so etwas noch nie gemacht, ich allein kann doch nichts bewirken. Das kann ja gar nicht funktionieren. Es funktioniert aber. Georg und Maui haben es bewiesen. Wenn ich das nächste Mal zweifle und mir nicht sicher bin, ob ich etwas bewegen kann, werde ich an diese beiden denken und mutig sein. Das Gleiche lege ich euch ans Herz. Seid mutig! Traut euch! Macht euch auf die Welt zu retten! Und wenn ihr euch allein nicht traut, schließt euch zusammen und schafft gemeinsam Großes. Es kann gar nie genug Alltagshelden geben. Wer soll die Welt verändern, wenn nicht wir?

Wenn ihr mehr Informationen zu Dance for Life haben wollt, schaut euch hier um. Das Projekt lebt und wartet auf neue Abenteurer!

Georg und Maui haben für alle Helfer, Sponsoren und Interessierten auch einen kurzen Film gedreht. Schaut rein und lasst euch inspirieren!

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Die Inspektorin: Unterwegs müllfrei Wasser trinken

Das Wetter lässt es zwar auf den ersten Blick noch nicht vermuten, aber die Sommer- und Hitzezeit steht schon vor unserer Tür. Bald werden wir schwitzen, uns sonnen und uns…

Das Wetter lässt es zwar auf den ersten Blick noch nicht vermuten, aber die Sommer- und Hitzezeit steht schon vor unserer Tür. Bald werden wir schwitzen, uns sonnen und uns schon früh morgens über warme Frischluft freuen. Das wird dann auch die Zeit sein, zu der wir unterwegs sehr oft sehr durstig sein werden. Natürlich könnten wir uns bei Bedarf einfach beim nächsten Kiosk Wasser kaufen und jedes Mal eine Plastikflasche Müll verursachen. Wenn wir aber in der glücklichen Lage sind, in einer Gegend zu wohnen in der Leitungswasser Trinkwasserqualität hat, könnten wir als Alternative zu wiederverwendbaren Flaschen greifen. Deshalb will ich euch in meinem aktuellen Kolumnenbeitrag ein paar plastikfreie Alternativen wiederberwendbarer Flaschen vorstellen.

Glasflaschen
Da ich nur einen Anbieter von Glasflaschen kenne, will ich euch Emil, die Flasche zum anziehen vorstellen. Im Kern ist sie aus Glas, das von einer Hülle aus recyclingfähigem Polypropylen geschützt wird. Das Material erinnert ein bisschen an sehr hochwertiges Styropor. Meine Recherche hat ergeben, dass Polypropylen neben dem Lebensmittelbereich sogar in der Pharmazie angewendet wird und daher gesundheitlich unbedenklich ist. Diese Schicht ist wiederum mit Stoff in einem Design deiner Wahl umhüllt. In der Glasflasche behält das Wasser seinen Geschmack und bleibt dank der Hüllen in der die Flasche steckt länger kühl. Schädliche Stoffe, die zum Beispiel von Plastikflaschen abgegeben werden, entstehen in der Glasflasche nicht. Zur Reinigung kann sie in den Geschirrspüler gegeben werden. Wenn du keine Angst davor hast, dass die Flasche zu Boden fällt und zerbricht, kannst du sie auch ohne Polypropylen- und Stoffhülle transportieren. In diesem Fall könntest du dir einfach eine günstige Emil Ersatzflasche zulegen

Aluminiumflaschen
Weil diese von verschiedenen Herstellern angeboten werden, will ich euch keine spezielle Marke empfehlen. Ich habe drei Jahre lang ein No-Name-Produkt verwendet und war immer sehr zufrieden damit. Ein Vorteil ist die Leichtigkeit des Materials, ein Nachteil die Reinigung. Dafür sollte man nämlich spezielle Reinigungstabletten verwenden, die Extrakosten verursachen. Spülmaschinengeeignet sind Aluminiumflaschen leider nicht. Darüber hinaus bin ich im Internet oft auf die Behauptung gestoßen, dass Aluminiumflaschen Alzheimer verursachen würden. Meine Recherche hat zwar ergeben, dass ein Zusammenhang zwischen einer erhöhten Aluminiumaufnahme aus Lebensmitteln und einer Alzheimererkrankung nicht wissenschaftlich belegt ist, weil ich mein Glück aber nicht herausfordern wollte bin ich auf Glasflaschen umgestiegen.

Edelstahlflaschen
Diese Art von Flaschen habe ich leider noch nicht selbst getestet. Die Beschreibungen klingen aber vielversprechend. Sie sind giftstofffrei und Geschmackstoffe werden weder gespeichert noch abgegeben. Prinzipiell sind sie spülmaschinenfest, es sei denn, die Außenlackierung erlaubt es nicht. Dann kann Seifenwasser und eine Flaschenbürste zur Reinigung verwendet werden. Eine Mischung aus verdünntem Essig und Natriumcarbonat hilft bei hartnäckigen Verunreinigungen.

Wie versorgst du dich im Sommer unterwegs mit Wasser? Hast du schon mal eine der vorgestellten Flaschen ausprobiert? Welche Hersteller kannst du empfehlen? Oder hast du weitere Tipps für uns um müllfrei Wasser zu trinken?

 

Links:
Emil die Flasche: emil-die-flasche.de/emil-shop/Flaschen/
Polypropylen: de.wikipedia.org/wiki/Polypropylen
Ökotest Aluminiumflaschen: oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=97417&bernr=07&seite=04

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Licht ins Dunkel: Energiesparlampen, Teil 1

Bei jedem von uns hängen oder stehen sie in verschiedensten Formen um uns Licht zu spenden – Lampen. Uns allen ist klar, sie benötigen Strom. Aber wie viel davon ist notwendig und…

Bei jedem von uns hängen oder stehen sie in verschiedensten Formen um uns Licht zu spenden – Lampen. Uns allen ist klar, sie benötigen Strom. Aber wie viel davon ist notwendig und welches Leuchtmittel ist das ökologischste?

Im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie 2005/32/EG1 hat die EU beschlossen, dass energieineffiziente Leuchtmittel schrittweise bis zum Jahr 2016 nicht mehr produziert und in den Großhandel gebracht werden dürfen. Speziallampen (zum Beispiel in Kühlschränken, Backöfen) sind von dem Verbot nicht betroffen.

Was ist eigentlich so schlimm an der Glühbirne?

Herkömmliche Glühlampen erreichen die Energieeffizienzklassen D, E, F oder G. Bei einer Skala von A bis G ist das natürlich nicht sehr effizient. Der hohe Stromverbrauch kommt daher, weil die Glühbirne nur etwa fünf Prozent der elektrischen Leistung in sichtbare Strahlung umwandelt. Die restlichen 95 Prozent sind hauptsächlich Infrarotstrahlen, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind. Lediglich die Wärme, die dadurch abgegeben wird, nehmen wir wahr. Das bedeutet, dass die Glühbirne tatsächlich sehr ineffizient arbeitet.Warum sich die Glühbirne trotzdem über 100 Jahre durchgesetzt und in dieser Zeit kaum verändert hat, ist schnell erklärt: Die Glühbirne ist umweltschonend in der Herstellung, enthält keine giftigen Stoffe – nur Glas, ein bisschen Blech für das Schraubgewinde, geringe Mengen an Edelgas und den Wolframfaden (Glühfaden) -, sie ist überall einsetzbar, billig an jeder Ecke zu bekommen und wenn sie kaputt geht, muss sie nicht wie Sondermüll behandelt werden. Eigentlich perfekt, wenn da die Sache mit dem hohen Stromverbrauch nicht wäre.

Dann also in Zukunft nur noch Energiesparlampen kaufen?

Wenn es rein um die Energieausbeute und den Verbrauch im Haushalt ginge, könnte man diese Frage mit einem klaren Ja beantworten. Betrachtet man die Kompaktleuchtstofflampe (so heißt die umgangssprachlich genannte „Energiesparlampe“ eigentlich) jedoch näher, gibt es einige Punkte die dagegen sprechen. Das Erste, was auffällt, wenn man eine Energiesparlampe benutzt ist, dass sie nach dem Einschalten nicht gleich ihre volle Leuchtkraft hat. Bis zu mehreren Minuten kann es dauern, bis die ganze Helligkeit vorhanden ist. Außerdem ist nicht jede Kompaktleuchtstofflampe dimmbar. Nur eine speziell angepasste und noch teurere Birne kann für diese Zwecke genutzt werden.

Der Teufel liegt im Detail

Leider sind das nicht die einzigen Nachteile. Warum Energiesparlampen nämlich so sparsam sind, liegt in ihrem Aufbau. Anders als eine Glühbirne wird nicht einfach ein Glühdraht zum Leuchten gebracht, sondern jede Kompaktstoffleuchte ist im Grunde eine kleine Leuchtstoffröhre. Durch Heizwendeln werden geringe Mengen von Quecksilber erhitzt, bis dieses in den gasförmigen Zustand übertritt. Das Gasgemisch wiederum erzeugt ultraviolette Strahlung. Da die ultraviolette Strahlung für das menschliche Auge nahezu unsichtbar ist, befinden sich auf den Wänden der Glasröhre drei bis fünf verschiedene Leuchtstoffe, die das UV-Licht in sichtbares Licht umwandeln.Jeder von uns kennt das Licht einer mehr oder weniger flackernden Leuchtstoffröhre. Technisch ist die Kompaktleuchtstofflampe genau dasselbe. Damit das unangenehme Flackern aber Geschichte ist, befindet sich in jeder Energiesparlampe ein elektronisches Vorschaltgerät, welches das Flackern zwar nicht verhindern kann, aber die Frequenz derart erhöht, dass es vom menschlichen Auge nicht wahr genommen werden kann. Ob das jedoch schädlich für das Nervensystem ist, kann man noch nicht genau sagen. Außerdem gibt das Vorschaltgerät wie jedes elektronische Gerät Strahlung ab, den so genannten „Elektrosmog“. Zwar können laut Studien „keine Überschreitungen der Grenzwerte festgestellt werden“, dennoch ist die Belastung mit der eines Schnurlostelefons zu vergleichen und es wird empfohlen, Energiesparlampen nicht im unmittelbaren Kopfbereich zu montieren. Man sollte jedoch beachten, dass ein Mobiltelefon nur mit Strahlung funktionieren kann, eine Lampe sollte eigentlich nur leuchten, summiert sich aber trotzdem mit der Strahlung aller anderen Geräte im Haushalt.

Fünf Milligramm Quecksilber verseuchen 5.000 Liter Wasser

Der größte Nachteil ist jedoch das giftige Quecksilber, welches in den Lampen enthalten ist. Auch wenn es nur eine geringe Menge ist – gesetzlich erlaubt sind derzeit 3,5 Milligramm pro Lampe <50 Watt -, ist es dennoch eine hochgiftige Substanz. Fünf Milligramm Quecksilber können bereits 5.000 Liter Wasser verseuchen. Zwar sollte theoretisch das Quecksilber bei einer intakten Energiesparlampe nicht austreten können, eine Untersuchung des deutschen Umweltbundesamtes ergab jedoch sehr wohl eine geringe Abgabe an die Raumluft. Auch wenn das Fazit wie folgt ausfiel: „Die hier gemessenen niedrigen Konzentrationen sind in einem realen Wohn- oder Arbeitsraum vermutlich vernachlässigbar gering.“ Geht eine Lampe kaputt, verteilt sich das vorhandene Quecksilber definitiv im Raum und in der Atemluft. Mittlerweile gibt es auch Energiesparlampen, die das Quecksilber in Form von Amalgam bündeln. Im ausgeschalteten Zustand kann das Quecksilber somit auch bei einer zerbrochenen Lampe nicht mehr verdampfen, im eingeschalteten Zustand, in dem die Teilchen voneinander getrennt sind, sehr wohl. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn eine eingeschaltete Stehlampe umfällt oder Gegenstände die Lampe treffen.

Umweltschäden schon vor der Nutzung

Zu bedenken ist außerdem bei jedem Kauf einer Lampe, dass für den Bau von elektronischen Teilen, wie sie eben auch in der Energiesparlampe vorhanden sind, Seltene Erden verwendet werden, von denen es weltweit nur wenige konzentrierte Vorkommen gibt. Sieben Prozent dieser wertvollen Ressourcen gehen in die Produktion von Leuchtmitteln.Der Abbau von Seltenen Erden erfolgt über Säuren, mit denen die Metalle aus den Bohrlöchern gewaschen werden. Der dabei vergiftete Schlamm bleibt zurück. Überdies fallen große Mengen an Rückständen an, die giftige Abfälle enthalten (Thorium, Uran, Schwermetalle, Säuren, Fluoride). Der Schlamm wird in künstlichen Teichen gelagert, die insbesondere im größten Förderungsland China aufgrund fehlender Umweltauflagen keinesfalls sicher sind. Neben dieser Gefahr für das Grundwasser besteht ein permanentes Risiko für das Austreten von Radioaktivität, da viele Seltene Erden hauptsächlich in Verbindung mit radioaktiven Mineralien wie Thorium oder Uran vorkommen.

Sondermüll mit Folgen

Energiesparlampen sind Sondermüll. Ausgebrannte oder zerbrochene Lampen dürfen auf keinen Fall einfach in den Restmüll geworfen werden, da sonst das vorhandene Quecksilber in unsere Umwelt gelangt und so auch in die Nahrungskette. Des Weiteren befindet sich durch das elektronische Vorschaltgerät in jeder Energiesparlampe einiges an Elektroschrott. Beim Verwertungsprozess fallen rund fünf Masseprozent an Aluminium an, dieses verwendet die Metallindustrie weiter. 90 Prozent der Lampe sind Natron-Kalk-Glas, das unter anderem zur Herstellung von Glaswolle als Dämmmaterial verwendet wird. Die restlichen 5,5 Prozent sind quecksilberhaltige Abfälle. Diese können jedoch nicht recycelt, sondern nur gesammelt und wie Atommüll endgelagert werden.In Wien gibt es neben den 19 Problemstoffsammelstellen auf den Mistplätzen noch 54 stationäre und mobile Möglichkeiten, Problemstoffe zu entsorgen. Außerhalb Wiens gibt es viele weitere Problemstoffsammelstellen, wo die Lampen zurückgegeben werden können. Auch Elektrofachhändler und Supermärkte ab einer Verkaufsfläche von 150 Quadratmeter sind in Österreich dazu verpflichtet, Energiesparlampen anzunehmen – zumindest dann, wenn damit der Kauf einer neuen Lampe einhergeht.

Auch in Deutschland stehen bundesweit Wertstoffhöfe und Sammelstellen zur Verfügung, die Energiesparlampen kostenlos entgegennehmen. Viele Händler nehmen ebenfalls Lampen zurück. Gesetzliche Regelung gibts es dafür jedoch keine. In der Schweiz ist die Entsorgung sehr einfach organisiert. Ausgediente Leuchtmittel können in über 450 Sammelstellen und im Handel jederzeit kostenlos zurückgegeben werden.

Entsorgung zerbrochener Lampen

Zerbricht eine Energiesparlampe, müssen sofort Fenster und Türen geöffnet werden, um den Raum gut zu lüften. Auf keinen Fall darf man zum Staubsauger greifen, denn dieser verteilt das Quecksilber im ganzen Raum und erhöht die Gefahr des Einatmens. Die Reste müssen vorsichtig mit Besen und Schaufel zusammengekehrt werden. Von einem Teppich lassen sich die Reste mit einem Klebeband ablösen. Quecksilber verdampft langsam, aber doch, bei Raumtemperatur – so kann ein kleines Quecksilberkügelchen in einer Parkettritze seine Wirkung über einen langen Zeitraum entfalten. Sollte der Fall eintreten, dass eine Lampe im eingeschalten Zustand zerbricht, weil zum Beispiel die Leuchte umfällt, wird empfohlen, alle Türen zum Zimmer zu schließen, die Fenster zu öffnen und den Raum für etwa eine halbe Stunde zu verlassen. In jedem Fall sollte man die Stelle, an der die Lampe zerbrochen ist, mit einem nassen Tuch reinigen. Chemieexperten empfehlen, die Lampenreste, Kehrbesen und Tuch dann in einen verschließbaren Behälter zu stecken, diesen luftdicht zu verschließen und mit einem Zettel „Achtung, kann Quecksilberreste von Kompaktleuchtstofflampen enthalten“ bei einer Problemstoffsammelstelle abzugeben.

Alternative: LED

Leuchtdioden (Light-emitting diode, LED) sind klein, robust, schaltfest und dimmbar. Sie verfügen über eine deutlich höhere Lichtausbeute als Glühlampen bei einer äußerst hohen Lebensdauer von bis zu 100.000 Stunden und können damit im Vergleich rund 80 Prozent Energie einsparen. Die Weiterentwicklung der LED-Lampen erfolgt mit hohem Tempo, wodurch sie immer besser und günstiger werden. Die Lichtstimmung der LED-Lampen ist heute dem Licht der klassischen Glühbirnen sehr ähnlich. Außerdem sind sie umweltfreundlicher als Energiesparlampen oder Halogenbirnen und enthalten außerdem keine giftigen Stoffe wie Quecksilber.Eine LED ist deutlich unempfindlicher gegenüber Schaltvorgängen als Glühlampen oder Energiesparlampen. Leuchtdioden werden nach und nach schwächer, fallen aber in der Regel nicht plötzlich aus. Dennoch kommen plötzliche Ausfälle von LED-Lampen vor. Diese sind jedoch im verwendeten Netzteil beziehungsweise in der Steuerelektronik zu finden, welche technisch bedingt in jeder LED-Lampe vorhanden ist. Diese Elektronik hält nur einer begrenzten Anzahl von Schaltzyklen stand. LED-Leuchtmittel sind aber auch inklusive Vorschaltelektronik meist deutlich schaltfester als normale Energiesparlampen. Durch diese höhere Schaltfestigkeit sowie der höheren Lebensdauer in Einschaltstunden und der höheren Lichteffizienz beziehungsweise Lichtausbeute in Lumen pro Watt sind LED-Lampen in den meisten Fällen, trotz höherer Anschaffungskosten, insgesamt wirtschaftlicher als Energiesparlampen oder Glühbirnen.

Not the best but better than the rest?

Doch auch bei der LED-Lampe ist nicht alles so perfekt wie man es sich wünscht. Genau wie die Energiesparlampe kommt die LED-Lampe nicht ohne einiges an Elektronik aus. Und auch hier wird Strahlung abgegeben. Da unsere Zellen mittels elektrischer Signale kommunizieren, kann ein äußeres elektrisches, magnetisches oder elektromagnetisches Feld die Zellkommunikation stören. Deshalb ist es aus Vorsorgeüberlegungen sinnvoll, Elektrosmog so weit wie möglich zu verringern. Postitiv ist allerdings, dass die Belastung durch elektromagnetische Strahlung bei LEDs weitaus geringer ist, als bei Energiesparlampen. Auch die Elektronik der LEDs kommt nicht ohne die schon bei den Energiesparlampen beschriebenen Seltenen Erden aus, mit all ihren Nachteilen. LEDs sind frei von gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffen wie Quecksilber, müssen aber dennoch als kleine Elektroaltgeräte über die Problemstoffsammlung entsorgt werden und dürfen nicht einfach im Restmüll landen. Teilweise nehmen auch Händler beim Kauf einer neuen Lampe die alte zurück, um sie fachgerecht zu entsorgen.

Fazit

Es ist wie man sieht gar nicht so einfach das beste Leuchtmittel zu finden. Jedes hat seine Vor- und Nachteile. Ganz klar erkennbar ist jedoch, je weniger wir benötigen, desto besser. Denn jedes Herstellungsverfahren bringt seine Tücken mit sich. Sei es das gesundheitsgefährdende Quecksilber in den Energiesparlampen oder der Elektroschrott mit den seltenen Erden bei Energiesparlampe und LED. Licht benötigen wir nun einmal zum Leben und daran ist auch nichts verwerfliches, aber brauchen wir tatsächlich leuchtende Blumentöpfe und Geschenkschleifen? Nur weil eine LED nicht viel Strom verbraucht, heißt das nicht, dass wir diese Einsparung durch möglichst viele LEDs wieder wettmachen sollen.Mein Appell: Überlegt genau welches Licht ihr tatsächlich benötigt und dreht nur dieses auf. Auch wenn moderne Leuchten nur noch einen Bruchteil der Stromkosten verursachen, jedes Mal Einschalten geht auf die Lebensdauer der Lampe und verbraucht neue Ressourcen.

Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kompaktleuchtstofflampe
http://www.gluehbirne.ist.org/
http://de.wikipedia.org/wiki/Gl%C3%BChlampe
http://www.rettet-die-gluehbirne.net/2009/01/wie-teuer-ist-eine-gluhbirne-im-monat/
http://www.knetfeder.de/magazin/2009/thema/energiesparlampen/
http://www.dieenergiesparlampe.de/leuchtstofflampen/funktionsweise/
http://www.nabu.de/themen/energie/energieeffizienz/10471.html
http://www.sueddeutsche.de/wissen/abschied-von-der-gluehbirne-das-neue-licht-1.37209
http://www.seilnacht.com/Lexikon/80Queck.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Leuchtdiode
http://www.umweltinstitut.org/fragen-und-antworten/energie-klima/led.html
http://www.nachhaltigleben.ch/themen/wohnen-haushalt/haushaltsgeraete/led-lampen-1122/2
http://de.wikipedia.org/wiki/Metalle_der_Seltenen_Erden
http://www.wien.gv.at/umwelt/ma48/beratung/muelltrennung/energiesparlampen.html
http://www.elektronik-kompendium.de/sites/grd/1607251.htm

Keine Kommentare zu Licht ins Dunkel: Energiesparlampen, Teil 1

Warum nachhaltig leben nur vegan möglich ist, oder: Der grosse Umweltaspekt neben dem Tierschutz

Ich möchte niemanden überreden, etwas zu tun oder es nicht zu tun. Ich möchte dazu animieren, das eigene (Konsum-)Verhalten anhand spannender und neutraler Informationen rund um die Nutztierhaltung zu überdenken…

Ich möchte niemanden überreden, etwas zu tun oder es nicht zu tun. Ich möchte dazu animieren, das eigene (Konsum-)Verhalten anhand spannender und neutraler Informationen rund um die Nutztierhaltung zu überdenken und sich etwas aus der eigenen, gewohnt-gemütlichen Komfortzone zu wagen. Denn ihr entscheidet, was für euch richtig und moralisch vertretbar und was falsch ist.

Ja, ich bin Veganerin. Primär aus Tierschutzgründen habe ich mich vor einiger Zeit für diesen Schritt entschieden. Immer öfter hört man aber auch von vegan lebenden Menschen, denen die Tiere salopp gesagt relativ egal sind. Doch was steckt hinter den unterschiedlichen Beweggründen, tierische Produkte wie Fisch, Fleisch, Milch, Eier, Käse, Leder, Wolle oder auch Seide komplett aus seinem Leben zu streichen?

Man hört immer: „Schalte bitte das Licht aus, um Strom zu sparen.“ oder „Lasse das Wasser nicht zu lange laufen, das ist Verschwendung!“. Dabei vergessen wir immer, wie viele Ressourcen indirekt für unsere Produkte gebraucht und verschwendet werden. Ich versuche euch diese unglaublichen Mengen anhand einiger Fakten aufzuzeigen.

Durchschnittlicher Fleischkonsum

Weltweit werden durchschnittlich 42,5 Kilogramm Fleisch pro Mensch und Jahr konsumiert. Im Jahr 2009 hat ein Österreicher im Schnitt 102 Kilogramm Fleisch gegessen, in Deutschland rund 88 Kilogramm und in der Schweiz 75 Kilogramm. Das sind pro Tag zwischen 200 und 280 Gramm pro Person. Der durchschnittliche Deutsche isst rund 150 Tiere pro Jahr.

Nur für den Fleischbedarf werden in der EU jährlich 360 Millionen Schweine, Schafe, Ziegen und Rinder sowie mehrere Milliarden Hühner und Puten geschlachtet. Fische und Krustentiere sind dabei noch nicht eingerechnet. In Brütereien werden ausserdem jährlich rund 330 Millionen männliche Küken sofort nach dem Schlüpfen getötet, weil sie für die Eierproduktion wertlos sind. Die Fakten aus Deutschland zusammengefasst, findet ihr in diesem Film: „Was passiert, wenn wir 80% weniger Fleisch essen?“

Lebensdauer der Tiere

Der Unterschied der Lebensdauer eines Tieres in der Natur verglichen mit einem Nutztier, egal ob in konventionellen oder Bio-Betrieben, ist gewaltig. Die Lebenserwartung einer Milchkuh liegt bei fünf Jahren, die eines Fleischrindes bei etwa zwei Jahren, dabei könnten Kühe problemlos 30 Jahre alt werden. Eine Legehenne lebt im Schnitt nur etwas mehr als ein Jahr, danach ist sie nicht mehr produktiv genug und ihr Körper ist durch die enorme Belastung der vielen gelegten Eier geschwächt, sie stirbt oder wird getötet. Dabei wird sie im Vergleich zu Masthühnern richtig alt, denn diese werden innerhalb weniger Wochen getötet. In der Natur können Hühner bis zu zehn Jahre alt werden. Gänse werden als Nutztier nur wenige Wochen alt, dabei könnten sie sogar gut 40 Jahre alt und noch älter werden.

Anthropogener Treibhauseffekt am Beispiel Methangas

Kühe sind Wiederkäuer und rülpsen dabei Methangas. Das Klimagas steigt in die Atmosphäre und bildet dort eine Schicht, die die Wärme der Erde nicht mehr ins Weltall entweichen lässt. Es wird wärmer. Methan wirkt dabei 23 Mal stärker auf den Treibhauseffekt als Kohlendioxid. 18 Prozent aller Treibhausgase, die durch den Menschen entstehen, stammen aus der Viehzucht. Wie viel das wirklich ist? Forscher sagen, dass man mit den bis zu 300 Litern reinen Methans, die eine einzige Kuh pro Tag produziert, 24 Stunden lang einen Kühlschrank betreiben könnte. Diesen von Menschen verursachten Treibhauseffekt nennt man „anthropogener Treibhauseffekt“. Menschliche Aktivitäten führen zu einem immer höheren Ausstoß von Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, troposphärisches Ozon, Flourchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) oder Chlorflourmethane (CFM).

Enorme Ressourcenverschwendung: Wasser- und Getreideverbrauch

Mit dem Wasserverbrauch zur Erzeugung von einem Kilo Fleisch könnte man ein ganzes Jahr lang täglich duschen. Auch unsere pflanzlichen Lebensmittel verbrauchen viel Wasser. Für ein Kilogramm Äpfel werden rund 700 Liter verbraucht, für ein Kilo Brot 1‘300 Liter und für ein Kilo Rindfleisch (mit Kraftfutter gemästet) 15‘500 Liter Wasser. Rund ein Drittel des weltweit produzierten Getreides wird an Tiere verfüttert, um deren Fleisch zu essen. Um ein Kilo Fleisch zu erzeugen, benötigt man rund 15 Kilogramm Getreide oder Soja als Tierfutter. Anders gesagt, kann man mit 15 Kilogramm Getreide etwa 20 Menschen direkt ernähren oder damit etwa die Menge Fleisch produzieren, die als Nahrung für zwei Personen ausreicht.

Soziale Ungerechtigkeit und Zerstörung von Regenwald

Würden sich alle Menschen rein pflanzlich ernähren, gäbe es weitaus genügend Anbaufläche, um alle Menschen weltweit ernähren zu können. Ein Veganer braucht im Schnitt 700 Quadaratmeter Anbaufläche für die Lebensmittel, die er konsumiert. Für eine fleischessende Person benötigt man rund 13‘000 Quadratmeter Land. Das kultivierbare Land auf der Erde geteilt durch alle Bewohner unseres Planeten gibt rein rechnerisch für jeden eine Fläche von rund 2’700 Quadratmeter.

Weil die Nachfrage nach Fleisch stetig ansteigt, wird auch immer mehr Anbaufläche für das Tierfutter benötigt. Ökologisch sensible Regionen wie der Regenwald in Südamerika werden vernichtet und in Weideflächen für die Futtermittelproduktion umgewandelt. Die Futtermittel werden in Monokulturen angebaut, oft mit Hilfe von aggressiven Pestiziden. Diese haben für die Bauern und für die Bevölkerung rund um die Anbaugebiete schwerwiegende Folgen. Monokulturen verdrängen und zerstören die natürlichen Lebensräume von Wildtieren und schädigen somit die Artenvielfalt. Eine spannende und kurze Dokumentation (ARD) dazu findet ihr hier: Plusminus – Pflanzenschutz Im Film wird eindrücklich aufgezeigt, wie die Menschen in Südamerika unter dem Anbau von gentechnisch verändertem Soja für die günstige Futtermittelproduktion leiden und auch, in welchen bekannten Produkten möglicherweise mit Gensoja produziertes Fleisch enthalten ist. 

Wie weiter?

Wir alle treffen jeden Tag mit dem Kauf und dem Konsum verschiedener Produkte Entscheidungen, die grossen Einfluss auf unsere Welt von heute und morgen haben. Wir können uns umfassend über unsere Lebensmittel informieren und regionale, biologisch angebaute, mehrheitlich pflanzliche Produkte kaufen. Wie wäre es mit einem oder zwei veganen Tagen pro Woche? Dazu möchte ich euch aus der Tierschutzsicht auch noch einen neuen Kurzfilm aus der Schweiz ans Herz legen: „Tiere essen“ Ihr könnt euch dazu die deutschen Untertitel in der Menüleiste einblenden.



Quellen
http://www.vegan.ch
http://www.vegetarismus.ch
http://de.wikipedia.org/wiki/Fleischkonsum
http://www.schlachthof-transparent.org/pages/statistik.php
http://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/deutsche-essen-uber-12-milliarden-tiere-pro-jahr
http://www.welt.de/wissenschaft/article121083557/So-kann-man-Energie-aus-der-Kuh-zapfen.html
http://phys.org/news/2011-09-deforested-amazon-cattle.html

4 Kommentare zu Warum nachhaltig leben nur vegan möglich ist, oder: Der grosse Umweltaspekt neben dem Tierschutz

Nachhaltigkeits-Abenteurer mit Nachwuchs

Eine riesige Weltkarte, oder vielmehr der Ausschnitt des amerikanischen Kontinents, versehen mit vereinzelten blauen und gelben Punkten – wer auf die Website von sustainability-adventure.org klickt, wird zuerst einmal neugierig. Hinter einem Punkt verstecken sich drei…

Eine riesige Weltkarte, oder vielmehr der Ausschnitt des amerikanischen Kontinents, versehen mit vereinzelten blauen und gelben Punkten – wer auf die Website von sustainability-adventure.org klickt, wird zuerst einmal neugierig. Hinter einem Punkt verstecken sich drei Ökodörfer am Lago de Atitlán in Guatemala, hinter einem anderen wirft man einen Blick auf ein Eco Hostel nahe der kolumbianischen Stadt Medellin oder man kann die Mülldeponie La Chureca im nicaraguanischen Managua in Augenschein nehmen.

Thanksgiving. Foto: Sustainability Adventure

Das Ehepaar Valentina Aversano-Dearborn und Matthew Dearborn kennt all diese nachhaltigen Projekte nicht nur via Internet, sondern hat sie hautnah erlebt. Seit September 2013 sind die beiden, die sich auf einer Reise kennen- und lieben gelernt haben, gemeinsam unterwegs. Aber nicht allein: Mit dabei haben sie Schülerinnen aus Österreich und den USA. Nicht im Rucksack, versteht sich, sondern virtuell. Als persönliche Reise-Reporter sind Valentina und Matthew für die drei Schulklassen unterwegs, bringen mittels Video, Foto und Text die Welt buchstäblich ins Klassenzimmer. Damit nicht genug dürfen die 13- bis 16-Jährigen entscheiden, wie die Reise weiter geht: „Etwa einmal pro Monat schicken wir ihnen sogenannte Challenges, die einem konkreten Thema wie Abfall, Mobilität oder nachhaltigem Tourismus gewidmet sind“, erklärt Valentina per E-Mail, „die SchülerInnen müssen die Challenge lösen und überzeugen uns dabei, eine der drei vorgegebenen Optionen durchzuführen. Wir tun, was die SchülerInnen möchten, und dokumentieren in Form eines Videos, wie ihr Plan aufgeht.“ Es ist ein spielerischer Ansatz, bei dem die SchülerInnen nicht nur zu den unterschiedlichen Themen der Nachhaltigkeit recherchieren und in der Klasse diskutieren. Darüber hinaus lernen sie etwas über fremde Länder und Kulturen und sehen, was die anderen Partnerklassen dazu herausgefunden haben.“ Das zusätzliche Zuckerl dabei ist, dass neben den SchülerInnen auch die LehrerInnen betreut werden“, ist sich die Soziologin und ehemalige freie Journalistin für die Süddeutsche Zeitung bewusst, „damit lernen sie selbst mehr über Themen der Nachhaltigkeit.“

Valentina und Matthew sind keine Neulinge in Sachen Nachhaltigkeit: Vier Jahre hat das Ehepaar an der Universität zum Thema geforscht, (Lehr-)Veranstaltungen, Workshops und vieles mehr dazu organisiert. Der Drang, mit der nächsten, der jüngeren Generation zu arbeiten, ist schon damals entstanden, doch wie das so ist mit spannenden Ideen, brauchen diese oft Zeit – zu wachsen, sich zu formen und schließlich zum richtigen Zeitpunkt in die Tat umgesetzt zu werden. So geschehen auch bei Valentina und Matthew: Die Idee entstand schließlich auf einer zehnstündigen Zugfahrt von Berlin nach Wien, auf dem Rückweg von der Konferenz „Jenseits des Wachstums“ – das interaktive E-Learning-Spiel „Sustainability Adventure“ war geboren.

Foto: Sustainability Adventure

Wie seid ihr auf eure Partnerschulen und -Klassen gekommen? 

Im Frühjahr 2013 haben wir eine Ausschreibung in Österreich mit Unterstützung des Bildungsministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) durchgeführt, und haben auch über Bekannte und Partner im Bereich „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ von engagierten Schulen erfahren, die wir direkt kontaktiert haben. Matts Bruder, Jason, ist Lehrer in den USA und hat sich und seine Klasse netterweise als Versuchskaninchen für das Pilotprojekt bereitgestellt. Dadurch, dass wir ein junger, kleiner Verein sind und das Projekt ein Pilotprojekt ist, war es aber gar nicht so einfach, wie wir uns erhofft hatten, Klassen zu finden. Umso begeisterter sind wir über die Auswahl der aktuellen österreichischen Partner-LehrerInnen! Cornelia und Daniel sind zwei unglaublich engagierte und interessierte Menschen mit ebenso tollen Klassen, die dazu beigetragen haben, dass es unser Pilotprojekt – trotz unterschiedlicher Herausforderungen – erfolgreich durch das erste Projektjahr geschafft hat. Kürzlich wurden wir sogar von der UNESCO als offizielles UN-Dekaden Projekt für Bildung für Nachhaltige Entwicklung ausgezeichnet und haben für das gemeinsam erstellte, didaktische Material unserer dritten Challenge einen Ideenwettbewerb gewonnen. Wir sind schon auf Juni gespannt, denn dann werden wir zurück in Wien sein und gemeinsam mit unseren Partnerschulklassen eine Abschlussveranstaltung umsetzen. Dabei werden wir auch das Projekt evaluieren und mit den Klassen und den LehrerInnen die „lessons learned“ vom Pilotprojekt besprechen und das Projekt für das Schuljahr 2014/15 verbessern und eventuell auf weitere Schulklassen und Reisende erweitern.

Ihr reist viel in Gegenden, wo wenig oder schlechtes Internet vorhanden ist. Wie haltet ihr mit den Schülerinnen und Schülern Kontakt? 

Dadurch, dass die Erstellung unserer Projekt-Homepage länger gedauert hat, als geplant und immer noch einige Dinge verbessert werden könnten, mussten wir ein bisschen improvisieren und so haben wir den Kontakt zur Außenwelt und den Schulklassen hauptsächlich über soziale Medien (Facebook, Instagram, Twitter, YouTube) beziehungsweise E-Mail und Skype-Gespräche mit den PartnerlehrerInnen gehalten.

Wir treffen auf unserer Reise auf eine Herausforderung, zum Beispiel Müllprobleme in Nicaragua, oder eine spannende Nachhaltigkeitsinitiative, zum Beispiel Ökodörfer in Guatemala, bereiten daraufhin eine Challenge vor und stellen sie online auf unsere Homepage. Dann schicken wir den LehrerInnen per Mail weitere Infos und Tipps als Recherche-Unterstützung. Die SchülerInnen haben dann einen bestimmten Zeitraum (normalerweise relativ flexibel, solange wir nicht aus einem bestimmten Grund weiterreisen müssen), um die Challenge zu lösen und damit unsere Reise zu beeinflussen. Die Art, wie sie uns ihre Lösungen schicken, überlassen wir ihnen beziehungsweise ihren LehrerInnen. Bisher haben wir Antworten als Powerpoints, Poster oder auch als individuelle Essays bekommen. Bis dato schicken die LehrerInnen uns die Ergebnisse ihrer SchülerInnen per E-Mail, aber bald wird es möglich sein, dass sie beziehungsweise ihre SchülerInnen ihre Arbeit direkt im „Players‘ Corner“ Login-Bereich auf der Projekt-Homepage hochladen, um es mit uns und den anderen teilnehmenden Schulklassen zu teilen sowie zu diskutieren.

Workshops. Foto: Sustainability Adventure

Wie entscheiden die Schüler, wie es mit eurer Reise weitergeht? Gibt es Abstimmungen oder demokratische Entscheidungen? Wie finden sie außerdem die Projekte, die ihr dann aufsuchen sollt? 

Die SchülerInnen sind relativ frei in ihrem Tun, aber wir haben ihnen und ihren LehrerInnen gesagt, dass Kooperation belohnt wird, und wir bei „gleichwertigen“ – oder besser gesagt, gleich überzeugenden –  Antworten die bevorzugen werden, die eher durch Kooperation entstanden sind. Das heißt, dass eine Klasse, die zusammenarbeitet, viel bessere Chancen hat als wenn jeder SchülerIn uns seine oder ihre jeweilige Antwort schickt. In Zukunft wird es auch die Möglichkeit geben, dass die Klassen untereinander diskutieren und sich „transnational“ einigen, wenn sie unbedingt möchten, dass wir uns für eine Option entscheiden.

Meistens bieten wir drei Themen-Optionen an, von denen sie eine auswählen müssen. Bei der aktuellen Challenge sollten sie eine nachhaltige Eco-Tourismus-Initiative finden, zu der sie uns hinschicken sollten. Diesmal haben wir ihnen also keine Optionen vorgegeben, haben aber ihre Suche geographisch eingeschränkt. Das war nicht schlecht, weil einige SchülerInnen schon gesagt haben, dass es cool wäre, wenn wir auf die kolumbianische Isla San Andres gehen würden – und die ist nicht in der Nähe von Kolumbien, sondern in der Nähe von Nicaragua!

Gerade in der Berichterstattung über Nachhaltigkeit kommt automatisch oft der „erhobene Zeigefinger“ vor: Das ist etwas, worauf Schüler sicher nicht gut reagieren. Wie geht ihr damit um? 

Das ist leider allzu wahr! Aber nicht nur SchülerInnen, sondern auch Erwachsene reagieren eher schlecht auf den „erhobenen Zeigefinger“. Reisen ist ein perfektes Beispiel dafür. Reisen ist schön. Reisen bildet. Aber die gegenwärtige Art von Reisen – vor allem mit Flugzeugen überall hin – ist meistens nicht nachhaltig. Uns ist das natürlich bewusst, und wir versuchen, durch ein flugzeugfreies Reisen zu zeigen, dass es anders gehen und sogar Spaß machen kann. Gleichzeitig betonen wir aber immer, dass uns bewusst ist, dass nicht jeder so reisen kann (zum Beispiel finanziell oder zeitlich gesehen) und das Frachtschiff, mit dem wir jetzt nach Europa kommen, auch nicht wirklich nachhaltig ist. Lange Rede, kurze Sinn: Wir wollen, dass die SchülerInnen in erster Linie lernen, die Sachen kritisch zu betrachten und die systemischen Zusammenhänge unserer Aktionen sowie Entscheidungen erkennen. Während sich nämlich der moralische Zeigefinger auf das Individuum richtet und destruktiv für motivierte Menschen wirken kann, wollen wir die SchülerInnen dazu befähigen, die unterschiedlichsten Akteursebenen und Ansatzpunkte für Veränderung hinter einer Herausforderung zu erkennen. Danach müssen sie anhand dieses Wissens und dieser Kenntnisse selbst die Entscheidung treffen, ob ihre Aktionen mit ihren Werten vereinbar sind. Nicht nur als Individuum oder einzelner Konsument, sondern auch als Teil eines größeren Ganzen.

Das heißt, dass sie sich schon heute Gedanken machen können, wo sie sich engagieren wollen oder wo sie zum Beispiel als Erwachsene arbeiten wollen, um für Nachhaltigkeit hinderliche Mechanismen und Missstände zu beheben sowie nachhaltiges Reisen zum Beispiel auch systemisch zu erleichtern. Unserer Erfahrung nach sind junge Menschen jedenfalls eher bereit, ihr Handeln zu hinterfragen, wenn sie die Information haben, verstehen und eben nicht wenn wir den „Zeigefinger erheben“. Dadurch, dass wir die Sachen am eigenen Leib erleben und ihnen direkt davon berichten, erhalten sie weiters vielleicht eine authentische Vorstellung davon, wie überraschend viele Facetten eine einzige Sache haben kann, wie ein und dieselbe Sache cool, blöd, schrecklich oder total schön sein kann. Zum Beispiel ist das Segeln ein tolles, umweltfreundliches – wenn auch langsames – Fortbewegungsmittel, wenn einem dabei nicht gerade schlecht wird.

Foto: Sustainability Adventure

Welches ist euer bisheriges Lieblingsprojekt, zu dem euch die Schüler geschickt haben? 

Der beeindruckendste Ort – im positiven wie im negativen Sinne –  zu dem uns SchülerInnen hingeschickt haben, war wahrscheinlich die alte Mülldeponie in Managua, vor ein paar Jahren noch die größte offene Mülldeponie in ganz Lateinamerika, beziehungsweise die Mülldeponie in Granada, beide in Nicaragua. Es war einerseits faszinierend und andererseits schrecklich zu sehen, wo der Müll endet und wie einzelne Menschen, ja, sogar ganze Familien, vom sowie im Müll anderer leben. Während ein internationales Entwicklungshilfeprojekt in Managua die unmenschlichen Zustände über Jahre hinweg relativ erfolgreich in den Griff bekommen und für die Menschen der ehemaligen Mülldeponie würdige Arbeit sowie Behausungen geschaffen hat, steht man in der Mülldeponie von Granada noch am Anfang eines sozialen und ökologisch höchst notwendigen Wandels. In Granada, einer sehr touristischen Stadt, deren Straßen für die ausländischen Touristen schön sauber gehalten werden, brennt abseits der Augen der Menschen tagelang ohne Pause Müll aller Arten: Industrieabfall, medizinischer Abfall, unsortierter Haushaltsmüll und vieles mehr – und die Geier sind überall. Die Veranschaulichung der Müllproblematik mit Fotos und Videos unserer Besuche gibt viel Stoff zum Diskutieren für die Partnerklassen, vor allem bezüglich der Frage, wo unser Müll endet beziehungsweise ob wir das überhaupt wissen und gesehen haben. Wenn die Jugendlichen merken, wie Kinder oder Jugendliche ihres Alters in der Mülldeponie arbeiten, sehen sie die Müllproblematik nicht nur mit einer anderen Brille, sondern fragen sich auch, was alles dafür verantwortlich ist, dass die Situation an anderen Orten anders aussieht – wie fehlende Infrastruktur, Bildung, Gesetze, Gewohnheiten und vieles mehr.

Als wirklich positiv inspirierendes Projekt, das wir auf der Reise entdeckt haben, würden wir wahrscheinlich Rancho Margot in Costa Rica nennen – obwohl eine Auswahl sehr schwierig ist! Rancho Margot ist einfach ein toller Ort, wo versucht wird, Nachhaltigkeit holistisch zu leben und umzusetzen. Da heizen sie ihr Wasser mit dem Kompost (die chemische Prozess der Kompostierung erreicht Temperaturen von bis zu 80 Grad); fangen Methan von den Nutztieren, das direkt in die Küche fließt, um damit zu kochen; bauen selbstverständlich nur biologisch an; machen Seife aus dem Restfett von der Küche; organisieren Veranstaltungen zu Themen der Nachhaltigkeit für ihre Gäste, BesucherInnen und weitere InteressentInnen; arbeiten eng mit der lokalen Community zusammen und versuchen, Einfluss auf lokale und nationale Politik zu nehmen.

Klingt alles sehr spannend: Wie können Schulen zu Partnerschulen werden? 

Momentan nehmen wir gerne alle interessierte Schulen und (künftigen) Reisenden in eine Datenbank von befreundeten Schulen und potenziellen „ViA Ambassadors“ auf. Momentan sind unsere Kapazitäten noch begrenzt, wenn wir die Schule effektiv betreuen möchten. Wie vorher erwähnt, hoffen wir aber darauf das ganze Projekt wahrscheinlich nach Ablauf des kommenden Schuljahrs nach und nach weiter zu öffnen. Sobald wir das Projekt also stärker etabliert haben (und mehr zeitliche wie finanzielle Unterstützung haben), möchten wir es auf jeden Fall auch auf andere Länder und Sprachen erweitern. Wir hatten zum Beispiel ein sehr positives Gespräch im costaricanischen Ministerium für öffentliche Bildung. Leider sind wir derzeit ein sehr junger und kleiner Verein, der fast alles über private Ersparnisse und ehrenamtliche Arbeit macht, was dazu führt, dass die Dinge länger brauchen, als wir möchten, um unsere Vision im Ganzen zu realisieren.

Weltkarte. Foto: Sustainability Adventure

Was ist euer persönliches Learning der Reise, was hat euch am meisten überrascht?

Obwohl wir beide bereits viel gereist sind und dabei immer viele nette Menschen kennengelernt haben, hat uns die unglaubliche Freundlichkeit der Menschen, die uns überall auf der Reise begegnet sind, überrascht! Von Paaren und Familien in den USA, die uns auf der Radstrecke total herzlich aufgenommen haben, bis hin zu der unglaublichen Gastfreundschaft und Herzlichkeit der LateinamerikanerInnen, die man in unterschiedlichen Formen aber überall gefunden hat. Darüber hinaus ist für uns die Welt einerseits gewachsen und andererseits kommt sie uns total klein vor. Durch unser entschleunigtes Reisen dauert einerseits alles etwas länger und in einem Schuljahr schaut es nicht unbedingt aus, als wären wir wirklich sehr weit gekommen. Auf der anderen Seite haben wir die Möglichkeit gehabt, alles auf einer tieferen Ebene kennenzulernen. Außerdem haben wir andere Reisenden teilweise zufällig in unterschiedlichen Ländern wiedergesehen und haben mehreren Personen kennengelernt, die jemanden anderen kannten, die wir auch kannten oder kennengelernt haben. Dies ist ebenfalls durch den entschleunigten Reisestil verstärkt möglich gewesen.

Das persönliche Learning ist kaum in Worten zu fassen, aber wenn wir eine Sachen nennen müssten, würden wir auf die Unmenge an positiven Beispielen für Nachhaltigkeit auf der Welt hinweisen müssen. Früher an der Uni und in anderen Arbeiten wie zum Beispiel in der Zivilgesellschaft haben wir viel öfter von den sozialen, ökologischen und ökonomischen Herausforderungen gehört, die uns allen gegenüberstehen. Eine Situation, die einem manchmal das Gefühl gibt, als wäre alles aussichtslos. Auf dieser Reise haben wir aber gesehen, wie viele Menschen alleine oder zusammen versuchen, die Welt zu verbessern, auf lokaler, regionaler oder gar internationaler Ebene. Das ist total beeindruckend und ermutigend!

Wie geht es weiter? 

Am 8. Mai reisen wir mit dem Frachtschiff von Cartagena in Kolumbien ab. Ziel der Frachtschiffreise ist Europa – und wir sollten zirka zwei Wochen nach Abfahrt entweder in Spanien oder Italien ankommen. Danach ist geplant, das Pilotjahr des Projekts mit den österreichischen Partnerklassen abzuschließen. Nach einer letzten Challenge auf dem europäischen Kontinent werden wir das Projekt und die Reise noch einmal persönlich in Form von Diashows an den Schulen aufarbeiten und uns für die Fragen der SchülerInnen sowie anderen Interessierten bereitstellen. Danach möchten wir das Pilotprojekt mit den LehrerInnen in Österreich und den USA evaluieren und anhand ihres Feedbacks das Projekt für das kommende Schuljahr verbessern. Im Laufe des Sommers werden wir höchstwahrscheinlich einige öffentliche Diashows zum Projekt und zur Reise in Wien organisieren, um hoffentlich Interesse zu wecken und eventuell Unterstützung zu finden. Ende des Sommers geht die Reise dann auf dem Landweg Richtung Asien los, mit dem Ziel, zu Weihnachten in Vietnam zu sein.

Langfristig möchten wir das Projekt auf eine unbegrenzte Anzahl von Partnerschulen in Österreich, den USA und aller Welt beziehungsweise eine unbegrenzte Anzahl von Reisenden eröffnen. So können mehr Leute davon profitieren, und die Weltkarte von positiven und inspirierenden Initiativen kann exponentiell wachsen.

Danke und viel Erfolg!  

Da Bilder oft mehr (oder anderes) verraten als tausend Worte, hier noch fotografische Eindrücke von der Reise:    Partnerschule ViA. Foto: Sustainability AdventurePartnerschule USA. Foto: Sustainability AdventureValentina. Foto: Sustainability AdventureZelt. Foto: Sustainability AdventureFoto: Sustainability Adventure Biketrain. Foto: Sustainability Adventure

 

Mehr vom Projekt: 

Homepage: www.sustainability-adventure.org, www.forum-via.org
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1 Kommentar zu Nachhaltigkeits-Abenteurer mit Nachwuchs

Der Begriff Nachhaltigkeit – Eine sprachwissenschaftliche Spurensuche

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde. Aber was verbirgt sich eigentlich für eine Geschichte dahinter? Ich bin der sprachwissenschaftlichen Bedeutung auf den Grund gegangen. Alle Wege führen in die…

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde. Aber was verbirgt sich eigentlich für eine Geschichte dahinter? Ich bin der sprachwissenschaftlichen Bedeutung auf den Grund gegangen. Alle Wege führen in die Forstwirtschaft. Und zwar die Forstwirtschaft um die Jahrhundertwende zum 17. Jahrhundert. Hans Carl von Carlowitz schrieb mit dem Werk „Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht“ im Jahr 1713 Nachhaltigkeitsgeschichte, denn er verwendete den Begriff zum ersten Mal.

Noch heute gibt der Duden (Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage von 2011) Aufschluss über den forstwirtschaftlichen Ursprung in seiner Begriffserklärung. Denn neben der ersten Option „längere Zeit anhaltende Wirkung“ bezieht sich das Nachschlagewerk auch auf von Carlowitz und definiert Nachhaltigkeit als ein „forstwirtschaftliches Prinzip, nach dem nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann“. Erweitert wurde der Begriff um eine zusätzliche Nuance, denn man erhob ihn allgemein zu einem „ökologischen Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig bereitgestellt werden kann“.

Rückhalt für Notzeiten

Ursprünglich ist das Adjektiv „nachhaltig“ eine Ableitung vom veralteten deutschen Wort „Nachhalt“. Dies steht für etwas, das man für Notzeiten zurück behält, für einen Rückhalt. Das berühmte Grimm’sche Wörterbuch gibt im siebten Band aus dem Jahre 1889 verschiedene Beispiele aus der Literatur, in denen der Begriff verwendet worden ist. „In jenen Tagen des Festes hab’ ich mich, wie ich nicht läugnen will, männlicher benommen als kräfte nachhielten“, schrieb ein gewisser Herr „Göthe“ demnach einst an Zelter; „wie leicht geht barschaft ohne nachhalt zugrunde“, heißt es bei Benzel-Sternau dort; „er schien nunmehr zum ersten mal zu merken, dasz er äuszerer hülfsmittel bedürfe, um nachhaltig zu wirken“, wird Gotthelf andernorts zitiert.

Der Brockhaus von 2006 (21. Auflage) geht in seinem Band 19 sehr viel ausführlicher auf den ökologischen Aspekt ein. Eine ganze Seite widmet das Werk dem Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“. Hier tauchen vor allem zwei Wörter immer wieder auf: „dauerhaft“ und „gerecht“. Im Kern geht es also immer wieder darum, ein Gleichgewicht zu schaffen, das die Ressourcen dauerhaft schont, so dass eine fortlaufende Nutzung gewährleistet ist. Lebenschancen nachfolgender Generationen sollten hierdurch nicht gefährdet, sondern im Gegenteil geschützt werden. Ebenfalls im Brockhaus zu finden sind Beispiele in der Anwendung des Nachhaltigkeitsprinzips im allgemeinen globalen Zivilisationsprozess sowie auch die Anmerkung, dass das Wort „Nachhaltigkeit“ in seiner zu ungenauen Bedeutung auch kritisiert werde. Der Begriff an sich ist demnach zu unklar gefasst, so dass er Angriffsfläche bietet, steht da zu lesen. Mir persönlich scheint, dass vor allem der Aspekt der Gerechtigkeit bisweilen aus dem Blick gerät.

Vielseitigkeit

Doch was das Nachschlagewerk als eine mögliche Angriffsfläche definiert, sehe ich ebenso als Stärke an. Entscheidend ist eben der Kontext, in dem der Begriff eine Rolle spielt. Schwammigkeit und Vielseitigkeit sind vielleicht einfach nur zwei Seiten einer Medaille. Mein heißgeliebtes Synonymlexikon Woxikon jedenfalls hat gleich einen ganzen Korb an alternativen Wortbedeutungen für „nachhaltig“ parat. Zumindest sprachlich können wir da aus dem Vollen schöpfen. Hier nur eine Auswahl: tiefgreifend, effektiv, dauernd, gravierend, sichtbar, einschneidend, wirksam, eindrucksvoll, stet, auffallend, beträchtlich, erheblich,… und vieles mehr!

Keine Kommentare zu Der Begriff Nachhaltigkeit – Eine sprachwissenschaftliche Spurensuche

Nadine sucht das Glück: Glück ist Klarheit

„Wir haben von unserem eigenen Körper, in dem unaufhörlich so viele Unlust- und Lustgefühle zusammenströmen, keine so klar umrissene Vorstellung wie von einem Baum oder einem Haus oder einem Vorübergehenden.“…

„Wir haben von unserem eigenen Körper, in dem unaufhörlich so viele Unlust- und Lustgefühle zusammenströmen, keine so klar umrissene Vorstellung wie von einem Baum oder einem Haus oder einem Vorübergehenden.“ Marcel Proust hat in seinem siebenbändigen Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ auf den Punkt gebracht, worüber ich mir regelmäßig den Kopf zerbreche. Von allem habe ich eine Vorstellung, mal eine vage, mal eine konkrete. Ein Bild auf jeden Fall, das im Geiste gemalt, vertraut und fassbar ist. Ich habe ein Bild von den Menschen, die mir begegnet sind, von den Städten, die ich gesehen habe. Ich kann mir leicht ausmalen, wie mein nächster Urlaub sein soll, mein Gemüsegarten, den ich in ferner Zukunft hegen werde. Ich weiß, wie es sich anfühlt, den Liebsten zu vermissen und ihn wieder in die Arme schließen zu können. Ich habe eine Ahnung, wie es sein würde, sollte er mich bitten, unsere Leben miteinander zu verbringen. Ich kann mir sogar vorstellen, wie die Farbe Rot schmecken könnte. Von all diesen Menschen, Dingen, Emotionen und abstrakten Begriffen kreiere ich im Geiste Bilder. Auch von meinem Körper habe ich ein Bild. Eines, das ich jeden Tag im Spiegel sehe und das auch meine Umgebung wahrnimmt. Nur das Innenleben liegt oft im Dunkeln. Da gibt es Ahnungen, vielleicht auch mal das kurze Aufblitzen eines Gefühls. Im Großen und Ganzen ist mein Inneres aber ein Mysterium.

Das Gute an Mysterien ist, dass sie aufgelöst werden wollen. Dass sie reizvoll sind und einen zum Hinsehen zwingen. Da ich mein größtes Mysterium bin, verbringe ich einen nicht unwesentlichen Teil meiner Freizeit mit der Erforschung meiner selbst. Eine für mich sehr effektive Methode habe ich in der Teilnahme an Gruppencoachings entdeckt. Das Besondere an diesen Veranstaltungen ist, dass sie immer das gleiche Thema haben. Beziehungen. Nicht irgendwelche Beziehungen, sondern die allerwichtigsten. Meine Beziehungen zu mir. Der Gedanke dahinter ist ganz einfach. Wenn die Beziehung mit mir, mit meinem Körper, mit meinem Geist und allen meinen Lebensthemen eine gute ist, werden auch alle Beziehungen zur Außenwelt gut sein.

In regelmäßigen Abständen nehme ich an eben diesen Beziehungskreisen teil, so auch vor wenigen Tagen. Jeder Beziehungskreis ist eine sehr besondere Erfahrung und die Erlebnisse arbeiten meist noch sehr lange in mir. Dieser war so außergewöhnlich und bereichernd, dass ich meine Erkenntnisse gerne teilen möchte. Ein kleiner Kreis von Teilnehmerinnen – mich eingeschlossen – erforschte mit Hilfe von Steinen und unter Anleitung einer wundervollen Coachin sein Innerstes. Schon als Kind habe ich Steine geliebt. Jeder ist anders, keiner sieht gleich aus und fühlt sich auch nicht so an. Gemein ist ihnen ihre Unvergänglichkeit. Für mich war diese Art der Mysterienauflösung allein deshalb schon sehr faszinierend. Im Laufe des Tages entdeckte ich neue Facetten meiner Persönlichkeit. Ängste, die tief verborgen geschlummert hatten, Talente, die noch nicht genügend Wertschätzung erfahren haben, Freude, die geteilt werden will. Ich habe Bestätigung in mir gefunden, die mich manche Dinge mit anderen Augen sehen lässt. Und ich habe ein Gefühl gefunden, dass ich nicht erahnen hätte können. Ich habe Ablehnung gefunden, einen Abschied, der lange nicht ausgesprochen war. Ein Gefühl, dass so viel Energie raubt und nichts zurück gibt. Die Erkenntnis etwas verabschieden zu müssen, war schmerzhaft und überraschend. Linderung schaffte die einkehrende Gewissheit, dass es kein „Müssen“ ist, sondern ein „Dürfen“. Etwas gehen lassen zu dürfen ist befreiend. Gerade wenn es sich um etwas handelt, mit dem man eng verbunden ist. So schön und kräftigend eine enge Verbindung meist ist, so anstrengend und kraftzehrend kann sie auch sein. Die Klarheit, dass es eine solche Verbindung in meinem Leben gibt, habe ich an diesem Tag gewinnen dürfen.

Diese Klarheit erlaubt mir, die Situation zu betrachten und zu bewerten. Sie schafft Gewissheit. Die Klarheit, die Enthüllung einer verborgenen Schwierigkeit ist es, die mir als großes Glück erscheint. Denn sie ermächtigt mich, meine Wahl zu treffen. Ich schaffe die Formen meines Lebens. Ich bin mächtig. Ich verneige mich vor dem Göttlichen in mir. Diese wunderbaren Erkenntnisse durfte ich mit nach Hause nehmen und diese sind es, die ich mit euch teilen will. Denn jedem soll Klarheit gewährt werden. Klarheit über jede einzelne Facette seines Körpers, ob innen oder außen, damit jeder seine eigene, besondere Macht spüren kann.

Kennt ihr diese Momente, in denen ihr alles, was ist und sein wird, ganz klar vor Augen habt? Die Erleichterung, die ein Abschied manchmal mit sich bringt? Ich freue mich, wenn ihr eure Erfahrungen mit mir teilt!

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Die Inspektorin: Nachhaltig Lebensmittel einkaufen

Nachhaltigkeit beim Lebensmittelkauf kann sehr viele Aspekte umfassen. Der Fokus kann dabei auf dem Vermeiden von Plastikverpackungen liegen, auf dem Bevorzugen von Bioprodukten, oder auf einem möglichst kleinen CO2-Fußabdruck. Dass…

Nachhaltigkeit beim Lebensmittelkauf kann sehr viele Aspekte umfassen. Der Fokus kann dabei auf dem Vermeiden von Plastikverpackungen liegen, auf dem Bevorzugen von Bioprodukten, oder auf einem möglichst kleinen CO2-Fußabdruck. Dass zumindest diese drei Faktoren bei der Wahl der Lebensmittel berücksichtigt werden sollten, ist wohl den meisten am Umweltschutz interessierten Menschen bewusst. Daher will ich in der heutigen Kolumne allgemeine Tipps für einen nachhaltigen Lebensmitteleinkauf geben, die jedem Konsumenten helfen, die Umwelt weniger zu belasten.

Checke deine Vorräte

Bevor du dich auf den Weg in die Einkaufsstätte deines Vertrauens machst, solltest du unbedingt einen Blick auf deine Vorräte werfen. Vielleicht steht ja schon seit gut einem Jahr eine Packung Lasagneblätter in deiner Küche herum, deren Ablaufdatum fast erreicht ist und nur darauf wartet endlich geöffnet und verarbeitet zu werden. Das Tiefkühlgemüse vom letzten Weihnachtseinkauf wird sich ebenfalls darüber freuen, als Lasagne zu einer italienischen Köstlichkeit zubereitet zu werden. Um das Quartett zu komplettieren, schreibst du Tomaten und Käse auf deine Einkaufsliste, was uns zu einer weiteren Maßnahme bringt, um nicht mehr als notwendig einzukaufen.

Schreibe eine Einkaufsliste…

…und halte dich an sie. Nachdem du nachgesehen hast, welche Schätze in deinem Essensfundus schlummern, weißt du, welche Lebensmittel nicht auf deine Einkaufsliste sollen und welche ergänzt werden müssen. Überlege außerdem, welche Speisen und Snacks du nach diesem, aber vor dem nächsten Einkauf verzehren willst und schreibe die nötigen Zutaten, falls noch nicht geschehen, auf deine Liste. So weit in die Zukunft zu planen scheint bei etwas derart genüsslichem wie Nahrung vielleicht etwas zu rational, es wird dir aber definitiv dabei helfen, nur so viel einzukaufen wie du wirklich brauchst.

Wähle einen möglichst ökologischen Weg

Wenn es möglich ist, erledige deinen Einkauf ohne Auto. Vor allem im städtischen Bereich ist die nächste Einkaufsmöglichkeit schon an der nächsten Ecke. Wenn diese zu deinen finanziellen Verhältnissen passt, erledige deine Einkäufe gleich dort. Sollten einige Nahrungsmittel nicht im Sortiment sein, die unbedingt in deinen Speiseplan gehören, reicht ja vielleicht ein Ausflug pro Monat zu dem Ort, der deine Bedürfnisse deckt.

Gehe mit ausreichend Transportmaterial in den Supermarkt

In einigen Ländern gibt es bereits ein Plastiksackerlverbot, in vielen wird ein solches überlegt. Gehe mit gutem Beispiel voran und nimm zu jedem Einkauf ein Behältnis für deine erworbenen Nahrungsmittel mit. Das können Stoffsäcke, ein Trolley für einen größeren Einkauf oder ein (schicker) Korb sein.

Kaufe nur satt ein

Du kennst bestimmt das Gefühl, mit knurrendem Magen im Supermarkt zu stehen. Plötzlich scheint dir jedes Produkt noch verlockender, schmackhafter – schlicht und einfach verführerischer zu sein. Nur zu kaufen was auf der Einkaufsliste steht wird ein Ding der Unmöglichkeit. Gehe dieser Herausforderung aus dem Weg, indem du deine Essenseinkäufe nur satt erledigst.

Nimm nicht mehr, als du verwerten kannst

Ein Kilogramm Karotten stehen auf deiner Einkaufsliste und zufällig bekommst zu drei Kilogramm zum Preis von zwei. Überlege gründlich, ob du wirklich alles verwerten kannst, oder ob der Löwenanteil dieser Großpackung im Müll landen würde. Wenn zweiteres zutrifft halte dich an deine Einkaufsliste und kaufe nur ein Kilo. Essen ist viel zu schade, um im Müll zu landen und verursacht unnötige Müllberge. Allein in Wien landen durchschnittlich 40 Kilogramm Lebensmittel pro Person im Hausmüll.

Entscheide dich für ökologische Produkte

Wer ökologisch kaufen will, steht oft vor der Qual der Wahl. Am besten sollte es bio, saisonal, plastikfrei verpackt, regional und leistbar sein. Alle diese Eigenschaften können selten in einem Produkt vereint werden. Daher hab ich mich auch schon oft gefragt, ob ich die in Plastik verpackten Bio-Zucchini aus Spanien oder die offenen Zucchini aus einem Glashaus eines regionalen Gärtners kaufen soll. Wenn die Produktionsbedingungen im Land unmenschlich sind, der Transportweg in unsere Breiten sehr lange ist und Plastik mehrere 100 Jahre zum Verrotten braucht, habe ich mich meistens für das regionale Nicht-Bio-Produkt entschieden. Es würde mich sehr interessieren, nach welchen Kriterien ihr entscheidet. Falls die Saisonalität bei eurer Kaufentscheidung eine Rolle spielt, ist der Saisonkalender der Umweltberatung hilfreich.

Trinke Leitungswasser (wenn es die Wasserqualität erlaubt)

Das ökologischste Getränk unserer Zeit ist wohl Leitungswasser. Es wird nicht mit einem LKW geliefert, ist plastikfrei, verursacht keinen Müll und erspart dir den mühsamen Heimtransport schwerer Getränkekisten.

Kaufe Mehrweg statt Einweg

Es gibt sie leider sehr selten, aber doch. Mehrwegflaschen und -Gläser. Wenn du die Wahl hast, entscheide dich für Mehrweg. So bleibt der Müllberg ein bisschen kleiner.

Kaufe wenige Convenience-Produkte

Es ist zwar sehr zeitsparend und angenehm, nach einem langen Arbeitstag aus einem großen Sortiment von Fertiggerichten zu wählen, allerdings haben diese sowohl ökologische als auch gesundheitliche Nachteile. Zum einen fällt meist mehr Verpackungsmüll an als bei einem selbst gekochten Gericht, zum anderen sind in Fertiggerichten oft Geschmacksverstärker und viel Salz enthalten. Darüber hinaus sind Fertigprodukte teurer als selbst zu kochen. Will man frisch, gesund, verpackungsarm, bio und günstig essen, lohnt es sich auf jeden Fall, selbst ab und zu den Kochlöffel zu schwingen.

Die Konklusion

Der perfekte Ökoeinkauf scheint schwer umsetzbar zu sein. Dennoch kann jeder mit kleinen Veränderungen und Zugeständnissen viel dazu beitragen, die Umwelt ein bisschen zu entlasten. Nach welchen Kriterien entscheidest du, welche Nahrungsmittel in deiner Küche landen? Wie gehst du mit den vielen Aspekten um, die bei einem umweltschonenden Einkauf berücksichtigt werden können? Welche Tricks wendest du an, um nicht zu viel einzukaufen?

 

Weiterführende Links:
thebirdsnewnest.com/tbnn/wie-nachhaltig-ist-der-konsum-von-exotischen-fruechten/
voelker.bsz-scheinfeld.de/hw11/convenience.pdf
stern.de/gesundheit/ernaehrung/gesunde-ernaehrung/5-fertigprodukte-die-wahrheit-ueber-industrie-essen-615756.html
wien.gv.at/umweltschutz/abfall/lebensmittel/fakten.html

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Wie nachhaltig ist der Konsum von exotischen Früchten?

Bananen, Kiwis, Ananas, Mangos, Kakis und weitere Tropenfrüchte gehören heute zum Standardsortiment jedes Supermarktes. Die süßen Früchte sind beliebt, gesund und eine willkommene Abwechslung zu Äpfeln und Birnen. Besonders Veganer…

Bananen, Kiwis, Ananas, Mangos, Kakis und weitere Tropenfrüchte gehören heute zum Standardsortiment jedes Supermarktes. Die süßen Früchte sind beliebt, gesund und eine willkommene Abwechslung zu Äpfeln und Birnen. Besonders Veganer essen teilweise sehr viel Obst, darunter auch die süßen Exoten. Eine vegane Lebensweise wird oftmals mit einer großen Entlastung für die Umwelt gleichgesetzt. Doch ist das wirklich so, wenn exotische Früchte regelmäßig auf den Teller kommen? Schließlich reisen sie von weit her zu uns und der Transport verursacht CO2-Ausstoß.

Die Saisonalität

Die Antwort auf die Frage ist nicht ganz simpel. Viele Faktoren spielen hierbei eine Rolle. Zunächst einmal ist nicht jede Tropenfrucht gleich. Während Bananen, Papayas, Mangos, Ananas, Passionsfrüchte und Kokosnüsse ganzjährig Saison haben, wachsen andere exotische Früchte nur in bestimmten Perioden im Jahr. Dazu gehören beispielsweise Wassermelonen, Orangen, Mandarinen und Kiwis. Trotzdem sind Früchte dieser letzteren Kategorie oftmals das ganze Jahr über im Handel erhältlich. Das liegt daran, dass sie zu verschiedenen Zeiten im Jahr aus anderen Regionen stammen. Während die Wassermelone in den Sommermonaten beispielsweise in der relativ nahen Türkei angebaut wird, importiert man sie in Wintermonaten aus Südamerika. Dieser Obstsaison-Kalender hilft beim saisonalen Einkauf von heimischen und exotischen Früchten. Der Kalender zeigt auch, dass man einige Früchte zwar ganzjährig importieren kann, diese dann aber aus anderen Ländern kommen. Mit diesen Informationen kann man exotische Früchte in der Zeit kaufen, in der sie aus näheren Ländern importiert werden können. Hilfreich ist übrigens auch, auf die Saison der regionalen Obstsorten zu achten. So kann ein deutscher Apfel, der über Monate im Kühlhaus gelagert wurde, eine schlechtere Klimabilanz haben, als eine Wassermelone, die gerade Saison in der Türkei hat oder gar ein Apfel aus Chile. Auch geheizte Gewächshäuser sorgen für eine negative Bilanz.

Das Transportmittel

Neben der Länge des Transportweges gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wie die bunten Tropenschätze ihren Weg zu uns finden: Per Schiff oder per Flugzeug. Da die Schiffsfracht weniger CO2-Emissionen verursacht als das Flugzeug, hat es auf den ersten Blick den Anschein, dass der Flugtransport wesentlich umweltschädlicher ist. Allerdings ist das nicht der einzige Schadstoff, der beim Vergleich zwischen Schiff und Flugzeug relevant ist.

Schiffe werden in der Regel mit Schweröl betrieben, das einen sehr hohen Anteil an Schwefel und toxischen Metalloxiden hat. Außerdem stoßen Schiffe eine Menge Feinstaub aus. Die Rußpartikel, Schwefel- und Stickoxide bergen nicht nur erhebliche gesundheitliche Risiken, sondern wirken sich auch sehr negativ auf die Umwelt aus. Der Naturschutzbund Deutschland e.V. (Nabu) gibt an, dass jedes Jahr in Europa circa 50.000 Menschen als Folge von Schiffsemissionen vorzeitig sterben. Für die Umwelt bedeuten Schwefeloxide saurer Regen und Stickoxide eine Versauerung der Böden. Zudem fördern Rußpartikel den Klimawandel. Wenn die dunklen Partikel sich auf den Eisflächen ablagern, wird durch die dunklere Oberfläche mehr Wärme absorbiert und somit die Schmelze vorangetrieben.

Das Schiff ist damit also nicht klimafreundlicher als das Flugzeug, sondern eher schädlicher. Das liegt vor allem daran, dass im Schiffsverkehr bisher keine strengen Regelungen eingeführt worden sind. Während strikte Schadstoff-Grenzwerte für Autos und LKWs Pflicht sind, liegt der maximale Schwefelgehalt im Schifftreibstoff bei 3,5 Prozent und ist damit 3.500 mal höher als im Diesel-Benzin für Autos. Eine gute Nachricht ist, dass die Grenzwerte in den kommenden Jahren verschärft werden sollen. Ab 2015 soll der Schwefelgrenzwert in Schwefelkontrollgebieten, wozu auch Nordsee und Ostsee gehören, von 1 Prozent auf 0,1 Prozent gesenkt werden. Bis 2020 soll auch der Grenzwert in Nicht-Schwefelkontrollgebieten von 3,5 Prozent auf 0,5 Prozent gesenkt werden. Allerdings gibt es jetzt bereits weitere Maßnahmen, die die Schadstoffemissionen erheblich verringern könnten. Der Nabu fordert, dass wie oben beschrieben schwefelärmere Treibstoffe eingesetzt werden. Außerdem verlangen sie einen Stickoxid-Katalysator und einen Rußpartikelfilter. Bei Befolgung dieser drei Forderungen könnte man die Emissionen von Stickoxiden um 97 Prozent reduzieren und den von Ruß um 99 Prozent. Bisher wurden diese allerdings nicht umgesetzt.

Überseeimporte sind also im Allgemeinen nicht klimafreundlich zu bestreiten. Ob eine Obstsorte per Schiff oder Flugzeug zu uns gebracht wird, hängt oft von dem Reifeverhalten der Früchte ab. Flugobst hat den Vorteil, dass es bereits frühreif gepflückt werden kann, was relevant für Früchte ist, die nicht mehr viel nachreifen, nachdem sie geerntet wurden. Außerdem gibt es bestimmte exotische Früchte, die schnell verderben und aus diesem Grund primär mit dem Flugzeug importiert werden. Das sind beispielsweise Litschis, Baby-Bananen, Sternfrüchte, Physalis und Passionsfrüchte. Des Weiteren besteht der Irrglaube, dass sonnengereiftes Flugobst mehr Vitamine enthält und besser schmeckt als seine früher gepflückten und eingeschifften Kollegen. Diese Auffassung wurde allerdings in einer Studie der technischen Universität in Berlin widerlegt.

Früchte, die bedenkenlos nachreifen, werden oft auf dem Wasserweg zu uns gebracht. Hierzu zählen unter anderen Bananen, Papayas, Sapotillen, Kakis und Cherimoya. Andere Früchte, die kaum nachreifen – das sind unter anderem Ananas, Mangos und Rambutane – werden in der Regel eingeflogen, oder, um die Schifffahrt zu überstehen, mit einer großen Menge Fungizide behandelt. Einige Organisationen, wie die Unternehmen Jurassic Fruit oder Kipepeo, probieren für den weiten Transportweg einen Kompromiss zu finden, indem sie für den Früchteimport nur ungenutzten Gepäckraum in Passagierflugzeugen verwenden. Damit müssen nicht extra Frachtflugzeuge für die Früchte fliegen. Das Problem an dieser Methode ist allerdings, dass mit jedem zusätzlichen Gewicht die Schadstoffemissionen des Fluges höher sind und der Umweltvorteil somit gegen Null geht. Deshalb setzt sich zum Beispiel das Unternehmen Tropenkost aktiv für Klimaschutzmaßnahmen ein, um seine Früchte klimaneutral anbieten zu können.

Vom (Super-)Markt nach Hause

Sowohl Flugzeug als auch Schiff sind aktuell keine klimafreundlichen Transportmittel. Die Umweltbilanz der gekauften Tropenfrüchte wird aber nochmals im nicht zu vernachlässigen Maß durch die persönliche Wahl des Transportmittels zum Einkaufen bestimmt. Wer mit dem Auto zum Supermarkt fährt, hat in etwa die gleichen Klimaauswirkungen verursacht, wie eine Packung Flugobst. Der Weg mit dem Fahrrad oder zu Fuß macht also einen großen Unterschied.

Monokulturen und soziale Aspekte

Wie bei anderen Produkten auch, ist der Anbau tropischer Früchte von der Problematik der Monokulturen betroffen, die keine nachhaltige Landwirtschaft zulassen. Ananas beispielsweise werden häufig auf diese Weise angebaut und mit einer großen Menge Pestizide und Insektizide behandelt. Diesen sind wir Konsumenten ausgesetzt, doch noch viel mehr das Trinkwasser vor Ort und die Menschen, die auf den Plantagen arbeiten. Neben den gesundheitlichen Problemen, sind auch die sozialen Bedingungen der Obstpflücker meist verheerend.

Um ökologische und sozial faire Konditionen zu schaffen, ist es also sehr wichtig beim Kauf von Tropenfrüchten auf fairen Handel und biologische Produkte zu achten. Der faire Handel verbessert die Lebensbedingungen der Bauern und Plantagenarbeiter, während das EG-Öko Zertifikat den Verzicht von künstlichen Düngemitteln, Fungiziden und Insektiziden verlangt. Außerdem müssen in den Anbaufeldern auch andere Pflanzen angesiedelt werden, die einer Monokultur entgegenwirken. Nature & More beispielsweise bietet Bio-Früchte an und setzt sich für nachhaltige und soziale Projekte ein, die die Produkte klimaneutral machen sollen.

Tropenfrüchte in Relation

Bedeuten diese Informationen, dass man nun am besten keine exotischen Früchte mehr kauft? Darum soll es nicht gehen, denn der Kauf der süßen Tropenschätze ist eine bedeutsame Einnahmequelle für die Bauern vor Ort, sofern die Arbeitsbedingungen fair sind. Gerade im Winter können exotische Früchte den Körper mit Vitaminen versorgen. Es ist darüber hinaus wichtig, die Umweltauswirkungen von Tropenfrüchten in Relation zu anderen Lebensmitteln zu setzen. Obst im Allgemeinen trägt nämlich bei weitem nicht so viel zu Klimaschäden bei wie Fleisch- und Milchprodukte. Neben der Belastung von Wasser und Böden erzeugt die tierische Lebensmittelindustrie wesentlich mehr Treibhausgase als der Anbau von pflanzlichen Produkten. Von den gesamten direkten Treibhausgas-Emissionen, die unsere Ernährung verursacht, werden beinahe 70 Prozent durch tierische Lebensmittel verursacht, wie eine Studie des WWF zeigt. Im Vergleich dazu ist Obst bloß für einen Anteil von 6,2 Prozent verantwortlich. Zudem entstehen durch den Anbau von Lebensmitteln indirekte Emissionen, da Landflächen in Ackerland umgewandelt werden. Auch für die indirekten Emissionen ist maßgeblich der Konsum von tierischen Produkten ursächlich.

Selbst Veganer, die regelmäßig exotische Früchte essen, haben also trotzdem einen erheblich kleineren ökologischen Fußabdruck im Bereich Lebensmittel als Fleischesser, bei denen nicht so viele exotischen Früchte auf den Teller kommen. Obst und Gemüse spielen in der Klimabilanz eine vergleichsweise sehr geringe Rolle. Dennoch bedeutet das nicht, dass man Obst ohne Bewusstsein für die Umwelt konsumieren sollte. Denn positive Auswirkungen hat die Wahl von saisonal-regionalen Obstsorten trotzdem.

Nachhaltiger Genuss

Einige einfache Regeln, zusammengefasst aus diesem Artikel, können beim nachhaltigen Konsum von exotischen Früchten helfen:

Regionalität und Saisonalität: Im Sommer gibt es regionales Obst in Hülle und Fülle, von Kirschen über Erdbeeren bis hin zu Pfirsichen und Nektarinen. Zu dieser Jahreszeit kann man also relativ gut auf exotische Früchte verzichten. In der restlichen Zeit sollte man Früchte wählen, die von ihrer Saison her gerade aus näheren Ländern importiert werden können oder im Idealfall aus dem Heimatland stammen.

Transport: Momentan scheint das Flugzeug klimafreundlicher zu sein als der Schifftransport. Im Bezug auf Verbesserung der Umstände können wir als Verbraucher Unternehmen wählen, die einen klimafreundlichen Transport unterstützen.

Weg zum Supermarkt: Zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Lebensmittelladen zu fahren, wirkt sich positiv auf die Klimabilanz aus.

Bio und fair: Um Pestizidbelastung, Monokulturen und soziale Missstände zu verhindern, ist es wichtig auch beim Kauf von exotischen Früchten nach Bio- und Fair Trade-Zertifizierungen Ausschau zu halten.

Maßvoller Genuss: Zur Nachhaltigkeit gehört auch ein wenig Verzicht. Erdbeeren im Winter braucht niemand und es muss auch nicht jeden Tag eine Mango in den Smoothie kommen.

Selbst anbauen: Einige exotische Früchte können auch in unseren Breiten wachsen. Eine Kiwi im eigenen Garten garantiert ein unschlagbare Ökobilanz.

 

Quellen:
Balz, Friedrich, Pieper, Oeliger, & Rieger (2014). Luftschadstoffemissionen von Containerschiffen: Abhilfe durch saubereren Schiffsdiesel und wirksame Abgastechnik möglich – kaum Auswirkungen auf Transport- und Produktpreise. Naturschutzbung Deutschland (NABU) e.V.
Hillmer: Die Klima-Bilanz unserer Lebensmittel. Abendblatt, abgerufen von: http://www.abendblatt.de/ratgeber/wissen/article1344620/Die-Klima-Bilanz-unserer-Lebensmittel.html
Noleppa (2012). Klimawandel auf dem Teller. WWF Deutschland.
http://www.oeko-fair.de
Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates (2008): Zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie). 164/19.
http://www.umweltnetz-schweiz.ch

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Warum verhalten wir uns (nicht) nachhaltig?

Frustshopping, Schnäppchenjagden, Shoppingreisen – Konsum kann uns glücklich machen. Mit einem Einkauf können wir uns Wünsche erfüllen und das erzeugt Glücksgefühle. Eine Kaufsucht ist allerdings auch kein erstrebenswerter Zustand. Zudem…

Frustshopping, Schnäppchenjagden, Shoppingreisen – Konsum kann uns glücklich machen. Mit einem Einkauf können wir uns Wünsche erfüllen und das erzeugt Glücksgefühle. Eine Kaufsucht ist allerdings auch kein erstrebenswerter Zustand. Zudem wissen wir, dass wir nicht alle gleich viel vom Kuchen abbekommen, also konsumieren, können. Vor allem aber widerspricht der Alltag unserer Überflussgesellschaft dem aktuellen Leitbild, nachhaltiger zu leben und verantwortungsvoll mit Ressourcen umzugehen. Doch können wir Lebenszufriedenheit auch aus immateriellen Quellen gewinnen? Der Umweltpsychologe Prof. Dr. Marcel Hunecke meint: Ja. Im Auftrag von Denkwerk Zukunft suchte er nach psychischen Ressourcen für eine Lebenszufriedenheit, die ganz unabhängig von den materiellen Seiten des Lebens wirksam ist.*

Die sechs psychischen Ressourcen für subjektives Wohlbefinden

In Anlehnung an Erkenntnisse aus der Positiven Psychologie entwickelte Hunecke seine Genuss-Ziel-Sinn-Theorie. Laut dieser Theorie stehen uns drei Strategien zur Verfügung, um ein zufriedenes Leben zu führen: Genusserleben, das Erreichen von Zielen und Sinn. Hunecke identifiziert sechs psychische Ressourcen, die diese Strategien ermöglichen. Sie lauten Genussfähigkeit, Selbstakzeptanz, Selbstwirksamkeit, Achtsamkeit, Sinngebung, und Solidarität.

Die ersten drei Ressourcen sind nach Hunecke fundierend, das heißt, wesentlich für eine starke Persönlichkeit. Eine solche Persönlichkeit kann demnach genießen, hat Selbstvertrauen und ist überzeugt davon, das, was sie sich vornimmt, auch erfolgreich realisieren zu können. Die letzten drei Ressourcen sind zielgebend und ermöglichen eine Orientierung der Person an immateriellen Zufriedenheitsquellen. So sollte eine Person, die nachhaltig leben möchte, eine achtsame Grundhaltung entwickeln. Das heißt, sie sollte sich der eigenen Bedürfnisse und Empfindungen bewusst sein, wie auch die der anderen Menschen und Lebewesen. Zudem sollte sie motiviert sein, den Sinngehalt unterschiedlichster Lebenssituationen zu ergründen. Und sie muss soziale Verantwortung übernehmen wollen. Laut Hunecke stützen sich diese sechs Ressourcen gegenseitig, so dass eine weniger ausgeprägte Ressource durch andere Ressourcen kompensierbar ist.

Die drei fundierenden Ressourcen stärken

Die Genussfähigkeit

Wie erwähnt, ist die Genussfähigkeit eine wesentliche Ressource für subjektives Wohlbefinden. Dabei stehen uns einerseits sinnlich-körperliche Genüsse zur Verfügung, andererseits ästhetisch-intellektuelle. Nur allzu oft nehmen wir diese Genussquellen in unserem Alltag aber nicht wahr. Wir verschlingen die Mittagsjause, werfen das neue Shirt nach drei Mal Tragen in den Schrank, weil wir schon ein neues im Auge haben, laufen morgens auf dem Weg zur Arbeit blindlings an Frühlingswiesen oder buntem Herbstlaub vorbei. Würden wir weniger konsumieren, wenn wir aus den Genussquellen, die uns tagtäglich umgeben, mehr Wohlbefinden ziehen könnten – wenn wir all diese Ereignisse überhaupt als Genussquellen wahrnehmen würden? Hunecke behauptet: ja, und fordert: Intensität statt Quantität. Die positiven Emotionen, die uns ein genussvolles Leben beschert, belohnen uns zudem rückwirkend für unser nachhaltiges Handeln. Auf The bird’s new nest findet ihr übrigens die unterschiedlichsten Möglichkeiten euer Genusszentrum anzuregen und dabei nachhaltig zu handeln – von schnell und einfach selbstgemachten saisonalen Rezepten bis hin zu ökologischer Mode, wenn es doch mal Shopping sein soll.

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Bild: PublicDomainPictures / pixabay.com

Die Selbstakzeptanz

Die Selbstakzeptanz beschreibt das „fundamentale Annehmen der eigenen Person mit all ihren positiven und negativen Eigenschaften“. Wer seine persönlichkeitsspezifischen Stärken wahrnimmt, kann auch seine persönlichkeitsspezifischen Schwächen leichter akzeptieren. Dies ist wesentlicher Bestandteil eines stabilen Selbstwerts, der uns wiederum unabhängiger von sozialen Vergleichsprozessen macht: Haben wir einen stabilen Selbstwert, müssen wir nicht konsumieren, um unserem Umfeld Wohlstand und Zugehörigkeit zu signalisieren. Wir können uns dem Konsumdruck leichter entziehen. Wie lässt sich nun die Selbstakzeptanz stärken? Indem wir uns beispielsweise überholte Glaubenssätze bewusst machen, die wir uns im Laufe unseres Lebens angeignet haben, und uns davon verabschieden. Meist haben diese Überzeugungen die Form „man muss“ oder „man darf nicht“ – ein typisches Beispiel dafür ist: „Man darf keine Fehler machen“.

Die Selbstwirksamkeit

Umgangssprachlich meist mit „Selbstvertrauen“ benannt, beschreibt die Selbstwirksamkeit die Überzeugung, schwierige Situation im Leben erfolgreich meistern zu können: „Ich werde es schaffen“. Erfolgserfahrungen stärken das Selbstvertrauen. Wir können uns diese Erfolgserfahrungen verschaffen, indem wir uns das übergeordnete Ziel in kleinere Etappen mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit aufteilen. Einzelerfolge motivieren uns, das übergeordnete Ziel zu erreichen. Unser Selbstvertrauen wächst. Allerdings hat das per se noch wenig mit nachhaltigem Lebensstil zu tun – wir können voller Selbstvertrauen hauptsächlich materiellen Wohlstand erzielen wollen. Wie lässt sich Selbstvertrauen also nachhaltigkeitsbezogen stärken und nutzen? Laut Hunecke, indem man den Menschen handlungsbezogenes Wissen zu diesem Thema vermittelt und ihnen Handlungsmöglichkeiten verschafft – eine Ansatz, den auch The bird’s new nest vertritt, indem es vielfältiges Wissen zusammenführt, aber auch Möglichkeiten bietet, sich sozial und ökologisch zu engagieren.

Die drei zielgebenden Ressourcen stärken

Die Achtsamkeit

Achtsamkeit bedeutet, „absichtsvoll und nicht wertend die Aufmerksamkeit ganz auf den aktuellen Augenblick zu richten“. Trainieren lässt sie sich durch Meditation und Übungen zur Körperwahrnehmung. Ziel ist, unser Alltagsbewusstsein einzuschränken. Es ist gekennzeichnet durch automatisierte Gedankengänge wie unsere alltäglichen Erwartungen, Pläne, Aufgaben, Interpretationen. Damit ist es also auf Vorgänge gerichtet, die im Außen passieren (werden) oder passiert sind. In einem achtsamen Zustand richten wir unsere Aufmerksamkeit auf das Jetzt: Einerseits nach Innen, wenn wir uns den eigenen (Körper-)Empfindungen zuwenden. Andererseits auf den gegenwärtigen Moment, wenn wir wahrnehmen, was um uns herum passiert, ohne das Wahrgenommene zu bewerten oder weiter darüber nachzudenken. Achtsamkeit reduziert Stress und steigert das subjektive Wohlbefinden – vor allem, wenn unsere automatisierten Gedankengänge negativ sind. Darüber hinaus führt sie zu einem erweiterten Bewusstsein für Sinnfragen und steigert das Mitgefühl. Sie zeigt dem Menschen auf, welche Bedürfnisse und Werte wirklich wichtig für ihn sind. Das Streben nach materiellen Werten stellt sich dabei meist zu Gunsten von weniger selbstbezogenen Werten ein.

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Bild: PublicDomainPictures / pixabay.com

Die Sinngebung

In den alltäglichen Erfahrungen, die wir im Leben machen, einen Sinn zu finden, heißt, in diesen Erfahrungen eine Bedeutung zu erkennen und sie zu bewerten. Diese Bedeutung oder Bewertung ist meist mit einem positiven Gefühl verbunden. Dazu ist es notwendig, sich überhaupt erst einmal auf Sinnsuche zu begeben, über sich und die Erfahrungen, die man macht zu reflektieren und sich die eigenen Werte und Lebensziele bewusst zu machen. Das gibt uns ein Gefühl von Kontrolle über die eigene Biografie und steigert unser Wohlbefinden. Meist finden wir bei solchen Reflexionsprozessen den Sinn unserer Lebenserfahrungen nicht im Materiellen oder unseren Einzelinteressen, sondern in sozialen Beziehungen und gesellschaftlich wichtigen Werten, wie beispielweise der Gerechtigkeit, Toleranz oder eben dem sorgsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen.

Die Solidarität

Wenn wir eine solidarische Haltung einnehmen, bedeutet das, dass wir für das Wohlergehen anderer Menschen Verantwortung übernehmen wollen. Dazu gehört auch eine Portion Selbstwirksamkeit – wir müssen überzeugt sein, dass unser Handeln in Interaktion mit Gleichgesinnten zum allgemeinen Wohlbefinden beiträgt. Die Solidarität ist jene psychische Ressource, die dafür sorgt, dass wir unser Handeln auch tatsächlich auf andere Personen ausrichten als uns selbst. Solidarisches Handeln belohnt uns mit dem positiven Gefühl, dazu zu gehören, und aktiviert Vertrauen und Sicherheitsgefühle. Wichtiger ist aber, dass kollektives Handeln zur einer Erreichung gemeinsamer, aber auch unterschiedlicher, in jedem Fall prosozialer, Interessen und Ziele führt. Damit ist die Solidarität die einzige der hier vorgestellten psychischen Ressourcen, die nicht nur von uns selbst und unserer Reflexion abhängt, sondern in Interaktion mit anderen Menschen eingeübt werden muss. Zum Beispiel beim Verfassen eines Artikels für The bird’s new nest – so wie ich das hier gerade mache.

Sozialer Einfluss

Je mehr Menschen sich aktiv an einem Umdenken beteiligen, desto eher kann sich ein Wertewandel in Richtung nachhaltiger und ressourcenschonender Lebensweise entwickeln, den die Menschen selbst steuern. Jedoch gibt Hunecke zu bedenken, dass individuell richtiges Verhalten in den falschen Strukturen für den Einzelnen meist zu aufwändig ist, um dauerhaft aufrecht erhalten zu werden. Auch auf politischer und ökonomischer Ebene muss also ein solcher Wertewandel gestaltet und ermöglicht werden. Der Sozialwissenschaftler Robert Cialdini bestätigt in seinen Studien zu nachhaltigem Verhalten immer wieder die Wichtigkeit von sozialen Normen, also dem Wissen darum, wie sich die meisten anderen Menschen in einer Situation verhalten. So lässt uns beispielsweise die Information, dass andere Leute es auch tun, am ehesten dazu verleiten, selbst zu Hause Energiesparmaßnahmen zu ergreifen, oder der Umwelt zuliebe im Hotel sparsamer mit den Handtüchern umzugehen.

Es zeigt sich also, dass die persönliche Entwicklung eines jeden Einzelnen zum Wohlergehen unserer Gesellschaft beitragen kann. Welche Erfahrungen habt ihr mit den beschriebenen psychischen Ressourcen gemacht? Könnt ihr die Überlegungen bestätigen?

 

* Anmerkung: Gefühle der Unzufriedenheit und Frustration gehören zu jedem Leben dazu. Auch schlechte Laune hat ihren Sinn, denn sie zeigt uns auf, wo wir unsere Bedürfnisse und Sehnsüchte zu wenig beachten und unsere Belastungsgrenzen ausreizen. Eine Möglichkeit, dem mit mehr Widerstandskraft zu begegnen, soll hier aufgezeigt werden.

 

Quellen:
Dieser Artikel basiert auf:
http://www.denkwerkzukunft.de/downloads/reportpsychologicalresources.PDF
Einen umfassenden Einblick in das Thema bietet auch das Buch:
http://www.oekom.de/nc/buecher/neuerscheinungen/buch/psychologie-der-nachhaltigkeit.html
Folgende weitere Studien wurden zitiert:
Nolan, J.M., Schultz, P. W., Cialdini, R.B., Goldstein, N.J. & Griskevicius, V. (2008). Normative social influence is underdetected. Personality and Social Psychology Bulletin, 34, 913-923.
ReGoldstein, N. J., Cialdini, R. B., & Griskevicius, V. (2008). A room with a viewpoint: Using social norms to motivate environmental conservation in hotels. Journal of Consumer Research, 35, 472-482.

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