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Als Vegetarierin durch Brasilien: Teil 2 einer Versuchsreihe

Treffen sich zwei Vegetarierinnen in Salvador, Brasilien… Was der Beginn eines Witzes sein könnte, ist tatsächlich passiert. Die eine Mauritierin, die andere aus Österreich. Wie ihr euch denken könnt: Ich…

Treffen sich zwei Vegetarierinnen in Salvador, Brasilien… Was der Beginn eines Witzes sein könnte, ist tatsächlich passiert. Die eine Mauritierin, die andere aus Österreich. Wie ihr euch denken könnt: Ich war die Andere. Natürlich haben wir uns – kaum die gemeinsame Leidenschaft herausgefunden – über die Schwierigkeiten unterhalten, die wir als Nicht-Fleisch- oder Fischesserinnen in diesem südamerikanischen Land über uns ergehen lassen müssen. Während ich dankbar dafür bin, mir nicht die Aufgabe gestellt zu haben, vegan durch Brasilien zu reisen und mich rettend immer wieder mit einem Pão com Queijo, einem Käsebrot, begnüge, hat die Mauritierin einen anderen Tipp: „Wenn ich nichts finde, werde ich für ein paar Tage zur Frutarierin.“

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Viele verschiedene Früchte gilt es auszuprobieren, meist als Suco = Saft

Gut, das ist natürlich auch eine Möglichkeit – dank den vielen Fruchtsäften und der Menge an neuen Obstsorten, die es hier zu entdecken gibt. Aber auf Dauer ist das ja keine Lösung. Damit ihr nicht vor dem Problem steht, solltet ihr einmal nach Brasilien fliegen, gibt es deshalb ein paar nützliche Vokabeln. Und glaubt mir, ihr werdet mir danken – denn mit Englisch oder Spanisch kommt man hier leider gar nicht weit.

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Flüssignahrung ist auch eine Möglichkeit

Ich bin Vegetarier/In. – Eu so o vegetariano / a vegetariana.
Ich esse kein Fleisch. – Não como carne ou frango.
Etwas ohne Fleisch oder Fisch? – Algo sem carne o peixe?
Fleisch – carne
Hähnchen/Hühnerfleisch – frango
Meeresfrüchte – os mariscos
Fisch – peixe
Wurst – embutido
Gemüse – legume
Butter – manteiga

Auf Pao, Sandwich oder Empanada mit Käse oder Gemüse kann man meist schon zurückgreifen. Gutes „Streetfood“ ist auch Acarajé, das die afro-brasilianisch gekleideten Verkäuferinnen vor allem in Salvador auf der Straße feilbieten. Aber Achtung, immer „sem camarão“ dazusagen, sonst landet eine böse Überraschung in Form eines Shrimps auf eurem Teller.

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Gefülltes Pastel mit Jaca Frucht

Eine gute Alternative sind auch Maiskolben oder aber Tapioca, das die Straßenverkäufer in ganz Brasilien bereit halten. Es ist eine Art Brot, das aus dem Mehl der Maniokwurzel hergestellt und mit diversen Zutaten auf süße oder salzige Art gefüllt wird. Die mit Käse und Kokosflocken kann ich genauso empfehlen wie die klassische Variante mit Käse und Tomaten.

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Tapioca

Ihr merkt schon: Trotz einiger Schwierigkeiten kann man es sich hier in Brasilien auch als Vegetarierin gut schmecken lassen.

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Als Vegetarierin durch Brasilien: Teil 1 einer Versuchsreihe

„Wir müssen unbedingt zu Mercado Municipal“, meint meine Freundin Daniela in Sao Paulo und nimmt mich gleich an der Hand, „da gibt es ein riesiges Sandwich, das sehr bekannt ist.“…

„Wir müssen unbedingt zu Mercado Municipal“, meint meine Freundin Daniela in Sao Paulo und nimmt mich gleich an der Hand, „da gibt es ein riesiges Sandwich, das sehr bekannt ist.“ „Klar, warum nicht?“, denke ich und will noch fragen: „Das ist vegetarisch!?“ Ich hätte die Frage besser stellen sollen, denn natürlich blitzte dick und fett „Mortadella Sandwich“ von der Leuchttafel des Standes. Eine Geschichte, wie sie typisch ist für Brasilien. Nein, für ganz Südamerika – ich habe es ja nach neun Monaten in Kolumbien, Ecuador, Bolivien, Argentinien und Uruguay vor zwei Jahren beinah vermutet . Manchmal ist es gar nicht so schön, recht zu haben…

Pizza auf dem Markt: Vorne mit Ruccola, hinten mit Palmita. Bild: Doris N.
Statt Fleisch-Sandwich gibt es Pizza auf dem Markt: Vorne mit Rucola, hinten mit Palmita.

Tatsächlich kann ich nach fast einer Woche in Brasilien sagen: Vegetarier haben es nicht einfach. (Veganer noch viel schwerer, aber das ist eine andere Geschichte.)

„Ich habe aber einige vegetarische Freunde – und die überleben“, versprach mir meine Freundin Cristiane, bei der ich in Rio de Janeiro untergekommen bin. Bei ihrer Familienfeier hoch über der Copacabana mit Blick aufs Meer und Zuckerhut konnte ich auch tatsächlich überleben. Wenn bloß mit Salat und Co, denn das Familienrezept eines Fisch-Kuchens war nicht ganz im Sinn einer Vegetarierin. Auch wenn es verdammt gut ausgesehen hat, wie ich gestehen muss. Doch mit Bohnen, Reis, Grünzeug und Käse kommt man hier schon weiter.

Familienbuffet: Einiges davon ist sogar für VegetarierInnen essbar. Bild: Doris N.
Familienbuffet: Einiges davon ist sogar für VegetarierInnen essbar.

Meine Rettung: Wie gut, dass in Brasilien überall in den Städten Kilo-Restaurants Furore gemacht haben. Da lädt man sich einfach alles, was man vom Buffet mag, auf den Teller und zahlt das, was man isst. Abgewogen. Je nach Kilo. Klar, es gibt auch hier vorwiegend Fleisch… aber auch Palmita, Manjioka (Maniok in jeder Form), Polenta oder Reisbällchen. Und natürlich die schön leichten, ähm, in Fett herausgebratenen oder frittierten Pasteles. Wer Glück hat, erwischt eines mit Käse – oder lässt sich von Freunden beraten. Beschriftet ist alles bloß in Portugiesisch. Wer Spanisch spricht wie ich (naja, okay, ansatzweise) hat einen klitzekleinen Vorteil.

Hoch über der Copacabana beim Familienessen mit Aussicht. Bild: Doris N.
Hoch über der Copacabana beim Familienessen mit Aussicht.

Fazit einer Woche: Vegetarier haben es nicht einfach – aber ich werde überleben. Vor allem, wenn ich mich weiterhin von Açaí mit Granola ernähre. Das Beste (und Teuerste, 13 Reals, fast vier Euro!) gibt es übrigens in Baby Lanches an der Copacabana. Ich heiße Doris und ich bin süchtig!

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The bird’s new nest Adventskalender: 5. Türchen

Hinter dem fünften Türchen unseres Adventskalenders stecken zwei Genuss-Pakete mit veganen Honig- und Met-Alternativen von Vegablum im Wert von jeweils rund 25 Euro. In jedem Genuss-Paket findet ihr einen Tapi…

Hinter dem fünften Türchen unseres Adventskalenders stecken zwei Genuss-Pakete mit veganen Honig- und Met-Alternativen von Vegablum im Wert von jeweils rund 25 Euro. In jedem Genuss-Paket findet ihr einen Tapi Dream Ringelblume, einen Tapi Dream Mädesüß, und einen Tapi Dream Kakao sowie eine Flasche Veganer ElfenTrunk Zimt.

Tapi Dream ist eine fructosearme Honig-Alternative, bei der die Süße aus der Maniokwurzel kommt. Verfeinert mit reinen Blüten-Extrakten erhält das Produkt ein herrlich natürliches Honig-Aroma. Zum Kochen, Süßen oder Backen geeignet und natürlich auch für das Frühstücksbrötchen, Pancakes oder ins vegane Joghurt – unwiderstehlicher Genuss garantiert! Tapi Dream ist bio, vegan, glutenfrei, frei von künstlichen Aromen, ohne Zusatz von Zucker, denn die Süße kommt aus der Maniokwurzel und somit für eine fructosearme Ernährung geeignet, da weniger als ein Prozent Fructose enthalten ist. Die Deckel der Gläser sind frei von PVC und Weichmachern, die Etiketten aus Graspapier gefertigt.

Veganer ElfenTrunk Zimt ist die vegane Alternative zu Met und kann heiß und kalt getrunken werden. Verfeinert mit reinem Extrakt aus Zimt entsteht der leckere Honiggeschmack durch reine Blüten-Extrakte. Die sulfitfreie Alternative wird wie damals bei den Germanen durch eine alkoholische Gärung hergestellt bis der gewünschte Alkoholgrad erreicht ist. Dadurch erhält der Vegane ElfenTrunk einen herrlich süßen Geschmack. Prost!

Die fleißigen Blümchen von Vegablum produzieren leckere Honig- und Met-Alternativen in vielen verschiedenen Sorten. Als Basis dienen reine Blüten-Extrakte, wobei die Blüten erst gepflückt werden, wenn sich die Bienen schon den Nektar geholt haben. So werden Wildbienen geschont und ihnen durch den zusätzlichen Anbau der Blüten eine noch größere Vielfalt an Nahrung geboten.

Sämtliche Honig- und Met-Alternativen von Vegablum sind bio-zertifiziert, der Rohrohrzucker stammt aus einer fairen Kooperative aus Brasilien. Auch sonst wird beim Einkauf der Zutaten auf faire Arbeitsbedingungen geachtet und so ökologisch wie möglich gearbeitet – Vegablum setzt auf Ökostrom und druckt auf Recyclingpapier. Ganz unter dem Motto „Veganer Genuss ohne Verzicht“ findet ihr im Online-Shop von Vegablum noch viele weitere vegane sowie biologisch und fair produzierte Produkte. Das reichhaltige Sortiment bietet von Honig-Alternativen bis hin zu leckeren Süßigkeiten alles, was euer veganes Herz höher schlagen lässt.

Mit dem Code „BIRDS10“ bekommt ihr bis 31. Dezember 2021 einen Rabatt von zehn Prozent auf alle Produkte im Online-Shop von Vegablum. Damit eure Weihnachtsgeschenke rechtzeitig ankommen, bestellt bis spätestens 15. Dezember 2021.

Viel Spaß und viel Glück allen TeilnehmerInnen!

 

Um eines der Genuss-Pakete zu gewinnen füllt einfach das folgende Formular aus – wenn ihr mit einem weiteren Los im Lostopf dabei sein wollt, könnt ihr zusätzlich einen Kommentar unter diesem Beitrag hinterlassen, welches Produkt im Online-Shop von Vegablum ihr am liebsten probieren würdet.

Fehler: Kontaktformular wurde nicht gefunden.

Die GewinnerInnen werden innerhalb von einer Woche per E-Mail von The bird’s new nest benachrichtigt.

Die Verlosung läuft bis 11. Dezember 2021, hier findet ihr die Teilnahmebedingungen.

 

Schon alle Türchen geöffnet? Wenn nicht, dann zurück zum Adventskalender!

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Reisen, die Sehnsucht nach dem Leben

„Ich habe noch ein Zimmer frei.“ In manchen Situationen hören sich diese Worte wie eine Zauberformel an. Eine, die das Glück verspricht. Eine, die die Rettung bringt. Ich befinde mich…

„Ich habe noch ein Zimmer frei.“ In manchen Situationen hören sich diese Worte wie eine Zauberformel an. Eine, die das Glück verspricht. Eine, die die Rettung bringt. Ich befinde mich gerade in einer solchen Situation. Es ist sechs Uhr morgens. Ich bin mit dem Nachtbus aus der brasilianischen Stadt Salvador ins abgelegene Vale Do Capão gereist, um im Nationalpark Chapada Diamantina zu der Ruhe zu finden, die man in Brasilien zur Zeit des Karnevals besonders suchen muss. Hier bin ich wohl richtig: Die Straßen sind menschenleer, nur ein paar Hunde streunen an mir vorbei über die Schotterwege. Mich zieht es schnurstracks zu der Herberge, in der ich ein Bett reserviert habe. Allein vom Besitzer fehlt jede Spur. Ich klopfe an sämtliche Türen, frage halb wache Gäste um Rat und klingele die Nachbarin aus dem Bett. „Er wird noch schlafen.“, so die lapidare Erklärung. Die hilft mir aber im Moment wenig. Ich möchte nach fünf Stunden mühsamer, holpriger Busfahrt nur in ein Bett.

Da kommen diese magischen Worte gerade recht. Wie in Trance steige ich zum bärtigen Brillenträger mit grauem Kraushaar, schlabbrigem Spagettihemd und kurzer Trainingshose in den verbeulten Kleinwagen. „Wohin geht’s denn?“, frage ich noch, schon ruckeln wir über die Sandstraße auf einen kleinen Hügel. Die Überraschung ist groß: Ein Zimmer ist frei? Nein, kein Zimmer, ein gemütliches, kleines Lehmhaus – eines von mittlerweile neun, das der gebürtige Salvadorianer Zeu, so heißt der Bärtige, in den Hügeln über Capão gebaut hat.

Als ich wenige Minuten später im Bett meines temporären Zuhauses liege, strömen eine Wärme und satte Zufriedenheit durch meinen Körper. Ich bin angekommen! Es sind Momente und Erlebnisse wie diese, in denen ich spüre, im Fluss zu sein. In denen ich darauf vertraue, vom Leben getragen zu werden. In denen ich merke, dass alles einen Sinn ergibt und die Dinge passieren, die passieren sollen. Momente und Erlebnisse wie diese sind ein Grund, warum ich reise.

„Reisen ist die Sehnsucht nach dem Leben.“, beschreibt der deutsche Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky treffsicher meinen Drang, den ich mit 5,4 Millionen Österreicherinnen und Österreichern teile. 76,2 Prozent der Bevölkerung sind 2012 zumindest einmal im In- oder Ausland unterwegs gewesen und somit dieser Sehnsucht gefolgt, die 1336 zum ersten Mal literarisch erwähnt wurde. Damals berichtete Francesco Petrarca von einer Besteigung des Mont-Ventoux und traf damit buchstäblich ins Schwarze, ist das Wort „reisen“ doch mit dem Althochdeutschen „risan“ und dem englischen Verb „to rise“ verwandt, was soviel heißt wie: Sich erheben oder aufstehen.

Es ist eine Bewegung, die eine gewisse Anstrengung bereits in sich trägt. Wie viel Energie es kostet, eine gewohnte, gemütliche Position zu verlassen, den Allerwertesten hochzukriegen und aufzustehen, das merken wir Tag für Tag. Morgens nämlich, wenn der Wecker klingelt und wir die Wärme des Betts gegen die Hektik des Alltags eintauschen (müssen). Nicht anders ist es beim Reisen, verlangt doch ein Ortswechsel neben dem nötigen Kleingeld und der Zeit eine gehörige Portion Überwindung. Von der ersten Idee über die Vorbereitung, das Packen bis zum tatsächlichen Unterwegssein, ja, selbst das Heimkommen – bei allem müssen wir planen, tun, machen, aktiv sein.

Und doch hat schon vor über zweitausend Jahren die bürgerliche Elite des alten Roms die Mühe auf sich genommen, sich aufzumachen ins Unbekannte, dort eine Zeit zu verweilen und schließlich wieder in die Heimat zurück zu kehren. Soviel sich seither auch verändert hat, zuhause bleiben möchten die meisten von uns noch immer nicht. Im Gegenteil: Tourismus hat sich zum drittgrößten Wirtschaftszweig der Welt entwickelt. Wachsenden Freizeitbudgets, finanziellen Ressourcen, internationalen Verkehrsanbindungen sowie Reiseanbietern sei dank. Reisen gehört mittlerweile zum guten Ton, vor allem für diejenigen, die es zu Hause so schön haben „wie im Urlaub“. Anders als in unterentwickelten Ländern reisen wir in Europa, Nordamerika, Australien oder Japan meist nicht, weil wir müssen, sondern weil wir können. Da lautet die Frage weniger, ob man unterwegs ist, sondern eher wohin es diesmal geht. Je weiter, je exotischer, je ungewöhnlicher, desto besser. In der Ferne locken die Vorstellungen von günstigen Preisen, freundlicherem Menschen, sonnigerem Klima – und überhaupt ist im Ausland alles besser als das, was wir im Alltag finden. Doch es sind nicht diese Reize, die uns in die Ferne ziehen, behauptete der Gesellschaftskritiker Hans Magnus Enzensberger 1958 in seiner „Theorie zum Tourismus“, wir fliehen vor der Unerträglichkeit unserer eigenen Lebensumstände. Die boomenden Last-Minute-Angebote scheinen ihm auch heute – über 60 Jahre später – teilweise recht zu geben: Wohin es geht, ist nicht wichtig. Wir folgen der Sehnsucht, „raus“ zu kommen – aus unserem Alltag, aus unserer Routine.

„Im Reisen befriedigen wir unseren Drang, der Gewohnheit zu entfliehen. Sie birgt die Gefahr, das Außergewöhnliche mit der Zeit für selbstverständlich zu nehmen.“, beantwortet der Philosoph und Schriftsteller Alain de Botton in seinem Buch „Kunst des Reisens“ die Frage nach dem Sinn des Unterwegs seins, die Kritiker seit Beginn des Massentourismus beschäftigt. „Der erste Kuss, das erste Mal Autofahren – dieses unfassbare Gefühl von Freiheit – , die erste eigene Wohnung – die Gewöhnung an die Wunder des Alltags macht das Wunder selbst ordinär. Daher bietet das Reisen die Kehrseite unseres all zu vorhersehbaren Daseins auf dieser Welt.“ Wie recht er hat, das weiß jeder, der schon einmal unterwegs war. Auch wenn die Zeit der abenteuerlichen Entdeckungsreisen vorbei ist und selbst die abgeschiedensten Ureinwohner-Völker im Amazonas bereits besucht werden können, ist Reisen heute ebenfalls nichts anderes als ständig über Neues zu staunen, sich an die Außergewöhnlichkeit vieler Dinge zu erinnern und unzählige erste Male zu erleben. Die erste Nacht im fremden Bett. Das erste Probieren der lokalen Speisen. Der erste Spaziergang durch unbekannte Straßen – Premieren wie diese verändern unsere Wahrnehmungen, fordern uns heraus, alt eingesessene Bilder durch unsere – subjektive – Wahrheit zu ersetzen. Sie lassen neue Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen entstehen und ein Lernen stattfinden. Oder um es mit Anatole France zu sagen: „Was ist Reisen? Ein Ortswechsel? Keineswegs! Beim Reisen wechselt man seine Meinungen und Vorurteile.“ Vorausgesetzt, wir sind wachsam. Vorausgesetzt, wir lassen es zu. Vorausgesetzt, wir lassen uns darauf ein.

Letzteres ist die große Herausforderung von heute. In keiner anderen Zeit waren wir so viel unterwegs, in keiner anderen Zeit war die Welt so klein wie heutzutage. Wir haben konkrete Vorstellungen von Ländern und Völkern. Wir glauben, sie zu kennen, weil wir wissen, wo sie liegen und wie sie heißen. Weil die USA via Fernseher näher sind als so mancher Nachbar und weil der Chat mit dem thailändischen Bekannten schneller initiiert ist als ein Gespräch mit dem eigenen Partner. Wir machen es uns mit den Abziehbildern und Beschreibungen anderer bequem, buchen Pauschalreisen sowie Cluburlaube und trotten lieber einem deutschsprachigen Reiseleiter hinterher, als uns mit Händen und Füßen verständigen zu müssen und vielleicht vom Weg abzukommen. „Ein Problem des modernen Reisens ist, dass der Gedanke an eine spontane Entdeckung stark gefährdet ist, weil man alles auf einer Webcam oder in einer Broschüre sehen kann, bevor man überhaupt dort hinfährt.“, meint de Botton und zeigt damit ein Paradoxon auf: Ja, wir wollen Aufregung, aber bitte nicht zu viel davon. Wir wollen Fantastisches finden, aber geplant und kalkuliert auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Wir wollen die Welt erkunden, aber ohne auf das Bekannte zu verzichten. Dann suchen wir Schutz in unserer eigenen Sprache, dem heimischen Essen und der eigenen Bräuche wie sie bei geführten Reisen oft zu finden sind. „Statt sich im Unbekannten zu finden, zahlen Urlauber Geld, um Überraschungen aus dem Weg zu gehen“, formulierte es der Bestsellerautor Ilija Trojanow plakativ, „der Sinn des Reisens ist auf den Kopf gestellt: anstatt sich der Fremde und den Fragen in der Fremde auszusetzen, zahlt man Geld, um ihr aus dem Weg zu gehen. So bleibt das Gefühl der Befremdung auf der Strecke, das Gefühl, sich zu verlieren, das Gefühl, nicht zu verstehen, das Gefühl, nackt zu sein. Es entschwindet die existentielle Überraschung“, meint Trojanow.

Doch so gut wir planen, so geschickt wir unsere eigenen Unsicherheiten austricksen wollen – es wird auf Reisen passieren: Das Unerwartete, das Überraschende, das, nach dem wir uns oft unbewusst so sehnen. Es geschieht in Form eines Busses, der nicht kommt und einen zwingt, seine Pläne über den Haufen zu werfen. Es geschieht, wenn man die vorgefertigten Routen aus dem Reiseführer verlässt und sich in den Gassen der Stadt verirrt. Es geschieht, wenn man – wie ich – der Einladung eines Fremden folgt und in einem Lehmhaus mitten im brasilianischen Tal de Capão landet, das einem die Ruhe bietet, von der man geträumt hat. „Es ist das Unerwartete, das betört“, beschreibt Trojanow diese Momente, die sich in unsere Herzen brennen und von denen wir noch lange zehren, „die meisten Reisenden kehren mit eigenwilligen Schätzen heim – mit scheinbaren Nebensächlichkeiten. Und plötzlich ist ein Zauber spürbar, den keine Planung und kein Angebot bereithalten können.“

Sich treiben lassen nennen einige diese Differenz zwischen Plan und Wirklichkeit nach der wir uns so sehnen. Freiheit nennen es andere und meinen damit eine Freiheit, die alles Bekannte auf den Kopf stellt und umwirft, was man für selbstverständlich hält. Es ist eine Freiheit, die wir in All-Inclusive-Clubs nie finden werden und die in engen Zeitplänen zwischen Job und Haushalt, Schwiegereltern und Kindern oft keinen Platz hat. Es ist aber auch eine Freiheit, die anstrengt, weil sie von uns verlangt, immer wachsam und aufmerksam zu bleiben. Um sich zurecht zu finden, um in der Fremde nicht über den Tisch gezogen zu werden, um die Eindrücke zu verarbeiten. „Das ist nicht selten eine Herausforderung und nicht immer angenehm“, sagt de Botton in einem Interview, „doch eine echte Reise muss wirken, muss beschäftigen und zum Nachdenken über Gott und die Welt anregen. Sie soll keine Erholung bringen, nicht beruhigen und einlullen. Einer der fantastischen Aspekte des Reisens besteht für mich darin, dass die eigenen Klischees infrage gestellt oder zumindest nuanciert oder ergänzt werden.“

Es sind nicht nur die Meinungen über die Außenwelt, über die Anderen, die wir auf Reisen über Bord werfen dürfen. „Der kürzeste Weg zu sich selbst
 führt um die Welt herum.“, lautet ein Zitat von Hermann Keyserling und beschreibt ein großes, wenn auch oft unbewusstes Ziel der meisten Reisen: Man fährt eine Woche irgendwo hin, kommt zurück und alles ist anders. Man selbst ist anders. Tatsächlich birgt jede Reise die Chance, inne zu halten, sich selbst zu beobachten und so ein Stück weiter bei sich anzukommen. Unterwegs (er)leben wir alles intensiver, Glück und Unglück sind oft nur Sekunden voneinander getrennt: Da stehen wir in einem Moment staunend vor einem Weltwunder wie dem Taj Mahal und sehen kurz darauf halbnackte Bettler, die Essensreste von der Straße klauben. Wie reagieren wir, wenn in Bolivien wieder einmal kein heißes Wasser vorhanden ist oder der Strom stundenlang ausfällt? Wie gehen wir mit dem Müll um, den die Beduinen in der jordanischen Wüste zurück lassen? Wie fühlen wir uns, wenn uns in Indien jede noch so arme Familie zu sich nach Hause einlädt? Erlebnisse wie diese lassen uns demütig werden und konfrontieren uns mit unseren Grenzen. Je mehr wir sehen und erleben, desto eher wissen wir, wer wir sind, was wir vom Leben wollen, was uns wichtig ist und was wir brauchen, um glücklich zu sein. Und doch wäre es ein Trugschluss, zu glauben, dass jedes Unterwegssein automatisch verändert. Ganz im Gegenteil: „Reisen garantiert keine innere Wandlung, und ich denke, das ist eins der Paradoxe des Reisens“, bringt es de Botton auf den Punkt, „mitunter trifft man Menschen, die nicht viel gereist sind. Aber was sie dabei gesehen haben, hat sie sehr verändert. Im Gegensatz dazu gibt es auch weit gereiste Menschen, die in ihren Beobachtungen fremder Orte und Menschen völlig banal sind.“

Dabei ist es eine der wichtigsten Aufgaben eines jeden Reisenden, seine Erfahrungen mit nach Hause zu nehmen. Ich spreche dabei nicht von denen, die wegfahren, um sich zu bestätigen, dass es zu Hause ja doch am Schönsten sei und sowieso alles besser funktioniere, pünktlicher und sauberer sei. Auch nicht von den „achtzig Prozent aller Reisenden“, für die „Rückkehr das glücklichste Erlebnis des gesamten Urlaubs“ ist, wie es Dietmar Bittrich sarkastisch in seinem Buch „Dann fahr doch gleich nach Haus! – Wie man auf Reisen glücklich wird“ beschreibt. Aber reisen wir nicht alle, um auch wieder heimzukehren? Gestärkt mit neuer Energie, prall gefüllt mit neuem Wissen und Eindrücken, voller inspirierender Momenten und Geschichten wie die von meiner Begegnung mit Zeu im brasilianischen Vale de Capão. Es sind diese Erlebnisse, die uns im Alltag bereichern, die wir in Gesprächen weitergeben können und die uns nähren – so lange, bis uns die Sehnsucht nach der Ferne, nach dem Leben, wieder ruft!

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Die Inspektorin: Vom Fußball- zum Vitaminkick – immer wieder Ökokiste

In Brasilien kämpfen gerade viele Nationen um den Sieg der Fußball-WM. Während wir gebannt auf der Couch oder beim Public Viewing sitzen und die Zitterpartien verfolgen, können wir den Sommer…

In Brasilien kämpfen gerade viele Nationen um den Sieg der Fußball-WM. Während wir gebannt auf der Couch oder beim Public Viewing sitzen und die Zitterpartien verfolgen, können wir den Sommer – die beste Zeit für frisches Obst und Gemüse – nutzen, um uns mit frischem Biogemüse die Vitaminkicks direkt vor die Haustür liefern zu lassen. Für Ökokisten gibt es ja so einige Pros und Contras. Einerseits bekommt man frisches Bioobst und -gemüse direkt vor die Haustür geliefert, andererseits schafft man es vielleicht nicht immer, auch alles zu verwerten oder bekommt eine Gemüsesorte geliefert, die man normalerweise nicht essen würde. Diese und einige andere Argumente will ich in diesem Kolumnenbeitrag abwägen.

Frisches Obst und Gemüse direkt vor die Haustür

Vielleicht schafft man es jetzt gerade nicht so oft in den Supermarkt, weil das Wetter zu angenehmeren Aktivitäten im Freien verführt. Deshalb ist es natürlich äußerst praktisch – und so gut wie plastikfrei – sich eine Biokiste direkt vor die Haustür liefern zu lassen. Ein paar Vorräte wie Reis, Nudeln oder Cous Cous finden sich meistens im Vorratsschrank. Mit dem gelieferten Gemüse und Gewürzen lässt sich eine leichte und leckere Hauptspeise zaubern. Falls ihr auch Obst bestellt habt, sorgt das für einen Vitaminkick für unterwegs oder beim Fußball schauen.

Die Inhalte von Biokisten sind meistens saisonal. Saisonales passt üblicherweise auch sehr gut zum Wetter. Gerade jetzt hat man eher Lust auf leichtes Essen oder auf eine kühle Erfrischung in Form von Salaten oder geeisten Suppen wie Gazpacho oder einer Melonenkaltschale. Alles Speisen, die sich je nach Zusammensetzung aus der Lieferung einer Biokiste zubereiten lassen.

Lust auf unbekannte Sorten?

Dann lass dich doch von einem seltenen Gemüse in deiner Biokiste überraschen! Ich wurde zum Beispiel schon mit runden Zucchini, die grün-gelb gestreift waren, beliefert. Dass es Zucchini waren habe ich erst durch einen Blick auf den Lieferschein erfahren, gefühlsmäßig habe ich nämlich auf Kürbis getippt. Beim Obst kann es auch immer wieder Neues geben. Letzten Sommer durfte ich weiße Marillen kennenlernen, die härter und somit resistenter gegen Druckstellen waren, im Geschmack aber mindestens genauso aromatisch wie die verbreitete orangene Sorte.

Viele Biokisten-Anbieter nehmen Rücksicht auf deine Vorlieben, falls du eine Obst- oder Gemüsesorte gar nicht magst, und liefern dir stattdessen eine andere Sorte mit. In meine Kiste dürfen zum Beispiel keine Kohlrabi. Geschmäcker sind eben einfach verschieden.

Lust auf neue Rezepte?

Vielen Biokisten sind Rezepte für die gelieferten Inhalte beigelegt. Oft findest du auch Rezeptideen auf der Homepage von Biokistenanbietern. So bekommst du Inspiration für die Zubereitung seltener Sorten oder dafür, Altbekanntes einmal ganz anders zu verkochen. So habe ich zum Beispiel schon Kürbisnockerl und Fenchelkartoffelpuffer kennengelernt.

 

Falls du fürchtest, nicht alles verwerten zu können, könntest du die Herausforderung einfach trotzdem annehmen und versuchen, Tag für Tag die Zutaten deiner Biokiste zu verarbeiten. Oder du experimentierst mit der Regelmäßigkeit der Lieferung. Meistens kannst du entscheiden, ob die die Kiste wöchentlich, alle zwei Wochen, alle drei Wochen oder nur alle vier Wochen erhalten möchtest. Oder du entscheidest dich für eine Einmallieferung und bei Gefallen bestellst du die Kisten einfach abhängig davon, ob dir die Zusammenstellung der Kiste zusagt oder nicht.

Falls du Lust auf eine gesunde Biokiste bekommen hast, google doch einfach nach einem Anbieter in deiner Nähe. Oder es kommt einer der Folgenden für dich in Frage:

Raum Wien, Niederösterreich, Burgenland: biomitters Ökokiste

Raum Tirol: bio box tirol

Raum Oberösterreich: diebiokiste.at

Hast du schon einmal eine Biokiste bestellt? Von welchem Anbieter beziehst du dein Biogemüse und -obst? Was schätzt du besonders an deiner Ökokiste?

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Coffee Circle – Kaffee und noch viel mehr!

Ich liebe Kaffee! Wer mir auf Twitter folgt wird vielleicht wissen, dass ich meiner Liebe zu Kaffee mit einem eigenen Hashtag namens #coffeelove Ausdruck verleihe. Und natürlich bereite ich meinen…

Ich liebe Kaffee! Wer mir auf Twitter folgt wird vielleicht wissen, dass ich meiner Liebe zu Kaffee mit einem eigenen Hashtag namens #coffeelove Ausdruck verleihe. Und natürlich bereite ich meinen Kaffee ganz klassisch in der Espressokanne am Herd zu. Und bei einer Sache bin ich kompromisslos – der Kaffee muss aus kontrolliert biologischem Anbau stammen.

Deshalb war mein Interesse auch sofort geweckt, als ich über Doris auf Coffee Circle gestoßen bin, deren Kaffee nicht nur biologisch, sondern auch unter fairen Bedingungen angebaut wird. Das Angebot, zwei ihrer Kaffeesorten zu testen, habe ich in diesem Fall natürlich sehr gerne angenommen. Aber nun zuerst einmal ein wenig Information über Coffee Circle.

Ich hatte zwar schon einige Male von Coffee Circle gehört, mir war aber nie bewusst, dass das Unternehmen Produkte anbietet, die zu meinem nachhaltigen Einkaufsverhalten passen. Warum sie mir so lange entgangen ist, ist mir ein Rätsel, denn als ich mich über das Unternehmen informiert und im Shop gestöbert habe, war ich sehr angetan vom vielfältigen und ansprechenden Angebot.

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Der Name Coffee Circle ist Programm: Der Kaffee-Kreislauf beginnt in Äthiopien, führt über Hamburg bis zu den Konsumenten nach Hause. Diese wiederum sorgen dafür, dass mit Hilfe von Coffee Circle die Kaffeebauern für ihre Kaffees nicht nur den drei- bis vierfachen Weltmarktpreis, sondern auch eine Projektspende – ein Euro pro Kilogramm verkauften Kaffee – erhalten, die zu 100 Prozent in die Umsetzung vor Ort investiert wird.

Die Idee zum Unternehmen entstand 2009, als das zukünftige Team hinter Coffee Circle im Rahmen eines Sabbaticals in Äthiopien bei der Eröffnung einer Schule für Waisenmädchen mithalf. Vom Geschmack des äthiopischen Kaffees waren alle begeistert, erfuhren aber auch von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Kaffeebauern. Denn der in Äthiopien bezahlte Kaffee-Einkaufspreis orientiert sich am Weltmarktpreis für Kaffee. Gerade bei den Kaffees aus den größten Anbauländern Brasilien, Vietnam und Indonesien handelt es sich um auf Plantagen angebaute und von Maschinen geerntete und verarbeitete Bohnen von niedrigster Qualität. Während westliche Handelsketten Spitzenumsätze mit den hochwertigen ägyptischen Bohnen erzielen, reichen die Einnahmen der Kaffeefarmer oft nicht einmal dazu, ihre Familien zu ernähren. Zurück in Deutschland wurde die Grundidee von Coffee Circle entwickelt: Der Verkauf von äthiopischem Gourmet-Kaffee kombiniert mit direkter Aufbauhilfe vor Ort.

Von den zehn Sorten, die Coffee Circle anbietet, wurden mir für die Zubereitung in der Espressokanne der Espresso sowie die Waldkaffee-Sorte Yirgacheffe empfohlen. Nachdem diese vor meinem Geburtstagswochenende eingetroffen sind, habe ich auch gleich Geburstagsgast Verena als Kaffeetesterin rekrutiert, um sie zu ihrer Meinung zu den beiden Kaffeesorten zu befragen.

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Sofort aufgefallen ist uns, dass es sich bei beiden Sorten um sehr milden, würzigen Kaffee mit individuellem Aroma handelt. Dem Espresso habe ich eine fruchtigen Note zugeschrieben, Verenas Empfinden nach hatte er einen leichten Lakritz-Ton. Dem Waldkaffee Yirgacheffe hat Verena das Attribut „süßlich, mit Honigaroma“ verliehen, mich hat er etwas an Chai-Tee erinnert. Yirgacheffe war der mildere von den beiden Sorten, und müssten wir einen Favoriten wählen, würden wir den Espresso küren – vielleicht weil wir beide Espresso-Liebhaber mit Espresso-Kannen sind.

Beim Stöbern im Shop habe ich auch ein paar Produkte auf meine persönliche Wunschliste gesetzt, denn wenn ich Ende diesen Jahres umziehe, habe ich auch endlich mehr Platz, zum Beispiel für eine Erweiterung meiner Tassen-Sammlung mit der Schnurrbart-Tasse.

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Für meinen langgehegten Traum nach einem feinen Milchschaum hätte ich für mich noch diesen Latte Shaker gefunden – das ersetzt vielleicht auch gleich den Morgensport. Im Shop finden sich noch viele weitere interessante, brauchbare und schicke Tools rund um den perfekten Kaffeegenuss.

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Mein Fazit: Ich bin sehr angetan von Coffee Circle. Nicht nur vom modernen und nachhaltigen Konzept, sondern auch von allem, was das Unternehmen rund um Kaffee bietet – von den sehr sorgfältig ausgewählten Produkten im Shop, vom Blog, der einen Blick ins Unternehmen bietet, den umfassenden Hintergrundinfos rund um Kaffee, und last but not least natürlich vom bio-zertifizierten Kaffee selbst. Mich hat Coffee Circle als neuen Kunden dazugewonnen – wir sehen uns spätestens bei meinem Umzug wieder!

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travel2change: Reisen mit Sinn

Ich möchte etwas bewegen! Den Gedanken kennt wohl jeder Reisende, der schon einmal in Asien, Latein- oder Südamerika beziehungsweise Afrika unterwegs war. Manchmal ist man schier sprach- und bewegungslos angesichts unzähliger Menschen,…

Ich möchte etwas bewegen! Den Gedanken kennt wohl jeder Reisende, der schon einmal in Asien, Latein- oder Südamerika beziehungsweise Afrika unterwegs war. Manchmal ist man schier sprach- und bewegungslos angesichts unzähliger Menschen, die in Indien nackt auf der Straße schlafen. Man fühlt sich machtlos, wenn man Leute im Müll wühlen sieht – und weiß, dass sie noch Glück haben, Essbares zu finden. Man hat Mitleid mit Kindern, die sich in Bergdörfern mit fünfzig anderen in eine Schulklasse zwängen und nicht einmal ein Heft zum Schreiben besitzen. „Man“ – ich spreche hier von mir, mit den Gefühlen und Gedanken bin ich aber offenbar nicht alleine: Nicht umsonst gibt es zahlreiche Websites und Anbieter, die sich auf die Vermittlung von Hilfseinsätzen, Freiwilligenarbeit und sonstigen Sozialprogrammen spezialisiert haben. Meist gegen Geld.

travel2change ist anders. Das zeigt schon die Gründungsgeschichte: Der Vorarlberger Thomas Kohler hat die Organisation ins Leben gerufen, nachdem er selbst im Surfurlaub auf Mauritius damit konfrontiert war, dass die lokale Jugend auf Grund mangelnder Ausrüstung und Ressourcen keine Erfahrungen wie er als Reisender machen konnte. Obwohl sie im Paradies leben, konnten sie dies nicht auf die gleiche Weise erleben und genießen wie ökonomisch besser gestellte Reisende. Diese Ungleichheit hat ihn letztlich motiviert, vor Ort einen direkten Austausch zu initiieren; nachdem das Problem aber nicht nur auf Mauritius besteht, hat er die Plattform ins Leben gerufen, um die Situation weltweit zu verbessern.

Ich habe Gründer Thomas Kohler und Sina Hillger, Community Manager von Travel2Change interviewt: 

Doris: Ich kann mich noch an die erste Begegnung mit euch erinnern. Da hattet ihr einen Wettbewerb gestartet, bei dem Leute sinnstiftende Reiseideen vorschlagen sollten. Der Sieger erhielt Unterstützung, das Projekt umzusetzen. Was hat sich seither getan? 

Im Wesentlichen hat sich an der Idee nichts geändert. Allerdings haben wir die Positionierung laufend aufgrund der gemachten Erfahrungen angepasst. Wir wollen Reisende und die lokale Bevölkerung rund um sinnvolle Reiseerlebnisse zusammenbringen. Die lokale Bevölkerung (Non-Profit-Organisationen oder Einzelpersonen) bieten Reisenden die Möglichkeit, bei sinnstiftenden Erlebnissen teilzunehmen. Diese travel2change Erlebnisse sollen für die lokale Bevölkerung Nutzen stiften. Zusätzlich zu den Wettbewerben soll unsere Plattform die laufende Vernetzung von Reisenden und der lokalen Bevölkerung rund um travel2change Erlebnisse fördern.

Wie bei unserem Start, gibt es nach wie vor die Wettbewerbe auf der Plattform www.travel2change.org. Mit den Wettbewerben sammeln wir Ideen und inspirierende Projekte wie Reisende in Zusammenarbeit mit der Lokalbevölkerung gemeinsam etwas Sinnstiftendes erleben und erschaffen können. Momentan ist der Fokus auf der Sports, Hawaii und der Atlantic Rainforest Challenge.

Für Reisende ist euer Projekt kostenlos: Wie wird die Arbeit finanziert? Woher kommt das Geld?

Wir stellen die Plattform kostenlos für jeden bereit. Wir sind kein Reiseveranstalter und in die Organisation, die Koordination einer Reise sowie der sinnstiftenden Zusammenarbeit der Reisenden und Lokalbevölkerung nicht involviert. Dies geschieht eigeninitiativ. Unser Team arbeitet auf freiwilliger Basis. Wenn wir einen Wettbewerb ausschreiben, werden anfallende Kosten vom Sponsor gedeckt und Gewinne bereitgestellt.

Soviel ich weiß, arbeitet ihr mit Sponsoring-Partnern zusammen, nach welchen Kriterien sucht ihr die aus?

Grundsätzlich haben wir keine festen Kriterien, nach denen Sponsoring-Partner ausgewählt werden. Uns ist wichtig, dass der Partner ähnliche Werte vertritt und die Ziele übereinstimmen. Zum Beispiel wird der Wettbewerb für den Atlantischen Regenwald von „Sudden Rush Guarana“ unterstützt, weil das Produkt die Region in Brasilien fördert.

Foto: Hanno Mackowitch

Wie bestimmt ihr, welche Programme und Projekte ihr unterstützt?

Wir unterstützen jede Idee, die keine ethischen oder moralischen Kontroversen mit sich zieht. Auf Grund der großen Unterschiede ist es auch schwer möglich zu sagen, welches Reiseerlebnis besser ist als andere. Solange gewährleistet ist, dass ein gewinnbringender (und damit ist nicht zwangsläufig ökonomischer Gewinn gemeint!) Austausch von Reisenden und der Lokalbevölkerung stattfindet, bekommen die Initiatoren unsere Unterstützung im Sinne von Marketing und Nutzung unseres Netzwerks.

Wenn jemand mit travel2change eine Reise antritt, was ist eure Dienstleistung? Wie unterstützt ihr die Reisenden bei ihren travel2changes?

Wir stellen die Plattform auf der sich Reisende informieren, inspirieren lassen und austauschen können. Weiterhin können sie dort mit lokalen Organisationen in der Zieldestination in Kontakt treten, um an bestehenden Projekten mitzuwirken.

Sina, du bist Community Manager: Wie sieht deine Arbeit aus?

Als Community Manager bin ich zum einen Ansprechpartnerin für jeden, der sich auf travel2change anmeldet. Dabei gibt es technische, inhaltliche und auch persönliche Fragen. 95 Prozent des Kontakts geschieht per Mail; es kommt aber auch vor, dass ich Gespräche via Skype führe, zum Beispiel um travel2change näher zu erläutern oder Feedback zu Ideen zu geben.

Das Team. Foto: Travel2Change

Wenn du dir ein sinnvolles Reiseprojekt aussuchen könntest: Was würdest du am liebsten tun, wohin würde es dich verschlagen und warum?

Da ich bereits ein Jahr lang in Indien in der Stadt-Slumentwicklung im Bereich Sanitärversorgung tätig war, reizt mich der asiatische Raum sehr. Als Reisende würde ich aber keine Großstadt als Ziel wählen, weil ich Erholung in der Natur finde. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, in einer Auffangstation für Orang Utans in Borneo oder Sumatra mitzuwirken.

Hatte schon einmal jemand, der eine Challenge gewonnen hatte, ein Problem? Wie wurde es gelöst?

Während unserer ersten Challenge – der Water Challenge in Zusammenarbeit mit Kuoni Reisen – hätte ein Projekt besser funktionieren können. Der Projektleiter der kenianischen Organisation war weniger am Projekt als am Projektbudget interessiert, so dass wir Kürzungen vorgenommen haben, weil die ausgemachten Aktivitäten und Ziele nicht erreicht wurden.

Aufgrund fehlenden Budgets sind wir bei der Koordination der Projekte lediglich unterstützend tätig. Unsere Leistung an Challenge Gewinner besteht eigentlich nur in der Übermittlung des Gewinns; jegliche Organisation und Koordination mit den lokalen Kontaktpersonen geschieht selbstinitiativ und darum sind wir in Probleme und deren Lösung nicht zwangsläufig involviert. Natürlich stehen wir aber in Kontakt mit unseren Gewinnern und freuen uns über Updates und Feedback aus ihrer Arbeit.

Die Frage: Heute in fünf Jahren – wo seid ihr mit travel2change?

Eine Vision ist, dass wir in allen Ländern der Welt durch lokale Organisationen vertreten sind, die travel2change experiences anbieten und so Reisenden ermöglichen, das Land und seine Umstände authentischer zu erleben und im Gegenzug durch deren Motivation, Wissen und Einsatzbereitschaft zu profitieren.

Wer sich für travel2change weiter interessiert oder an einer der Challenges teilnehmen möchte, wirft am besten einen Blick auf die Website: www.travel2change.org

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Vale Do Capão: Auszeit mit Zeus, Zirkus und einem Gefühl wie zuhause

Eigentlich heißt er ja Zeu. Für mich wird er aber immer der griechische Göttervater Zeus sein: Wie vom Himmel herab gestiegen ist er plötzlich vor mir gestanden oder besser gesessen in seinem…

Eigentlich heißt er ja Zeu. Für mich wird er aber immer der griechische Göttervater Zeus sein: Wie vom Himmel herab gestiegen ist er plötzlich vor mir gestanden oder besser gesessen in seinem verbeulten Kleinwagen, von dessen ursprünglich schwarzer Farbe dank der roten Erde hier im Nationalpark Chapada Diamantina kaum mehr etwas zu erkennen ist. „Ich habe noch ein Zimmer frei“, diese – englischen(!) – Worte klingen jetzt noch wie Musik in meinen Ohren.

Das Dorf von Capao ist klein, aber fein. Foto: Doris
Das Dorf von Capao ist klein, aber fein. Foto: Doris

Es ist nicht einmal 6.00 Uhr früh. Ich bin gerade mit dem Nachtbus aus Salvador samt Kleintransport aus der nächstgelegenen Stadt Palmeiras hier im Vale Do Capão angekommen und schnurstracks zu meiner Alberque gestapft. Dort hatte ich via Facebook ein Bett gemietet – 25 Reais mit Morgenkaffee hieß es, und die Empfehlung einer Rezeptionistin im Hostel El Misti tat ihr Übriges. Allein vom Besitzer ist keine Spur: Fünfmal bin ich vor der Alberque auf und ab gegangen, habe halb wache Gäste um Rat gefragt, an verschiedene Türen geklopft, die Nachbarin aus dem Bett geklingelt. „Er wird wohl noch schlafen“, so die lapidare Erklärung. Die hilft mir jetzt aber nichts: Ich bin hundemüde von 5 Stunden rumpeligem mehr Wach- als Schlafzustand. Ich will einfach nur ein, zwei Stündchen schlafen, in einem Bett!

Und dann kommt Zeu(s)! Anfangs bin ich skeptisch: Den Ratschlag, nicht mit Fremden mitzugehen, habe ich schon öfters missachtet – ein weiteres Mal zählt nicht mehr. In meinem Trance-Zustand steige ich also zu diesem bärtigen Brillenträger mit grauem Kraushaar, schlabbrigem Spagettihemd und kurzer Trainingshose ins Auto. „Wohin geht’s denn?“, frage ich noch kurz, schon ruckeln wir über die Sandstraße – asphaltierte Wege gibt es in Capao nur im Dorfzentrum – auf einen kleinen Hügel hinauf. „Chales do Zeu“ begrüßt uns ein Anschlagbrett mit bunter Schrift, das sich frech zwischen dem üppigen Grün der Büsche und Bäume ringsum seinen Weg geschlagen hat.

Darf ich vorstellen: Mein kleines Häuschen. Foto: Doris
Darf ich vorstellen: Mein kleines Häuschen. Foto: Doris

Das ist also mein Zuhause für die nächsten fünf Tage! Die Überraschung ist groß: Zimmer, nein, es ist ein kuscheliges, kleines Lehmhaus – eines von mittlerweile neun, das der Salvadorianer dort in den Hügeln über Capão gebaut hat. „Fünf Jahre bin ich immer wieder gekommen, bis ich so viel Geld angespart hatte, um mir den Grund zu leisten“, erklärt mir der Künstler später. Dass er sich in das Stückchen Erde verliebt hat, liegt vor allem am Ausblick – und ich kann es ihm nicht verdenken. Keine zwei Sekunden dauert es, bin auch ich voll entflammt: Gaskochnische, Badezimmer, ein tonerdener Wasserkrug mit Filter fürs Leitungswasser, ein Traumfänger über einem mit bunter Decke bestücktem Einzelbett … Das Beste aber befindet sich im zweiten Stock: Wer über die Holzleiter hinaufklettert, der wird dort nicht nur vom himmlischen Doppelbett mit Moskitonetz empfangen, sondern vor allem von einem Ausblick über das Tal, der mich von jetzt an Morgen für Morgen zweifeln lässt, ob ich überhaupt aufgewacht bin oder einfach nur weiter träume.

Der Blick am Morgen - aufwachen geht ganz leicht. Foto: Doris
Der Blick am Morgen – aufwachen geht ganz leicht. Foto: Doris

Ich bin angekommen! Genau von diesem Ort habe ich geträumt, als ich heute früh vor der Alberque gestanden und einen kurzen Blick in die winzigen, dunklen Kammern mit Stockbetten geworfen habe. Genau diesen Platz für mich, diese Auszeit habe ich gebraucht nach intensiven Arbeits- und Reisewochen hier in Brasilien. Hier kann ich entspannen und meditieren, meine Yoga-Matte ausbreiten und den Tag mit Sonnengrüßen beginnen. Hier kann ich mit einem frisch gebrühten Kaffee an der Feuerstelle draußen vor meinem blau bemalten Häuschen sitzen und ein Buch lesen. Oder einfach nur auf die grünen Berge rundherum starren und den dramatisch aussehenden Wolken, die ab und an einen Regenschauer rauslassen, beim Wandern zusehen. Pläne über Pläne… aber die müssen warten. Schlaf geht vor, ich falle wie tot ins Bett!

Rein ins eiskalte Nass - die beste Erfrischung nach dem Wandern. Foto: Doris
Ein Plan: Einfach nur ins Wasser starren oder rein ins eiskalte Nass – die beste Erfrischung nach dem Wandern. Foto: Doris

Zwei Stunden später bin ich dann startklar: Ich will ins Dorf, dessen bunte Häuser samt Hippie-Läden mich schon zuvor beim Aussteigen aus dem Bus neugierig auf mehr gemacht haben. Zum Einkaufen, Frühstücken, Wandertouren ausmachen. Es sollte wieder anders, viel besser nämlich, kommen! „Bist du Andrea?“, versuche ich mein Glück, als zeitgleich mit mir eine Frau die Stufen von Zeus anderen Chales hinuntersteigt. Die zierliche Blondine mit Kapperl, Schlabberpants und Boy-T-Shirt schaut zuerst etwas verblüfft, stottert ein paar Worte in Portugiesisch und grinst mich schließlich an: Tatsächlich, Zeu hat sich nicht geirrt! „In den Chales wohnt noch eine andere Österreicherin namens Andrea“, hat er mir auf der Fahrt zum Häuschen verraten. Ich habe an ihm gezweifelt! Österreicher!? Zwei an einem Ort?! Er wird sicher Australier meinen!? Doch nein, die gebürtige Oberösterreicherin ist wirklich seit zwei Wochen in Capão und wird gleich von mir zum Frühstück verschleppt. Bei Sucos, den großartigen frisch gepressten Fruchtsäften, die – wie in Kolumbien und Ecuador – auch hier in Brasilien auf meinem täglichen Speiseplan stehen, erzählen wir uns unsere Lebens- und vor allem Reisegeschichten. Zum vierten Mal ist die Lebens- und Sozialberaterin bereits in Brazil, zum zweiten Mal in Capão – und bei Zeu. „Es ist der beste Ort um aufzutanken“, meint sie – und ich spüre schon jetzt, dass sie damit auch für mich den Nagel auf den Kopf trifft.

Vogelgezwitscher unterhält uns beim Frühstück. Foto: Doris
Vogelgezwitscher unterhält uns beim Frühstück. Foto: Doris

„Woher aus Österreich seid ihr denn?“, kommt vom Nachbartisch eine männliche Stimme, „ich bin der Bernhard aus Niederösterreich.“ Langsam wird mir klar: Wundern darf ich mich hier in Capao über gar nichts. Tatsächlich sitzt neben uns ein weiterer Landsmann, ein junger Biobauer aus Hollabrunn, der jedes Jahr von Dezember bis März auf Reisen geht – und dafür vom Rest der Bauernbevölkerung für verrückt erklärt wird. „Dabei ist im Winter nichts am Hof zu tun“, meint er, der mit seinem kurzrasierten Kopf, von dem zwei kleine Dreads stehen, weniger auf ein Kartoffelfeld als hier in die backpackende Alternativ-Szene passt.

Immer wieder begegnen mir wunderschöne Wesen wie dieses. Foto: Doris
Immer wieder finden wundervolle Begegnungen statt. Foto: Doris

Ein reisender Bauer, drei Österreicher an einem Ort mitten in Brasilien… spätestens jetzt erinnere ich mich an Zeus Worte, die mir wie ein Versprechen scheinen: „Capão ist ein magischer Ort, hier ist alles im Fluss.“ Ich soll diese Wahrheit in den nächsten vier Tagen, die ich vor allem mit ausgedehnten Wandertouren in der Umgebung verbracht habe, noch öfters erfahren.

Immer wieder solche Ausblicke beim Wandern. Foto: Doris
Immer wieder solche Ausblicke beim Wandern. Foto: Doris
Der Blick auf den Morrao. Foto: Doris
Der Blick auf den Morrao. Foto: Doris
Wandergefährten beim Wasserfall Fumaca. Foto: Doris
Wandergefährten beim Wasserfall Fumaca. Foto: Doris

Zum Beispiel auch an meinem letzten Abend! „Wisst Ihr, wann die Vorstellung beginnt?“ Die Frage einer Amerikanerin, die sich an unseren Tisch gesellt, löst bei Andrea, unseren beiden polnischen Bekannten und mir mittlerweile nur noch Lachen aus. Seit drei Stunden sitzen wir bei Bier und hausgemachten Kuchen auf den selten unbequemen Steinstühlen im Freien. Und warten! Zwei Tage zuvor hat mir Andrea „ihr“ Capão gezeigt, in dem sie vor sechs Jahren zwei Monate gelebt und gearbeitet hat. Ein Schild hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen: „Zirkus“ steht darauf geschrieben. Wie, Capão hat einen eigenen Zirkus? Tatsächlich wird im kleinen Dorf, das aus sage- und schreibe drei Straßen besteht und noch immer keine Handymasten (dafür aber ein paar Internet-Cafés) aufgestellt hat, seit 16 Jahren ein Zirkus betrieben. Und wie es der Zufall (der Fluss?) will, findet eben heute – an diesem Samstag – dort eine Veranstaltung statt. Es ist das 8. Treffen einer Künstlergruppe, so kann Andrea dank ihres guten Portugiesisch herausfinden. Beginn: 18.00 Uhr.

Den Zirkus gibt es schon seit Jahren in Capao. Foto: Doris
Den Zirkus gibt es schon seit Jahren in Capao. Foto: Doris

Inzwischen ist es 21.00 Uhr, das rote Zirkuszelt ist beleuchtet, Leute kommen und gehen wieder … allein die Vorstellung hat noch nicht begonnen. „Sie warten, bis genug Publikum da ist“, hat eine der beiden Polinnen erfahren. Macht (brasilianischen) Sinn, den übrigens unser Co-Österreicher Bernhard bereits begriffen hat: Kaum taucht er um 21.15 Uhr auf, kommen auch schon Clowns aus dem Zelt und trommeln die Menschen zusammen. Es geht los, es geht los! Das Warten hat sich gelohnt, nicht nur wegen der großartigen Gesellschaft. Die Vorstellung treibt uns die Lachtränen in die Augen, lässt uns staunen, die Zeit wie im Flug vergehen. Italienische und argentinische (Gast-)Akrobaten wechseln sich mit einheimischen brasilianischen Musik-Gruppen ab, Clowns heizen dem Publikum mit portugiesischen Witzen und international verständlichem Slapstick ein. Vier Stunden lang, schließlich leben in und rund um Capão viele Künstler – und die können gar nicht aufhören zu performen und so dieser Gegend ihre Liebe sowie Dankbarkeit zu zeigen.

Er hat uns besonders beeindruckt. Foto: Doris
Er hat uns besonders beeindruckt. Foto: Doris
Zirkus-Akrobatik vom Feinsten. Foto: Doris
Zirkus-Akrobatik vom Feinsten. Foto: Doris
Eine Chilenin spielt Clown - und Akkordeon. Beides gut. Foto: Doris
Eine Chilenin spielt Clown – und Akkordeon. Beides gut. Foto: Doris
Die Bühne quillt über: Jeder ist ein Künstler! Foto: Doris
Die Bühne quillt über: Jeder ist ein Künstler! Foto: Doris

Ich kann sie verstehen. Auch ich ertappe mich in den vier Tagen immer wieder dabei, einfach nur dankbar zu sein – für die Auszeit, für die Leichtigkeit, für die Freundschaften, für die Energie an diesem Ort und dafür, wieder einmal zu erkennen, dass alles Sinn macht und so geschieht, wie es kommen soll.. „Normalerweise spreche ich niemanden auf der Straße wegen eines Zimmers an“, meint Zeu am letzten Tag beim Abschied, „du warst mein erstes Mal.“ Allein dafür wäre ich ihm am liebsten um den Hals gefallen, meinem göttlichen Retter!

Gleich am ersten Tag (und ausgerüstet) geht es zum Rio Preta, dem schwarzen Fluss. Foto: Andrea
Danke, dass ich da sein durfte! Foto: Andrea

Ein Chale von Zeu kannst auch du mieten: Kosten für eine Person für ein ganzes Häuschen 40 Reais!

Chales de Zeu - meine absolute Unterkunfts-Empfehlung in Capao. Foto: Doris
Chales de Zeu – meine absolute Unterkunfts-Empfehlung in Capao. Foto: Doris

 

Tages-Wandertouren, die ich gemacht habe und somit empfehlen kann:

  • 3 Stunden von Capão nach Aguas Claras
  • Kurze Tour (ca. 1 Stunde) von Capão nach Rio und Cachoeira Preta
  • 2,5 Stunden Wanderung nach Cachoeira da Fumaca
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Von einer, die auszog, um mit Delphinen zu schwimmen

Es ist fünf Uhr morgens, und ich höre ihn. Den Ruf der Delphine. Auch wenn sich der für andere vermutlich wie das Klingeln des Weckers anhört, für mich ist es eindeutig: Es…

Es ist fünf Uhr morgens, und ich höre ihn. Den Ruf der Delphine. Auch wenn sich der für andere vermutlich wie das Klingeln des Weckers anhört, für mich ist es eindeutig: Es sind die Delphine, die mich aus dem Schlaf locken.

Seitdem ich denken kann, üben sie eine Faszination auf mich aus. Warum, weiß ich nicht. Ich bin nicht sonderlich tierlieb, bekomme beim Anblick von Hund oder Katz keine feuchten Augen – aber Delphine haben es mir angetan. Vielleicht habe ich irgendwann eine Überdosis „Flipper“ abbekommen? Was für andere Kamele oder Bären sind, sind für mich diese schönen Meeres-Wesen. Seit meinen ersten Reisen begleiten sie mich, oder vielmehr der Gedanke, Delphine einmal hautnah zu erleben und mit ihnen im Meer zu schwimmen. Bisher ist es mir nicht vergönnt gewesen: Weder vor zehn Jahren bei der Fahrt nach Kangaroo Island in Australien. Noch auf Teneriffa. Noch nicht mal bei der Fahrt über den Ganges. Alles Spots mit „100%iger Delphin-Garantie“. Tja, ich müsste wohl mal irgendwo reklamieren gehen …

So ein ganz normaler Strand in Brasilien. Foto: Doris
Delphin-Spotting in Brasilien. Foto: Doris

Und jetzt bin ich wieder an einem Ort, wo „man garantiert mit Delphinen schwimmen kann“, das sagt nicht nur der Lonely Planet über Praia de Pipa. „Willkommen Doris“, wenn man schon so von seiner „Gastmutter“ begrüßt wird (anders kann ich die Besitzerin der Pousada Xama, in die ich mich einquartiert habe, nicht bezeichnen), kann man sich nur wohlfühlen. Keine fünf Minuten vergehen, hat sie mir nicht nur gesagt, dass ausgerechnet heute – genauer gesagt in einer halben Stunde – das „Ereignis des Jahres“ – nämlich die Entlassung der frisch geschlüpften Baby-Schildkröten von Projeto Tamar ins Meer – stattfindet, sondern morgen gegen 16.00 Uhr auch ein perfekter Zeitpunkt ist, um mit den Delphinen zu schwimmen. Perfekt deshalb, weil nur zu den zweimal täglichen Ebbe-Zeiten der Strand Mirante dos Golphinos überhaupt zugänglich ist. Und noch perfekter, weil für morgen kühles, wechselhaftes Wetter angesagt ist. Das hat wiederum kaltes Wasser zufolge – und das lieben die Delphine.
Ich bin nervös…

In diesen geschützten Bereichen liegen die Nester der Schildkröten vergraben. Foto: Doris
In diesen geschützten Bereichen liegen die Nester der Schildkröten vergraben. Foto: Doris
Freiheit! Die Kleinen werden zum Meer entlassen … Foto: Doris
Freiheit! Die Kleinen werden zum Meer entlassen … Foto: Doris
Wer wohl aufgeregter war: Die Helfer, die Zuschauer oder doch die kleinen Schildkröten? Foto: Doris
Wer wohl aufgeregter war: Die Helfer, die Zuschauer oder doch die kleinen Schildkröten? Foto: Doris

Einige Stunden später weiß ich: Mit den Baby-Schildkröten hatte sie recht! Es war zwar nicht das „Ereignis des Jahres“, schließlich findet es von Dezember bis März regelmäßig statt, aber beeindruckend war es allemal, die kleinen gepanzerten Wesen ins Wasser zu begleiten.

Rausfahren mit dem (Paddel)Boot, um näher an die Delfine ranzukommen?! Angeblich nicht notwendig… mh.. Foto: Doris
Rausfahren mit dem Kajak oder den Motorboot, um näher an die Delfine ranzukommen?! Angeblich nicht notwendig, vor allem aber störend für die Tiere. Foto: Doris

Mit den Delphinen lag sie leider weniger richtig, soviel steht bei Anbruch der Dämmerung fest. Die haben sich nicht gezeigt (genauso wenig wie die Österreicherin namens Verena, die hier laut TripAdvisor Massagen gibt). Noch nicht – ich bin ja noch einige Tage hier in Praia de Pipa.

Auch wenn man keine Delfine erspäht, schön ist es hier allemal. Foto: Doris
Auch wenn man keine Delfine erspäht, schön ist es hier allemal. Foto: Doris

Neuer Tag, neues Glück?! Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich der Delphine wegen früh aus dem Bett springe. Okay, vielleicht nicht springe…

„Ich wecke Euch gegen 4:00 Uhr auf“, hatte uns unser CouchSurfing-Host Jonathon vor drei Jahren auf Big Island nicht nur angekündigt, sondern diese Drohung auch wahr gemacht. Schließlich war es ja für einen „guten Zweck“: Er wollte uns den besten Spot zeigen, um mit Delphinen zu schwimmen – den Two-Step-Beach nahe der Kealakekua Bucht. Und er musste es wissen, war der Regisseur und Filmschaffende doch noch besessener von Delphinen als ich.  Eine ganze Dokumentation, „Na Nai’a. Legend of the Dolpins“, widmete er den schönen Meeressäugern – und als er mir damals die Leute aufzählte, die den Delphinen ihre Synchronstimmen geliehen hatten, blieb mir fast die Suppe im Hals stecken: Kate Winslet, Ellen Page, Gerard Butler, Megan Fox, Whoopie Goldberg, Julian Lennon, Isabella Rosselini, James Franko, Darryl Hannah ‒ wer war denn da bitte nicht dabei? Leider waren die Stars das Aufregendste an dem Film, den wir damals in einer Art „Preview“ in seinem Wohnzimmer sehen durften und an dessen Einzelheiten ich mich kaum noch erinnern kann. Dass unsere Mission damals aber leider nicht von Erfolg gekrönt war, das weiß ich noch all zu gut. Wir warteten, warteten, warteten – nur die Delphine ließen sich nicht blicken.

Morgenstimmung am Strand. Foto: Doris
Morgenstimmung am Strand. Foto: Doris
Da draußen in der Ferne sieht man angeblich Delphine. Foto: Doris
Da draußen in der Ferne sieht man angeblich Delphine. Foto: Doris

Genauso wie heute. „Zu dieser Jahreszeit ist das Wasser zu seicht, da bleiben sie weit draußen“, klärt mich ein Standbetreiber auf, vorausgesetzt, ich habe sein Portugiesisch richtig verstanden, „da braucht man viel Geduld, um sie zu erspähen.“ Es ist eindeutig: Die Idee vom Schwimmen mit den Delphinen kann ich für dieses Mal an den Nagel hängen. Bin ich enttäuscht? Keine Frage. Aber die Traurigkeit hält nicht allzu lang an: Wer könnte bei einem Morgenspaziergang am Strand schon die Schultern hängen lassen? Und außerdem … am Spruch von der Hoffnung, die zuletzt stirbt, an dem ist schon etwas Wahres dran …

Das ist und bleibt der einzige Delphin, den ich hier sehen werde. Foto: Doris
Das ist und bleibt der einzige Delphin, den ich hier sehen werde. Foto: Doris

Tipps, um nach Praia de Pipa zu kommen: 

Von Natal aus gibt es regelmäßig Busse (Fahrt: Ca. 1 Stunde), von Recife muss man mit dem Bus der Company Progresso bis Goianinha fahren (ca. 4 Stunden, nicht 3 Stunden lt. Internet). Dort warten Taxis, die nach Praia de Pipa bringen. Wir haben uns zu dritt eines für 40 Reais geleistet. Der Bus, der angeblich auch kommt, kostet pro Person um die 10 Reais. Normalerweise lädt einen der Taxifahrer im Ortszentrum ab – wer nett fragt, wird – wie ich – vielleicht bis zur Unterkunft gebracht. 

Ein Shuttle-Van fährt alle paar Minuten durch Praia de Pipa von einem Ende nahe Pousada Xama bis zu Praia do Madeira, wo z.B. die Schildkröten ins Meer gelassen werden. Kosten: 2 Reais. 

Pousada Xama: 
Liegt etwa 8 Gehminuten vom Ortszentrum entfernt, etwa 3 Gehminuten sind es zum Praia do Amor. Die Pousada ist im Lonely Planet gleich als 1. Empfehlung gelistet, hat aber (dennoch) nichts an ihrem Charme und ihrer Ruhe verloren.
Kosten: ab 70 Reais (inkl. großartigem Frühstück) für ein Doppelzimmer. 

Mein kleines Reich hier in Praia da Pipa. Foto: Doris
Mein kleines Reich hier in der Pousada Xama in Praia de Pipa. Foto: Doris

Pousada Xama ist die fünf Tage hier in Praia da Pipa ein echtes Zuhause. Foto: Doris

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Eine Nacht in der Favela – ein Experiment

Wie durch Zahnstocher hochgezurrt stieren meine Augen an die Decke. Nicht ich starre, ich werde gestarrt. Denken kann ich schon lange nicht mehr, ich bin einfach nur müde. Alles an mir sehnt…

Wie durch Zahnstocher hochgezurrt stieren meine Augen an die Decke. Nicht ich starre, ich werde gestarrt. Denken kann ich schon lange nicht mehr, ich bin einfach nur müde. Alles an mir sehnt sich nach Schlaf, nach Erholung. Etwa dreißig Minuten lang habe ich es geschafft, doch jetzt liege ich bereits seit gefühlten Stunden hier – und jeder Versuch, endlich in die Ruhe zu fliehen, scheitert. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: Meine Erschöpfung oder das Gefühl der Enttäuschung, die mit den Tränen hoch schwappt.

Von unten dringt Grölen und Lachen: Lautstark werden in gebrochenem Englisch Reisepläne ausposaunt. Aus britischen Antwortfetzen höre ich Partygeschichten von Rios Karneval. Es ist 2 Uhr morgens, verdammt, ich will einfach nur schlafen! Ich bin zu müde, um es nach unten zu schreien. Wozu auch, hat ja die letzten fünf Stunden nichts gebracht. Schweiß tropft mir von der Stirn. Ich mache mir gar nicht die Mühe, ihn mir abzuwischen: Es gibt keine Klimaanlage, keinen Ventilator im Gemeinschaftsraum des Hostels, auf dessen abgewetzter Plastik(?)-Couch ich hier liege. Nicht freiwillig. Oder doch?

Willkommen in Babilonia! Willkommen im Chill and Surf!

„Es ist alles voll. Ich kann dir nur noch die Couch oder die Hängematte zum Übernachten geben.“ Zuerst halte ich die Worte von Matthias für einen Witz, einen sehr schlechten. Ich war doch extra zwei Tage früher nach Rio de Janeiro zurückgereist, um in seiner Herberge „Chill and Surf“ zu schlafen – und darüber zu berichten. Schließlich ist es nicht irgendeine Unterkunft: „Ich habe einen Österreicher getroffen, der in einer Favela in Rio ein Hostel betreibt“, so hat sich mein Arbeitskollege vor meiner Abreise nach Brasilien bei mir verabschiedet, „willst du den Kontakt?“ Klar konnte ich da nicht widerstehen. Ein Österreicher. Ein Hostel. In einer Favela. In Brasilien. Die Kombination klang einfach zu interessant. Als ich dann noch bei Recherchen entdeckte, dass das Hostel-Gebäude von Star-Architekten Niemeyer erbaut wurde, war es komplett um mich geschehen. Das muss ich mir anschauen! Vor allem aber will ich mit österreichischen Betreiber, Matthias, sprechen.

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Wie hast du das Haus vor rund dreizehn Jahren überhaupt entdeckt? Wie bist du auf die Idee gekommen, in der Favela Babilonia ein Hostel zu starten? Arbeitest du mit den Bewohnern der Favela zusammen? Und wie findest du es, dass jetzt die Siedlungen, die früher der Inbegriff von Gewalt, Chaos, grenzenloser Armut und Drogenkriegen waren, immer häufiger Eingang in Reiseführer finden? Die Fragen türmen sich in meinem Kopf – auf die Antworten muss ich aber bis zum Ende meiner Reise warten. Erst dann ist Matthias wieder in Rio. 

Dann solle ich doch einfach ins Hostel kommen – und ja, auch dort zu übernachten wäre kein Problem. Kostenlos, wenn Platz ist. Das alles wird mir Stück für Stück durch Matthias‘ Bruder Phil, der in Portugal ein Hostel betreibt, per E-Mail ans Herz gelegt. Ich tue es und werfe meine Entscheidung über Bord, den Favela-Tourismus nicht zu unterstützen. Weil ich Sensations- und Katastrophen-Tourismus nicht mag. Weil ich nicht weiß, ob die Armut der Leute dadurch geringer wird. Weil ohnehin jeder, der nach Rio de Janeiro reist, automatisch mit den Favelas konfrontiert wird, den Armenbezirken, die die Hügeln über der Stadt besiedeln und somit für jeden sichtbar über dem Tal hängen.

Die Straße führt nach Babylonia. Foto: Doris
Die Straße führt in die Favela – nach Babilonia.

Die Zugänge zu den Favelas sind oft nahtlos, aber eindeutig spürbar – das stelle ich fest, als mich das Taxi hoch zum „Chill and Surf Hostel“ bringt: Da stehen in der Straße Nossa Senhora de Copacabana in jenem gleichnamigen Wohnbezirk schicke Häuser mit gepflegten Grünflächen hinter Stahlzäunen; während in der Nebenstraße die Häuser einfach, ihre Wände mit Graffiti beschmiert und die steilen Wege teils mit holprigem Beton ausgebessert sind. Arm ja, aber gefährlich? Nein, gefährlich scheint die Favela Babilonia nicht zu sein. Sie gehört schon lange zu den „befriedeten“ Favelas, jenen Siedlungen also, aus denen die Gewalt, die Drogen, das Chaos verbannt und in denen die „Ordnung“ durch Polizei-Stationen kontrolliert wurde.

Herzlich werde ich hier aber dennoch nicht willkommen geheißen. „Couch oder Hängematte“ – so lautet die Entscheidungsfrage. Matthias ist zwar glücklich darüber, dass ich über ihn schreiben will, möchte mich auch gern morgen durch die Favela führen – ein Bett hat er aber dennoch nicht für mich. Nicht einmal im Dorm. Ich darf auf der Couch im Gemeinschaftsraum schlafen, 40 Reais pro Nacht zahlen und – wenn niemand anderer kommt, der die zu Karneval verlangten 140 Reais für ein Dorm-Bett zahlt – vielleicht doch in einem der freien Betten schlafen. Ich bin völlig überrumpelt, mir versagen die Worte. Und ich bin müde: Gestern Nacht bei der Busfahrt habe ich kaum ein Auge zugemacht, ich will einfach nur ins Bett. Wenn es sein muss, auch auf die Couch.

„Das Management hier hat die letzten drei Jahre das Hostel schlecht gewirtschaftet“, erklärt mir später der französische Freund von Matthias, der mit Ringen unter den Augen mehr schlecht als recht Herr der Lage ist. Er wird die Couch mit mir teilen, meinte er, wie schon die letzten zwei Wochen. Zum Schlafen komme er ohnehin nicht viel, schließlich seien er und Matthias nur hierher gekommen, um das Hostel wieder zur Nummer eins in Babilonia zu machen. Koste es, was es wolle – meint er noch und zeigt mir sehnsüchtig Bilder von seinem Zuhause, dem Beach-Hostel in Kolumbien, wo Matthias und er normalerweise leben sowie arbeitet.  Ich merke, wie mir das Denken einen Streich spielt… Bett, Bett, Bett ist alles, was ich noch in meine Gehirnwindungen bringe. Morgen ist auch noch ein Tag.

Ein Morgen gibt es hier für mich nicht! Nach vier Stunden Quälerei auf der Plastik-Couch, in einem Hostel, das keine Ruhephasen kennt und dessen Besitzer sich offenbar nicht für seine Gäste interessiert, ist mir das klar. „Ich brauche ein Bett für die nächsten Nächte“, schicke ich ein Verzweiflungs-Email (immerhin, das WiFi funktioniert!) an Fabio, einen Bekannten aus Rio. Es ist Karneval! Wie aussichtslos die Situation ist, ist mir bewusst. Und doch bekomme ich keine fünf Minuten später ein Mail: „Ich habe etwas für dich.“ Was, das ist mir egal. Es kann nur besser sein als die Situation im „Chill and Surf“. Und schreiben möchte ich über das Favela-Hostel ohnehin nicht mehr, schade über die vertane Chance!

Zwei Stunden später liege ich in einem herrlichen, frisch gemachten, sauberen Bett im Botanic Hostel. Es gehört einem Bekannten von Fabio, hat vor drei Wochen aufgesperrt, ist auf Nachhaltigkeit ausgelegt und alle sind rundum bemüht, die Gäste zu versorgen – kurz, es ist perfekt! Besser, als ich es mir wünschen konnte.

Und die Moral von der Geschichte? War diese Begegnung eine Lektion in Sachen Grenzen? Oder war es eine Lernerfahrung in Sachen Scheitern? Sollte ich erfahren, dass ich für Geschichten doch nicht über Leichen gehe – schon gar nicht über meine eigene? „Dass ein Österreicher sich so respektlos einer Landfrau gegenüber verhält, versteh ich nicht. Aber du hast unglaubliches Glück“, kommentiert Fabio das Erlebte bei einem Abendessen, „du bist zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“

„Es zeigt die Gier der Menschen, die alles zerstört“, kommentiert mein Freund Matthias (nein, nicht der Hostel-Betreiber, ein anderer) eine Woche später in Berlin meine Erfahrung. Ich muss beiden Recht geben. Und beide sagten, ich sollte die Geschichte erzählen – einfach so. Das habe ich jetzt getan. Die Moral, die kenne ich aber bis heute nicht – vielleicht muss ich das ja auch gar nicht. Ich weiß nur, mein Experiment Favela-Nacht werde ich wohl so schnell nicht vergessen!

 

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