Wie wäre es eigentlich, mal selbst an einer UN-Klimakonferenz teilzunehmen? Wie läuft so etwas ab? Wer spricht mit wem? Welche Prozesse führen zu den Entscheidungen, die dann den Ausschlag über Fortbestand oder Sinken ganzer Inselstaaten oder die (Nicht-) Erreichung des 2-Grad-Ziels geben? Am Samstag vergangene Woche, knapp drei Wochen vor Start der COP21 in Paris, hatte man beim SPIELART Festival in München Gelegenheit, es auszuprobieren.

Deutsches SchauSpielHaus Hamburg: »Welt-Klimakonferenz« von Rimini Protokoll. Auf dem Foto von links: Ute Hannig, Dr. Florian Rauser, Dr. Sebastian Sonntag © Aysegül Suna / Kunstschule Wandsbek

Die Idee hinter der 2014 am Hamburger SchauSpielHaus entstandenen „Welt-Klimakonferenz“ der Theatergruppe Rimini-Protokoll, die versucht die Mittel des Theaters weiterzuentwickeln um „ungewöhnliche Sichtweisen auf unsere Wirklichkeit zu ermöglichen“, ist hierbei so simpel wie genial: Bringe reale Expertinnen und Experten aus verschiedenen klimarelevanten Bereichen (Geografie, Meteorologie, Wirtschaft etc.) mit interessiertem Publikum zusammen, mache sie alle zu DarstellerInnen und und lasse sie im Laufe eines Abends die wesentlichsten Abläufe einer realen Klimakonferenz in komprimierter Form nachstellen.

Gleich beim Kartenabriss in den Münchner Kammerspielen, wo die Veranstaltung stattfand, bekam man hierfür ein Schlüsselband mit einem kleinen Heftchen überreicht, auf dessen Cover eine Flagge und ein Landesname prangte. Dieses verkörperte sozusagen den Zutrittspass für die „Welt-Konferenz“ und gab einem außerdem Aufschluss darüber, welches Land man im Laufe des Abends vertreten würde. In meinem Fall war es Uganda und mein Heftchen enthielt nicht nur die Agenda für die kommenden Stunden sondern auch relevante Grundsatzinformationen zu dem von mir vertretenem Land (Bevölkerung, Klima, CO2-Verbrauch, Wohlstand etc.).

Aufgebaut war der Abend angelehnt an eine reale Klimakonferenz, was heißt, dass jede Länder-Delegation verschiedene Termine wahrnehmen musste, die einen nicht nur quer durchs Theater sondern sogar aus diesem heraus führten. Auf Basis der gewonnen Informationen konnte man dann am Ende über CO2-Einsparungsziele für die kommenden Jahre und den Beitrag zum Green Climate Fond entscheiden oder sein Land ganz im Gegenteil vor allem als Leidtragenden des Klimawandels positionieren (Stichwort: „Loss & Damage“). Da die Termine für jede Delegation unterschiedlich waren (verschiedene Gruppen, ExpertInnen, Länderinformationen usw.), verlief auch die gesamte Konferenz für jede Gruppe einzigartig. Ganz wie im realen Leben bekam man also immer nur einen Teil der ganzen Wahrheit präsentiert und es blieben (Wissens)Lücken trotz derer aber dennoch Entscheidungen getroffen werden mussten.

Rimini Protokoll_Welt-Klimakonferenz_10_®Benno Tobler

Für unsere Delegation ging es unter anderem auf die Bühne, wo wir uns in Liegestühlen liegend von Kenneth Gbandi mit wichtigen Informationen zu Afrika versorgen lassen konnten. Von einem Theaterkran aus referierte er über die Afrikanische Union und das Klima im Süden des Kontinents, wobei ihm eine kreisförmige Fläche aus Scheinwerfern, Nebelmaschinen und eine Spritzflasche zur Unterstützung dienten. Nach den anschließenden Inputs zu 2-Grad-Ziel und Zertifikatehandel im großen „Plenarsaal“ mussten wir dann zum bereitgestellten Bus eilen, der auch tatsächlich abfuhr. Der auf großen Klimakonferenzen (scheinbar) gängigen Praxis, den Delegierten nicht einmal auf ihren Shuttle-Fahrten zwischen den verschiedenen Konferenz-Locations etwas Ruhe zu gönnen, sondern sie selbst dann noch mit Infos zu beschießen – in diesem Fall zum Thema „Stadtklima“ – wurde somit auch Rechnung getragen. Sogar ein bilaterales Gespräch stand auf dem Programm und zu guter Letzt gab es vor dem großen Abschluss-Plenum noch eine Strategieberatung, die schließlich auch den Ausschlag für unsere Entscheidungen gab.

Rimini Protokoll_Welt-Klimakonferenz_5_®Dennis Kossowski

Das Gesamtergebnis der bayrischen „Welt-Klimakonferenz“ fiel dann generell sehr positiv aus. Mit den vorgeschlagenen Einsparungen hätten wir das 2-Grad-Ziel bis 2050 nicht nur locker erreicht, sondern auch einen großzügigen Green Climate Fund von 102 Milliarden Dollar aufgestellt: Klimasituation also erstmals deeskaliert und viel neues Wissen im Gepäck! Da bleibt nur zu sagen: Applaus an uns, Theatermacher und ExpertInnenteam! Es war wirklich ein sensationeller Theaterabend!