„Nur noch 2.000 Einheimische leben heutzutage in der Altstadt von Rovinj„, erzählt mir mein Bekannter Stefan, dem ich mehr oder weniger zufällig im Hotel Lone über den Weg laufe, „und im Winter ist es ab 17.00 Uhr hier wie ausgestorben.“ Dieses, sein Wissen hat er von einem Tourguide, der ihn am Tag zuvor durch die kroatische Stadt geführt hat. Dass der Großteil der Menschen, die hier an diesen sommerlichen Tagen, über die Pflastersteine durch die engen Gässchen schlendern, Touristen sind, ist keine Überraschung – und doch gibt es sie, die Leute, die Rovinj ihre Heimat nennen und mich in ihren bunten Alltag hineinschnuppern lassen.

„Menschen mit einer guten Seele kommen immer wieder nach Rovinj zurück“, Jadranka, in Zagreb geborene Journalistin und Künstlerin, spricht aus Erfahrung. Vor zwei Jahren ist die Weltenbummlerin, die in Toronto und Florenz gelebt hat, in die istrische Stadt gezogen, hat sich – innerhalb einer Stunde – dafür entschieden, dort eine 21 qm2 große Wohnung zu kaufen und zählt seither zu deren rund 15.000 Einwohnerinnen. Ob Stefans Tourguide sie auch zu den Einheimischen zählen würde?

Enge Gassen, Pflastersteine, der Blick aufs Meer und jede Menge Kunst - Rovinj ist in jedem Fall bunt. Foto: Doris

Enge Gassen, Pflastersteine, der Blick aufs Meer und jede Menge Kunst – Rovinj ist in jedem Fall bunt. Foto: Doris

Vermutlich nicht. Genauso wenig wie einige ihrer Freunde – einen Deutschen, einen Holländer, einen Italiener -, auch wenn die schon seit über 30 Jahren den größten Teil ihrer Zeit in Rovinj verbringen, dort Häuser besitzen, mit Kroatinnen verheiratet sind und selbst das istrische Kroatisch besser sprechen (und verstehen) als so mancher Landsmann. Vom rovinj´schen Dialekt ganz zu schweigen. „Local“ würde man wohl auch Nicola nicht nennen, der vor einem Jahr im 10 km entfernten Wald von Rovinjsko Selo eine Heimat gefunden hat. Dort baut der Spanier, der sich als Straßenkünstler und Clown seinen Lebensunterhalt verdient, mit anderen gemeinsam ein Öko-Dorf „Balkan-Style“ auf.

Der Markt von Rovinj ist einer der teuersten in Kroatien.Foto: Doris

Der Markt von Rovinj ist einer der teuersten in Kroatien.Foto: Doris

Die Frage nach dem „richtigen Einheimischen“ ist wohl so alt wie Rovinj selbst. „Schau mal, hier wohnte die österreichisch-ungarische Bevölkerung„, zeigt Jadranka, die ich über CouchSurfing getroffen habe, bei unserem Spaziergang durch die Altstadt auf eine Häuserzeile, die anders als die engen, schmalen Gassen im Umkreis fast schon majestätisch weit ist – nur die Wäsche hängt hier wie dort fein säuberlich nach Farben und Mustern geordnet über unseren Köpfen. Die Straßennamen sind zweisprachig auf Italienisch und Kroatisch angeschrieben, in den Restaurants locken Pizza, Pasta und natürlich alles aus dem Meer. Die reiche Geschichte der Stadt, die im 3. oder 4. Jahrhundert zum ersten Mal erwähnt wurde, ist nicht zu verleugnen – und vielleicht ein Grund, warum sich in Rovinj so viele Menschen aus aller Welt ansiedeln.

Findest du das, was du suchst? Foto: Doris

Findest du das, was du suchst? Foto: Doris

„Als ich damals im November – also mitten im regnerischen Winter – nach Rovinj gezogen bin, haben mich meine Freundinnen bedauert“, erzählt uns Jadranka, während wir – ganz nach Art der Locals – um 13.00 Uhr mittags in der Bar Grota am Markt von Rovinj den ersten Weißwein vom eigenen Gut nippen („ein ganz prickelnder, erfrischender, leichter“ soll es laut Wirt sein). „Ich hatte damals gerade Besuch von einer Freundin aus Zagreb“, meint sie weiter, „wir haben uns frisches Gemüse am Markt gekauft, um zu kochen, und sind hier in der Bar gelandet. Auf ein Getränk. Was soll ich sagen: Wir sind erst um 23.00 Uhr nach Hause gegangen.“

Am Abend werden die Meeresufer zu Bars, in denen man u.a. auch Honigschnaps trinkt. Foto: Doris

Am Abend werden die Meeresufer zu Bars, in denen man u.a. auch Honigschnaps trinkt. Foto: Doris

Auch wenn es sich jetzt so anhören mag, einfach war es nicht für sie, die sich eher als „Weltenbürgerin“ denn als Kroatin fühlt, hier in Rovinj angenommen zu werden: Über das Kosten, Erkunden und Probieren des lokal produzierten – preisgekrönten – Olivenöls hat sie Stück für Stück Anschluss gefunden. „Mittlerweile habe ich sogar das Privileg, mich hier unter die Männer zu mischen und mit ihnen zu diskutieren“, meint die 50-Jährige, die sich – berechtigterweise – als sehr sozial bezeichnet, mit einem Augenzwinkern und prostet ihren Freunden zu.

Das tun "Locals": Sich Mittags in der Vinothek treffen, plaudern und die Zeit genießen. Foto: Doris

Das tun „Locals“: Sich Mittags in der Vinothek treffen, plaudern und die Zeit genießen. Foto: Doris

Das Bedauern ihrer Bekannten war definitiv unnötig, scheint doch der Alltag in Rovinj – selbst im Winter, wenn die Bürgersteige zugegebenermaßen schon um 17.00 hoch geklappt werden – durchaus lebenswert zu sein. Da werden ab und an im Restaurant Konoba Veli Joze Nächte zu Tagen gemacht, es wird auf Tischen getanzt, gemeinsam gesungen und gelacht. „Wo sonst tut man das schon?“, fragt Jadranka in die Runde, „in Toronto oder Florenz habe ich das jedenfalls vergeblich gesucht“.

Rovinj ist ein Schmuckstück. Foto: Doris

Rovinj ist ein Schmuckstück. Foto: Doris

Doch es wird nicht nur gefeiert, sondern auch viel gearbeitet – und vor allem viel Kunst gemacht: Überall scheint die Kreativität aus den alten Mauern und zwischen den Steinen ihren Weg durch zu finden. An jeder Ecke lädt ein Pfeil mit der Aufschrift „Art“ zum Stöbern, Schmökern, Staunen und – natürlich – Kaufen ein. Was kann man auch von einem Ort anderes erwarten, an dem sogar eine ehemalige Kapelle mit Blick aufs Meer in eine Kunstgalerie umgewandelt wurde?

Die Kirche, die zum Meer rausgeht - jetzt eine Ausstellungsfläche für Kunst. Foto: Doris

Die Kirche, die zum Meer rausgeht – jetzt eine Ausstellungsfläche für Kunst. Foto: Doris

In (mindestens) einem bin ich nach den zwei Tagen in Rovinj jedenfalls schon fast ein „local“: Ich schwärme beinah genauso von Rovinj wie sie… und zurückkehren muss ich sowieso. Nicht nur wegen meiner guten Seele, sondern auch um das – dann vielleicht fertige – Öko-Dorf von Nikola und seinen Freunden zu sehen. Das ist sich dieses Mal nämlich nicht ausgegangen, weil die Waldbewohner wegen der Hitze lieber ans Meer geflüchtet sind – denn auch das ist etwas, was die Einheimischen in Rovinj gern machen…

Der Hafen von Rovinj ist seit jeher ein Treffpunkt für Einheimische und Touristen. Foto: Doris

Der Hafen von Rovinj ist seit jeher ein Treffpunkt für Einheimische und Touristen. Foto: Doris

Wo du in Rovinj sonst noch Locals triffst:

> Morgens trifft man die Einheimischen beim Schwimmen: Sie springen direkt von den Felsen mitten in der Stadt ins kühle Nass. Das Meer ist nämlich in Rovinj glasklar, türkis und sauber…

> Es sind dieselben Felsen, die gegen Abend als Sitzgelegenheit fürs gemeinsame Cocktail- und Weintrinken dienen und zum Teil der vielen Bars am Meer werden. Zu finden sind sie an der Ulica Sv. Križa, die entlang der See bis zur Kirche Euphemia führen.

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> An dieser Straße ist auch ein süßes, kleines Lokal zu finden, das Male Madlene: Für seine köstlichen Desserts mittlerweile auf TripAdvisor berühmt, ist das winzige Zimmer – das eigentlich Teil einer Wohnung ist – vor allem auch eine Augenweide. Blumengestecke, Dekos, ein Bücherschrank im Eck – wie viel Liebe hinter allem steckt ist spürbar. Und die Geschichte hinter diesem besonderen Lokal ist ebenfalls ein paar Zeilen wert: Eine ältere Dame hat es nach dem Tod ihrer Tochter eröffnet, um wieder Freude am Leben zu erhalten und nicht ganz zu vereinsamen.

Übrigens: Besondere Stammgäste (und solche, die ganz lieb fragen)  dürfen sogar auf ihrer Terrasse direkt am Meer die Süßigkeiten genießen.

Die "Kleine Madeleine" begrüßt ihre Gäste in ihrem Wohnzimmer. Foto: Doris

Die „Kleine Madeleine“ begrüßt ihre Gäste in ihrem Wohnzimmer. Foto: Doris

> Frischen Fisch, Meeresfrüchte und vor allem Muscheln, aber auch einiges für Vegetarier wie mich (große Salate, Trüffelpasta & Co.) gibt es im Restaurant Scuba – und das für die zentrale Lage mitten in der Stadt zu erstaunlich guten Preisen. Mit leerem Magen geht dort keine(r) raus! Besondere Empfehlung sind auch der typische Honiggrappa und die „Scuba“-Torte.

Weiße Trüffel, dafür ist Istrien berühmt. Foto: Doris

Weiße Trüffel, dafür ist Istrien berühmt. Foto: Doris

> Täglich hat der Markt in der Altstadt von Rovinj bis um die Mittagszeit (manche stehen auch etwas länger) geöffnet. Im Sommer sind die Plätze heiß begehrt, im Winter ist sehr viel weniger los. Für die meisten Einheimischen führt der Weg nach dem Einkauf direkt in die Bar Grota… und irgendwann wieder dort hinaus. Der Markt selbst zählt übrigens zu den Teuersten in Kroatien (Preis 1 kg Kirschen: 30 Kuna, ca. 3 Euro)

Punta Corrente ist definitiv ein magischer Ort. Foto: Doris

Punta Corrente ist definitiv ein magischer Ort. Foto: Doris

Nur ca. 10 Minuten am Ufer lang führt der Weg in den Naturpark Punta Corrente, der mir gleich zu Beginn von allen Seite als „magischer Ort“ empfohlen wurde -und als einziger Platz in Rovinj, in dem es keine Autos gibt. Beides kann ich bestätigen. Genauso wie die Tatsache, dass es der Rovinjer (und Touristen) liebster Ort fürs Radfahren, Joggen, Picknicken, Yoga- und TaiChi-Machen und – natürlich – Schwimmen oder Schnorcheln ist, dieser größte botanische Garten Istriens mit seinen Zypressen- und Pinienbäumen.

Ja, ich fühle mich wirklich schon ein bisschen einheimisch hier. Foto: Doris

Ja, ich fühle mich wirklich schon ein bisschen einheimisch hier. Foto: Doris

Offenlegung: Danke an Stromberger PR und Hotel Lone für die Einladung zum Aufenthalt. Die Meinungen und Ansichten in der Geschichte sind und bleiben meine eigenen.