Noch bis zum 31. Dezember 2014 findet in München das Tollwood Festival statt. Dieses Winterfestival schreibt sich nun zum dritten Mal in Folge das Thema Tierschutz und Umgang mit anderen Lebewesen auf die Fahne. Neben vielen Info-Ständen diverser Organisationen nutzt das Tollwood auch sehr plakative Kunstinstallationen, um auf die diese Art und Weise aufmerksam darauf zu machen, wie wir mit Nutztieren umgehen. Im letzten Winter war zentral auf dem Gelände eine Art Legebatterie für Menschen aufgestellt. Dieses Jahr werden die Besucher von der Installation „Armes Schwein“ begrüßt. Bio-zertifiziertes Essen und Strom aus regenerativen Quellen runden das grüne Image ab. Es bleibt aber ein fahler Nachgeschmack, wenn direkt neben dem „Armen Schwein“ Bratwürste verkauft werden.

Um so erfreulicher ist es, dass für das diesjährige Veranstaltungsprogramm niemand geringeres als Hilal Sezgin eingeladen worden ist. Frau Sezgin hat mit ihrem Buch „Artgerecht ist nur die Freiheit“ einen wichtigen und ebenso radikalen Beitrag zur Diskussion beigetragen. Den Stellenwert dieses Buches begreift man wohl erst, wenn man sich vor Augen hält, dass die Bundeszentrale für politische Bildung eben dieses Buch in ihre Schriftenreihe zum Fachgebiet Ethik aufgenommen hat. Entsprechend gut besucht war die Veranstaltung im „Weltsalon“ am Freitagabend. In der ersten Hälfte der Veranstaltung führte die Moderatorin Jutta Prediger mit Hilal Sezgin eine Art Streitgespräch für die Sendung Notizbuch. Die Aufzeichnung steht als Podcast zur Verfügung.

Ohne die Sendung vorweg nehmen zu wollen, hier meine Highlights der Diskussion: Hilail Sezgin wurde gefragt, ob Schockbilder von Tiertransporten und Schlachthöfen ein geeignetes Mittel sind, um Menschen zum Nachdenken anzuregen oder ob man damit nicht Gefahr läuft, dass sich die Menschen diesem Thema erst recht verschließen. „Man operiert mit der Wahrheit“, so Hilal Sezgin. Eine Gewalt, die tatsächlich stattfindet, muss auch als solche benannt werden. Auch wenn der Mensch dazu neigt, Negatives zu verdrängen, müssen die de facto Zustände immer wieder ins Bewusstsein gerückt werden. Vor allem angesichts der PR- und Marketing-Schweinwelt der Agrarindustrie, die unsere bequemen Illusionen und Selbstlügen beruhigen. Es bleibt eine Wahrheit, dass man nicht so viele tierische Lebensmittel produzieren kann, wie wir es momentan tun, ohne dass die Tiere darunter leiden. Alles andere ist Kosmetik an der Realität.

Bild: Ilona Habben

Auch das beliebte Argument „Ich kaufe nur beim Bio-Bauern und das Tier hatte ein glückliches Leben.“ oder „Ich esse ja schon weniger Fleisch.“ konterte Hilal Sezgin eloquent und mit Humor. „Das hilft dem Tier nichts, wenn Sie wissen, wo es herkommt.“ Wenn ich als Konsument darauf achte, dass dieses Lebewesen glücklich sein sollte, dann erkenne ich doch das Recht dieses Mitwesens auf ein unversehrtes Dasein an. Warum will man es dann noch essen? Wenn ich es als gut empfinde, wenig Fleisch zu essen, wieso esse ich dann überhaupt noch Fleisch?

In der mit Herzblut geführten Diskussion ging dabei ein elementarer Gedanke fast unter: Kein Fleisch zu essen muss nicht als Verzicht begriffen werden. Man isst deswegen ja nicht weniger, nur anders. Alternativen zu finden ist in Zeiten des Internets eine Frage von Minuten. Dazu passt auch Hilal Sezgins Wunsch am Ende der Veranstaltung: „Ich will jetzt Schoko-Torte!“, natürlich vegan!

In der Diskussion kam Hilal Sezgin immer wieder zu der kategorischen Forderung „Wir dürfen nicht ohne Not töten!“. Egal wie das Tier zu Lebzeiten gehalten wird, so ist es am Ende doch tot, weil wir es umbringen, um es zu essen, obwohl es genug pflanzliche Lebensmittel gibt. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Abgesehen von der ein oder anderen irritierenden Frage von Jutta Prediger, wie die nach dem Fußklima in Schuhen aus Kunstleder, war die Diskussion sehr bereichernd für alle, die sich mit dem Thema bereits beschäftigt haben, aber auch ein toller Einstieg für omnivore Zuhörer. Auch wenn Hilal Sezgins Forderungen in ihrer Radikalität wohl noch lange Zeit eine Utopie bleiben werden und für viele Einsteiger zunächst abschreckend wirken, so hat sich bei der Diskussion gezeigt, dass auch eine radikale Idee mit Eloquenz, Humor und Charme vertreten werden kann.