J -6, noch sechs Tage also: Ganz Korsika fiebert der Tour de France entgegen, die am 29. Juni zum ersten Mal in der 100-jährigen Geschichte auf Napoleons Geburtsinsel stattfindet. Ganz Korsika? Fast. Nur für das kleine Künstlerdorf Pigna in den Bergen der südlichen Region Balagne läuft ein anderer Countdown: J -98 nämlich, denn Ende September verlässt Olympe Ricco ihr Restaurant „U Palazzu Pigna“ Richtung Los Angeles. Wären wir im Comic „Asterix auf Korsika“, das schon vor Jahrzehnten die stolzen Korsen und ihre Insel so treffend gezeichnet hat, könnte diese Geschichte nicht anders starten.

„Sie ist eine Entdeckung!“ „Die ist genial!“ „Was für eine Persönlichkeit!“ Unsere Lobeshymnen werden immer lauter, während Olympe, zweifache Mutter und seit 3 Jahren Mieterin des Lokals „U Palazzu Pigna“ zuerst unseren Tisch liebevoll deckt, um dann mit Händen und Füßen gestikulierend das Menü zu erklären.

Tischlein deck´dich - nein, Olympe deckt dich. Foto: Doris

Tischlein deck´dich – nein, Olympe deckt dich. Foto: Doris

Ungeschminkt, mit Leggings und Baby Doll-Kleidchen gekleidet, würde man nie vermuten, dass die Mittdreißigerin (ja, so alt wie ich, Hilfe!) nicht nur in einem 5-Sterne-Hotel aufgewachsen ist, sondern ihre Kindheit in der Hafenstadt Calvi mit Laetitia Casta und anderen Kindern aus reichem Haus verbracht hat. Jetzt ist sie selbst ein Star, auch wenn sie sich alles Andere als ein eben solcher benimmt.

Olympe gestikuliert mit Händen und Füßen. Typisch korsisch eben. Foto: Doris

Olympe gestikuliert mit Händen und Füßen. Typisch korsisch eben. Foto: Doris

Es ist ein Gesamtkonzept, das die leidenschaftliche Köchin, Genießerin und Kommunikatorin im Künstlerort Pigna geschaffen hat. Ein Paradies für alle, die das Echte und Außergewöhnliche lieben. Vor drei Jahren hat sie mit ihrem Mann, einem Ökonomen, das Restaurant neben dem kleinen, feinen Hotel U Palazzu Pigna gemietet, den etwas düster wirkenden steinernen Innenraum mit einem Sammelsurium von Flohmärkten und Antiquitäten liebevoll dekoriert und ein Menü kreiert, das aus den besten Zutaten lokaler Produktion stammt: Der Bruder fängt den Fisch frisch aus dem Meer, das Gemüse wird im Garten nebenan geerntet, der Bio-Wein kommt vom Gut ihres Cousins und den korsischen Nationalkäse Brocciu aus Schaf- und Ziegenmilch macht die Nachbarin. Qualität, die wir uns dann buchstäblich auf der Zunge zergehen lassen können!

Köstliches zur Einstimmung, Foto: Doris

Köstliches zur Einstimmung, Foto: Doris

Und weil das Auge mit isst, werden die Köstlichkeiten – zubereitet vom spanischen Koch – auch im Gastgarten serviert. Spätestens beim dessen Anblick hat dann Olympe wohl selbst die Härtesten und Coolsten für sich erobert:

Der Garten - einfach dort bleiben wollen! Foto: Doris

Der Garten – einfach dort bleiben wollen! Foto: Doris

Seit einiger Zeit gibt es im „U Palazzu Pigna“ allerdings einen etwas bitteren Nachgeschmack – den des Abschiednehmens nämlich. Ende September, in 98 Tagen, geht Olympe mit ihrer Familie nach Los Angeles und eröffnet nahe Santa Monica das erste korsische Restaurant, das „Napoleon & Josephine“. Es trifft sich gut, dass ihr Mann in den Staaten einen Universitätsplatz bekommen hat, denn im jetzigen Restaurant könnten Olympe und ihr Team nicht bleiben. Der Besitzer hat jemanden gefunden, der mehr für die Lokalität zahlt.

Das Menü ist so bunt, echt und ausgefallen wie Olympe selbst. Foto: Doris

Das Menü ist so bunt, echt und ausgefallen wie Olympe selbst. Foto: Doris

Los Angeles darf sich auf einen echten kulinarischen Schatz freuen: Olympe, die ihrem viel versprechenden Namen alle Ehre macht, behält nämlich das Grundkonzept von „U Palazzo Pigna“ auch in der Stadt der Engel bei. Freunde suchen schon jetzt passende  Flohmarkt-Fundstücke, die Napoleon und seiner ersten Gattin entsprechen, die Lieferanten für die korsischen Qualitätszutaten sind mit an Bord, der spanische Koch soll ebenfalls mit und sich selbst bleibt Olympe ohnehin treu. Denn auch wenn gut meinende Berater gesagt haben, sie müsse ihre Gerichte amerikanisieren und die Portionen vergrößern – „ich riskiere es, so zu machen, wie ich möchte“, erklärt die stolze Korsin und lässt ihre Leidenschaft für den Genuss einmal mehr durchklingen. Besonders groß ist das Risiko wohl nicht: Nicht nur, weil wohl aufgrund ihrer Herkunft der finanzielle Druck gering sein dürfte. Vor allem aber, weil sich Echtheit und Glaube an das, was man tut, immer bezahlt macht.

Einmal posieren bitte: Olympe vor der Dessert-Pause. Foto: Doris

Einmal posieren bitte: Olympe vor der Dessert-Pause. Foto: Doris

Wie im Flug vergeht die Zeit mit Geplauder, gutem Essen und Trinken: Dreieinhalb Stunden später müssen wir notgedrungen Olympe und ihr Restaurant verlassen. Wir haben – leider – noch anderes Programm vor uns. „Beim letzten Mal sind wir erst um 3.00 morgens hinaus gekommen“, meint unser Guide Stéphane mit einem Seufzer – zum ersten Mal in den drei Tagen unseres Zusammenseins hatte er ein Leuchten in den Augen. Wer keine weiteren Pläne hat, kann es ihm gleich tun und dann in Pigna in der Casa Musical übernachten, einem entzückenden – und ziemlich preiswerten – Hotel im Dorf, in dem ab und an auch Konzerte stattfinden. Wie gesagt: Ihr habt noch 98 Tage…

Restaurant – Bistrot – Terrasse panoramique U Palazzu Pigna, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Hotel, das unabhängig davon gleich nebenan existiert. Internet-Adresse gibt es keine, dafür eine Telefonnummer (0495 35 16 47) und Olympes Email: olympericco@gmail.com

Preise: Vorspeisen ab 10 Euro; Kuchen-Pause ab 7 Euro. Klingt jetzt viel, ist aber für Korsika, die Qualität und Quantität durchaus angemessen.

Die beste Reisezeit für Korsika sind Mai bis Juni und September; August sollte man aufgrund der Hauptferienzeit tunlichst vermeiden. Für Olympe würde ich aber jederzeit einen Besuch „riskieren“.Offenlegung: Danke an Atout France, Tourismusverband Corsika, NIKI Luftfahrt, Air Corsica & Accor-Hotels für die Einladung zur Pressereise. Die Meinungen und Ansichten in der Geschichte bleiben wie immer meine Eigenen.