Wie nachhaltig ist der Kulturbereich? Welche nachhaltigen Konzepte könnten auf diesen übertragen werden? Und macht das überhaupt Sinn? Diese und ähnliche Fragen stellten sich Kunstschaffende, VeranstalterInnen, WissenschaftlerInnen und interessiertes Publikum vergangenen Freitag bei der (Un)conference on the question of sustainability in relation to artistic production between autonomy and participation im Tanzquartier Wien. Die (Un)konferenz, die dort gemeinsam mit dem European Dancehouse Network und in Kooperation mit dem Dachverband Tanz Deutschland am 24. und 25. April 2015 stattfand, widmete sich in Keynotes und nachmittäglichen Open Spaces den Verbindungslinien zwischen Nachhaltigkeit und Kulturproduktion und den Herausforderungen, die einem nachhaltigen Agieren im Kunst- und Kulturbereich zuwiderlaufen.

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Ein Punkt, der dabei immer wieder zur Sprache kam, war die Schnelllebigkeit des aktuellen Kulturbetriebs, vor allem im (freien) Tanz- und Performancebereich. Gemeint ist damit die konstante Beschleunigung der Produktionsbedingungen, unter denen KünstlerInnen häufig gezwungen sind, innerhalb immer kürzerer Zeitabschnitte, immer mehr neue Projekte zu verwirklichen. Erstens um die konstante Lust nach Neuem der KulturbesucherInnen zu befriedigen („das Recht auf die Premiere“), aber auch um das eigene Auskommen sichern zu können. Prekäre Lebensbedingungen im Kunst- und Kulturbereich sind leider nach wie vor keine Seltenheit. Erschwerend kommt hinzu, dass es aufgrund fehlender Netzwerke oft keine Möglichkeiten gibt, die Stücke mehrmals an verschiedenen Orten zu zeigen – Stücke werden also oft nur für ein bis zwei Vorstellungen kreiert. Das ist nicht nur frustrierend für die KünstlerInnen selbst, besteht doch wenig Möglichkeit eine Arbeit jemals völlig reifen zu lassen, auch im Sinne einer nachhaltigen Nutzung von Ressourcen (Zeit, Geld, Energie, Rohstoffe etc.) ist dieses Vorgehen zu hinterfragen.

Auch das Förderwesen ist nicht unbedingt auf Langlebigkeit ausgerichtet. Projekte, wie sie der slowenische Konzeptkünstler Janez Janša (früher bekannt als Emil Hrvatin) realisiert, und in seiner Keynote auch vorstellte, hätten es zum Beispiel wahnsinnig schwer, eine öffentliche Förderung zu bekommen. So dauert sein gemeinsam mit zwei anderen Künstlern realisiertes Projekt um die offizielle Namensänderung in den Namen des rechten Politikers Janez Janša mittlerweile acht Jahre und kann somit kaum mehr überhaupt als Projekt bezeichnet werden, zumal auch nicht klar ist, ob und wann es jemals enden wird (weitere Informationen zum name change findet ihr hier und hier).

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Nach dem Motto „Nachhaltigkeit braucht Entschleunigung braucht das bedingungslose Grundeinkommen. Bedingungsloses Grundeinkommen ermöglicht Entschleunigung ermöglicht Nachhaltigkeit.“ propagierte Diplompsychologin und Kuratorin Adrienne Goehler das bedingungslose Grundeinkommen als Ausweg aus dem Beschleunigungsstrudel, nicht nur als adäquates Mittel zur Armutsbekämpfung, sondern auch als Demokratisierungsinstrument, das Möglichkeiten zur Selbstermächtigung in sich trägt. Jacob Bilabel von der Green Music Initiative, einer der Keynote-Speaker vom zweiten Konferenztag, wollte in der Diskussion von Entschleunigung hingegen nichts wissen und sprach sich ganz im Gegenteil sogar für eine Beschleunigung aus, allerdings für ein Mehr vom Guten und ein Weniger vom Schlechten (Utopie vs. Dystopie).

Schlussendlich stand auch die Frage im Raum, welche (inhaltliche) Rolle die Kunst in unserer Gesellschaft heute einnimmt und mit welchen Mitteln sie dazu beitragen kann, eine bessere Gesellschaft zu etablieren und ob sie das überhaupt sollte („die Verantwortung des/r KünstlerIn als BürgerIn vs. die Freiheit der Kunst“). Sicher ist auf jeden Fall, dass KünstlerInnen immer wieder verschiedene Krisen als Ausgangspunkt für ihre Arbeit nehmen, um so Ereignisse in den Mittelpunkt zu stellen, die längst aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden sind. An diesem Punkt anzuknüpfen könnte für diesen produktiv sein. Wie Adrienne Göhler meinte: „Leute, die aus dem System heraustreten, verändern damit immer auch das System“. Eventuell bietet sich in diesem Zusammenhang ja nicht ausschließlich die Möglichkeit, den Finger in offene Wunden zu legen, sondern stattdessen auch alternative Lebens- und Handlungsentwürfe in den Fokus zu rücken, die bereits jetzt ein nachhaltigeres, entschleunigteres Leben möglich machen.

 

Weitere Informationen zur Konferenz, insbesondere zum zweiten Tag, der hier nicht abgedeckt wurde, stehen auf der Website des Tanzquartier Wien (hier und hier) zur Verfügung. Auf dem Youtube-Channel des Tanzquartiers kann man außerdem die Video-Dokumentation der Konferenz online nachsehen.